Verkehrswende im Wiesecktal

ERNEUERBARE ENERGIE UND PROFIT

Zentralität und Monopole bei regenerativen Energien


1. Nur Geld im Kopf?
2. Zentralität und Monopole bei regenerativen Energien
3. Solarwüsten
4. Bio-Diesel, Palmöl und andere
5. Scheuklappe Energie?
6. Pro Atom
7. Links und Materialien

Die Energiewende, vor Jahrzehnten gestartet und heute eines der wichtigsten gesellschaftlichen Debatten- und Investitionsfelder, hatte und hat große politische Unterstützung. Anfangs stand hinter der Idee vor allem widerständige Bewegungen, allen voran gegen die Atomanlagen. Aus ihnen haben etliche AkteurInnen den Weg in Firmen, Parlamente oder regierungsberatende Institute gefunden. Mit der Gestaltungsmacht von Bewegungen und entstehenden Firmen wäre die Durchsetzung nicht nur einer anderen Energieerzeugungstechnik, sondern auch der Machtverhältnisse in der Energieerzeugung möglich gewesen. Nur: Umweltverbände, -institute und -parteien wollten das überhaupt nicht. Die Schwarzwaldgemeinde Schönau blieb das einzige Beispiel, wo BürgerInnen sich selbst den Einfluss auf die Energiepolitik sicherten. Überall anders herrschen heute die Gesetze des Kapitalismus. Ja, noch schlimmer: Die Energiewende war Schmieröl für den neoliberalen Umbau der Gesellschaft. Riesige Steuermittel flossen in immer größere und zentralere Energieanlagen. Die Forschungsförderung bevorzugte Monopolbildung durch Großanlagen. Riesige Windenergieanlagen oder Solarwüsten mögen umweltfreundlicher sein als Kohle- und Atomkraftwerke. Machtstrukturell sind sie ähnlich: Die Produktionsmittel sind zentralisiert, der Strom muss über anonyme Märkte verkauft werden. Bedarfsorientierte Produktion findet nicht statt. Eine der Folgen ist der notwendige Ausbau von Infrastruktur, denn wenn der Strom ganz woanders gewonnen als er gebraucht wird, sind neue Hochspannungstrassen und andere Einrichtungen nötig. Längst ersetzen regenerative Energien die umweltzerstörende Energieinfrastruktur nicht, sondern erfordern deren weiteren Ausbau. Das war nicht nötig, sondern so gewollt. Ökos wurden im Zuge ihres neoliberalen Wandels in den 90er Jahren zu den SteigbügelhalterInnen neuer Geschäftsfelder und Bereicherungsstrategien - durchaus auch zum Nutzen ihrer eigenen Kassen.

Aus Gotelind Alber: "Eine vom Boom überrannte Vision", in: umwelt aktuell 11/2011 (S. 6 f.):
Vor 30 Jahren träumte die Avantgarde der „Alternativenergie" nicht nur davon, Kernkraft und Kohle durch Sonne und Wind zu ersetzen, sondern auch von einem anderen Gesellschaftsmodell. Doch heute gehorchen die meisten Erneuerbaren-Unternehmen den Börsenzwängen. ...
Was ist mit der Vision geschehen, die die erneuerbaren Energien nicht nur als technologische Innovation, als Substitut für Kernkraft und Kohle, sondern als Element eines anderen Gesellschaftsmodells betrachtete? Ein Gesellschaftsmodell, das auf Dezentralisierung und Demokratisierung sowohl der Energieerzeugungsstrukturen als auch der gesellschaftlichen Strukturen basierte, das Überschaubarkeit, Vielfalt, Gerechtigkeit, Beteiligung garantierte und die Wachstumslogik zugunsten von Kreislaufwirtschaft und qualitativem Wohlstand infrage stellte.
Diese Vorstellungen sind durch den Boom der Branche überrannt worden. Zwar gibt es noch Unternehmen wie etwa Wagner Solar, die sich im Besitz der Belegschaft befinden und dieser weitgehende Beteiligung ermöglichen und die sich über ihr Kerngeschäft hinaus gesellschaftlich engagieren. Im Dschungel der Ökostromanbieter existieren auch noch die echten Ökos, zum Teil noch in Zeiten gegründet, als von „Alternativenergie“ gesprochen wurde, und es gibt zahlreiche Genossenschaften, die am Wachstum der Branche beteiligt sind. Doch das sind die kleineren Anlagen, während die Größe der durchschnittlichen Neuinstallationen ungeahnte Ausmaße erreicht. ...
Die Mehrheit der größeren Unternehmen ist mittlerweile börsennotiert, in einige haben sich große Investoren eingekauft, etwa eine Schweizer Finanzholding beim Solarzellenhersteller Q-Cells. Das schafft Sachzwänge und verändert Unternehmensphilosophie und -klima. Gleichzeitig macht das rasche Wachstum die Unternehmen fragil. Die fetten Gewinnmargen trieben die Aktienkurse hoch, mit dem entsprechenden Risiko für die AnlegerInnen, denn die Konkurrenz, vor allem aus China, schläft nicht, zumal viele der Unternehmen immer stärker exportabhängig geworden sind.
Damit schwimmt die Erneuerbaren-Branche im Mainstream und droht sich der traditionellen Energiewirtschaft anzunähern, die umgekehrt ebenfalls auf den Zug aufgesprungen ist. So will jetzt zum Beispiel der französische Öl- und Gaskonzern Total seinen um über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsenen Überschuss sinnreich investieren und plant die Übernahme der Mehrheit am US-Solarunternehmen Sunpower für etwa 1,4 Milliarden US-Dollar.
Vor allem Offshorewindenergie erfordert große Investitionen und damit entsprechende Investoren. Deshalb plant jetzt etwa Blackstone, eine US-Investmentgesellschaft mit zwiespältigem Ruf, den Bau mehrerer Windparks in der Nordsee, nachdem die Vergütung für Offshorewindkraft nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erhöht wurde. Das hat mit der ursprünglichen Vision von dezentraler Struktur und Kontrolle nichts mehr zu tun. ...
Zahlreiche Investoren in Erneuerbaren-Anlagen machen durch den gesicherten Einspeisetarif gute Gewinne. Auch hier stehen vor allem Männer auf der Gewinnerseite. Bei Banken und Beteiligungsgesellschaften beträgt der Frauenanteil an Einlagen und Beteiligungen im Bereich der erneuerbaren Energien zehn bis 25 Prozent. Dies betrifft sowohl die Anzahl der AnlegerInnen als auch den Umfang ihrer Beteiligungen. Bei lokalen und regionalen Solarinitiativen sieht die Situation ähnlich aus, auch dort liegt der Frauenanteil in der Regel zwischen zehn und 30 Prozent, der Anteil der gezeichneten Anteile ebenfalls.


Aus "Die Energiewende ist aus dem Ruder gelaufen", in: Sonnenenergie 4/2023 (S. 12f)
Weil die Sonnenenergie in Form von solarer Strahlung und Wind nicht konzentriert vorkommt, ist die dezentrale Umwandlung am sinnvollsten. Deshalb lag die private Erzeugung von Strom und Wärme aus Solarenergie nahe. Weil zugleich der wachsende Widerstand gegen die Kernenergie die großen Energiekonzerne diskreditierte, kam die ldee von der „Demokratisierung der Energieversorgung" auf. Die Energieversorgung der Zukunft sollte nicht länger die Aufgabe von Konzernen sein, die große Zentralkraftwerke errichten und betreiben, sondern die einzelnen Bürgerinnen und Bürger sollten so weit wie möglich selbst aktiv werden, indem sie eigene kleine Anlagen errichten oder Bürgerenergiegenossenschaften bilden, um größere Anlagen realisieren zu können. ...
Als im November 2000 erstmals das Forum Solarpraxis in Berlin tagte, schickten die Banken einige Beobachter dorthin, um mit der Solarbranche ins Gespräch zu kommen. Die Veranstalter fühlten sich geschmeichelt, weil sie nun das Gefühl hatten, dass die Solarbranche „erwachsen geworden ist". Rückblickend erscheint es wie der Anfang vom Ende der Demokratisierung der Energiewende. Die vielen kleinen Kapitalanleger wurden nach und nach durch die großen verdrängt. Die Bürgerwindparks verloren an Bedeutung, nachdem die Bundesregierung die steuerliche Verlustabschreibung im Jahr 2005 gestrichen hatte. Anstatt Bürgerwindparks von 100 oder 200 kleinen lnvestoren zu finanzieren, sammelten die Projektentwickler bevorzugt das Geld von Pensionsfonds und Finanzdienstleistern ein. Das kleine Kapital wurde allmählich durch das große Kapital verdrängt.
Am extremsten zeigte sich diese Verdrängung in der Windenergie, insbesondere auf dem Meer. Dort lohnt es sich nicht, einzelne Anlagen ins Wasser zu stellen. Je größer die OffshoreWindparks sind, desto günstiger wird die Stromproduktion. So kostet die Errichtung eines großen Windparks vor der deutschen Küste mehrere Milliarden Euro. Dadurch drängen hier lnvestoren nach vorn, denen kein Projekt groß genug sein kann. Wie weit die Zentralisierung der Energiewende bereits fortgeschritten ist, zeigte sich kürzlich in aller Deutlichkeit, als mehrere Windparkflächen in der Nordsee versteigert wurden. Den Zuschlag erhielten die Erdölkonzerne BP und Total Energies, die knapp 13 Milliarden € boten, um sich die Flächen zu sichern. Weder der deutsche Energieversorger EnBW noch der dänische Offshore-Konzern 0rsted konnten da mithalten. Die Erdölkonzerne haben in den vergangenen Jahren dadurch viel Geld verdient, indem sie immer mehr Kohlenstoffdioxid in die Luft bliesen, was sie auch weiterhin tun. Zusätzlich wollen sie nun auch mit der Windenergie Geld verdienen, also mit der Einsparung von Kohlenstoffdioxid. Das Geld, das BP und Total Energies zukünftig mit den Offshore-Windparks verdienen, können sie in die Exploration neuer Erdöl- und Erdgasfelder investieren. Dieses krasse Beispiel macht deutlich, wie weit die Energiewende von ihrem Kurs abgekommen ist. Sie droht zum Spielball des großen Kapitals zu werden, obwohl sie eigentlich politisch gesteuert werden muss, um ihr Ziel zu erreichen.


Voraussehbar war, dass die Energieanlagen, wo sie nun unter dem Diktat von Markt und Profit standen, selbst immer weniger umweltfreundlich werden würden. Zwar bot das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausreichende, z.T. üppige Vergütungen für den produzierten Strom, aber in einer Welt der totalen Verwertung gibt es keine Sättigung des Profitstrebens. Jede zusätzliche Möglichkeit wird genutzt - und das ist eben immer auch die Ausbeutung von Mensch und Natur. Solarwüsten in der offenen Landschaft, Offshore-Windanlagen mit riesigem Stromleitungsbedarf und Maismonokulturen auf immer mehr Ackerflächen sind kein Betriebsunfall, sondern die logische Folge daraus, sich auf die Mechanismus der Profitmaximierung einzulassen.

Aus Pomrehn, Wolfgang: "Verhinderungsstrategie", in: Junge Welt 27.11.2010 (S. 9)
Viele der neuen Standorte liegen fernab der Verbrauchszentren. Insbesondere mit den in der Nordsee geplanten Windparks entstehen große Erzeugungskapazitäten, die mehrere hundert Kilometer von den industriellen Zentren entfernt sind. Verschärft wird as Problem noch durch neue Kohlekraftwerke, die an der Nordseeküste in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel entstehen sowie durch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten, wodurch das Stromangebot in Nordwestdeutschland weiter erhöht wird.

Aus "Ökostromanbieter – ein Auslaufmodell", auf: www.klimaretter.info am 31.10.2013
Greenpeace Energy, die Elektrizitätswerke Schönau oder Lichtblick reden nicht gern darüber: Der Strom der bekannten Ökoanbieter kommt fast vollständig aus dem Ausland, vor allem aus Wasserkraftwerken in Norwegen und Österreich. Dass er dort produziert wird und nicht vom Windrad oder Solardach um die Ecke kommt, ist nicht ihre Schuld. Der gesetzliche Rahmen und der Wettbewerb geben kaum etwas anderes her.
Auch Stadtwerke würden für ihre Kunden gern Ökostrompakete schnüren, mit "echtem", zertifiziertem Grünstrom aus der Region statt von weit her. Oder wenigstens aus Deutschland, möglichst dezentral und verbrauchsnah erzeugt, wie es Umweltschützer immer wieder fordern. Vielleicht sogar zu einem hohen Anteil selbst gemacht, wie es unter anderem Ziel der Bürgerentscheide in Hamburg und Berlin ist. Doch auch sie können nicht zaubern. Sie haben ein Problem, das quer zur Debatte um die Ökostromförderung liegt.
Der Grund liegt im deutschen Fördersystem, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Im Grundmodell sind die Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet, den Ökostrom von den Anlagenbetreiber aufzukaufen. Und zwar nach festen Vergütungen, die wegen der höheren Erzeugungskosten deutlich über den Börsenpreisen für Strom liegen. So wird Solarstrom von Dachanlagen beispielsweise je nach Größe mit 9,7 bis 14,1 Cent je Kilowattstunde vergütet, Windstrom an Land mit einer Anfangsvergütung von 8,9 Cent.
Der teure EEG-Strom wird dann von den Netzbetreibern an der Strombörse zu seinem Marktwert verkauft. Die Kilowattstunde kostet hier zurzeit nicht einmal vier Cent. ...
In diesem System versinkt der Grünstrom nicht nur im großen Stromsee, aus dem die übergroße Mehrzahl aller Verbraucher beliefert werden. Er verwandelt sich rechtlich auch in sogenannten Graustrom. Man kann ihn nun nicht mehr als Grünstrom im Paket kaufen, denn er verliert für die Weitervermarktung das begehrte Ökosiegel. ...
Im Ergebnis können also weder Stadtwerke noch Ökostromhändler an der Börse reinen EEG-geförderten Strom ersteigern, um ihn zuzüglich aller Umlagen, Steuern und Vertriebskosten als Ökostromtarif ihren Kunden anzubieten. Selbst wenn sie den Grünstrom in eigenen Anlagen produzieren, muss er aus Gründen der Wirtschaftlichkeit in den anonymen Stromsee fließen statt an die eigene Kundschaft. Denn nur so können sich die Unternehmen die Mehrkosten der Erzeugung über die EEG-Vergütung zurückholen. Würden sie darauf verzichten, hätten sie zwar eigenen Ökostrom im Angebot. Sie müssten einen Ökostromtarif jedoch je nach Bezugsquelle zwischen vier und zehn Cent teurer machen als den üblichen Graustrom der Grundversorgung, der für private Verbraucher knapp 29 Cent je Kilowattstunde kostet. Die Zahlungsbereitschaft für reinen Ökostrom liegt nach Untersuchungen des Umweltministeriums jedoch nur bei Zusatzkosten von maximal zwei Cent. ...
Kurzum, Erzeuger, die den Herkunftsnachweis "Ökostrom" erhalten wollen, müssen in der Direktvermarktung auf jede Förderung verzichten. Doch heimischer und zugleich ungeförderter Ökostrom ist nur konkurrenzfähig, wenn er aus größeren Wasserkraftwerken stammt, die preislich mit Kohle- oder Atomstrom mithalten können. Weil es die in Deutschland kaum gibt, bleibt am Ende als wirtschaftliches Angebot für zertifizierten Ökostrom nur preiswerter Wasserkraftstrom aus Skandinavien oder den Alpen.


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