Direct-Action

HOFFUNG AUF MEHR DEMOKRATIE: WENN ES NICHT HILFT ... DIE DOSIS ERHÖHEN!

Umfassende Demokratie?


1. Die bürgerliche Elite zu ihrem Liebling "Demokratie"
2. Marx(ist*innen) zur Demokratie
3. Besser wählen ... offizielle Erweiterungen der Demokratie
4. Basisdemokratie
5. Radikaldemokratie
6. Weitere Konzepte zur Demokratisierung der Gesellschaft
7. Rettet die Demokratie
8. Umfassende Demokratie?
9. Links

Die folgenden Auszüge stammen aus dem Buch "Umfassende Demokratie". Dort wird versucht, eine demokratische Form der Entscheidungsfindung zu entwerfen, die dann herrschaftsfrei sein soll.

Rezension (Quelle: Direct-Action-Kalender 2005)
Takis Fotopoulos
Umfassende Demokratie
(2003, Trotzdem in Grafenau, 480 S., 19 Euro)
Die Stärke des Buches ist die Analyse der demokratischen Modelle dieser Welt, der Marktwirtschaft, der globalisierten Welt, des Realsozialismus und autoritärer Staaten. Auch die geschichtlichen Überblicke der Entwicklung der Demokratie bieten kritische Einblicke. Mit den eigenen Entwürfen hat es der Autor dann aber weniger genau - ständig blendet er Probleme aus, die mit der Delegation von Aufgaben permanent entstehen. Sogar Milizen und Gerichte (also auch Strafe usw.) hält er für anarchistisch, wenn die Ausführenden nur direkt-demokratisch bestimmt werden. Ähnlich rosarot ist sein Blick oft auf die historische Demokratie Athens - Fotopoulos ist in Griechenland geboren ...


Im Original: Das Grundlagenprogramm
Zu finden auf Seite 427 ff.
Umfassende Demokratie: Unsere Ziele
a. Die Ursache für die gegenwärtige multidimensionale (politische, wirtschaftliche, soziale, ökologische und kulturelle) Krise ist letztlich in der Konzentration der Macht in den Händen diverser Eliten zu suchen, die ihrerseits das unvermeidliche Resultat der Dynamik der wirtschaftlichen und politischen Organisationsformen ist, die vor gerade erst zwei Jahrhunderten in der westlichen Welt entstanden sind: des Systems der Marktwirtschaft und seines politischen Gegenstücks, der repräsentativen "Demokratie".

b. Die Überwindung der chronischen Krise, die mit der Entstehung dieses Systems begann und sich im Lauf der letzten Jahre mit der Intemationalisierung der Marktwirtschaft verschärft hat, ist daher nicht durch eine Reformierung des Systems möglich, wie es utopischerweise von Anhängern der "Zivilgesellschaft" sowie grünen Parteien und Organisationen behauptet wird, die damit letztlich als Apologeten des Systems fungieren. Die Überwindung der Krise ist nur durch die Schaffung einer neuen Form der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Organisation möglich, welche auf all diesen Ebenen für eine gleichberechtigte Aufteilung der Macht unter den Bürgerinnen und Bürgern sorgt. Insofern ist umfassende Demokratie nicht einfach eine weitere Utopie, sondem eine neue Form der sozialen Organisation, die über die Sicherung einer gleichen Verteilung der Macht auf allen Ebenen die Überwindung der gegenwärtigen multidimensionalen Krise ermöglicht.

c. Umfassende Demokratie stellt die höchste Form der Demokratie dar, weil sie die institutionellen Vorbedingungen für politische (oder direkte) Demokratie, wirtschaftliche Demokratie, Demokratie im sozialen Bereich und ökologische Demokratie etabliert. Auf der subjektiven Ebene gründet sich direkte Demokratie auf die bewusste Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger für Autonomie, und nicht auf Dogmen, Religionen und irrationale Systeme oder abgeschlossene theoretische Lehrgebäude, welche jede Infragestellung der letztlichen Gründe für die jeweiligen Überzeugungen ausschließen. Diese bewusste Entscheidung für Autonomie ist der Grundstein der Demokratie.

d. Politische Demokratie erfordert die Schaffung von Institutionen direkter Demokratie auf der politischen Ebene, so dass alle Entscheidungen von den demotischen Versammlungen getroffen werden, d.h. den örtlichen Bürgerversammlungen auf der Ebene des demos. Demotische Versammlungen föderieren sich auf der regionalen, nationalen und schließlich auch kontinentalen und globalen Ebene. Föderale Versammlungen bestehen aus (normalerweise per Rotations? oder Zufallsprinzip ausgewählten) Delegierten, die von den demotischen Versammlungen jederzeit wieder abberufen werden können. Die Funktion der föderalen Versammlungen besteht nur in der Implementierung und Koordinierung der politischen Entscheidungen der demotischen Versammlungen. Politische Demokratie sorgt daher für die Wiederversöhnung von Gesellschaft und Gemeinwesen und ersetzt den Staat als losgelöste Autorität über die Bürger, Verhältnisse also, welche die Bürger dem Wesen nach in Untertanen verwandelt haben.

e. Wirtschaftliche Demokratie erfordert die Schaffung von Institutionen kollektiven Eigentums an den produktiven Ressourcen (d.h. den Quellen des gesellschaftlichen Reichtums) sowie kollektive Kontrolle über diese Institutionen durch die demotischen Versammlungen. Das System der Marktwirtschaft, das zu der heute herrschenden gewaltigen Konzentration des Reichtums in den Händen Weniger sowie zu Arbeitslosigkeit Unterbeschäftigung, Unsicherheit dem Niedergang öffentlicher Dienstleistungen und der ökologischen Katastrophe geführt hat würde durch die neuen Institutionen demokratischer Kontrolle über die Produktionsmittel ersetzt werden. Diese Institutionen würden sich zum Ziel setzen, einerseits die Grundbedürfnisse aller Bürger zu befriedigen und andererseits die Wahlfreiheit der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers im Hinblick auf die Befriedigung ihrer/seiner nicht grundlegenden Bedürfnisse nach Maßgabe der jeweils nach eigener Entscheidung dafür aufgewendeten Arbeitszeit sicherzustellen. Wirtschaftliche Demokratie sorgt daher für die Wiederversöhnung von Gesellschaft und Wirtschaft und ersetzt die Geld? und Marktwirtschaft und die mit ihr einhergehende Spaltung der Bürgerinnen und Bürger in Privilegierte, die jedes ihrer realen oder imaginären Bedürfnis mehr als befriedigen können, und Nicht?Privilegierte, denen sogar die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse verwehrt bleibt.

f. Demokratie im sozialen Bereich erfordert die Schaffung von Institutionen der Selbstverwaltung in den Fabriken, Büros und sonstigen Stätten der Produktion ebenso wie in den Institutionen von Bildung und Kultur (Kunst, Medien usw.). Die Arbeiterräte, die Studentenräte usw. sorgen für die Selbstverwaltung der Produktionsstätten, des Bildungswesens usw. und lassen sich dabei von den durch die demotischen Versammlungen gesetzten Ziele sowie die Präferenzen der Bürger als Produzenten, aber auch als Konsumenten leiten. Ein Modell, das beschreibt, wie die Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger als Mitglieder der demotischen Versammlungen mit den Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger als Mitglieder der selbstverwalteten Institutionen in Einklang gebracht werden könnten, findet sich in Vol. 3, No. 2 (1995) der Zeitschrift Democracy & Nature und, wesentlich ausführlicher, in dem Buch Umfassende Demokratie. Die Antwort auf die Krise der Wachstums? und Marktwirtschaft.

g. Ökologische Demokratie erfordert die Schaffung von Institutionen und einer Kultur, welche für die Reintegration von Gesellschaft und Natur sorgen. Das bedeutet dass das Ziel der wirtschaftlichen Aktivität nicht in der heutigen, ökologisch katastrophalen "Entwicklung" besteht, die der Gesellschaft durch den Wettbewerb und die Erfordernisse des Profits aufgenötigt wird, sondern in der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger auf eine Art, die jene wahre Lebensqualität hervorbringt, die nur durch eine harmonische Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur entstehen kann. Ökologische Demokratie kann daher weder innerhalb des heutigen Systems der Marktwirtschaft und der daraus folgenden "Wachstumsökonomie" erreicht werden, noch in irgendeinem anderen hauptsächlich auf Wachstum abzielenden System wie dem zentralisierten System des realexistierenden Sozialismus".

h. Umfassende Demokratie ist weder das Ergebnis eines durch irgendwelche "Gesetze oder Tendenzen" der natürlichen oder sozialen Evolution determinierten dialektischen Prozesses in Natur oder Gesellschaft noch einfach eine weitere Utopie wie etliche andere im libertären Rahmen. Umfassende Demokratie ist daher unvereinbar mit jeglichem abgeschlossenen theoretischen System und natürlich auch mit jeder Art von religiösem oder nicht religiösem lrrationalismus. Das Projekt der umfassenden Demokratie strebt den Aufbau einer massiven Bewegung an, die sowohl die Synthese als auch die Überschreitung der sozialen Bewegungen für Sozialismus, Demokratie und Autonomie sowie der neuen sozialen Bewegungen für Gleichheit ungeachtet von Geschlecht, Abstammung, Herkunft usw. darstellen wird.

i. Der Übergang zur umfassenden Demokratie setzt daher die Schaffung einer Bewegung auf lokaler, regionaler, nationaler und schließlich globaler Ebene voraus, die auf die Ersetzung des Systems der Marktwirtschaft und der repräsentativen "Demokratie" durch Institutionen direkter, wirtschaftlicher, ökologischer Demokratie sowie Demokratie im sozialen Bereich abzielt. Diese Bewegung interveniert auf allen Ebenen (der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Ebene), um neue Institutionen und Formen der Kultur zu schaffen. Diese Intervention manifestiert sich nicht nur durch die Schaffung alternativer Formen des individuellen Lebens (d.h. durch Beispiel), direkte Aktion oder Teilnahme an den örtlichen Wahlen, sondern durch die Kombination dieser und ähnlicher Handlungsformen ? unter der Bedingung, dass diese Aktivitäten integraler Bestandteil eines umfassenden politischen Programms für radikale soziale Veränderungen hin zu einer umfassenden Demokratie sind. Die Teilnahme an lokalen Wahlen (den einzigen Wahlen, die mit dem Ziel umfassender Demokratie vereinbar sind) zielt ausschließlich auf die massenhafte, gesellschaftlich bedeutsame Schaffung von Institutionen und kulturell en Formen auf der Basis umfassender Demokratie. Dabei besteht das eigentliche Ziel in der Schaffung einer Doppelmacht im Hinblick auf das bestehende System durch die Entwicklung eines tiefgehenden Bewusstseins, wie es durch den Kampf gegen die bestehenden Institutionen und durch den Kampf für neue Institutionen und die Etablierung dieser neuen Institutionen selbst entsteht. Wenn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die Prinzipien demokratischer Organisation akzeptiert hat und sich en masse an den neuen Institutionen beteiligt, kann keine Macht der Weit den Zusammenbruch des alten Systems der Machtkonzentration in den Händen der Wenigen verhindern ? einer Machtkonzentration, welche die Ursache sämtlicher Probleme für den Großteil der Menschheit bildet. Die Strategie des Übergangs zu einer umfassenden Demokratie ist im einzelnen dargestellt in Democracy & Nature (Vol. 8, No. 1, 2002).

j. Das Zwischenziel des Projektes für umfassende Demokratie besteht im Aufbau eines Bürgernetzwerks für umfassende Demokratie, welches durch Vorträge, Seminare, politische Interventionen sowie die Publikation von Büchern, Zeitschriften und Zirkularen die Schaffung eines alternativen Bewusstseins anstrebt, um dadurch zur Entstehung einer breiteren Bewegung für den Übergang zu umfassender Demokratie beizutragen.

Für weitere Informationen zu diesen Themen siehe

Im Original: Weitere Zitate
Seite 225 f.
Es sind keine institutionalisierten politischen Strukturen vorhanden, die ungleiche Machtbeziehungen verkörpern. Wenn also beispielsweise an Teile der Körperschaft der Bürger die Autorität zur Verrichtung bestimmter Pflichten delegiert wrid (wie zum Beispiel als Mitglieder von Volksgerichten oder von regional? udn Förderationsräten), geschieht diese Delegierung prinzipiell durch Los und auf Rotationsbasis und kann jederzeit durch die Körperschaft der Bürger wiederrufen werden. ...
Alle Einwochner eines bestimmmten geographischen Gebiets (...) oberhalb eines bestimmten Alters (das von der Körperschaft der Bürger selbst festgelegt werden muss) sind ... am Entscheidungsprozess beteiligt.

Seite 248 ff.
Kurz gesagt, ist die grundlegende Einheit, die in einer föderalen Demokratie die Entscheidungen trifft, die Gemeindeversammlung, die ihrerseits Macht an Gemeindegerichte, Gemeindemilizen usw. delegiert. Aber außerdem müssen immer noch viele wichtige Entscheidungen von Vertretern getroffen werden, die durch die Gemeindeversammlungen delegiert werden. Murray Bookchins Beschreibung der Rolle der regionalen und föderalen Räte ist sehr klar:
Was also ist Föderalismus? Er ist vor allem ein Netz von Verwaltungsräten, deren Mitglieder oder Delegierte aus demokratischen, auf direkter Teilnahme der Betroffenen beruhenden Versammlungen der Bevölkerung in den verschiedenen Dörfern, Städten oder auch Vierteln der großen Städte gewählt werden. Die Mitglieder dieser föderierten Räte haben ein imperatives Mandat sind abrufbar und gegenüber den Versammlungen, die sie zum Zweck der Koordinierung und Verwaltung der von den Versammlungen selbst festgelegten politischen Richtlinien auswählen, rechenschaftspflichtig. Uwe Funktion ist demnach rein administrativer und praktischer Art und hat nichts mit politischer Gestaltung zu tun wie es bei den Repräsentanten in republikanischen Regierungssystemen der Fall ist." (Murray Bookchin, "The meaning of confederalism", Society and Nature, Vol. 1, Nr. 3 (1993)). ...
Einem weiteren gängigen Einwand gegen die demokratische Form des Entscheidungsprozesses zufolge führt diese leicht zu einer "Tyrannei der Mehrheit" durch die diverse - kulturell, ethnisch oder sogar politisch definierte Minderheiten von der jeweiligen Mehrheit einfach unterdrückt würden. So verkünden einige Libertäre, die Mehrheit habe "kein größeres Recht, der Minderheit - und sei es eine aus einer Person bestehende Minderheit - Vorschriften zu machen als die Minderheit der Mehrheit". Andere heben hervor, dass "demokratische Herrschaft immer noch Herrschaft ist ... auch sie bringt inhärent immer noch die Unterdrückung des Willens zumindest einiger Menschen mit sich" (L. Susan Brown, The Politics of Individualism (Montreal: Black Rose Books, 1993), S. 53).
Ich denke, hier liegen zwei Problemkreise vor, die getrennt voneinander untersucht werden müssen, nämlich erstens die Frage, ob Demokratie immer noch "Herrschaft" ist, und zweitens, wie Minderheiten, selbst Minderheiten, die nur aus einer Person bestehen, geschützt werden können. In bezug auf das erste Problem ist offensichtlich, dass diejenigen, die ? wie wir in Kapitel 5 gesehen haben irrtümlich ? annehmen, Demokratie bringe eine Form von "Herrschaft" mit sich, die nicht?staatliche Form von Demokratie mit deren staatlichen Formen verwechseln. Dabei ignorieren die Libertären, die diesen Einwand gegen die Demokratie erheben, ganz einfach die Tatsache, dass in einer nicht?etatistischen Konzeption von Demokratie kein Konflikt zwischen der Demokratie und der Freiheit des sozialen Individuums besteht, weil alle sozialen Individuen in gleichem Maß an der Macht teilhaben und am Entscheidungsprozeß teilnehmen können. Außerdem weist Bookchin zu Recht darauf hin, dass die von diesen Kräften vor geschlagene Alternative, nämlich der Konsens, "die individualistische Altemative zur Demokratie" (Murray Bookchin, "The democratic dimension of anarchism", Democracy and Nature, Vol. 3, Nr. 2 (1996)) ist -eine Alternative, die in Wirklichkeit so tut, als gebe es die individuelle Verschiedenartigkeit, die von der Demokratie angeblich unterdrückt wird, überhaupt nicht! ...
Im Prinzip sollte daher die Frage der Menschenrechte in einer nicht?staatlichlichen Demokratie, wie wir sie definiert haben, gar nicht auftauchen. Und doch bleibt auch in einer umfassenden Demorkatie die Frage bestehen, wie man die freiheit des Einzelnen am besten vor den kollektiven Entscheidungen der Versammlungen schützt. ...
Wo immer Minderheiten geographisch voneinander separiert sind, könnte diese Losung ihre gesellschaftliche Position schützen. Aber in Fällen, in denen eine derartige geographische Trennung nicht besteht sollten vielleicht andere institutionelle Formen eingeführt werden, die separate Versammlungen für Minderheiten innerhalb der Föderation schaffen oder den Minderheiten vielleicht auch ein Vetorecht in Form von "Blockstimmen" geben könnten. ...
In letzter Instanz hängt die individuelle und kollektive Autonomie von der Internalisierung demokratischer Werte durch jeden Bürger ab.



Total(itär)e Demokratie

Aus Christoph Spehr, 1999: "Die Aliens sind unter uns", Siedler Verlag München (S. 217)
Demokratisierungsprozesse sind im zwanzigsten Jahrhundert immer mit einer Erhöhung der Eingriffstiefe verbunden: Je demokratischer die Verfahren werden, desto totalitärer wird ihr Anspruch. Die Befreiungstheorien haben diesen Prozeß unter anderem als Vernichtung von Subsistenz, als effektivere Verwertung, als patriarchal-kapitalistisches Naturverhältnis bilanziert ... Auch die Garantie von Minderheitenrechten ist ein zu schwaches Instrument gegen den Automatismus des demokratische legitimierten Zugriffs.

Nicht der Mensch, sondern die Demokratie als Selbstzweck und Zweck von allem anderen
Kommentar "Im Glauben an die Verfassung" von Knut Pries zur Auflösung des Bundestages 2005 in: FR. 22.7.2005 (S. 3)
Die Hauptsache ist das Primat der Demokratie, will sagen: das dienende Verhältnis der Verfassung zu derselben. Auch das Grundgesetz, bei allem Respekt, den es aus gutem Grund gebietet, ist nicht Selbstzweck. Es ist Instrument, wie all die anderen gemeinschaftlichen Normen und Regularien. Dasselbe gilt für die ehrwürdigen Instanzen, deren Position Köhler zu bedenken, die er vor Beschädigung zu schützen hatte: Staatsoberhaupt, Parlament, Kanzler, Verfassungsgericht.
Zusammen bilden sie die Dienerschaft der Demokratie. Sie helfen, wenn es gut geht, dem Zusammenschluss freier und gleicher Bürger, seinen Willen in vernünftigen Formen in die Tat umzusetzen.


Aus Elizabeth Heger Boyle/John W. Meyer, „Das moderne Recht als säkularisiertes globales Modell: Konsequenzen für die Rechtssoziologie“ in: Meyer, John W. (2005), "Weltkultur", Suhrkamp Verlag in Frankfurt (S. 196 f., der gesamte Text ...)
Rechtliche Entscheidungspraktiken, die nicht auf dem System universeller Prinzipien beruhen, werden mit großem Mißtrauen angesehen. Daher wird der Mythos von der Wichtigkeit der universellen Ideale trotz der Vielfalt lokaler sozialer Ordnungen und Kulturen aufrechterhalten. Das Vordringen des Nationalstaats in immer mehr Bereiche, Familie, Umwelt, Wirtschaft usw. - geschieht in der Form der Ausweitung standardisierter rechtlicher Regelungen. Alternativen, wie die hierarchische Herrschaft über lokale Segmente statt ihre innere Durchdringung heraus, werden abgeschnitten. Das erklärt die immer größere Reichweite des Rechts in der Moderne, das auf immer mehr vorher ungeregelte Bereiche und auch in nicht-souveräne Organisationen hinein ausgedehnt wird. Der Glaube an die Richtigkeit der universellen Prinzipien führt zu der Befürchtung, daß durch Segmentierung oder indirekte Steuerung die Souveränität unterminiert würde. Organisationale Herrschaft scheint weniger gut zur modernen Souveränität zu passen als Verrechtlichung und Durchdringung mit standardisierten Regeln. Daher wird die Beziehung zwischen Ehegatten, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Käufern und Verkäufern, zwischen Lehrern und Schülern eher durch die immer weiter ausgedehnte rechtliche Anwendung allgemeiner Prinzipien geregelt als durch schlichte organisationale Herrschaft.

Demokratische Diktatur
Verteidigung des nationalen Sozialisten Jürgen Elsässer durch einen Linkspartei-Funktionär (Mail im Januar 2006)
dabei hat elsaesser naemlich insofern schon recht, wenn er fordert, die linke solle sich dazu bekennen, die macht zu uebernehmen und endlich mal ernsthaft mittels demokratischer diktatur dem kapitalismus paroli zu bieten statt sich mit allerlei nebenthemen im umfeld von pflanze, mensch und tier zu befassen. in diesem sinne: alle macht dem volke!

In einer Demokratie darf es keinen exterritorialen Raum geben
Überschrift für ein Interview der Jungen Welt mit Roger Willemsen, 13.4.2006 (S. 3), Auszug:
Es war für mich nicht vorstellbar, daß ein demokratisches System sich einen exterritorialen Raum schafft, in dem die Demokratie nicht mehr gilt. Dieses Exterritoriale stellt für mich die gesamte Rechtsstaatlichkeit in Frage. Jedes Land, das unter einem Vorwand und außerhalb juristischer Statuten versucht, einen solchen Raum zu definieren, ist letztlich offen für jede totalitäre Form von Herrschaft.

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