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NATURSCHUTZ VON OBEN

Internationale Schutzgebiete - moderner Kolonialismus


1. Natur schützen, Menschen vertreiben?
2. Zitate: Forderungen für eine hierarchische (Öko-)Welt
3. Der Traum von Institutionen voller Macht
4. Internationale Schutzgebiete - moderner Kolonialismus
5. Ökoimperialismus: Umwelt dient Machtausbau
6. Weltordnungs- und Entwicklungspolitik
7. Links und Leseempfehlungen

Der folgende Text stammt von Martina Backes aus der Zeitschrift iz3w, April 2005 (S. 284 ff.)

Auf Safari gegen die Armut
(Post-) Koloniales Umweltbewusstsein in der ökotouristischen Naturparkpolitik
Große Teile Afrikas wurden im Namen der Weltgemeinschaft zu Naturschutzgebieten erklärt. Zu ihrer Finanzierung wird oft auf die Einnahmen aus dem Natur- und Ökotourismus gesetzt. Für die BewohnerInnen der betroffenen Regionen bleiben oft nur schlecht bezahlte Jobs, manchmal droht ihnen gar eine Umsiedlung. So installiert sich ein postkoloniales Regime, das direkt am kolonialen Naturschutzgedanken anschließt.
Die Organisation Refugee Intemotional meldete im November 2004, im südäthiopischen Nationalpark Nechasar seien 2.000 Familien gezwungen worden, ihr Land zu verlassen. Sie sollten der "Entwicklung" des Parks durch die African Parks Foundation, einer niederländischen Naturschutzstiftung, "Platz machen". Betroffen sind rund zehntausend Menschen, die jeweils zur Hälfte von der Landwirtschaft und als Viehhirten lebten. Im April 2004 hatte Äthiopien einen Vertrag mit der African Parks Foundation unterzeichnet, in dem ihr die Konzession für das Management des Parks übertragen wurde. Das Interesse der Stiftung gilt insbesondere dem ökotouristischen Potenzial des bereits 1962 eingerichteten Naturparks. Schon in den vergangenen Jahren hatte die Stiftung Konzessionen für insgesamt vier Parks in Sambia, Malawi und Südafrika erhalten.
Das Beispiel Nechasar steht nicht allein für die Entwicklung, dass sozial schwache Gemeinden ihre Landrechte und Verfügungsrechte über die Naturressourcen gegenüber der eigenen Regierung und den finanzkräftigen, meist ausländischen Investoren kaum mehr durchsetzen können. Die Debatte über Natur- und Ökotourismus hat überall in Afrika in einem bislang nicht gekannten Ausmaß zu einem privatwirtschaftlichen Zugriff auf oftmals schon in der Kolonialzeit eingerichtete Naturreservate geführt. Hinter der Kommerzialisierung des Parkmanagements steht die Naturschutz-Lobby mit ihren ökotouristischen Konzepten. Aufgrund leerer Staatskassen in afrikanischen Ländern wird dieser Prozess von entwicklungspolitischer Seite noch forciert.
Gerade in Südafrika und Namibia nehmen die privaten und nicht staatlich gemanagten Wildtierfarmen zu. Die Vergabe von Konzessionen für direkte touristische und natur schützerische Dienstleistungen an finanzkräftige Unternehmen sollen nun auch die staatlichen Naturparks modernisieren. So werden in den Nationalparks Südafrikas touristische Versorgungsdienstleistungen wie Unterkunft, Bau von Hotels, Restaurants, aber auch das Wildtiermanagement und die Instandhaltung der Parkgrenzen an private Betreiber vergeben. Die staatliche Behörde SANParks intensiviert seit geraumer Zeit die Konzessionierung ganzer Nationalparks oder deren In frastruktur: derzeit sind zwölf kommerzielle Konzessionen auf 20 bis 35 Jahre vergeben.
Die Marakele Ltd. Management Compony ist in Südafrika beispielsweise für die Parkgrenzen, die Einführung von neuem Wildbestand und deren Rehabilitation zuständig. Über die Konditionen der Konzessionsvergabe wurden keine öffentlichen Debatten geführt (t.i.m. team 2004). Doch je mehr Bereiche von der kommunalen Ebene in private Hände übergeben werden, desto geringer wird die Entscheidungsmacht der lokalen Gemeinden über die Naturressourcen. Für die ausländischen Investoren ist hingegen ihre Konkurrenzfähigkeit am internationalen Markt entscheidend. So verteuerte die Vergabe von Konzessionen zur Bewirtschaftung der Parks die Übernachtungen, die nunmehr das Luxus segment der klassischen Safaritouren bedienen, das sich viele südafrikanische Urlauber schlicht nicht leisten können.
Der Marakele Park, für den nun ausschließlich die Marakele Ltd. (in persona des Großunternehmers Paul Vlissingen) zuständig ist, besteht aus dem ursprünglichen Park in den Waterberg Mountain, dem Welgevon den Private Game Reserve und dem privaten Marakele Contractual Park. Darüber hinaus kaufte Vlissingen Farmen für den doppelten Preis des Marktwertes, um das Land dann zu einem privaten Wildtierpark zu erklären. Der Großunternehmer äußerte sich der Presse gegenüber gutherzig: "Ich wollte Afrika etwas zurückgeben. Ich wollte etwas Gutes für die Erde und für die Bevölkerung tun." Die Bevölkerung hatte schlicht nicht die finanziellen Mittel, das Farmland aufzukaufen. Nun liegen die Rechte an dem veräußerten Land ausschließlich beim Käufer. Ein Rückkauf seitens des Staates ist rechtlich nur möglich, wenn der überhöhte Preis plus Inflation gezahlt wird.

Wa(h)re WildniskulturDiese jüngsten Entwicklungen stehen in Kontrast zu den Versprechungen der neuen Tourismuskonzepte, die regional und auf Gemeindeebene eine "Armutsbekämpfung durch Tourismus" zu realisieren geloben. Das von der Welttourismusorganisation (WTO) im Jahr 2004 lancierte Sustoinabie Tourism - Eii mination of Poverty Programm (ST-EP) etwa greift damit die Kritik an der bisherigen Tou rismusförderung auf. Tourismuskritische und entwicklungspolitische NG0s in Süd und Nord hatten immer wieder bemängelt, dass der behauptete trickle-down-Effekt des Tourismus zugunsten ärmerer Bevölkerungsschichten ausblieb. Das zu ändern, hat sich die WTO nun zu Herzen genommen. Die direkte Ein bindung der Gemeinden in die touristische Entwicklung soll gerade auch der ärmeren Bevölkerung Einkommen garantieren.
Die soziale Blindheit, die viele AktivistInnen den Naturschutzverbänden und ihrem Fokus auf Ökotourismus vorhielten, scheint damit nun zum Hauptgegenstand der Debatte um Tourismusförderung zu werden. Doch während sich in der tourismuspolitischen Rhetorik das Konzept des community based tourism als sozioökonomisches Rezept gegen die Armut dem "Ökotourismus als Instrument zur Finanzierung von Naturschutz" beigesellt, nimmt zugleich die Kommerzialisierung der Naturressourcen neue Ausmaße an. Und die versprochene Teilnahme und -habe der Bevölkerung bleibt in der Praxis weitgehend Wunschtraum. Diese Diskrepanz zwischen Rhetorik und Realität ist jedoch nur auf den ersten Blick widersprüchlich. Sie ist im wesentlichen das Ergebnis einer Legitimationskrise und doppelten Transformation des Naturschutzes.
Da ist zum einen der altbekannte Zwang zur Ökonomisierung der Ökologie: Nur wenn sich der Schutz der Natur langfristig auszahle, sei er realisierbar. Die Finanzierung von Naturschutz durch Tourismus, etwa des Schutzgebietsmanagements durch die Eintrittsgelder, erscheint aufgrund der maroden Staatshaushalte der einzig gangbare Weg. Die Regierungen der Entwicklungsländer, die im Rahmen der Konvention für die Biologische Vielfalt (CBD) als Souveräne der Biodiversität anerkannt wurden, wollen ihre reichhaltige Natur nicht länger als Gut ohne Marktwert einer unkontrollierten Ausbeutung überlassen und plädieren für eine öko touristische Inwertsetzung. Die African Park Foundation sieht ihre Politik daher als Beitrag zur Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber der Biodiversitäts-Konvention.
Zum anderen steht hinter der neuen Naturparkpolitik eine veränderte gesellschaftliche Legitimation des Naturschutzes. Das klassische Naturschutzkonzept geriet seit den 1980er Jahren heftig in die Kritik. Zugleich wurden Armut und Bevölkerungswachstum als Hauptursache von Naturzerstörung definiert. Die Kritik an der Trennung von Natur und Kultur als kolonialistisches und am Naturschutz als ausgrenzen des und somit herrschaftliches Konzept führte dazu, dass Biodiversität nun auch als gesellschaftliche Kategorie betrachtet wurde. Daraufhin etablierte sich im Jargon des internationalen Schutzgebietsmanagements der Begriff der "Pufferzone" - nun war die Rede von einer vorsichtigen Integration traditioneller Landnutzung in die Randgebiete der Naturreservate.
Die Nutzbarmachung indigenen Umweltwissens und traditioneller Bewirtschaftungsmethoden ist inzwischen Programm. Kein Masterplan der afrikanischen Behörden lässt die Vokabeln "community conservation" und "people-park-relation" missen. Auffallend oft setzen auch die entwicklungspolitischen Akteure auf diesen humanistisch-moralischen Toleranz-und-Dialog-Diskurs. In ihren aktuellen tourismuspolitischen Debatten sind die interkulturelle Verständigung mit und die nachhaltige Entwicklung der,Indigenen' sowie der Schutz und Erhalt der,Vielfalt der Kulturen' zentrale Denkfiguren.
In dieser aktuellen Debatte um sozialverantwortlichen Tourismus finden allerdings auch dubiose ethnopluralistische Vorstellungen ihren Platz. Nahezu ungebrochen verteidigen einige Fürsprecher der neuen touristischen Konzepte kulturelle Unterschiede als erhaltenswertes höheres Gut gegen eine diffus imperialistische Zerrüttung, gegen Verwestlichung oder schlicht gegen "Überfremdung". Konservative Naturschutzorganisationen predigen - unterstützt von den einschlägigen UN-Organisationen - mehr denn je den Erhalt von "gewachsener, traditioneller" Kultur. Und auch tourismuskritische NG0s und die großen Entwicklungsagenturen haben in der "zu erhaltenden Kultur und schützenswerten Natur" ihre gemeinsame rhetorische Basis gefunden. Sie alle geraten damit ins Fahrwasser eines statischen, kulturalistischen Regionalismus, der zum einen die Dynamik sozialen und kulturellen Wandels ausblendet und zum anderen ,traditionelle' Gesellschaften idealisiert.

Großwildjäger als Naturschützer
Mit der Umsetzung der neuen entwicklungspolitischen Konzepte zur Tourismusförderung institutionalisiert sich ein postkoloniales Verhältnis, das direkt an die kolonialen Ursprünge des modernen Umweltbewusstseins und der Naturparkpolitik anknüpft. Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Afrika eingerichteten Wildreservate entstanden vielerorts auf Druck der Großwildjäger-Lobby, die ihre Wildressourcen umso mehr gefährdet sahen, je weniger weiße Flecken auf der Landkarte verblieben. Schützenhilfe bekamen sie in Südostafrika von Naturforschern, die gerade aufgrund des Raubbaus in den "Paradiesräumen" ein Bewusstsein für die Endlichkeit der Ressourcen entwickelten.
Während die Kolonialherren der ortsansässigen Bevölkerung selbst in den Dürrejahren Ende des vorletzten Jahrhunderts verboten, für den Eigenbedarf zu jagen, dezimierten sie im südlichen Afrika ganze Wildherden. Der weltweit berühmte Jäger Frederik Selous erlegte allein 548 Tiere in drei Jahren. Jan Viljoen schoss bei einer einzigen Safari 210 Elefanten. Die Londoner Tageszeitung The Times stellte 1900 fest, dass in der Kapkolonie "das Großwild fast zur Gänze zu existieren aufgehört" habe. Josef Thomson berichtete nach einer Expedition an die zentral afrikanischen Seen zwischen 1887 und 1880, dass zwischen der Küste und dem Lake Tanganjika kaum mehr ein Stoßzahn zu finden sei. Die boomende Klavierindustrie war Hauptabnehmerin des Elfenbeins.
Im Jahr 1900 führten die Deutschen in "Deutsch-Ostafrika" eine restriktive Schutzpolitik ein. Die ersten Wildtierreservate waren bereits 1896 errichtet worden Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden zwölf Reservate ausgewiesen. Die einzige erlaubte Aktivität in dem ersten tansanischen Wildreservat, dem Selous Game Reserve, war die Jagd. In den 1930er Jahren wurden hier fast 40.000 Menschen vertrieben und jenseits der Parkgrenze "angesiedelt".
Die koloniale Wahrnehmung der "primitiven" und "unökonomisch" lebenden Viehhirten sowie brandrodender Ackerbauern führte damals dazu, dass Umweltschäden von den deutschen und britischen Kolonialherren im wesentlichen auf das Verhalten der Afrikaner und nicht auf die wesentlich umweltschädlichere kapitalistische Ökonomie der weißen Siedler - seien es Großwildjagd, Industrie, Bergbau, Plantagenwirtschaft oder der Bau von Eisenbahnstrecken - zurückgeführt wurde. Auch die von den Kolonialisten betriebene Schaff ung wildtierfreier Korridore, die gegen die Ausbreitung der Schlafkrankheit angelegt wurden und mit der Tötung Tausender von Wildtieren einherging, fiel aus dieser Wahrnehmung heraus.

Internationalisierung des Naturschutzes
In Südafrika war der praktische Naturschutz von Anbeginn mit der kolonialen Expansion verbunden. Naturschutzgesetze wurden insbesondere unter dem Britischen Empire von der einen Kolonie auf die andere übertragen. Was für Indien galt, schien auch für Südafrika passend, und was in Rhodesien ausprobiert wurde, exportierte man nach Botswana. Insofern kann schon während der Kolonialzeit von einer "Internationalisierung des Naturschutzes" gesprochen werden (Luig 1998).
Anhaltende Dürren hatten in Südafrika Mitte des 19. Jahrhunderts zur Gründung des ersten Waldschutzgebietes (Royal Forest Reserve) geführt. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Xhosa spielten dabei eine entscheidende Rolle, ihnen wurde auf diese Weise der Zugang zu Grund und Boden verwehrt. "Der Gedanke des Ressourcenschutzes diente nach 1870 vor allem der Legitimation, die afrikanische Bevölkerung aus den Waldgebieten zu vertreiben und in Reservaten anzusiedeln. Auf diese Weise wurde der Naturschutz für eine policy of space ond place instrumentalisiert, die entscheidend dazu beitrug, die sozio-ökonomischen Differenzierungen der Kolonialgesellschaft, die auf der ungleichen Verteilung von Ressourcen aufbaute, weiter zu verfestigen." (Luig 1998, S. 130).
Zur Vertreibung der afrikanischen Bevölkerung aus ihren Siedlungsgebieten wurden verschiedene Argumentationsfiguren bemüht: Ein herbeigeredeter wissenschaftlicher Begründungszusammenhang zwischen den Warnungen vor einem globalen Klimawandel und den unangemessenen Methoden der Landnutzung brandrodender Ackerbauern und primitiver Jäger legitimierte die koloniale Naturschutzpolitik. Rhodesien etwa erklärte Matopos, ein Gebiet südlich von Bulawayo, mit eben diesen Argumenten zum Nationalpark.
Auch hier bezog sich, wie in den meisten afrikanischen Naturreservaten, der "Schutz der Natur ( ... ) nicht auf eine gewachsene Wildnis, sondern auf die Erfindung einer Wildnis, die als solche erst kreiert werden mußte" (Luig 1998, S. 137). Die in Wirklichkeit seit über Vierjahrtausenden genutzte Kulturlandschaft wurde als Gegenwelt zu der rund um Bulawayo entstehenden Bergbau- und Industrielandschaft imaginiert und als Freizeitpark in die koloniale Landschaftsordnung integriert. Matopo verkörperte somit die europäische Vision des ursprünglichen Afrika.

Afrikaner als Naturinventar
Das heutige Naturverständnis der Regierungen in den südostafrikanischen Ländern unterscheidet sich kaum vom Naturbegriff derfrühen kolonialen Naturpolitik. Und auch die aktuellen Konflikte zwischen lokalen Bevölkerungen und den nationalen Regierungen rund um eine Reihe von Nationalparks zeigen historische Kontinuität. "Gegenwärtig sind Afrikaner ebenfalls nur am Rande der Parks zugelassen, und obgleich sie nicht mehr die romantische Tradition des Ursprünglichen verkörpern, entsprechen ihre Rollen als VerkäuferInnen von lokalem Handwerk dennoch weitgehend diesen Vorstellungen" (Luig, S. 141).
Obwohl die Ursachen für Naturzerstörung heute sehr vielfältig sind, wird in aktuellen Naturschutzdebatten vorwiegend die arme Landbevölkerung als Verursacher identifiziert - ob im Rahmen entwicklungspolitischer Nachhaltigkeitsdiskurse (ohne Armutsbekämpfung kein Ressourcenschutz) oder von den postkolonialen Regierungen, die sich im Dienste des globalen Ressourcenmanagements sehen. Dass der primär armen lokalen Bevölkerung indirekt die Schuld an der Zerstörung der Savannen gegeben wird, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ökologie-Debatte. Die ebenso häufig vertretene These von den indigenen Völkern als ,Hüter der Natur', die ihnen eine besondere Bedeutung bei der Wiederherstellung des "verloren gegangenen natürlichen Gleichgewichts" oder einervermeintlich urwüchsigen Wildnis zuspricht, steht hierzu nur scheinbar im Widerspruch. Wenn beispielweise die Absätze der UN-Biodiversitätskonvention zum Tourismus ein Bild von den Indigenen zeichnen, als gehörten sie zum natürlichen Ivnentar der zu schützenden Räume, wird die gesellschaftliche und kulturelle Dimension der von ihnen bewohnten Räume negiert. Das Bild des geschichtslosen, archaischen und naturzerstörenden Wilden und die in modernen westlichen Öko-Konzepten erfolgende Verklärung von Indigenen knüpfen an den Topos von den 'edlen Wilden' und den 'Barbaren' an.
Schon für die koloniale Machtpolitik wurde die Argumentationsfigur vom naturharmonisch lebenden Wilden und unwissenden, primitiven Barbaren genutzt. Beispiel Kenia: die dortigen Naturschutzgebiete waren zunächst als Wildschutzgebiete und Reservate für die Maasai gedacht. Diese "Einfriedung" der Maasai war das Resultat der kolonialen Vorstellung, dass sie als Viehhirten nicht jagen und damit zunächst keine Bedrohung für den Wildherdenschutz darstellen würden. Da sie den Handel mit Fleisch verweigerten und die Landwirtschaft ihnen fremd sei, wäre von ihnen keinerlei Beitrag für die koloniale Wirtschaft zu erwarten. Später wurde das gleiche Bild dazu benutzt, die Maasai wieder aus den Wildreservaten zu vertreiben. Die ausschließlich mit der Vermehrung ihrer Kühe beschäf tigten Viehhirten würden mit den Wildtieren um die Ressourcen Wasser und Gras in Konkurrenz treten - fortan galten sie als Konkurrenten zum Jagdtourismus und als Umwelt bedrohung. Von nun an sah das koloniale Programm die Überführung zu einer sesshaften Lebensweise vor (vgl. Collett 1987).
Damals wie heute werden die Bewohner aus der Naturparkpolitik weitgehend ausgeschlossen und die Kontrolle der lokalen Ressourcen von lokalen auf globale Akteure verschoben. Die US-amerikanische staatliche Hilfsorganisation USAID unterstützt ökotouristische Projekte mit der Begründung, sie seien eine "nachhaltige" Alternative zum jagen, Holzfällen und zur Landwirtschaft. So könne "lokale Unterstützung für die Einrichtung von Naturparks gewonnen werden". Ein Nutzen für die AnwohnerInnen wird geschaffen, weil so "potenzieller Widerstand gegen den Schutz von Wäldern und Fischgebieten abgemildert werden kann". Es ist offensichtlich: "Die menschenfreundlich gehaltene Rhetorik, mit der das Thema der 'lokalen Gemeinschaften' und 'Völker' behandelt wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die örtlichen Bewohner( ... ) als ein Problem gesehen werden." (Butcher, 2003)
Das stößt bei den Betroffenen verständ licherweise auf Protest: Im November 2004 beklagten Vertreter indigener Gruppen auf dem IUCN Worid Conservation Congress in Bangkok, die "Big Three" der unter den im Tourismus engagierten Naturschutzorgani sationen (World Wildlife Fund / WWF, Conservation International / CI und The Nature Conservancey /TNC) würden AnwohnerInnen systematisch aus Entscheidungsprozessen ausgrenzen. "Ihre Rhetorik mag sich geändert haben, aber nicht ihre Praxis", meinte ein Aktivist (The Nation, 25.11.2004). Während sie den BewohnerInnen der lokalen Gemeinden Waldzerstörung vorwerfen, "halten CI und WWF einfach ihren Mund, wenn Re gierungen Konzessionen zum Holzeinschlag oder Minenabbau gewähren" (ebd.). Zumindest ist den Naturschutzorganisationen vorzuhalten, dass sie sich mit der Diskrepanz zwischen ihren eigenen sozialen Ansprüchen an den Naturschutz (Partizipation, Armutsbekämpfung u.a.) und der Realität kaum auseinandersetzen. Statt dessen wird der Naturschutz unter die Konkurrenzperspektive neoliberaler Globalisierung gepackt. Gerade auch die Interessenkonflikte vor Ort unter den lokalen Akteuren, die ebenfalls sehr vielfältig sind, geraten in den Strudel ökonomischer Zwänge und vorgedachter Lösungskonzepte, die kaum Gestaltungsspielräume lassen. Die Befürworter des Ökotourismus haben sich bislang kaum mit dem Zusammenhang zwischen der neoliberalen Restrukturierung der Natur (durch Inwertsetzung und Privatisierung) und der Umgestaltung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse vor Ort auseinandergesetzt.

Pufferzone gegen Migration
DieAusweisungimmerneuer"Wildnisgebiete" erschließt der höchst mobilen Touristikbranche neue Zielefür Erlebnis- und Abenteuerreisen. Doch während zahlungskräftige westliche Touristen sich besser denn je in den vormals infrastrukturell oft wenig erschlossen Gebieten bewegen können, wird die regionale Mobilität gezielt behindert. Denn die Einrichtung der Parks geht nicht selten mit der Ausweitung staatlicher Migrationskontrolle einher. So verspricht sich beispielsweise Südafrika durch die Erweiterung des Limpopo-Trans-Frontier-Nationalparks an der Grenze zu Mosambik und Zimbabwe von derzeit 35.000 auf 100.000 kM 2 laut Angaben der Peoce Parks Foundation eine bessere Kontrolle der Arbeitsmigration aus Mosambik.
Ein anderes Beispiel: Die elektrischen Grenzzäune des 1892 eingerichteten Krüger National Park sollten die Wanderung von Großwild ins bürgerkriegsgeplagte Mosambik und damit die Gefahr von Wilderei verhindern. Defacto dienten die Grenzzäune immer auch der Kontrolle der mosambikanischen Guerilla. jetzt werden die Zäune nicht wie angekündigt abgebaut, sondern lediglich in Richtung Mosambik verschoben, bis hinter das angrenzende, aufgrund von Landminen nur dünn besiedelte Gebiet Coutada. Das daraus hervorgehende geplante Großschutzgebiet Gaza-Krüger-Gonarezhou dient laut Survivat International auch der Kontrolle der Migration von MosambikanerInnen in Richtung Südafrika. Sie sind meist auf der Suche nach bezahlter Arbeit. Zwar beinhaltet das Projekt auch den Plan einer touristischen Entwicklung des Parks mit der Hoff nung auf lokale Arbeitsplätze. Für die 12.000 in Coutada lebenden Menschen ist dies aber keine Alternative. In aller Regel bieten die wenigen und oft schlecht bezahlten Jobs als Koch und Touristenguide keine ausreichende Perspektive.

Anmerkung
1 Erste strenge Gesetze zum Schutz der Natur wurden von der englischen und französischen Kolonialregierung auf Mauritius und St. Helena erlassen. Diese auf dem Seeweg nach Indien gelegenen Inseln waren der großen Nachfrage nach Holz und Wasser nicht gewachsen - nach lassende Bodenfruchtbarkeit, Entwaldung und ein erstes Artensterben gelten als die ersten Umweltschäden im Paradies' und als Meilenstein der Entwicklung eines modernen Umweltbe wusstseins (Radkau 2000).

Literatur
Anderson, David/Grove, Richard (Hg.): Conser vation in Africa. People, Politics and Practice. New York 1987
Butcher, ]im: The Moralisation of Tourism. Lon don 2004
Collett, David: Pastoralists and wildlite: image and reality in Kenya Maasailand. In: Anderson/Grove (Elg.) ebd.
Hulme, David/Murphree, Marshall: African Wildlife and Livelihoods. University of Zimbabwe 2001
Luig, Ute: Naturschutz im Widerstreit der Interessen im südlichen Afrika. Bielefeld 1998
Radkau, Joachim: Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt. München 2000
t.i.m. team news, Bangkok 2004
www.afroi.com/articies/1 5102
www.africanparks-conservation.com/
www.refintl.org/content/article/detail/ 47241

Martina Backes ist Mitarbeiterin bei FernWeh - Forum Tourismus & Kritik im iz3w.
  • Artikel zu Elefantenjagd im Krügerpark, FR 14.3.2006 (S. 8)
  • Empfehlenswert: Pedersen, Klaus, "Retten, was zu retten ist - den Profit und die "Natur", in: Junge Welt 18.3.2006 (S. 10 - leider nicht frei online)
  • Mehrere Artikel von Martin Wendler zur naturschutzfinanzierten Trophäenjagd, in: Ökologie&Politik
  • Bericht "Foltern für den Artenschutz?" über Repression gegen Einheimische im Namen vermeintlichen Naturschutzes - mit deutschen Geldern, auf: tagesschau.de am 9.1.1024

Anarchisten für internationale Gebietsaufkäufe (Öko-Imperialismus)
Aus "Utopie - ein Vorschlag" der Utopie-AG/Gewaltfreies Aktionsbündnis Hamburg (1995, S. 15 f.)
Der Ökorat kann auch aus Naturschutzsicht wertvolle Gebiete in anderen Regionen erwerben, wenn er den Eindruck hat, daß diese dort nicht ausrechend geschützt werden (vergleichbar mit der Initiative von Naturschutzgruppen, die heute Teile des Regenwaldes erwerben, um diesen zu schützen).

Schutzgebiete als Vorratssicherung für Bauprojekte
Aus: Nord West Zeitung / Oldenburg (Olbg.), 7.06.2001
Schutzgebiet soll Bau möglich machen
A 26: Bezirksregierung sucht Planungssicherheit im EU-Recht
dpa Lüneburg. Mit der Ausweisung eines EU-Vogelschutzgebietes will die Lüneburger Bezirksregierung den Weg für eine Trasse der Autobahn A 26 ebnen. Die Trasse zwischen Stade und der A 7 wird möglicherweise durch das Rübker Moor nordöstlich von Buxtehude (Kreis Stade) führen. Dort brütet der seltene Wachtelkönig.
Es gehe darum, sich für die Trassenplanung ein möglichst rechtssicheres Gebiet zu schaffen, sagte Regierungspräsidentin Ulrike Wolff-Gebhardt gestern in Lüneburg. Das sei nur möglich, wenn das 1300 Hektar große Feuchtgebiet zum Vogelschutzgebiet nach EU-Recht erklärt werde. Dann könnten nach einer Verträglichkeitsprüfung Ausnahmen in Anspruch genommen werden. Gelte das Gebiet künftig als "faktisches Vogelschutzgebiet", so gäbe es keine rechtliche Möglichkeit, auch nur einen Teil der Trasse hindurch zu führen.


Abhandlungen zu Naturschutz-Imperialismus
Aus einer Mitteilung von Survival International am 8.1.2019
Im Namen des „Naturschutzes“ werden indigene Völker noch immer illegal von ihrem Land vertrieben. Ihnen drohen Festnahmen, Schläge, Folter und Tod. Wir kritisieren, dass große Naturschutzorganisationen wie der WWF sich daran mitschuldig machen Sie arbeiten mit Unternehmen zusammen, die indigene Gebiete stehlen, und an illegalen Vertreibungen beteiligt sind. Sie finanzieren militarisierten Naturschutz, der Verfolgung und außergerichtliche Tötungen zur Folge hat.

Offen sichtbar: Paramilitärische Ökoeinheites des NABU in Kirgisien

Peinlich: Öko-Ranger jetzt in deutschen Ex-Polizeiuniformen - statt POLIZEI steht NABU drauf (aus: Gießener Zeitung, 7.11.2008)

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