Theoriedebatte

BEISPIELE POLITISCH MOTIVIERTER GERICHTSVERFAHREN

Berlin: Urteil ohne Verfahren


1. Fehlurteile und Klassenjustiz in den Urteilsfabriken
2. Bock-Hamel: "Elendige Rechtsbeugerin" am Landgericht Braunschweig
3. Bericht von Silvia Hable
4. Gemeinsame Erklärung von Angeklagten in einem Göttinger Strafprozess
5. Berlin: Urteil ohne Verfahren
6. Frankfurt: Lasst Euch nicht von der Polizei verprügeln ...

Vier Menschen wandern über ein Gelände, das durch gut erkennbare Wege und ohne Tor, Zaun u.ä. erreichbar ist. Plötzlich kommt Polizei aufs Gelände. Wie sich später herausstellt, hatten woanders auf der Fläche Menschen randaliert. Die waren aber längst weg. Die Polizei lässt aber ihre üblichen Methoden von Einschüchterung, Machtspielchen usw. nun an den vieren aus. Die aber sind nicht pflegeleicht - durch ständiges Nachfragen und Interpretation der Polizeihandlungen nerven sie die BeamtInnen, weil Uniformträger es meist gewohnt sind, dass mensch sich unterwirft oder Ärger kriegt.

Der Ärger kam auch ... einige Monate später per Strafbefehl (24.5.2007). In üblicher juristischer Manier wurden die frei erfundenen Geschichten der Polizei vom Gericht sofort in eine Bestrafung umgesetzt. Ermittlungen, Überprüfungen u.ä.: Fehlanzeige. Die nun schon Vor-Verurteilten (Widersprüche sind eingelegt) hatten nicht einmal die Möglichkeit, sich zu äußern, denn die entsprechenden Formulare der Polizei waren mit falschen Namen oder Adressen versehen. Nachfragen dazu wurden nicht beantwortet. Politische Justiz in Deutschland.

Mensch hätte sich auf einen Prozess freuen dürfen, der die Logiken gerichteter Justiz deutlich machen würde. Egal welchen Unsinn sie reden: Die Polizei hat immer Recht. RichterInnen sind VollstreckerInnen einer gewünschten Gesellschaftsordnung. Menschen sind im Gerichtssaal nur Nummern, nur die auf die gesellschaftliche Norm zu formende Nummer. Unterhaltsam aber wirds: Die Vernehmung der Polizeibeamten, die sich solche Märchen ausdenken, kann sehr interessant werden - einschließlich der Reaktion von Staatsanwaltschaft und Gericht, die selbst den blankesten Unsinn und offensichtlichste Lügen noch zu Urteilen wandeln können, wenn die Lügner in Uniform stecken.


Alle Punkte sind frei erfunden.


Erste Instanz (Amtsgericht Tiergarten), 1. Versuch: 6 min
Doch es kam anders. Erstmal vor allem gar nicht. Sechs Minuten dauerte der erste Versuch. Der bot aber komprimierten Anschauungsunterricht in Sachen Justizwillkür. Die Angeklagten durften an keinem Tisch sitzen und auch nicht nebeneinander ...

Erste Instanz, 2. Versuch
  • Neue Ladung: Mittwoch, 22.10.2008, 13.30 Uhr im Amtsgericht Tiergarten, Kirchstr. 6 (Raum 1104) ... aber wieder abgesagt!

Erste Instanz, 3. Versuch
  • Erneute Ladung, jetzt: Mittwoch, 12.8., 12.10 Uhr im Amtsgericht Tiergarten, Kirchstr. 6 (Raum 1104)
  • Zwischendurch wurde wegen Hausfriedensbruch und gegen die drei erstgenannten Angeklagten eingestellt worden! Termin bleibt aber gegen den vierten.



  • Doch auch diesmal fand nichts statt. Verurteilt wurde trotzdem. Der Angeklagte kam wegen schikanöser Kontrollen nicht in den Gerichtssaal und wurde deshalb in Abwesenheit verurteil. Bericht ...
  • Urteil und Protokoll dieser (Nicht-)Verhandlung

Das sollte bereits das Ende sein, alle Proteste, Berufung und Revision konnten den Urteilsspruch nicht mehr aufheben.

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand? Keine Chance ...

Zweite Instanz: Berufung - keine Chance
Termin war: Mittwoch, 12.5. um 14 Uhr im Landgericht Berlin (Turmstraße 91, Moabit, Saal 817) ++ Ladung

Aus der Vorab-Presseinfo: "Die Politik redet über die zunehmende Gewalt gegen Polizei. Doch könnte hinter den Statistiken die gegenteilige Wahrheit stecken? Das jedenfalls behauptet der Polizei- und Justizkritiker Jörg Bergstedt. Er steht zum wiederholten Mal vor Gericht. Die Polizei wirft ihm Widerstand vor. Um sich vor Konsequenzen zu schützen, weil sie selbst gewalttätig wurden, behauptet der Angeklagte. „Das ist die Logik der meisten Strafanzeigen in Konflikten von Menschen, die nicht nur unterwürfig agieren, und der Polizei des Gewaltmonopol-Staates“, kritisiert der Angeklagte Jörg Bergstedt seine Verfolger aus Staatsanwaltschaft, Polizei und Gerichten. „Und mit diesen Anzeigen wird dann Politik gemacht, wenn zunehmende Brutalität von Polizisten zu mehr Angriffen auf die Polizei umgedeutet und härtere Gesetze gefordert werden“. Bergstedt ist seit Jahren Kritiker von Polizei und Justiz, hat mit mehreren Veröffentlichungen Fälschungen und Falschaussagen öffentlich gemacht. Immer wieder ist er deshalb von Verfolgungsbehörden angegriffen und vor Gericht gestellt worden. Doch die Stellung des Angeklagten bietet ihm Chancen, sein Wissen vorzutragen und den jeweiligen Fall als neue Recherche in die Reportagen aufzunehmen: „Ich stelle die Fragen, die Täter in Uniform sind Zeugen im von ihnen selbst angezettelten Verfahren“, kündigt er eine intensive Beweisaufnahme über die Abläufe an."

Die Verhandlung am 12.5.2010 war kurz, denn das Gericht verkündete, dass nicht zur Sache, sondern nur über die Frage, ob das Versäumnisurteil korrekt zustande gekommens ein, verhandelt werde. Als Beweismittel wurden ausschließlich die Ablaufbeschreibung des Angeklagten, dessen Klage vor dem Verwaltungsgericht und das Protokoll der ersten Verhandlung verlesen. Damit war der Ablauf unstreitig. Dennoch wurde das Urteil bestätigt, denn das Gericht befand, dass sie ein Angeklagter der Willkür der Gerichte zu unterwerfen habe.


Dritte Instanz: Revision

Aber alles ohne Wirkung: Das Kammergericht lehnte die Befassung mit der Revisionsschrift ab, weil die angeblich nicht vom Anwalt selbst verfasst worden sei. Ein so hohes Gericht kann aber nicht mehr angegriffen werden, d.h. sie hätten auch schreiben können, dass die Revision nicht angeguckt wird, weil so schönes Wetter ist. Juristisch ist da nichts mehr zu machen.
Es folgte: Die Eintreibung des Strafgeldes und nach deren - erwartbar - Nichtgelingen das Absitzen der Tagessätze. Da 24 Cent bezahlt sind, ist es ein Tag weniger, also 29 Tage.
Im Sommer 2011 haben sich Staatsanwaltschaft und Verurteilter dann geeinigt, dass Letzterer die Strafe abarbeiten darf. An der Rechtskraft der Strafe ändert das nicht.

Doch zuende war damit die ganze Auseinandersetzung aber nicht. Denn der Verurteilte drehte den Spieß um und erhob nun Klage gegen das Amtsgericht - wegen der Einlasskontrollen. Zum einen wegen der Schikane der zweiten Kontrolle, aber dann auch gleich wegen der Personalienkontrollen insgesamt. So entstand ein politisch durchaus brisantes Verfahren, denn würde der Verurteilte gewinnen, wäre zwar seine Strafe nicht aufgehoben, aber die ständigen Personalienkontrollen an Berliner Gerichten könnten Geschichte sein. Das also dürfte von allgemeinem Interesse sein ...

Nachspiel zum 3. Versuch: Verwaltungsklage gegen Eingangskontrollen
Gegen die Kontrolle von Personalien insgesamt und zudem gegen die rein schikanöse zweite Kontrolle erhob der Betroffene Verwaltungsklage. Es entstand ein absurdes Theater ständig veränderter Darstellungen seitens des Amtsgerichts. Mit hoher krimineller Energie versuchte die Spitze des Amtsgericht, eine Niederlage vor Gericht abzuwenden - und veranlasste offenbar mehrfach eigene Bedienstete, als Zeugen für Falschaussagen bereitzustehen. Siehe unten ..

Das Verwaltungsgericht eröffnete folglich aufgrund der Klagen des Angeklagten ein Verfahren.

Dann begann das Verwaltungsgericht, die Unterlagen zu lesen und ging unter anderem der Frage nach, was die Personalienfeststellung denn überhaupt sollten ...


Aus dem Schreiben des Verwaltungsgerichts an Amtsgericht und Kläger am 9.3.2010 ++ Antwort Kläger

Nun passiert etwas sehr Interessantes: Das Gericht wandelt seine Darstellung ab. In der ersten Stellungnahme hatte das Amtsgericht noch geschrieben: "Insoweit findet auch keine Personalienüberprüfung im eigentlichen Sinne statt, sondern lediglich eine „Sichtkontrolle", inwieweit das vorgelegte Ausweisdokument mit der tatsächlich überprüften Person identisch ist. Auch hier findet keine Aufzeichnung oder Dokumentation statt." Offenbar vermuteten die professionellen Rechtsverdreher hier noch, dass bessere Chancen vor Gericht bestünden, wenn die Kontrolle möglichst wenig Überprüfung bedeuten würde, so machte die Nachfrage des Verwaltungsgerichts der Amtsgerichtsspitze klar, dass es sich einen Grund ausdenken musste, warum denn die Personalien kontrolliert werden sollten. So schrieb das Amtsgericht am 6.4.2010 eine neue Story: "Nach Rücksprache mit dem Leiter der Sicherheit, Herrn Beister, bestätigte dieser, dass die anhand der Ausweise festgestellten Personalien durch die die Kontrolle durchführenden Wachmeister mit den Namen in zwei Listen verglichen werden: Zum einen mit einer Liste der ausgesprochenen Hausverbote und zum anderen mit einer Liste der in Verlust geratenen Sicherheitsausweisen." Die Sache war frei erfunden, wie auch eine Überprüfung einige Tage später vor Ort ergab.

Originale der beiden zitierten Schriften des Amtsgerichts mit gegensätzlichen Beschreibungen ++ Stellungnahme Kläger

Doch damit nicht genug. Das Amtsgericht korrigierte sich im Verlauf des schriftlichen Vorverfahrens auch im zweiten Punkt - nämlich der angegriffenen zweiten Personalienkontrolle. In der ersten Stellungnahme hatte das Gericht noch eingeräumt: "Da der Beklagte die durchgeführten Kontrollen, die vordergründig dem Sicherheitsaspekt unterliegen, nicht dokumentiert, geht der Beklagte davon aus, dass der Kläger im beschriebenen Umfang, am angegebenen Tag und Ort tatsächlich einer Überprüfung unterzogen wurde." In der zweiten Stellungnahme fand sich keine eigene Darstellung des Amtsgerichts. Doch dann, am 16.6.2010, plötzlich fiel dem Amtsgericht doch noch eine neue Variante ein, die ganz einfach war: "Es wird bestritten, dass am 12.08.2009 eine gezielte doppelte Ausweiskontrolle vorgenommen wurde. Wie bereits mit Schriftsatz vom 06.04.2010 vorgetragen, wurde und wird an den für den Publikumsverkehr zugänglichen Eingängen des Amtsgerichts Tiergarten eine doppelte Personenkontrolle nicht durchgeführt." Und plötzlich gibt es dafür auch sechs Zeugen. Will das Amtsgericht, selbst lügend, hier sechs Personen zu einer Falschaussage verleiten? Oder ist längst abgeklärt, dass das Verfahren einfach abgewehrt wird? Schließlich wird noch nicht eine Krähe der anderen ein Auge aushacken ...

Originale der beiden zitierten Schriften des Amtsgerichts mit gegensätzlichen Beschreibungen


Als nächstes versuchte das Verwaltungsgericht ein bemerkenswertes Manöver. Es dachte sich ein paar Sachen aus, um die Prozesskostenhilfe ablehnen zu können. Das dürfte ein erster Versuch sein, dass Verfahren einfach nicht stattfinden zu lassen. Schließlich sind Gerichte nicht dafür da, Fehler von Gerichten festzustellen. Wie heißt es doch so schön: Eine Krähe hackt der anderen ...

Doch dann folgte, wie peinlich für das Verwaltungsgericht, ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts: Es hob die Ablehnung der Prozesskostenhilfe am 29.4.2011 auf!
  • Daraufhin stellte das Gericht Fragen - aber blieb voreingenommen. Der Angeklagte antwortete am 27.7.2011 und stellte folgerichtig auch gleich einen Befangenheitsantrag. Der wurde natürlich abgelehnt - unter anderem mit der üblichen Begründung, dass der Richter gesagt hätte, er sei nicht befangen. Na denn ...
  • Trotzdem am 2.9.2011: Der Prozesskostenhilfeantrag wurde genehmigt - und so kam es zum Prozesstermin am Montag, 26.9. um 12 Uhr im Verwaltunsgericht Berlin (Kirchstr. 7, Raum siehe Aushang dort)

Keine Chance: Scharfe Eingangskontrollen, lügende Amtsrichter, trickreiches Verwaltungsgericht ... alles erlaubt!
Im Original: Bericht ++ Urteil ++ Protokoll

Auszüge aus dem Urteil:


Auszüge aus dem Urteil, die zeigen, dass hier vor allem versucht wurde, das Rechtsschutzinteresse zu verneinen. Das ist ein Trick, um dann nicht in der Sache entscheiden und das Amtsgericht eventuell für illegale Sachen bloßstellen zu müssen. Wenn kein Rechtsschutzinteresse vorliegt, wird gar nicht geurteilt. So konstruierte das Gericht, dass eine Wiederholungsgefahr nicht bestände - eine glatte Lüge. Das Gericht behauptete, dass der Kläger als Angeklagter nicht reingelassen worden sei. Das würde er wohl nicht so schnell wieder sein ... und als Zuschauer hätte er ja nicht geklagt (und auch nicht klagen können, weil er es ja nicht war). So geht gerichtete Justiz.

Der Kläger und sein Anwalt legten gegen diese unverschämte Entscheidung Berufung ein. Dazu nahm das Amtsgericht Tiergarten am 4.1.2012 Stellung. Doch alles war vergebens. Mit Beschluss vom 7.3.2014 lehnte das OVG den Antrag ab.

Links und Hintergründe zum Prozess

Komplett absurd ... fast das Gleiche passiert nochmal!

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