Gender-Trouble

KLIMASCHUTZ-KAPITALISMUS

Kommentare zum Abschluß des Klimagipfels in Bonn (Juli 2001)


1. Politischer Unwille und reine Profitgier
2. Kritik und Perspektiven - ein Klimaschutz von unten?
3. Klimazertifikate
4. Fragwürdige Positionen von (Umwelt-)NGOs, Parteien und Klimaschutzgruppen
5. Kommentare zum Abschluß des Klimagipfels in Bonn (Juli 2001)
6. Und so weiter ...
7. Kohleausstieg in Deutschland: Kapitalismus frisst gute Idee
8. Al Gore und der Klima-Hype
9. Links zum Klimawandel allgemein

Auf dem Gipfel wurde nach langem Ringen ein deutlich verschlechtertes Klimaschutzprotokoll verabschiedet. Unter anderem werden jetzt Wälder, auch bestehende oder Aufforstungen nach Abholzungen, als Klimaschutz (sog. Senken) anerkannt. Umweltverbände hatten vorher zu Aktionen in Bonn für das Kyoto-Protokoll und eine Verbesserung der bisherigen Regelungen aufgerufen. Beschlossen wurde dann eine deutliche Verschlechterung. Dennoch jubelten die Umweltverbände.

Im Original: Die letzten Appelle
Jürgen Trittin, Bundesumweltminister, in der Grünen-Zeitung „KlimaZeit“
Das Kyoto-Protokoll müsse Grundlage für den globalen Klimaschutz bleiben. Für dieses Protokoll gibt es keine realistische Alternative.

PDS-Presseinfo zu einem Antrag im Bundestag, 14/65760
... sei auszuloten, wie sich bei einer Verweigerungshaltung der USA eine schnellstmögliche Ratifizierung des Kyoto-Protokolls auch ohne die Vereinigten Staaten erzielen lasse.

Presseinfo des WWF Deutschland, veröffentlicht von ots am 11.6.2001
Umweltverbände drängen auf Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
Sechs Umweltschutzorganisationen haben sich im Vorfeld des EU-Gipfels an Bundeskanzler Gerhard Schröder gewandt. In einem offenen Brief fordern BUND, NDR, Germanwatch, Greenpeace, Nabu und WWF ein klares Bekenntnis zum Kyoto-Protokoll.

Manfred Treber, Germanwatch, in seiner Rede am 15.7.2001 in Bonn
Viele hier sehen den Emissionshandel mit Treibhausgasemissionen kritisch. Er ist jedoch mittlerweile ein Faktum - unabhängig vom Kyoto-Protokoll bereiten sowohl die Europäische Union wie auch die rot-grüne Bundesregierung die Einführung eines Emissionshandelssystems vor. Der Emissionshandel hat einen großen Vorteil. Mit einem solchen Instrument wird Klimaschutz in die Sprache der Wirtschaft - und die heißt: Geld - eingeführt. Dadurch hat die Wirtschaft einen Anreiz, Klimaschutz zu machen.

Bewertungen des Ergebnisses:
Auf dem Gipfel wurde nach langem Ringen ein deutlich verschlechtertes Klimaschutzprotokoll verabschiedet. Unter anderem werden jetzt Wälder, auch bestehende oder Aufforstungen nach Abholzungen, als Klimaschutz (sog. Senken) anerkannt. Umweltverbände hatten vorher zu Aktionen in Bonn für das Kyoto-Protokoll und eine Verbesserung der bisherigen Regelungen aufgerufen. Beschlossen wurde dann eine deutliche Verschlechterung. Dennoch jubelten die Umweltverbände.

Presseausschnitte aus der FR, 24. Juli 2001, S. 1 und 3; in der gleichen Ausgabe wir über gentechnisch gezüchtete Baumarten als Klimaschutz berichtet
Greenpeace sprach von einem „historischen Schritt“ ...
Selbst die Umweltschutzgruppen, die den Delegationen auf den Klimagipfeln sonst Feuer unter dem hintern machen, wo es nur geht, schienen auf einmal konvertiert. „Das ist ein großer politischer Sieg“, hieß es auf der Pressekonferenz der Öko-Beobachter. ... Ein Experte von der Umweltstiftung WWF gibt denn auch zu: „Noch einmal hätten wir die Mobilisierung fur einen weiteren Gipfel nicht gepackt.“ Natürlich schieben alle Ökos pflichtschuldigst nach, das sei nur „Klimaschutz light“, und die Arbeit beginne nun erst recht. Druck für schärfere CO2-Reduktionsziele müsse gemacht werden. Und dafür gesorgt, dass die im Kyoto-Protokoll aufgerissenen Schlupflöcher nicht genutzt werden. Bloß wie das geschehen soll, dafür hat von den Umweltschützern keiner eine zündende Idee. Dass „Kyoto 1“ bis 2010 wohl nur mit Glück überhaupt Emmissionsreduktionen der Industriestaaten gegenüber dem Stand von 1990 bringen wird, haben sich die Umweltschützer ja selbst ausgerechnet.


Jürgen Trittin in einem Interview der FR, 26, Juli 2001
Die Euphorie ist berechtigt, weil es gelungen ist, ein völkerrechtliches System zu etablieren, das langfristig zum tatsächlichen Absenken des CO2-Ausstosses führt. ... Von solcher Prozentrechnerei halte ich nichts. ...

Kommentar der FR am 28.7.2001 zum Gerücht, Russland würde aus dem Kyoto-Protokoll aussteigen
Ein Schlupfloch hier, ein Exportbonbon dort, ein bisschen frisches Geld obendrein. ... nur das Ja zum Protokoll ermöglicht es Moskaus, seine „heiße Luft“ – die seit 1990 nicht mehr genutzten CO2-Emissionsrechte – teuer an den Westen zu verkaufen und so den eigenen Staatshaushalt zu sanieren. Deswegen: Die Russen werden dabei bleiben.

Dörte Bernhardt, Germanwatch in Umweltkommunale ökologische Briefe Nr. 16/1.8.2001
Angriff der USA abgewehrt ... ein historisches Ereignis ... Die eigentlich notwendigen Klimaschutzziele werden durch das Protokoll nicht erreicht. Durch den Einbezug vreschiedener Schlupflöcher wird nur eine Stabilisierung der Industrieländer-Emissionen (ohne die USA) bis 2012 gegenüber 1990 herauskommen. ... Das war der preis für eine solidere Architektur des Abkommens. Zudem ist es gelungen, nicht nur den Angriff der USA auf das Kyoto-Protokoll, sondern auch auf die UN als legitime Instanz zur Regelung globaler Menschheitsfragen abzuwehren. Dis könnte historische Bedeutung für die Entwicklung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Weltordnung haben.

Im Original: Stellungnahmen der NGOs
Aus den Umwelt- und weiteren Verbänden kamen widersprüchliche Aussagen. Einerseits sei das Ergebnis von Bonn zu wenig oder gar richtig schlecht, andererseits sei es aber großer Erfolg oder gar „historischer Schritt“. Die Verbände glauben nachwievor an das Gute in Markt und Staat – und träumen zum Teil gar von einer neuen Weltordnung, in der sich ihre Ideen über globale Zwangsmechanismen umsetzen.

Überschrift der BUND-Pressemitteilung vom 23. Juli 2001
BUND: Internationaler Klimaschutz nicht gescheitert - Bonner Ergebnis ist Klimaschutz „ultralight“

Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, BDI
Der in Bonn erzielte Kyoto-Kompromiss ist nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ein kleiner, aber entscheidender Schritt in die richtige Richtung. ... Der BDI wies darauf hin, dass die immensen Zugeständnisse bei der Anrechnung von Kohlendioxidspeichern (Senken) und bei der Erfüllungskontrolle vor allem an Russland, Kanada und Japan zu Wettbewerbsnachteilen für die deutsche und europäische Industrie führen könnten. Während des Klimagipfels in Den Haag hatte der BDI deshalb vor einer Einigung um jeden Preis gewarnt. Die weichen Bonner Aussagen zur Erfüllungskontrolle könnten der deutschen Industrie nicht die Sorge vor Ungleichbehandlung gegenüber Wettbewerbern aus anderen Vertragsstaaten nehmen.

GERMANWATCH-Presseerklärung, Bonn 23.7.01
KYOTO IST TOT - ES LEBE KYOTO
1. Der UN-Klimagipfel von Bonn hat heute einen Durchbruch für den internationalen Klimaschutz erzielt. ...
3. ... Diese bindenden Konsequenzen werden in ihrer Bedeutung dadurch kaum geschmälert, dass sie in letzter Minute das Attribut "rechtlich verbindlich" bedauerlicherweise noch nicht erhielten,
4. Die eigentlich notwendigen Klimaschutzziele werden durch das Kyoto-Protokoll nicht erreicht: durch den Einbezug verschiedener Schlupflöcher wird wohl real nur eine Stabilisierung der Industrieländer-Emissionen bis 2012 gegenüber 1990 herauskommen. Aber in der Architektur des Klimaschutzabkommens hat sich weitgehend die EU durchgesetzt, so dass für die Industrieländer ein ernsthaftes Instrument für zukünftigen Klimaschutz entsteht.
5. Eine Stärke des verabschiedeten Papiers ist, dass es einen Beitritt der USA zum Klima-Protokoll von Kyoto unter einer von der Demokratischen Partei geführten Regierung ermöglichen würde. So wurden zentrale US-Forderungen wie die nach Einbezug von landwirtschaftlichem Management und nach der Möglichkeit des Emissionshandels ohne eine harte Begrenzung erfüllt. Zudem ist im Senken-Kapitel auch für die USA eine entsprechend grosszügig bemessene Obergrenze der Nutzung von Senken festgelegt, "Der grosse Abwesende" ist damit im Text durchaus auch explizit präsent. All diese Punkte sind aus Gründen der Umweltintegrität abzulehnen. Falls es aber gelingt, die USA mittelfristig an Bord zu bekommen, würde die Qualität des Kyoto-Protokolls deutlich weiter gesteigert werden.
6. Nicht nur der Angriff der USA auf das Kyoto-Protokoll, sondern zugleich auch der Angriff auf die UNO als legitime Instanz zur Regelung globaler Menschheitsfragen wurde abgewehrt. Dies könnte eine grosse Bedeutung für die weitere Entwicklung einer neuen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Weltordnung haben.


Pressetext des WWF Deutschland, 22.7.2001
WWF hält erzielten Klimakompromiss für "Durchbruch mit Geburtsschmerzen"
"Die Konferenz ist haarscharf an einer Blamage vorbei geschrammt, aber in letzter Minute ein Durchbruch erzielt worden, um das Kyoto-Protokoll ratifizierungsfähig zu machen", so Regine Günther, die Leiterin des WWF Klimareferats. "Japan, Australien, Kanada und Rußland wurde fast jeder Wunsch von den Augen abgelesen und trotzdem haben sie durch ihre Blockadehaltung lange einen Durchbruch verhindert." Das erzielte Ergebnis sei ein Erfolg.

Manfred Treber, Germanwatch, in einer Mail am 27.7.2001
WER ERREICHT LANGFRISTIG AM MEISTEN IM KLIMASCHUTZ?

  • 178 Länder, die sich am Montag für die Umsetzung des Kyoto-Protokolls, für einen allerersten, völlig unzureichenden Anfang im internationalen Klimaschutz aussprachen
  • 1 Land geführt von Präsident Bush, der das Problem "sehr ernst" nimmt, aber keine rechtlich verbindlichen Ziele akzeptieren will
  • oder schließlich Jörg Bergstedt, Hermann Scheer und ein paar andere, die bisher im Klimaschutz allerdings noch nicht im geringsten ausgewiesen sind und, das ist bekannt, auch andere Ziele verfolgen.

Kritik an der Konferenz

Aus: Photon August 2001 (S. 3)
„Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt“, mag da mancher Umweltschützer einwenden. Doch möglicherweise ein Schritt auf einem falschen Weg. Denn das 1997 in der japanischen Stadt Kyoto ausgearbeitete Rechtsdokument gibt den Industrieländern die Möglichkeit, sich weitgehend von ihren Minimalverpflichtungen freizukaufen. Durch den potenziellen Handel mit den Emmissionsminderung sind die im Kyoto-Protokoll festgeschriebenen Mindestreduktionsziele automatisch zu den maximalen Reduktionszielen geworden. Das ist schon mal unschön. Es gibt aber noch einen weiteren, wesentlich schwerer wiegenden Haken am Protokoll: Dadurch, dass jeweils die preiswerteste Art ausreicht, irgendwo auf der Welt CO2 oder eines der anderen im Protokoll genannten Treibhausgase zu sparen, wird jedes Land auch nur diese Optionen wahrnehmen. ... Langfristige Optionen, wie etws die Erforschung und Markteinführung der Photovoltaik, haben aus Kostengründen keine Chance. Unter dem Kyoto-Protokoll hätte selbst eine Regelung wie das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz keine Chance gehabt.
Das Kyoto-Protokoll droht somit, Vor-Ort-Initiativen zu lähmen, vielleicht sogar zu verhindern.“


Aus einer Mail von Jörg Bergstedt, Red. Wirtschaft der „Ö-Punkte“:
  1. Das ohnehin beschissene Kyoto-Protokoll ist nicht verbessert, sondern nochmals verschlechtert worden. Damit erfüllten sich Ankündigungen aus den Reihen der Kyoto-KritikerInnen, die bereits vorhersagten, daß Bonn nur zu einer weiteren Verschlechterung dienen würde, um dann das Kyoto-Protokoll dennoch bzw. deswegen anzunehmen.
  2. Die Umweltverbände (NGOs) hatten seit dem Ausstieg der USA platt auf einen „Pro Kyoto“-Kurs gesetzt und auf Kritik weitgehend verzichtet. Solch eine Strategie ist immer falsch, da sie den nötigen Druck wegnimmt. Zudem blieben die NGOs ihren eigenen Aussagen nicht treu. Sie riefen vor den Verhandlungen alle auf, mit ihnen für eine Verbesserung der Ausführungsbestimmungen zu kämpfen. Heraus kam eine Verschlechterung. Dennoch begrüßen die Umweltverbände das Ergebnis der Konferenz. Offenbar haben sie keine inhaltlichen Positionen oder nehmen sich selbst nicht ernst.
  3. Wie zu befürchten war, ist nun eine Verrechtlichung der beschissenen Umweltsauereien vollzogen worden (bzw. wird durch die Ratifizierung). Umweltverbände (statt den Beschluß zu verhindern) sehen es nun als ihre Aufgabe an, den entstanden Schaden (Schlupflöcher) zu verhindern.
  4. Der Pakt aus Regierungen, Konzernen, Medien und NGOs hat perfekt funktioniert. Kritische Stimmen wurden nicht wahrgenommen oder sogar in der Berichterstattung wider besseren Wissens umgedeutet. Diese seit wenigen Jahren bestehende Elitestruktur in den Industrienationen stellt einen handlungsfähigen Machtblock dar, dem ein in „Gut“ und „Böse“ kategorisierter, unorganisierter und teilweise inhaltsleerer Widerstand auf der Straße entgegensteht.
  5. Kritische Gruppen wurden nicht nur marginalisiert, sondern standen sich mit ihren Strategien auch selbst im Weg. Die Unklarheit in den Positionen einiger Gruppen schwächte die öffentliche Ausdrucksstärke, gleiches gilt für die schwache zahlenmäßige Anwesenheit deutschsprachiger Umweltgruppen bei den Aktivitäten (ausgenommen dem inhaltlich flachen, kyoto-euphorischen Rettungsboot). Auch jetzt fehlt eine klare Stimme, die die Klimakonferenz als Mißerfolg bewertet.

Solar-Förderverein: warum immer so kompliziert? man muß doch nur lesen:
  • Kyoto ist NICHT der beginn vom umweltschutz, sondern VOR ALLEM der beginn vom handel mit luft. jeder, die nur ein bißchen ahnung von zeitgeschichte hat, muß das klar sein!!!!
  • genauso klar sollte es sein, daß wir keinen umweltschutz brauchen, es geht darum, daß mit der umweltVERschmutzung ENDLICH aufgehört wird. wenn jemand einen ölwechsel macht und etwas danebenrinnt, gibt es die größten probleme. wenn aber ein konzern tonnenweise schadstoffe freisetzt, gibt es ..... nix. nicht einmal, wenn dabei tausende elendiglich zu grunde gehen.

dieses argument beruht auf dem recht jeden lebewesens auf ATMEN. UND DER HANDEL MIT LUFT IST DAS GENAUE G E G E N T E I L . Kyôto ist nicht der erste schritt in richtung "beseitigung der weltverschmutzung" (wie es richtig heißen müßte), Kyôto ist ein WEITERER abstiegsschritt auf dem abschüssigen pfad des neoliberalismus.

Aus einer Mail von Franz Maria Tabel vom 26.7.01
Über die Lobpreisungen des Konferenzergebnisses durch einige Umweltverbände können wir nur verwundert den Kopf schütteln
.

Hermann Scheer in taz vom 26.7.2001 (S.12)
Totschlagargument Kioto
Das Klimaprotokoll ist eine Kapitulation. Die Kohlendioxidemissionen werden nicht sinken, sondern steigen. Und die Gewinnung erneuerbarer Energien wird behindert
Wie auch immer der von der Bonner Konferenz akzeptierte Kompromiss noch modifiziert wird: Die entscheidende Frage bleibt, ob er wenigstens einen kleinen Fortschritt im Weltklimaschutz bewirkt oder ob das verstümmelte Klimaprotokoll kontraproduktiv sein könnte. Die europäischen Regierungen sowie die meisten Umweltverbände und Beobachter, die vor Ort agierten, haben sich für die positive Lesart entschieden: Der Bonn-Kompromiss sei gerade noch erträglich; er sei das relativ Beste und vor allem das Einzige, was wir hätten. Eine Umweltorganisation überschlug sich gar vor Euphorie, als sie von einem „geopolitischen Erdbeben“ sprach. Obwohl haufenweise Kröten geschluckt wurden, tönt der Refrain der Gegenwart: „Es gibt keine Alternative.“ Wieder einmal. ...
Tatsächlich hat dieser Kompromiss jene Grenze überschritten, die für Unterhändler häufig unsichtbar wird: ab wann ein „Verhandlungserfolg“ so schlecht ist, dass er mehr schadet als nützt - und das eigentliche Ziel kompromittiert. Dies gilt nicht nur für die nochmals amputierte Zielgröße, die nicht einmal mehr eine CO2-Minderung von zwei Prozent erreicht. Noch viel mehr trifft dies auf die so genannten flexiblen Instrumente des Protokolls zu, die einen unbegrenzten Emissionshandel und „Joint Implementation“ erlauben. Damit können Verpflichtungen dadurch erfüllt werden, dass Emissionsrechte und Emissionsboni gekauft werden, statt Klimaschutzinitiativen im eigenen Land zu starten. ... Diejenigen Umweltverbände, die in bester Absicht zu dem Kompromiss aufrufen, werden noch unangenehme Überraschungen erleben.


Der Klimagipfel als Beispiel für die Globalisierung
Kommentar von Rainer Balcerowiak in der Jungen Welt vom 30.7.2001
Genua ist auch Kyoto
... Das jetzt erzielte Übereinkommen, dessen Ratifizierung zudem in den Sternen steht, ist in bezug auf den Klimaschutz so lächerlich, daß die Bemühungen seiner Gesundbeter fast rührend wirken. Addiert man die Weigerung der USA, sich auf Reduktion der Treibhausgase festzulegen, mit der Anrechnung von Waldflächen auf die produzierten Treibhausgase und den diversen Schlupflöchern der Vereinbarung, ist unte dem Strich sogar mit einer Steigerung der CO2-Emissionen zu rechnen. Der „Segen“ der Globalisierung manifestiert sich beim Umweltschutz in der Möglichkeit, mit Klimazerstörungsrechten weltweit zu handeln und zudem die Deindustrialisierung möglicher Weltmarktkonkurrenten mit ein paar Glasperlen zu prämieren.


Udo E. Simonis: "Vertrag von Kioto gerettet - Chance für die Zukunft verpasst" in: natur&kosmos, September 2001 (S. 32)
Die 1997 in Kioto vereinbarten Ziele wurden stark verwässert, die Instrumente weiter geschwächt und die Finanzfrage nur unzureichend geklärt. Die größte ökologische Herausforderung der Menschheit stieß sich an den vordergründgen, kurzsichtigen ökonomischen Interessen jener Länder, die ihren Status unbedingt halten wollten, und derer, die glauben, ihn auf Kosten der Natur und der Zukunft verbessern zu können. Ökonomisches Interesse gegen ökologische Vernunft - ein Trauerspiel, in Bonn neu inszeniert. ...
Um das Klimasystem zu stabilisieren, sagt uns die Wissenschaft, müssten die globalen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 gegenüber dem Ausgangsjahr 1990 um 60 Prozent reduziert werden. Die Industrielänger müssen sogar um 80 Prozent zurückschrauben. Da waren die in Kioto vereinbarten 5,2 Prozent für die erste Periode bis 2012 schon sehr dürftig (Kioto 1). Der Bonner Kompromiss (Kioto 2) reduzeirt diese Vorgabe nun auf nahe null Prozent. Er erlaubt den Vertragsstaaten, die nationalen Reduktionsziele auch über die Kohlendioxid-Speicher im eigenen Land - wie Wälder und Agrarflächen, so genannte Senken - zu erfüllen.


Die Kritik am Kyoto-Protokoll des Bundes-Ökologie-Treffens (mehr ...) wurde in den Tages- und Wochenzeitungen totgeschwiegen oder, vor allem in "linken" Blättern, zerrissen. Die Bonner Umwelt Zeitung hatte einen Schwerpunkt gemacht, in dem nur Pro-Kyoto-Texte und -Aktionen vorgestellt wurden.

Im Original: Zu den BUND-Aktionen in Bonn 2001
Aus einer Hausarbeit zum Thema (Download der Arbeit als .rtf)
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) versucht, auf diese Verhandlungen Einfluss zu nehmen. Es soll untersucht werden, mit welchen Mitteln dies versucht wird, welche Überlegungen dahinter stehen, welche Erfolge es damit gab und welche Kritik es daran gibt.
Friends of the Earth International (FoEI) ist das "größte dezentral organisierte Netzwerk von Umweltorganisationen und besteht aus 66 Gruppen in 65 Ländern" (Mittler 2002:57). Über die Hälfte der Gruppen befinden sich in Ländern des Südens und in Osteuropa (Mittler 2002b:189). Der BUND ist der größte Umweltverband in Deutschland und "mit weit über 300.000 Mitgliedern und Förderern einer der größten Friends of the Earth Gruppen" (ebd.) weltweit.
Zwar hat jede FoEI-Gruppe - unabhängig von der Mitgliedsstärke - die gleichen Entscheidungsrechte, in der Praxis allerdings brauchen "erfolgreiche Aktionen von FoEI [...] aus Kapazitätsgründen im Regelfall die Unterstützung von mindestens einer der drei großen europäischen Gruppen aus den Niederlanden, Deutschland oder Großbritannien" (Mittler 2002:58).
In Den Haag nahmen 118 Jugendliche aus 61 Ländern und in Bonn 28 Jugendliche aus 28 Ländern an den COP-Verhandlungen teil. Die Auswahlkriterien betrafen lediglich das Alter (zwischen 12-18 Jahren). Die in Arbeitsgruppen formulierten Forderungen sollten dann im Plenum der Konferenz verlesen werden. Die Praxis sah Henny Schmid jedoch nüchterner: "In Bonn hatten die BetreuerInnen und der Moderator und Schirmherr (irgendein grüner NGO aus Südamerika, glaube ich, der's einfach nicht drauf hatte), eine Themensammlung vorbereitet und dann hatte jemand angeregt, ob wir selber auch noch etwas sagen dürfen, was wir bearbeiten wollen, dann wurde gesammelt und es wurde abgeglichen und der Moderator stellte fest, dass das ja genau die Gleiche TOPListe wäre und wir dann ja die der Betreuer nehmen könnten" (Interview 02/1:3) Des weiteren schrieb sie: "Eine von nicht allen erkannte Tendenz des niederländischen Organisationsteams, die Jugendkonferenzler in Richtung moderate und unkonkrete Forderungen an die COP zu lenken, waren wir Jugendlichen aus Großbritannien, Deutschland und einigen anderen Ländern nicht gewohnt, ich persönlich empfand das direkte Eingreifen, Zensieren von Texten und die nicht neutrale Moderation der Besprechungen als kontraproduktiv. [...] An dem starken Einfluss der Organisatoren auf die Ergebnisse der Jugendkonferenz hat sich in Bonn nicht viel geändert" (Schmid 2001:4).

Die Kritik
Bei einer Veranstaltung wie der internationalen Klimakonferenz bleibt es nicht aus, dass es Kritik gibt. Diese bezieht sich zum einen direkt auf das Kyoto-Protokoll und teilweise auch auf den BUND bzw. dessen Positionen und Verhalten.

Am Kyoto-Protokoll
Viele kritische Stimmen betreffen das Kyoto-Prokoll und die Chancen, damit wirklich Klimaschutz betreiben zu können: "Dabei geht es vornehmlich um Geld, um nationale Handelsvorteile und die Sicherung von Pfründen - jedenfalls nicht um Klimaschutz" (Neue Ruhr-Zeitung 23.07.2001). Das ZDF vergleicht das Rettungsboot auf unrühmliche Weise mit dem Kyoto-Protokoll: "Überhaupt ähnelt seine Architektur auf tragische Weise dem Bauplan des Kyoto-Vertrages, zu dessen Rettung es gebaut wurde: Es ist löchrig, instabil und schleppend langsam" (ZDF 2001). Oder in einer anderen Zeitschrift: "Das 1997 in der japanischen Stadt Kyoto ausgearbeitete Rechtsdokument gibt den Industrieländern die Möglichkeit, sich weitgehend von ihren Minimalverpflichtungen freizukaufen" (Photon August 2001:3)
Oder: "Dabei wird schon in diesem Protokoll klar, daß es weniger um den Schutz des Klimas ging, sondern um einen Mechanismus, der zwar für die Umwelt besser sein könnte als ein ungebremstes 'Weiter so', der aber vor allem neue Möglichkeiten für Profite und Kapitalakkumulation schaffen wird" (Bergstedt 2002)
Nachdenkliche Worte gibt es auch von wissenschaftlicher Seite: "Der Beitrag des Kyoto-Protokolls zur Stabilisierung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist also vernachlässigbar klein" (Schwarze 2000).
Ganz radikal lehnen einige Umweltschützer den gesamten Klimakonferenzen-Prozess ab und rufen zum Boykott auf: "Klimakonferenz: Sie hat alles noch schlechter gemacht, doch Konzerne, Regierungen und NGOs, das moderne Triumvirat der gesellschaftlichen Elite, jubeln. Zwar sagt selbst der BDI [Bund der Industrie; R.K.], daß das Ergebnis zu wenig ist, aber Hauptsache es hat überhaupt einen Beschluß gegeben. Lieber ein Schritt in die falsche Richtung als nichts... so scheint das Denken auch der UmweltlobyistInnen zu sein" (Ö-Punkte Herbst 2001:54).

Am BUND
Kritik an den Aktionen des BUND in Bonn kam größtenteils aus dem Umkreis der Veranstalter einer Solidaritätsdemonstration gegen die Polizeigewalt in Genua. Der BUND reagierte zwar auf den Tod eines Demonstranten in Genua mit einer Schweigeminute, ansonsten veränderte sich am geplanten Ablauf nichts (Interview Mittler 02/2:7). Das Indymedia-Center Bonn schrieb: "Dem Anmelder der Spontandemo wurde von Seiten der Friends of the Earth keine Redezeit auf deren Abschlusskundgebung eingeräumt, mit der Begründung, das die Kundgebung sehr feste Vereinbarungen mit der Polizei hat. Die Demo von Friends of the Earth war sehr bürgerlich, es wurden Forderungen an die Delegierten der Klimakonferenz gestellt, z. B. das Kyotoprotokoll duchzusetzen. Es herrschte größtenteils Volksfeststimmung, die nicht den Eindruck einer kritischen Bewegung erweckte" (IMC Bonn 2001).
Ähnlich wird woanders zitiert: "Für andere, radikalere Demonstranten war die Aktion ärgerlich: ?zu inhaltsleer' maulten viele schon vorher, ?Kuscheltaktik mit den Mächtigen' warfen sie FOEE und BUND vor. Unverständnis für die Demonstration nach dem, was in Genua passiert war: ?Wir kann man denn jetzt noch so ein Heititei veranstalten? Das war Mord!' machte sich ein Demonstrant Luft" (Erpenbach 2001)
Selten wird Kritik nicht nur am BUND so deutlich formuliert wie hier: "Die NGOs sowie viele weitere politische AkteurInnen haben sich einfangen lassen von der Propaganda der Regierungen und können inzwischen zur Regierungssphäre gezählt werden. Aggressivität richtet sich, so sie überhaupt vorkommt, nicht mehr gegen die Regierenden, sondern gegenüber den verbliebenden unabhängigen Gruppen. Ihnen werfen die regierungsorientierten NGOs und FunktionärInnen vor, ihre Beratungs- und Lobbyarbeit zu schwächen durch radikale Positionen und Aktionen (Bergstedt 2002).
In einem Interview kritisiert Jörg Bergstedt außerdem, dass der BUND entgegen seiner Aussagen weiter zu den Konferenzen steht: "Dort ist der Prozess interessant, dass der BUND immer - genauso wie die anderen, da ist der BUND ja nicht alleine - gesagt hat, ja, das ist besser als nichts. Und bei jeder Konferenz wurde was weggenommen und nach der Konferenz hat der BUND das bei der jeweils folgenden Konferenz mit demselben Argument wieder verteidigt. [...] Dann wurde es weiter verschlechtert und dann stand der BUND doch wieder dahinter" (Interview 02/3:1).

Zusammenfassung
Die Gesamtheit der aufgeführten Wege, mit denen der BUND versuchte, auf die Klimaverhandlung in Bonn Einfluss zu nehmen, zeigt, dass enorme Anstrengungen, finanziell und personell, nötig waren, um die Rettungsboot-Aktion durchzuführen, effektive Pressearbeit und Lobbying zu betreiben. Die "Minimalforderung" des zu rettenden Kyoto-Protokolls wurde erreicht. Zu welchem Preis und ob das klimapolitisch gesehen überhaupt positiv war, sind sich Umweltschützer längst nicht einig. Aufmerksamkeit hat der BUND mit diesen Anstrengungen auf jeden Fall bekommen. Langfristig mag das sicher mehr Einfluss für zukünftige Entscheidungen bedeuten, bei der Klimakonferenz in Bonn allerdings wurde durch die Mühen des BUND kein großer Schritt in Richtung Klimaschutz getan. Höchstens ein sehr kleiner und ob die Richtung Richtig ist, wird sich erweisen müssen.


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