Demorecht

DER GROSSE PROZESS GEGEN PROJEKTWERKSTÄTTLER ... ZWEITE INSTANZ

Bericht vom 2. Fair..handlungstag: Mo., 21.03.05


1. Startschuss für die Berufung (2. Versuch)
2. Gerichte ...
3. Auf dem Weg zum Prozess
4. 10.3.2005: Rund um den ersten Prozesstag
5. Bericht vom 2. Fair..handlungstag: Mo., 21.03.05
6. 24.3.2005: Der dritte Prozesstag
7. 4.4.2005: Rund um den 4. Prozesstag
8. 7.4.2005: Berichte vom 5. Verha...ha..ndlungstag
9. 11.4.2005: Berichte vom 6. Verhandlungstag
10. 14.4.2005: Berichte vom 7. Verhörungstag
11. 18.4.2005: Rund um den achten Prozesstag
12. Berichte vom 9. Verhandlungstag: Mo., 21.04.05
13. 25.4.2005: Der zehnte Verhandlungstag
14. 29.4.2005: Berichte vom 11. Verhandlungstag
15. 3.5.2005: Zwölfter Tag und das Urteil: Wieder politische Justiz!
16. Spass am Rande: Rechnungen und mehr
17. Rückblick auf den Prozesszeitraum
18. Politische Prozesse der Folgezeit in Mittelhessen
19. Weitere Ermittlungsverfahren und Anklagen
20. Sonderseite zur neuen Polizeidokumentation!!!
21. Links zu verschiedenen Seiten zum Thema

9 Uhr, Landgericht Gießen (Ostanlage), Raum E 15 (EG)

Ablauf
Eigentlich sollte es heute um Wahlplakate gehen - nach dem turbulenten 1. Verhandlungstag wurde daraus aber nichts. Am Anfang standen wieder – vom Gericht abgelehnte – Unterbrechungsanträge und einige Pausen. Danach folgten politische Erklärungen der beiden Angeklagten, die sich gegen Justiz als solche richteten, aber auch detailliert die konkreten Gründe benannten, warum kein faires Verfahren zu erwarten ist. Und noch mehr Anträge. Nach der Mittagspause äußerten sich die Aktivisten zum Vorwurf der Sachbeschädigung an Wahlplakaten.

  • Ereignisse zwischen 1. und 2. Prozesstag
  • Bericht zum 2. Prozesstag auf indymedia mit Links zu den gestellten Anträgen

Beweisantrag zu Polizeiunterlagen zum 10.7.2004 (und Folgeereignisse)
Zu beweisen ist die folgende Tatsache: Das Polizeipräsidium unterdrückt systematisch Beweismittel und Informationen, wobei immer wieder Menschen aus dem sogenannten „Umfeld der Projektwerkstatt“ benachteiligt werden, im konkreten hier vorgetragenen Fall der Festnahme am 10.7.2004 und der darauffolgenden Ermittlungen den Angeklagten Bergstedt.

Begründung:
Die Zahl gefälschter Beweismittel durch die Polizei Gießen zuungunsten von Menschen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt ist hoch. Die Nachweise sind öffentlich zugänglich in zwei Dokumentationen, die bis heute unwiderlegt und unwidersprochen sind. Im laufenden Prozess sind bereits mehrfach Beweismittel unterdrückt worden, u.a. die Fotos der entscheidenden Phase des Angriffs der grünen OB-Kandidatin Gülle gegen den Angeklagten Bergstedt.

Im konkreten Fall sind in den Unterlagen zur Klage vor dem Verwaltungsgericht des Angeklagten Bergstedt gegen das Land Hessen wegen dem Polizeieinsatz am 10.7.2004 handschriftliche Vermerke zu finden, die zeigen, dass im Polizeipräsidium Gießen bis hin zur Polizeiführung dort Informationen unterdrückt und zurückgehalten werden.

Dieser Vorgang ist insbesondere auch deshalb von Interesse, weil der Verdacht besteht, dass auch Informationen zum inzwischen weitgehend aufgeklärten Fall der Lügen des Zeugen Gail von der Polizei möglicherweise gezielt zurückgehalten wurden.

Beweismittel:
  1. Dokumentationen zu Polizei, Politik, Presse und Justiz der Jahre 2004 und 2005. Beide werden hiermit übergeben und sind unter der Internetadresse www.polizeidoku-giessen.siehe.website einsehbar.
  2. Vernehmung des Polizeidirektors Voss, des Polizeibeamten Pape und der Assessorin Brecht, die die Vermerke angefertigt haben.
  3. Herbeiziehung der Gerichtsakten sowie aller Unterlagen der vertuschenden Polizei zu diesem Vorgang und der inzwischen abgewiesenen Anzeigen wegen übler Nachrede, falscher Verdächtigung, Beweismittelfälschung und Freiheitsberaubung (Az. 501 Js 19842/04 und beim Verwaltungsgericht mit Nr. 10 E 3616/04)

Antrag zu Polizeiunterlagen zum 10.7.2004 (und Folgeereignisse)
Die Verhandlung ist auszusetzen bis zur Klärung, ob die Polizei im Fall der Festnahme am 10.7.2004 Akten, Informationen und Beweismittel bewusst und gezielt verschwiegen hat. Sollte die Klärung nicht in einem separaten Verfahren gegen die Täter erfolgen, also die Personen, die für die etwaigen Unterschlagungen oder Fälschungen verantwortlich sind, so ist dafür in diesem Verfahren Zeit einzuräumen und zunächst sicherzustellen, dass alle verfügbaren Akten zu diesem Punkt vorliegen.

Im Einzelnen beantrage ich wegen der Gefahr der weiteren Unterschlagung von Unterlagen:
  • Sofortige Beschlagnahme aller zu Vorgang gehörenden Unterlagen und Akten des Polizeipräsidiums Mittelhessen (u.a. Az. 501 Js 19842/04 und beim Verwaltungsgericht mit Nr. 10 E 3616/04)
  • Sofortige Vorlage, nötigenfalls Beschlagnahme aller Ermittlungsunterlagen zu diesem Fall bei der Staatsanwaltschaft Gießen. Dazu ist erklärend hinzuzufügen, dass am 11.7.2004 bei der Staatsanwaltschaft und konkret dem hier anklagenden Staatsanwalt Vaupel eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung und Raub im Zusammenhang mit der Verhaftung in Lich am 10.7.2004 einging. Herr Vaupel hat das Verfahren eingestellt. Entsprechend seiner Begründung ist davon auszugehen, dass Herr Vaupel die Einschätzung durch die Polizei für richtig hält. Herrn Vaupel müssen aber die handschriftlichen Notizen der PolizeibeamtInnen Voss, Pape und Brecht auch vorgelegen haben, aus denen klar hervorgeht, dass die Polizei Informationen zurückhält. Es ist zu klären, ob bzw. warum Herr Vaupel daraufhin tätig geworden ist oder mit seinem Verhalten diese Beweismittelunterschlagung deckt oder toleriert.

Hilfsweise beantrage ich zu diesem Punkt, falls sich herausstellen sollte, dass Herr Staatsanwalt Vaupel trotz im bekannter Vermerke über weitere vorhandene, aber bewusst nicht genannter Informationen nicht ermittelt hat, ihn sofort von seiner Mitwirkung als Vertreter der Anklage in diesem Verfahren zu entlassen und gleichzeitig als Zeuge zu laden bezüglich folgender Fragen:
  1. Warum hat Herrn Vaupel nicht ermittelt bzw. die weiteren Informationen angefordert?
  2. Welche Gespräche hat er mit welchen Personen geführt?
  3. Wußte Herr Vaupel, welche Informationen in den Akten fehlten?

Sollte sich herausstellen, dass Herr Staatsanwalt Vaupel ohne ausreichende Ermittlungen oder wider besseres Wissen gehandelt hat, wäre die Abweisung der Anzeige wegen Freiheitsberaubung eine Strafvereitelung im Amt und wegen der direkten Auswirkung auf einen Prozess auch eine Rechtsbeugung im Amt. Diese wäre zudem zuungunsten des hier Angeklagten Bergstedt erfolgt, weswegen neben der Einleitung eines Verfahrens gegen Herrn Vaupel naheliegend ist, ihn von seiner Tätigkeit als Vertreter der Anklagebehörde in diesem Verfahren zu entbinden.
Der Antrag ist wie die vorherigen erheblich, weil im laufenden Prozess vor allem Zeugen als Belastungszeugen auftreten, die dem Polizeipräsidium Gießen angehören. Wenn deren Führung gezielt Beweise und Informationen in einem Fall unterschlagen hat, kann ein solches Verhalten auch in anderen, z.B. den hier zur Debatte stehenden nicht ausgeschlossen werden.

Beschluss des Gerichtes: Abgelehnt.
Der Beweisantrag "zu Polizeiunterlagen zum 10.7.2004 (und Folgeereignisse) und der in diesem Zusammenhang gestellte Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (Anlage 11 und 12 des Protokolls vom 21.3.2005) werden zurückgewiesen. Die beantragte Beweiserhebung kann unterbleiben, weil es für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, ob die Polizeibeamten Voss und Pape sowie die Assessorin Brecht in einem späteren Verfahren (Ereignisse vom 10.7.2004) Beweismittel und Informationen unterdrückt haben (§ 244, Abs. 3, S. 2, 2 Alt. StPO).
Diese Personen sind hier an Ermittlungen nicht beteiligt, und es sind keinerlei konkretisierbare Hinweise erkennbar, dass die Angeklagten vorliegend durch die Unterdrückung von Beweismitteln und Informationen Nachteile erleiden könnten.
Aus den vorgenannten Gründen ist eine Aussetzung des Verfahrens nicht angezeigt.

Beweisantrag zu Polizeilügen am 12.12.2002 und 10.12.2003 (und Folgeereignisse)
Zu beweisen ist die folgende Tatsache: Das Polizeipräsidium erfindet systematisch Straftaten, wobei immer wieder Menschen aus dem sogenannten „Umfeld der Projektwerkstatt“ benachteiligt werden, insbesondere die Angeklagten Neuhaus und Bergstedt.

Begründung:
Die Zahl erfundener Straftaten durch die Polizei Gießen zuungunsten von Menschen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt ist hoch. Die Nachweise sind öffentlich zugänglich in zwei Dokumentationen, die bis heute unwiderlegt und unwidersprochen sind.

Beweismittel:
  1. Dokumentationen zu Polizei, Politik, Presse und Justiz der Jahre 2004 und 2005. Beide werden hiermit übergeben und sind unter der Internetadresse www.polizeidoku-giessen.siehe.website einsehbar.
  2. Vernehmung der Beamten der Polizeipressestelle sowie der an der Verhaftung der Angeklagten Neuhaus und Bergstedt am 11.12.2002 kurz vor Mitternacht in der Walltorstraße beteiligten PolizeibeamtInnen.
  3. Vernehmung des Polizeidirektors Voss sowie der am 9.12.2003 festgenommenen TeilnehmerInnen der Gedichtelesung vor der Staatsanwaltschaft.
  4. Herbeiziehung der Gerichtsakten sowie aller Unterlagen der die Lügen erfindenden Polizei zu diesem Vorgang und der inzwischen abgewiesenen Klagen wegen übler Nachrede, falscher Verdächtigung, Beweismittelfälschung und Freiheitsberaubung (Az. 501 Js 14731/04)

Antrag zu den Polizeilügen am 10.12.2003 (und Folgeereignisse)
Die Verhandlung ist auszusetzen bis zur Klärung, ob die Behauptungen über vermeintliche Farb- oder (später dazu abgewandelt) politisch motiviert waren oder auf einer Auswertung von tatsächlichen Ermittlungsergebnissen beruhten. Sollte die Klärung nicht in einem separaten Verfahren gegen die Täter erfolgen, also die Personen, die für die etwaigen Fälschungen und falschen Verdächtigungen verantwortlich sind, so ist dafür in diesem Verfahren Zeit einzuräumen und zunächst sicherzustellen, dass alle verfügbaren Akten zu diesem Punkt vorliegen.

Im Einzelnen beantrage ich wegen der Gefahr der weiteren Verfälschung von Unterlagen und der Vernichtung oder Erfindung von Beweismitteln:
  • Sofortige Beschlagnahme aller zu Vorgang gehörenden Unterlagen und Akten des Polizeipräsidiums Mittelhessen
  • Sofortige Vorlage, nötigenfalls Beschlagnahme aller Ermittlungsunterlagen zu diesem Fall bei der Staatsanwaltschaft Gießen. Dazu ist erklärend hinzuzufügen, dass am 10.6.2004 bei der Staatsanwaltschaft und konkret dem hier anklagenden Staatsanwalt Vaupel eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung, Freiheitsberaubung und Beweismittelfälschung im Zusammenhang mit der Verhaftung bei der Gedichtelesung einging. Herr Vaupel hat das Verfahren eingestellt, u.a. mit der Begründung „Die Zusammensetzung der Personengruppe, ihr Gesamteindruck, die Flugblätter, die Farbanhaftungen an den Hosen und der Behälter ließen darauf schließen, dass die Personengruppe geplant hatte, in dieser Nach erneute Farbe auf den Justizgebäuden anzubringen oder sogar einen Brandanschlag durchzuführen“. Nach diesem Satz ist nicht nur davon auszugehen, dass Herr Vaupel die Einschätzung durch die Polizei für richtig hält und mit seinem eigenen Satz ja auch wiederholt, sondern es muss davon ausgegangen werden, dass ein Staatsanwalt, bevor er eine solche Tatsachenbehauptung vor jeglichem Gerichtsverfahren formuliert, sich in der Sache aktenkundig gemacht hat. Daher ist zu erwarten, dass die zu Klärung notwendigen Akten auch in der Staatsanwaltschaft vorliegen. Dazu gehört auch die Frage, ob Herr Vaupel zum Zeitpunkt seiner Verfahrenseinstellung am 1.9.2004 den Vermerk des Staatsschutzbeamten Broers kannte, der schon am 21.7.2004 abschließend zum Fall dort niederschrieb: „Eine Untersuchung des Gefäßes beim HLKA kam zu dem Ergebnis, dass es sich um einen Eimer handelte, in dem eine Kunststoffflasche lag. Die angesprochenen Farbreste konnten beim HLKA nicht mehr festgestellt werden. Grund hierfür dürfte sein, dass es sich bei dem Inhalt um Graffiti Entferner handelt“. Hieraus wird deutlich, dass es einen Brandsatz oder ähnliches nie gegeben hat. Vielmehr zwingt sich der Eindruck aus, das Gefäß gehöre der die Gerichtsgebäude säubernden Firma und wurde von der Polizei zu einem Brandsatz umdefiniert und damit eine Straftat erfunden und ein Beweismittel dafür erfunden bzw. selbst hergestellt.
  • Sofortige Beschlagnahme des zu einem Brandsatz umdefinierten Gefäßes zwecks Augenscheinnahme vor Gericht im laufenden Verfahren.
  • Sofortige Beschlagnahme der vermeintlichen Utensilien, die für Farbanschläge geeignet sein sollten. In der Pressemitteilung der Polizei vom 10.12.2003 wird formuliert, dass die Gruppe „entsprechende Utensilien mitgeführt wurden“. Eine solche Formulierung würde nicht für Hosen oder Schuhe verwendet werden, so dass eindeutig noch andere Materialien bei der Polizei vorhanden sein müssen oder der Satz eine schlichte Lüge ist.
  • Vernehmung des POK Broers zu den Ermittlungsergebnissen über den 9.12.2003.

Hilfsweise beantrage ich zu diesem Punkt, falls sich herausstellen sollte, dass Herr Staatsanwalt Vaupel trotz entsprechender Ermittlungsergebnisse seine Behauptung „Die Zusammensetzung der Personengruppe, ihr Gesamteindruck, die Flugblätter, die Farbanhaftungen an den Hosen und der Behälter ließen darauf schließen, dass die Personengruppe geplant hatte, in dieser Nach erneute Farbe auf den Justizgebäuden anzubringen oder sogar einen Brandanschlag durchzuführen“ aufgestellt hat, ihn sofort von seiner Mitwirkung als Vertreter der Anklage in diesem Verfahren zu entlassen und gleichzeitig als Zeuge zu laden bezüglich folgender Fragen:
  • Welche Informationen haben Herrn Vaupel dazu gebracht, zu behaupten, dass die Brandanschlag geplant war?
  • Welche Gespräche hat er mit welchen Personen geführt, die ihn zu dieser Behauptung veranlassten?
  • Warum hat Herr Vaupel das Verfahren gegen die Polizeibeamten eingestellt, obwohl die Akten eindeutig zeigen, dass weder Utensilien für farbliche Umgestaltungen noch für Brandanschläge gefunden wurden?

Sollte sich herausstellen, dass Herr Staatsanwalt Vaupel ohne ausreichende Ermittlungen oder wider besseres Wissen gehandelt hat, wäre die Abweisung der Anzeige wegen falscher Verdächtigung und Freiheitsberaubung eine Strafvereitelung im Amt und wegen der direkten Auswirkung auf einen Prozess auch eine Rechtsbeugung im Amt. Diese wäre gezielt zuungunsten der hier Angeklagten erfolgt, weswegen neben der Einleitung eines Verfahrens gegen Herrn Vaupel naheliegend ist, ihn von seiner Tätigkeit als Vertreter der Anklagebehörde in diesem Verfahren zu entbinden.

Der Antrag ist wie die vorherigen erheblich, weil im laufenden Prozess vor allem Zeugen als Belastungszeugen auftreten, die dem Polizeipräsidium Gießen angehören. Wenn deren Führung in beweisbaren Fällen öffentlich Straftaten und Beweismittel erfindet oder fälscht, kann dieses auch für die hier verhandelten Anklagepunkte nicht ausgeschlossen werden – zumal in einem konkreten Fall die öffentliche Falschdarstellung der Polizei schon als geklärt anzusehen ist. Das ist nämlich im Fall der Lügen des Zeugen Gail so, wo die Polizei die falsche Darstellung einen Tag später selbst wiederholt hat. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der diesem Polizeipräsidium entstammenden Zeugen muss daher geklärt werden, ob solche Fälschungen und Erfindungen durch die Polizeibehörde stattfanden und restlos aufgeklärt werden, wer aus welchem Grund diese Vorgänge verantwortet, unterstützt oder toleriert hat.

Beschluss des Gerichtes am 14.4.2005
Der Antrag zum Beweis der Tatsache, dass das Polizeipräsidium systematisch Straftaten erfindet, wobei immer wieder Menschen aus dem sogenannten Umfeld der Projektwerkstatt benachteiligt werden, insbesondere die Angeklagten Neuhaus und Bergstedt (Anl. 11 zum Protokoll vom 21. 3. 2005) und der Antrag auf Aussetzung bzw. Unterbrechung des Verfahrens zuf Klärung, ob die Behauptungen über vermeintliche Farb- und (später dazu abgewandelt Brandanschlag) politisch motiviert waren oder auf einer Auswertung von tatsächlichen Ermittlungsergebnissen beruhten (Anl. 12 zum Prot. Vom 21. 3. 2005), werden zurückgewiesen.

Gründe
Es muss sich aus einem Beweisantrag, notfalls durch Auslegung ergeben, welche konkrete Tatsache bewiesen werden soll. Vorliegend ist nicht zu erkennen, wer, welche Straftaten systematisch erfinden soll. Das Polizeipräsidium als Behörde ist dazu jedenfalls nicht in der Lage. Auch durch Auslegung ist vorliegend nicht zu ermitteln, was im Einzelnen unter Beweis gestellt werden soll.

Eine Aussetzung oder Unterbrechung des vorliegenden Verfahrens zur Klärung der Frage, ob in einem anderen Verfahren Falschaussagen bzw. gezielte Lügen zu falschen Verdächtigungen der Angeklagten führten, ist nicht erforderlich. Soweit Vorgänge, wie das"Erfindert'von Straftaten und Fälschen von Beweisen, das die Angeklagten im Verlauf anderer Verfahren behaupten, nachteilige Auswirkungen für die Angeklagten im vorliegenden Verfahren haben könnten, wird dies zu prüfen und bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein.

Beweisantrag zur Kriminalitätsstatistik 2003
Zu beweisen ist folgende Tatsache: Das Polizeipräsidium Gießen hat in der offiziellen Kriminalitätsstatistik 2003 (vorgelegt im April 2004) die „Täter“ des überwiegenden Teil von 138 Straftaten der Projektwerkstatt zugerechnet. Damit hat das PP öffentlich eine Vorverurteilung und eine Tatsachenbehauptung gemacht, ohne den tatsächlichen Ausgang der Ermittlungen und etwaiger Gerichtsverfahren abzuwarten.

In der Statistik heißt es: (siehe Anlage).

Beweismittel:
  • Kriminalitätsstatistik 2003 (auszugsweise zitiert in der Anlage: Aus Dokumentation 2005)
  • Vernehmung von Beamten der Pressestelle der Polizei sowie des Polizeipräsidenten Meise, der damals die Statistik offiziell vorstellte
  • Vernehmung der damals als Pressevertreterin anwesenden Frau Simone Ott, Riedweg 21a, 61203 Reichelsheim
  • Sofortige Beschlagnahme aller zu der Zahl von 138 Straftaten und der Behauptung, die Täter kämen überwiegend aus der Projektwerkstatt, führenden Unterlagen und Akten des Polizeipräsidiums Mittelhessen

Der Beweisantrag ist wie die folgenden erheblich, weil im laufenden Prozess vor allem Zeugen als Belastungszeugen auftreten, die dem Polizeipräsidium Gießen angehören. Da deren Führung bereits öffentlich und hochoffiziell die Täterschaft in vielen Fällen und wahrscheinlich auch den meisten hier in diesem Verfahren zu verhandelnden Anklagepunkte bekanntgegeben hat, sind die Zeugen, die dem PP Mittelhessen angehören, aufgrund ihres Dienstverhältnisses nicht mehr frei in der Aussage. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Polizeizeugen muss daher geklärt werden, dass diese Vorverurteilung durch die Polizeibehörde stattfand und restlos aufgeklärt werden, wer aus welchem Grund diese Vorverurteilung vorgenommen hat.

Beweisermittlungsantrag zur Kriminalitätsstatistik 2003
Für den laufenden Prozess ist von Belang, welche konkreten Personen im Polizeipräsidium Gießen für die Formulierungen der Kriminalitätsstatistik und insbesondere des Teil zu politisch motivierten Straftaten verantwortlich ist. Zu vermuten ist, dass hier auch BeamtInnen des Staatsschutzes beteiligt waren. Da mehrere und vor allem führende Angehörige der Staatsschutzabteilung hier als BelastungszeugInnen aussagen werden, ist für den Prozess von großer Bedeutung, da es zu einen für die Frage der Glaubwürdigkeit der ZeugInnen von Belang ist, ob sie persönlich an einer Vorverurteilung mitgewirkt oder von ihr gewusst und geschwiegen haben. Zudem ist die Klärung von großer Bedeutung, weil von Seiten der Angeklagten bereits mehrfach die Darstellung in den Prozess eingebracht wurde, dass seitens der Polizei und auch etlicher aus der Polizei stammender ZeugInnen gelogen oder Beweismittel verfälscht, erfunden oder vernichtet wurden. In einem Fall, nämlich der den Stadtverordnetenvorsteher Gail bestätigenden Aussagen der Polizeiführung am 28.3.2003 ist eine Lüge bereits öffentlich geworden. Es besteht daher hinreichender Verdacht, dass im Polizeipräsidium in größerem Umfang gefälscht, erfunden und gelogen wurde.

Im Einzelnen rege ich an:
  • Vernehmung aller an der Kriminalitätsstatistik 2003 allgemein und speziell zum Absatz über politische Straftaten beteiligten BeamtInnen und sonstigen MitarbeiterInnen der Polizei
  • Vernehmung aller Angehörigen des Staatsschutzes hinsichtlich der Frage, wie die Statistik und die Formulierungen zustandekamen, wer beteiligt war, wer einbezogen war und wer davon wusste.
  • Sofortige Heranziehung aller zu der Zahl von 138 Straftaten und der Behauptung, die Täter kämen überwiegend aus der Projektwerkstatt, führenden Unterlagen und Akten des Polizeipräsidiums Mittelhessen und der Staatsanwaltschaft Gießen.

Antrag zur Kriminalitätsstatistik 2003
Drei Anträge im Rahmen der grundsätzlichen Einlassung eines der Angeklagten am zweiten Prozesstages:

Die Verhandlung ist auszusetzen bis zur Klärung, ob die Daten der Kriminalitätsstatistik 2003 politisch motiviert sind oder auf einer Auswertung von tatsächlichen Ermittlungsergebnissen beruhen. Sollte die Klärung nicht in einem separaten Verfahren gegen die Täter erfolgen, also die Personen, die für die etwaigen Fälschungen und falschen Verdächtigungen verantwortlich sind, so ist dafür in diesem Verfahren Zeit einzuräumen und zunächst sicherzustellen, dass alle verfügbaren Akten zu diesem Punkt vorliegen.

Im Einzelnen beantrage ich wegen der Gefahr der weiteren Verfälschung von Unterlagen und der Vernichtung von Beweismitteln:
  • Sofortige Beschlagnahme aller zu der Zahl von 138 Straftaten und der Behauptung, die Täter kämen überwiegend aus der Projektwerkstatt, führenden Unterlagen und Akten des Polizeipräsidiums Mittelhessen
  • Sofortige Vorlage, nötigenfalls Beschlagnahme aller Ermittlungsunterlagen zu diesem Fall bei der Staatsanwaltschaft Gießen. Dazu ist erklärend hinzuzufügen, dass am 8.6.2004 bei der Staatsanwaltschaft und konkret dem hier anklagenden Staatsanwalt Vaupel fristgerecht eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung und übler Nachrede im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Kriminalitätsstatistik einging. Herr Vaupel hat das Verfahren eingestellt, u.a. mit der Begründung „Die dort dargestellten Daten entsprechen den Tatsachen“. Nach diesem Satz ist nicht nur davon auszugehen, dass Herr Vaupel die Vorverurteilung durch die Polizei für richtig hält und mit seinem eigenen Satz ja auch wiederholt, sondern es muss davon ausgegangen werden, dass ein Staatsanwalt, bevor er eine solche Tatsachenbehauptung vor jeglichem Gerichtsverfahren formuliert, sich in der Sache aktenkundig gemacht hat. Daher ist zu erwarten, dass die zu Klärung notwendigen Akten auch in der Staatsanwaltschaft vorliegen.

Hilfsweise beantrage ich zu diesem Punkt, falls sich herausstellen sollte, dass Herr Staatsanwalt Vaupel nicht in der beschriebenen Weise überhaupt tätig wurde und ohne entsprechende Ermittlungsergebnisse seine Behauptung „Die dort dargestellten Daten entsprechen den Tatsachen“ aufgestellt hat, ihn sofort von seiner Mitwirkung als Vertreter der Anklage in diesem Verfahren zu entlassen und gleichzeitig als Zeuge zu laden bezüglich folgender Fragen:
  • Welche Informationen haben Herrn Vaupel dazu gebracht, zu behaupten, dass die Täter für die überwiegende Anzahl der politisch motivierten Straftaten im Raum Gießen im Jahr 2003 aus der Projektwerkstatt stammen?
  • Welche Gespräche hat er mit welchen Personen geführt, die ihn zu dieser Behauptung veranlassten?
  • Welche Ermittlungen hat er überhaupt geführt, um zu einer solchen Einschätzung zu kommen?

Sollte sich herausstellen, dass Herr Staatsanwalt Vaupel ohne ausreichende Ermittlungen gehandelt hat, wäre die Abweisung der Anzeige wegen falscher Verdächtigung und übler Nachrede eine Strafvereitelung im Amt und wegen der direkten Auswirkung auf einen Prozess auch eine Rechtsbeugung im Amt. Diese wäre gezielt zuungunsten der hier Angeklagten erfolgt, weswegen neben der Einleitung eines Verfahrens gegen Herrn Vaupel naheliegend ist, ihn von seiner Tätigkeit als Vertreter der Anklagebehörde in diesem Verfahren zu entbinden.

Beschlüsse des Gerichtes am 14.4.2005
Der Beweisantrag und der Beweisermittlungsantrag zur Kriminalitätsstatistik 2003, Anl. 6 und 7 zum Prot. 21. 3. 2005 werden zurückgewiesen.

Gründe: Die beantragte Beweiserhebung bzw. die angeregten Ermittlungen können unterbleiben, weil sie für die Entscheidung keine Bedeutung haben, § 244 Abs. 4, Alt. StPO. Auch für den Fall, dass im vorliegenden Verfahren zu vernehmende Polizeibeamte bzw. Beamte des Staatsschutzes an der Erstellung und/oder redaktionellen Bearbeitung der Kriminalstatistik für das Jahr 2003, die hier erfassten Staatschutzdelikte betreffend, beteiligt waren, ist aus dem Umstand, dass es heißt: jm Jahr 2003 wurden in der Stadt und im Landkreis Gießen sowie im Lahn-Dill-Kreis insgesamt 185 Fälle sogenannter Staatschutzkriminalität registriert. Der Anstieg bei Tätern aus dem linken Spektrum ist überwiegend auf Beleidigungen, Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz im Zusammenhang mit der in Gießen eingeführten Gefahrenabwehrverordnung und dem Landtags-/OB-Wahlkampf durch Aktivisten der Projektwerkstatt in Saasen zurückzuführen "nicht zu folgern, dass die Beamten im vorliegenden Verfahren falsche Angaben machten oder machen werden. Es ist gemeinhin bekannt, dass die polizeiliche Kriminalstatistik alle Ermittlungsverfahren erfasst. So wurden aus den ,registrierten Fällen“ Täter- bzw. Deliktsgruppen gebildet und Vergleiche in verschiedener Hinsicht angestellt. Genauso wie in anderen Zusammenhängen die Ausländereigenschaft, die Hautfarbe etc. von Beschuldigten/Tätern für vergleichende Betrachtungen herangezogen wird, wurde hier bei den sog. Staatsschutzdelikten linkes und rechtes politisches Spektrum getrennt betrachtet, wobei die Beschuldigten des linken Spektrums überwiegend dem (offenbar polizeibekannten) Kreis der ,Aktivisten der Projektwerkstatt in Saasen’ zuzurechnen waren. Über den Grad des Tatverdachts und den Ausgang der Verfahren wird in der Kriminalitätsstatistik der Polizei im Allgemeinen keine Aussage getroffen. Dass dies hier anderes gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Bei vernünftiger Betrachtung besteht sonach kein Zweifel, dass der Verwendung des Begriffs "Täter“ in diesem Zusammenhang keine Vorverurteilung beizumessen ist. Die übrigen Aussagen der von den Angeklagten angegriffenen Passage der Kriminalitätsstatistik 2003 sind offenbar im Wesentlichen zutreffend. So bezeichnen sich die Angeklagten selbst als dem linken Spektrum und der Projektwerkstatt Saasen zugehörig, und die Anzahl von 138 registrierten Verfahren (bei ‚Tätern aus... linkem Spektrum’ wurde von ihnen - jedenfalls in nachvollziehbarer Weise - nicht in Zweifel gezogen.

Allem nach kann aus einer möglichen Beteiligung der hier zu vernehmenden Beamten an der Erfassung des statistischen Materials oder der Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse sinnvoller Weise nicht darauf geschlossen werden, dass sie in dem vorliegenden Verfahren die Unwahrheit sagten oder nun lügen werden, etwa um die Statistik nachträglich zu verifizieren. Daher brauchte der Anregung insoweit Beweis zu erheben, nicht nachgegangen zu werden. Diese Bewertung schließt allerdings nicht aus, dass bei der Frage der Glaubhaftigkeit von einzelnen Aussagen der Gesichtspunkt zu berücksichtigen sein wird, dass bei Polizeibeamten durchaus ein Interesse bestehen kann, der polizeilichen Arbeit letztlich auch zum Erfolg, nämlich einer Verurteilung, zu verhelfen.

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (Anl. 8 zum Prot. vom 21. 3. 2005 Kriminalitätsstatistik) wird zurückgewiesen.

Gründe: Die Aussetzung des Verfahrens zur Klärung, ob die Daten der Kriminalitätsstatistik 2003 politisch motiviert sind oder auf einer Auswertung von tatsächlichen Ermittlungsergebnissen beruhen, erscheint zur ordnungsgemäßen Verteidigung in diesem Verfahren nicht notwendig, da die die Aktivisten der Projektwerkstatt betreffenden Inhalte der genannten Statistik für die Entscheidung ohne Bedeutung sind, wie bereits ausgeführt.

Gegenvorstellung der Angeklagten am 18.4.2005
Gegenvorstellung zu den Beschlussen hinsichtlich der Anträge zur Kriminalitätsstatistik 2003 und zu konkreten Fälschungen und Erfindungen von Straftaten durch die Polizei Mittelhessen

Die Beschlüsse werden gerügt. Sie gegen auf etliche Punkte der Anträge gar nicht ein und bewerten benannte Punkte zum Teil falsch.

Im Genaueren:
  • Im Beschluss wird behauptet, dass in der Kriminalitätsstatistik Täter- und Deliktsgruppen unterschieden und statistisch aufbereitet werden. Das ist insoweit richtig, dass nach groben Einteilungen unterschieden wird, z.B. nach den im Beschluss benannten Beispielen wie Deutsche/Nichtdeutsche. Die Benennung einer konkreten, hinsichtlich der Personen auch gerade von der Polizei selbst ständig auf konkrete Namen eingegrenzten „Projektwerkstatt“ ist damit nicht zu vergleichen. „Projektwerkstatt“ ist kein soziologisches Merkmal. Die Behauptung, dass Täter überwiegend aus der Projektwerkstatt kämen, wäre nur vergleichbar mit Aussagen wie „die überwiegende Zahl aller Korruptionsfälle geht auf CDU-Mitglieder zurück“ oder „fast alle Falschaussagen geschahen durch Angehörige der SPD“ oder „Gewalttäter kommen überwiegend aus den Reihen der Polizei“. Genau solche Aussagen gibt es aber an keiner anderen Stelle der Kriminalitätsstatistik, insofern ist es eben gerade eine Besonderheit, dass hier eine konkrete Gruppe als Täter benannt werden.
  • In der Zurückweisung des Beschlusses wird behauptet, dass „über den Grad des Tatverdachts ... keine Aussagen getroffen“ werden. Das ist sichtbar falsch. Die Bezeichnung „Täter“ meint den maximalsten Grad des Tatverdachts. Es ist unverständlich, warum im Beschluss des Gerichts hier eine andere Darstellung erfolgt. Sie ist offensichtlich unsinnig. Die Bezeichnung „Täter“ ist die Behauptung, dass die damit bezeichnete Person oder Personen tatsächlich die Tat begangen haben. Auch die Formulierung des Gerichtsbeschlusses, dem Begriff „Täter“ sei „in diesem Zusammenhang keine Vorverurteilung beizumessen“ kann aus hiesiger Sicht nicht zugestimmt werden. Eine solche Interpretation scheidet sprachlich aus, vielmehr mein der Begriff „Täter“ die Person, für die damit ausgesagt wird, die Tat auch begangen zu haben.
  • Der Verdacht, dass in der Kriminalitätsstatistik gezielt und manipulierend eine Vorverurteilung von Menschen aus der Projektwerkstatt erfolgte, wird noch dadurch verstärkt, dass in den Statistiken der Jahre davor und auch der inzwischen erschiedenen Statistik für das Jahr danach keine Ausführungen zu Tätern oder auch nur Tatverdächtigen gemacht werden. Es handelt sich folglich um eine Ausnahme, die den Verdacht nährt, dass hier gezielt gehandelt wurde im Kontext der laufenden Kriminalisierung der Menschen, die der Projektwerkstatt zugerechnet werden.
  • Genau deshalb ist von besonderer Bedeutung, wer die Kriminalitätsstatistik in der beschriebenen Art manipuliert hat. Diese Personen bzw. diese Abteilungen der Polizei würden dann im Verdacht stehen, ein gewünschtes Ergebnis von Ermittlungen vorher festzulegen und dann die Ermittlungen genau darauf auszurichten. Das ist auch einer der zu prüfenden Punkte – ob Ermittlungen der Polizei mit einem vorher festgelegten, aus politischen Gründen gewollten Ergebnis ausgeführt wurden.
  • Warum, wenn denn die Statistik manipuliert worden sein sollte, es keinen Anlass zur Sorge geben sollte, dass nun die eventuell gleichen Personen nicht erneut lügen oder fälschen würden, um die Statistik nachträglich zu verifizieren, ist nicht nachvollziehbar. Ganz im Gegenteil sind auch die weiteren Rahmenbedingungen des Prozesses und der konkrete Prozessverlauf eher eine Bestätigung, dass der Verdacht bewusster und gezielter Manipulation offensichtlich begründet ist. Die Kriminalitätsstatistik ist quantitativ nur der Höhepunkt der Vor- und Falschverurteilungen – aber genau deshalb auch für den laufenden Prozess interessant.
  • Das Gericht ist auf das genannte Argument, dass eine Überprüfung auch zeigen würde, ob die im Prozess verhandelten Fälle, soweit sie das Jahr 2003 betreffen, in der Statistik erfasst sind und folglich von der Polizei bereits die Täter öffentlich benannt wurden, gar nicht eingegangen. Auch insofern ist der Beschluss zu rügen.
  • Ebenso ist das Gericht nicht auf das Problem eingegangen, dass fast alle Belastungszeugen genau der Behörde entstammen, die die Statistik in dieser Weise veröffentlicht hat. Aufgrund der Dienstuntergebenheit können sich Ängste und Zwänge ergeben, die eine freie Zeugenaussage erschweren oder verunmöglichen.

Mit der Ablehnung des Beweis- und des Aussetzungsantrages unterlässt das Gericht eine wichtige Prüfung, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Anklagepunkten steht: Nämlich der Frage, ob die Anzeigen und/oder Ermittlungen mit einem vorher feststehenden, politisch motivierten Ziel erfolgt sind.

In ganz ähnlicher Weise ist der Beschluss zu rügen, der eine Prüfung der Vorgänge um die Erfindung zunächst eines Farb- und dann eines Brandanschlags auf Justizgebäude ablehnt. Auch hier könnte sich zeigen, dass die Polizei Mittelhessen ein Verfolgungsinteresse jenseits konkreter Vorkommnisse hat. Sollte sich herausstellen, dass in ähnlich gelagerten Fällen Anzeigen ohne jeglichen Anlass und bewusst erfundenerweise erfolgen, so lässt das durchaus Rückschlüsse auf den laufenden Prozess zu, denn auch in diesem geht es in mehreren und gerade in den zentralen Anklagepunkten um Vorkommnisse, bei denen seitens der Angeklagten bereits mehrfach die Auffassung geäußert wurde, diese seien ebenfalls zum Zwecke der Kriminalisierung unerwünschter Personen erfolgt.

Die Vorfälle vom 11.4.2005 kurz vor dem Prozessbeginn hier mit dem von der Polizei frei erfundenen Fusstritten samt eines konstruierten Beweises legen sehr deutlich nahe, dass eine Prüfung politisch motivierter Ermittlungsstrategien und -ergebnisse der Polizei Mittelhessen dringend vonnöten ist. Diesem Zweck dienten die Anträge. Diese Prüfungen bleiben aus meiner Sicht von besonderer Wichtigkeit.

Umgang mit der Gegenvorstellung seitens des Gerichts
Die Gegenvorstellungen des Angeklagten Bergstedt gegen die Beschlüsse der Kammer betreffend die Kriminalitätsstatistik 2003 rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Stadt Gießen 22.03.2005

Von Totenköpfen und riesigen Gebissen
Zweiter Prozesstag im Verfahren gegen Politaktivisten
GIESSEN (hh). Das Dröhnen der Alarmanlage eines Autos hatte die Streife nach Reiskirchen geführt. Und dort trafen die Beamten auch zwei Personen an: den bekennenden "Berufsrevolutionär" Jörg Bergstedt und einen Bekannten. Doch offenkundig merkten sie sogleich, dass die beiden keinerlei Interesse an Autos hatten. "Die Situation war relativ entspannt", schilderte Bergstedts Begleiter. Wenngleich ihm die Beamten zunächst Handschellen angelegt hatten. "Aber die hatten keinen Schlüssel dabei." Deshalb habe er zunächst auch nicht befreit werden können. Das "Gewitzel" aber endete dann doch mit einer Strafanzeige. Wegen Sachbeschädigung von Wahlplakaten. Und unter anderem deshalb müssen sich die beiden seit vergangener Woche vor dem Landgericht verantworten. Dabei werden Bergstedt insgesamt acht Fälle von Sachbeschädigung vorgeworfen. Hinzu kommt Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung sowie Hausfriedensbruch und Beleidigung. Dafür war er vom Amtsgericht bereits im Dezember 2003 zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Gegen diese Entscheidung hatte er ebenso Berufung eingelegt wie sein 23-jähriger Mitangeklagter, gegen den wegen Sachbeschädigung in insgesamt neun Fällen und Hausfriedensbruch eine Geldstrafe von 1000 Euro (100 Tagessätze zu 10 Euro) verhängt worden war.
Für Aufsehen hatte der Prozess dabei schon vor Beginn gesorgt. Denn Hausfriedensbruch wird den beiden im Zusammenhang mit der Stadtverordnetenversammlung am 27. März 2003 vorgeworfen, in der über die so genannte Gefahrenabwehrverordnung abgestimmt worden war. Und ursprünglich war gestern geplant, dass Stadtverordnetenvorsteher Dieter Gail dazu als Zeuge gehört wird. Doch den ursprünglichen Verhandlungsplan hat die Dritte Strafkammer nochmals geändert. Und deshalb stand gestern der Vorwurf der Sachbeschädigung im Mittelpunkt. Wann Gail als Zeuge vor dem Landgericht aussagen wird, ist noch unklar.
Gleich mehrere Wahlplakate waren kurz vor der Bundestagswahl in Reiskirchen "verändert" worden. Zum einen mit Aufklebern - Totenköpfen und überdimensionalen Gebissen - und zum anderen durch Papierbuchstaben und hinzugefügte Textpassagen. Als die Beamten die beiden jungen Männer aus dem Umfeld der Saasener Projektwerkstatt an jenem Abend antrafen, hatte der jüngere in einem Jutebeutel einige derartige Aufkleber dabei. Aber Stifte - Kugelschreiber oder Edding - seien bei ihnen nicht entdeckt worden, so Bergstedt. Außerdem hätten die Beamten behauptet, er habe einen Pinsel und einen Glasbehälter in einen Müllcontainer geworfen. Aber dort seien die angeblichen "Tatwerkzeuge" später nicht gefunden worden. Dazu sollen nun am Donnerstag die Beamten gehört werden. Doch nicht nur denen, sondern auch anderen Polizisten hat der 40-Jährige vorgeworfen, Zwischenfälle rund um die Aktionen rund um die Projektwerkstatt immer wieder auszuschmücken und teilweise völlig falsch darzustellen. Dazu hat Bergstedt gestern gleich mehrere Beweisanträge gestellt, über die das Gericht aber noch nicht entschieden hat.
(Quelle: Giessener Anzeiger, 22.03.05) ++ Abbildung rechts: Gießener Allgemeine, 22.03.50, S. 26)

  • Übersichsseite zur Berufungsverhandlung
  • Übersicht zum Rahmenprogramm des Verfahrens (u.a. Veranstaltungsreihe zu Repression, Knast und Justiz)
  • Polizeidoku Giessen- über Fälschungen und Hetzte seitens Polizei, Presse und Politik

Zum Anklagepunkt Wahlplakate
Am Vormittag soll es also um Wahlplakateveränderungen gehen. In Reiskirchen wurden die Angeklagten in einer Nacht bei der Jagd auf Autoknacker durch Zufall kontrolliert. Veränderungen von Wahlplakaten bemerkten sie erst später. Der Zusammenhang wurde auch später abenteuerlich konstruiert. Sogar der völlig parteiische Richter Wendel aus der ersten Instanz musste zugeben im Urteil, dass ein Tatnachweis nicht zu erbringen sei. Verurteilt hat er die Angeklagten trotzdem, weil sie am Küchentisch der Projektwerkstatt mit den TäterInnen zusammengesessen hätten (worüber im Prozess nie geredet wurde ...).

Mit dem Bundestagswahlkampf 2002 begannen die sehr umfangreichen und kreativen Veränderungen von Wahlplakaten in und um Gießen sowie in anderen Städten. Dabei wurden oft die Botschaften der Parteien geschickt verändert, um einen neuen Inhalt zu vermitteln. Die Verwandlung von "Ein moderner Kanzler für ein modernes Land" in "... für ein mordendes Land" war angesichts der kurz zuvor gelaufenen Kriege passgenau und unauffällig (siehe Foto). Insgesamt werden es Tausende Plakate gewesen sein, die im Bundes-, Landtags-, Bürgermeister- und EU-Wahlkampf verändert wurden. Erwischt worden sind nie irgendwelche Personen, bis heute ist unbekannt, wer genau wann und wo agiert hat. Vieles wirkte spontan, andere Sprüche gab es im Internet zu sehen und für weitere Verwendungen zum Herunterladen. Eine "Best-of"-Serie wurde auf dem Anti-Wahl?Mobil nach Art eines Karnevals-Umzugswagen nachgebaut. Dieser aber wurde beim ersten Einsatz von der Polizei "verhaftet" und in einem Wutanfall auf dem Polizeigelände zertrümmert. Die Kunstwerke sind bis heute verschwunden. Rückblicke, Fotos von vielen Plakaten, Hintergrundtexte und die Downloaddateien für Überkleber befinden sich auf Wahlquark - die Antiwahlseite.

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