Theoriedebatte

RECHTSFORMEN VON HAUS- UND FLÄCHENBESITZ

Was alles schiefgehen kann ... und was dann helfen könnte


1. Übersicht
2. Die Nutzer*innen/Bewohner*innen kaufen Haus/Fläche selbst und kooperieren mit der Stiftung
3. Unser Vorschlag: Die Stiftung FreiRäume kauft Haus/Fläche und schließt einen Autonomievertrag mit den Nutzer*innen
4. Auch nicht schlecht: GmbH aus Stiftung und Nutzer*innen erwirbt das Haus
5. Variante: Das Projekt wird zur weiteren unselbständigen Stiftung im Treuhänderverein Tragwerk e.V.
6. Vertrag ohne direkte Beteiligung: Die Stiftung legt Geld im Projekt an und wird per Vertrag zum Garanten der Offenheit
7. Was alles schiefgehen kann ... und was dann helfen könnte

Das ewige Scheitern
Die Stiftung wurde gegründet, damit offen zugänglich, für politische Projekte nutzbare auf Dauer erhalten bleiben. Anlass war die Erkenntnis, dass es vor allem die Menschen in den Projekten selbst waren und sind, die den politischen Charakter ihres Projektes (Haus, Grundstück, Wagenplatz, Kommune ...) zerstören. Es ist ihr Wandel, ihre persönliche Etablierung und Ausrichtung auf andere Interessen und Alltagsgestaltung, die zur Verdrängung vormals offen und kreativ genutzter Räume führt. Die bislang in politischen und Alternativbewegungen angewendeten Konzepte werden dieser Gefahr nicht gerecht. Im Gegenteil: Basisdemokratie, noch schlimmer bei Konsensentscheidungen, verstärken den Trend zur nur noch risikoarmen, auf eigene Vorteile bedachten Nutzung von Räumen. Formale Variante wie die des Mietshäusersyndikats können die Zerstörung von innen nicht verhindern - und sollen es nicht. Es geht ausschließlich um die Abwehr vermeintlich böser Kräfte von außen, während die eigene Widerstandsfähigkeit gegenüber Etablierungsprozessen stark überschätzt wird. So werden aus ehemals ambitioniert startenden Projekten über kurz oder lang spießige, von den Bewohnis kontrollierte Häuser und Grundstücke, deren Zugänglichkeit von der Zustimmung der verbürgerlichten Hausherr*innen abhängt. In den ehemals
politisch genutzten und nach außen geöffneten Räumen befinden sich neue Wohnräume, Büros, Heilpraxen, Architekturbüros, mitunter auch einfach eine Sauna oder andere Räume der Hausgemeinschaft.

Stiftung FreiRäume - Anspruch und Wirklichkeit
Die Stiftung wurde gegründet, um dem Prozess der schleichenden Entpolitisierung und Verschließung von Räumen etwas entgegen zu setzen. Sie stieß damit - erwartbar - sofort auf massive Ablehnung in all den Kreisen, die auf Machtsicherung durch Basisdemokratie setzten. Während die meisten Rechtsträger solcher Projekte von vornherein kein Interesse an Kontakten hatten, schmetterte die Mehrheit der in den Vollversammlungen des Mietshäusersyndikats
versammelten Hausprojekte schon den Versuch der Kooperation eines Projektes mit der Stiftung gnadenlos und mit miesen Mitteln ab. Der Virus des Schutzes vor sich selbst sollte nicht überspringen - Machterhalt der Marke "Our home is our castle" war wichtiger.
Die Idee der Stiftung, auch intern Privilegien abzubauen scheiterte daher auf breiter Ebene. Allerdings konnte die Stiftung selbst einige Projekte verwirklichen und auch mit anderen direkt kooperieren. Insgesamt gibt es sieben Projekte, bei denen die Idee offen zugänglicher Aktionsräume hätte verwirklicht werden müssen (laut Vertrag). Diese befinden sich in
  • Salzwedel, Ortsteil Riebau (großes Grundstück mit mehreren Häusern: Traumschule)
  • Reiskirchen, Ortsteil Saasen (größerer Häuserkomplex: Projektwerkstatt)
  • Düren, Ortsteil Gürzenich (Haus mit großen Grundstück: Werkstatt für Aktionen und Alternativen WAA)
  • Leipzig (Raum plus Infrastrukturnutzung im Hausprojekt Kunterbunte 19)
  • Berlin, Ortsteil Weißensee (mehrere Räume, Garten, Werkstätten im Kultur- und Bildungszentrum KuBiZ)
  • Lüneburg (zwei Bauwägen als Treffpunkt und Aktionsmateriallager)
  • Hameln (einige offen zugängliche Bereiche im politisch genutzten Gebäude der Walkemühle)
  • Magdeburg, Ortsteil Herrenkrug (einige offen zugängliche Aktionsräume im alternativen Wohn- und Ökoprojekt)

Bei weiteren Projekten, die die Ideen offener Aktionsplattformen umsetzen und mit der Stiftung kooperieren wollten, verwarfen die Beteiligten diese Idee bereits im Planungsprozess, so dass es nie zu einer formalen Sicherung kam.
Bei fast allen Projekten kam es im Laufe bereits der ersten Jahre zu vertragswidrigen Übernahmeversuchen durch die dort Wohnenden Personen.Beider Hälfte übernahmen die Hausbewohner*innen auch tatsächlich per Faustrecht die eigentlich und per gültigem Vertrag gesicherten Räume. Sie kalkulierten offen damit, dass die Stiftung auf den Einsatz von Polizei und Gerichten verzichten würde - womit sie recht hatten. Genützt hat dabei auch der
erhebliche Geldeinsatz nicht, mit dem die Stiftung die Projekte unterstützte. Zwischen 20.000 und 80.000 Euro lagen die Summen, die die Projekte erhielten. Die Autonomie- und Nutzungsverträge, die die offenen Aktionsplattformen schützen sollten, waren von dem Geldeinlagen unabhängig, d.h. sie galten auf Dauer. Tatsächlich hat es nur bei den Häusern, die der Stiftung ganz gehörten und in Berlin wenigstens phasenweise offen zugängliche Räume
der gedachten Art gegeben. Alle andere Projekte beschissen die Stiftung von der ersten Minute an.

Fazit: Ein Desaster
Der Ablauf bestätigt die Notwendigkeit der Stiftung FreiRäume. Die Idee war richtig: Die in einem Projekt wohnenden bzw. dieses nutzenden Personen(kreise) sind die größte Gefahrenquelle. Nicht Polizei, Gerichte, böse Konzerne oder Nachbar*innen haben den Tod einer Vielzahl von Versuchen, im Kapitalismus und staatlichen Umfeld Alternativen zu schaffen, auf dem Gewissen, sondern die Menschen im Projekt selbst - wenn auch unter dem Einfluss der Umgebung. Es gibt nichts Richtiges im Falschen, gilt auch hier. Dass die Akteur*innen nicht merken, dass sie die Mörder*innen der eigenen Ideen sind, war zu erwarten, denn solch ein Prozess ist schleichend und verbunden mit starken Anpassungsleistungen des Gehirns, welches Widersprüche ausblendet oder einebnet.
Genau deshalb sollte es die Stiftung FreiRäume geben - eine Absicherung von außen, dass offen nutzbare Infrastruktur der politischen Bewegung erhalten bleibt. Denn meist ist sie mit deren Unterstützung (Arbeit, Nutzung, Spenden) entstanden. Es bedeutet einen ständigen großen Verlust, dass solche Räume und Materialien ständig verloren gehen, weil aus Alternativideen angepasste Teile des Normalkapitalismus werden.
Die bisherige Geschichte der Stiftung ist ein Scheitern. Der Impuls, alternative Ansätze zu normalisieren, war stärker. Die Bewohner*innen eines Projektes sind zu stark. Gegenmacht gegen sie und ihre Etablierung ist in den Projekten nicht organisierbar. Vetragsbrüche bis zum Betrug sind an der Tagesordnung - zumindest wenn die so Hintergangenen auf staatliche Durchsetzungsmittel verzichten. Alternativprojekte beweisen damit täglich, dass Herrschaftsfreiheit unter den gegebenen Umständen nicht funktioniert - und dass sie gar keine Lust haben, an den Umständen etwas zu ändern.

Mögliche Konsequenz: Klarere Selbstfestlegung für den Fall des Scheiterns
Die bisher abgeschlossenen Nutzungs- und Autonomieverträge sehen keine expliziten Durchgriffsmöglichkeiten vor. Die Verträge sind zwar klar und sichern das Recht der Stiftung, auf die Bereithaltung offen zugänglicher Aktionsinfrastruktur zu bestehen. Halten sich die Bewohner*innen aber nicht daran, könnte die Stiftung nur die Staatsmacht einsetzen. Angesichts dessen, dass die Stiftung gerade gegründet wurde aus der Idee heraus, dass solche Anpassungen
an die realen Herrschaftsverhältnisse zu vermeiden seien, verbietet sich das von selbst.
Allerdings ist nicht zu übersehen, dass das Modell gescheitert ist - an der Realität und den diese repräsentierenden Vertragspartner*innen der Stiftung. Hinzu kommt noch, dass die Stiftung sehr schwach ist. Sie soll keine große eigene Handlungsfähigkeit haben, das war gewollt. Die von der Stiftung geförderten und durch Verträge an diese gebundenen Projekte nutzen das eiskalt oder aus Gleichgültigkeit aus.
Ein Weiter-so bedeutet den Verlust aller Möglichkeiten und erhebliche Ressourcen. Daher ist der Status Quo keine Option mehr. Mögliche Konsequenzen müssen die Handlungsfähigkeit derer, die die offen zugänglichen Bereiche sichern oder ihren Aufbau auch tatsächlich erreichen wollen, verbessern. Erste Vorschläge:
  • Für die Schaffung offen zugänglicher Aktionsinfrastruktur werden in den Verträgen genaue Ortspläne, Mindesteinrichtungen und Zeitabläufe festgelegt.
  • Die Projekte erstatten in einem im Vertrag festzulegenden Turnus Bericht über bauliche, rechtliche und tatsächliche Verwirklichung bzw. Nutzung der offen zugänglichen Infrastruktur.
  • Die Projekte legen im Autonomie- bzw. Nutzungsvertrag selbst fest, welche Durchsetzungsmöglichkeiten die Stiftung oder vergleichbare externe Beteiligte haben, um offen zugängliche Bereiche zu erhalten oder zu schaffen.
  • Für den Fall, dass die im Vertrag festgelegten Ziele nicht umgesetzt oder nachträglich eingeschränkt oder verworfen werden, werden schon im Vertrag klare Sanktionen festgelegt. Dies könnte sein:
    • Möglichkeit für die Stiftung, die festgelegten Räume an Dritte zu vergeben/vermieten, die dann gleiche oder ähnliche Ziele zu verwirklichen suchen. Wenn bzw. solange das nicht klappt: Möglichkeit für die Stiftung, die Räume an Dritte zu vermieten, um aus den Einnahmen andernorts offen zugängliche Infrastruktur zu schaffen.
    • Bei Kombination mit Geldanlage im Projekt muss das Geld der Stiftung samt berechneten Zinsen der Gesamtlaufzeit sofort zurückgezahlt werden.

Praktische Schritte
Obige Liste von Konsequenzen ist ein erster Vorschlag. Die Liste kann ergänzt oder modifiziert werden.
Für neue Projekte sollte das von Beginn an gelten.
Die schon bestehenden Projekte werden aufgefordert, sich zu den Vorschlägen Gedanken zu machen. Eine einvernehmliche Lösung z.B. durch Änderung der bisherigen Verträge sollte gefunden werden.

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