Anti-Zwangspsychiatrie

BEWEGUNG 2.0: MANAGER UND FOLLOWER

Simulation von Protest: Klicken und spenden


1. Sei Rädchen im Protest - Einblicke in moderne Bewegungshierarchien
2. Simulation von Protest: Klicken und spenden
3. Bewegungsagenturen: Campact, .ausgestrahlt & Co.
4. Ende Gelände: Von der Bündnisaktion zum Hegemon der Klimabewegung
5. Ende Gelände kopiert: Kampagnen aus der Retorte
6. Der Wellenreiter: XR (Extinction Rebellion)
7. Fridays for Future - entstanden von unten, übernommen von oben?
8. Weitere Beispiele
9. Dienstleister: Firmen machen Verbände
10. Links

Das Internet überrennt nicht nur viele gesellschaftliche Bereiche, vor allem übernimmt es mehr und mehr die Kommunikation zwischen Menschen - zusammen mit anderen digitalen Formen des Informations- oder Stimmungsaustausches. Die praktischen Folgen sind enorm: Immer seltenerr begegnen sich Menschen zu kreativen Abspracheprozessen. Internetkommunikation ergänzt nicht die sonstigen Handlungsmöglichkeiten, sondern die Handlungen werden auf die Anwendung im Internet bezogen und entsprechend organisiert.

Für den politischen Protest bietet das Internet all denen eine Chance, die nicht ohne Protest leben wollen oder können - aber diesen aus einem sicheren Raum, ohne Risiken und ohne besonderen Aufwand durchzuführen. Das Spektrum der solchermaßen protestwilligen Schichten reichen von den gealterten Ex-Aktiven der BürgerInneninitiativen und Öko-Basisgruppen bis zu den nachfolgenden Generationen, die statt Auflehnung vor allem

Aus "Pseudo-Engagement", in: Enter-Magazin Nr. am 11.4.2012 (absurderweise daneben mit Facebook-Gefällt-mir-Button)
So einfach geht das also. Den digitalen Daumen nach oben, und schon ist man sozial engagiert. Das kostet nichts – kein Geld, keine Zeit und keine Mühe. Es geht bequem vom Sofa aus und das sogar anonym. ...
Es stimmt nachdenklich, dass auch gebildete Menschen in großer Zahl glauben, sie würden sich für oder gegen etwas engagieren, gar Widerstand leisten, indem sie den Zeigefinger mit der Maus bewegen. Damit wir uns richtig verstehen: Diese Hängematte ist kein Internet-Phänomen. Der gutbürgerliche Mittfünfziger, der seinen Namen unter eine Protestnote gegen Stuttgart 21 kritzelt, verhält sich nicht anders. Es gilt mit einem grundlegenden Missverständnis aufzuräumen: Mal eben unverbindlich Haltung zeigen, ist noch längst kein Bürgerengagement. Es bildet allenfalls dessen Kulisse. ...
Kurz: Es geht um Selbstbespaßung, um seelische Wellness. Es geht um das gute Gefühl, et was für die Welt zu tun, ohne sich dafür anstrengen zu müssen. ...
Die Ego-Politur wirkt so gar kontraproduktiv. Sie ver spricht soziale Veränderung ohne Anstrengung und erinnert damit an die Schlankheits-Wundermittel aus der Fernsehwerbung: Traumfigur ohne Sport und Diät. Solcher Pseudo-Aktivismus, zumal per Internet, gefährdet das echte Engagement. Warum noch zur Demo gehen, wenn ich schon Facebook-Fan von „Gegen Atomkraft“ bin? Warum die Jugend-AG von Greenpeace besuchen, wenn ich gerade beim VW-kritischen Videoclip der Organisation ein „Mag ich“ hinterlassen habe? Dieses Alibi-Engagement wird inzwischen mit Begriffen wie One-Click-Activism oder, noch schöner, Slacktivism verbunden. Slacktivism ist ein Kunstwort, das sich als „Slacker“ (je mand, der seinen Hintern nicht hochbekommt) und „Activism“ (Aktivismus) zusammensetzt. Es bezeichnet eine Spezies, die sich gerne symbolisch mit so zialen Anliegen identifiziert, aber nicht aktiv daran mit wirkt, einen Missstand zu beseitigen. Auch größere Organisationen und Netzwerke surfen auf dieser Welle.


Aus "Ersetzen "Gefällt mir", die Unterschrift unter einen Aufruf und andere symbolische Aktionen wirkliches Engagement?", bei: heise-online am 29.11.2013 über die Ablass-Wirkung von Onlineprotesten und Spendenmailings
Was jedoch als Ergebnis gelten kann, ist die hohe Bedeutung der sozialen Konformität, also der Suche nach Anerkennung, die persönliche Präferenzen überspielt bzw. wichtiger als diese zu sein scheint. Man macht halt mit, aber damit ist es auch schon gut. Für die Wissenschaftler heißt dies, dass es für humanitäre Organisationen nicht automatisch gut sein muss, in sozialen Netzwerken nach Zustimmung zu suchen, weil das zur Folge haben kann, dass sie weniger bereit sind, etwas zu spenden oder sich zu engagieren, dass sie also zu "Slacktivists" werden.

Chance.org
Ein paar Sätze aus dem Wikipediaeintrag zur Online-Plattform des schnellen Klickens klären auf: "Change.org ist eine weltweit agierende Plattform für Online-Aktivismus mit Hauptsitz in San Francisco. Mit 25 Millionen Nutzern ist sie nach eigenen Angaben die größte Petitionsplattform der Welt. Die Organisation gibt keine Themen und politische Einstellung vor, sondern überlässt dies den Nutzern der Plattform. Erklärtes Ziel von Change.org ist es, „Menschen weltweit die Möglichkeit zu geben, sich für die Welt einzusetzen, in der sie leben möchten.“ Change.org ist keine Non-Profit-Organisation, sondern ein Wirtschaftsunternehmen. ... Change.org wächst nach eigenen Angaben mittlerweile mit zwei Millionen Nutzern pro Monat, beschäftigt 150 Mitarbeiter in 18 Ländern, existiert in elf Sprachen und wird in 196 Ländern der Welt genutzt. Im April 2012 nahm das US-Nachrichtenmagazin Time Change.org-Gründer Ben Rattray in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt auf. ... Change.org generiert Umsatz durch das Angebot an andere Organisationen, gesponserte Petitionen zu schalten, die den Nutzern unter bestimmten Bedingungen angezeigt werden. Werden diese Petitionen gezeichnet und stimmen die Nutzer zudem zu, dass die betreffende Organisation sie künftig direkt kontaktieren darf, erhält Change.org hierfür eine Gebühr. ... Thilo Weichert, der frühere Datenschutz beauftragter des Landes Schleswig-Holstein, wirft der Plattform vor, „in vieler Hinsicht gegen deutsches Datenschutzrecht“ zu verstoßen, unter anderem, da Daten von Millionen deutschen Nutzern im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zum Safe Harbor Abkommen ohne rechtliche Grundlage auf Servern in den USA verarbeitet und gespeichert würden, die Plattform diverse Tracking-Techniken zur Analyse des Nutzerverhaltens einsetze und der Abfluss bzw. die Weitergabe von Daten an Dritte unkontrolliert erfolge. Hierfür wurde change.org 2016 mit der Negativ-Auszeichnung Big Brother Award bedacht."

Aus dem Digitalcourage-Newsletter vom 8. September 2016
Italienischer „L'Espresso“ berichtet: Wie Change.org unsere E-Mails verkauft
Die italienische Zeitung „L'Espresso“ hat herausgefunden, wie die Plattform Change.org Daten von Menschen verkauft, die an Online-Petitionen teilnehmen. Im April 2016 haben wir der Kampagnenplattform change.org einen BigBrotherAward verliehen. Den Negativpreis bekam das Unternehmen für sein Geschäftsmodell, personenbezogene Daten von Unterzeichner.innen zusammen mit deren politischen Meinungsäußerungen zu vermarkten. Jetzt hat die italienische Zeitung „L'Espresso“ eine Recherche aufgenommen und unter anderem die von change.org verlangten Preise für persönliche Daten ermittelt.
Wie Change.org unsere E-Mails verkauft ++ BigBrotherAward für change.org ++ Video der Verleihung


Aus "Wie Change.org unsere E-Mails verkauft", auf: Digitalcourage
Der „Espresso“ hat die Preisliste der Firma Change.org (Preise zwischen 0,85 € und 1,50 €) erhalten und bei einigen Kunden nachgefragt. Unsere Recherche zum Geschäft des „Amazon der Online-Petitionen“ ergab verlegene Antworten und seltene Zugeständnisse. Change.org bewegt extrem sensible Daten, vor allem politische Überzeugungen, und ist in Deutschland Thema einer Debatte über den Schutz der Privatsphäre geworden.
Sie wurde als „Google der modernen Politik bezeichnet“: Change.org, die populäre Plattform für die Veröffentlichung von Petitionen zu politisch-sozialen Themen, ist ein Riese mit 150 Millionen Nutzern weltweit, wöchentlich werden es eine Million mehr. Ein Ereignis wie der Brexit hatte allein 400 Petitionen zur Folge. In Italien, wo Change.org seit 4 Jahren agiert, gibt es bereits 5 Millionen Nutzer. ... Wie viele Menschen sind sich wirklich bewusst, dass die persönlichen Daten, die sie der Plattform über die sogenannten „gesponserten Petitionen“ anvertrauen – also Petitionen, bei denen Change.org von den Initiatoren bezahlt wird (www.change.org/advertise) –, zur Profilerstellung benutzt und zudem verkauft werden? ... Der „Espresso“ kann die Preisliste öffentlich machen, die Change.org für die Nutzer von gesponserten Petitionen anwendet: von NGOs bis hin zu politischen Parteien, die mit der Bezahlung die E-Mail-Adressen der Unterzeichnenden erwerben. Die Preise auf der Liste reichen von 1,50 € pro E-Mail-Adresse, falls der Kunde weniger als 10.000 Adressen kauft, bis hin zu 85 Cent für ein Paket von mehr als 500.000 E-Mail-Adressen. Unsere Zeitung fragte einige der NGOs, die Kunden von Change.org sind, ob es wahr ist, dass sie E-Mail-Adressen der Unterzeichnenden erwerben. Einige haben nur vage Antworten gegeben, um kein Aufsehen zu erregen – andere wie z.B. Oxfam waren so ehrlich, dies zuzugeben. ... Woher weiß Change.org so viel? Jedes Mal, wenn wir einen Appell unterschreiben, werden Informationen über uns gesammelt, um ein Profil zu erstellen. ... Für Rena Tangens bedeutet der Ehrgeiz von Change.org, das Amazon der politischen und sozialen Petitionen zu werden, dass sie sich von ursprünglich progressiven Ideen entfernen und Kunden und Nutzer von zweifelhaften Initiativen ins Boot holen.


Aus "Change.org - eine Weltverbesserer-Plattform als gierige Datenkrake ", in: Stern am 22.4.2016
Der Verein Digitalcourage kratzt nun gehörig an dem guten Image von Change.org. Bei den diesjährigen Big Brother Awards brandmarkt der Datenschutzverein Change.org als eine der fiesesten Datenkraken des Jahres. "Change.org ist nämlich tatsächlich keine 'non-profit' Bürgerbewegung in digitaler Form, sondern ein Wirtschaftsunternehmen, in dessen Geschäftsmodell die Verwendung und Nutzung von sensiblen personenbezogenen Daten sowie der Handel mit E-Mail-Adressen eine zentrale Rolle einnehmen", erklären Peter Wedde (Professor an der FH Frankfurt) und Sönke Hilbrans (Deutsche Vereinigung für Datenschutz) in ihrer Laudatio. Der Vorwurf der Datenschützer: Das Unternehmen sammelt die Daten, die Unterzeichner von Petitionen preisgeben, um Profile über Einzelpersonen zu erstellen. In die Analyse fließen auch politische Meinung, gesellschaftliche Positionierung und soziale Situation ein, die sich aus den unterzeichneten Petitionen ableiten. Die so gewonnen Informationen werden über den Umweg der Werbung zu Geld gemacht. Change.org biete nämlich auch gesponserte Petitionen, bei denen die Initiatoren dafür zahlen, dass sie Nutzern Werbung einblenden dürfen, kritisieren die Laudatoren.


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