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Interview in der "Welt" am Di, 3. Januar 2006
Le Carré weiß einiges in der Welt von heute:
Die Welt: Wie sieht denn Ihre Erklärung des Terrorismus aus?
Le Carré: Wir sollten eines festhalten: Es gibt keine logische Begründung des Terrorismus. Wer diesen Akten eine Logik zuschreibt, würdigt sie bereits. Das dürfen wir nicht tun. Aber wenn jemand einen umzubringen versucht, sollte man besser herausfinden, warum er das tun will. Gehen Sie doch mal in die Krisengebiete und versetzen sie sich zum Beispiel in die Lage eines palästinensischen Kindes, das sich einem israelischen Panzer gegenübersieht: Dieses Gefühl von Ohnmacht und Erniedrigung führt doch letztendlich zu einer Psychose, die nur noch eines kennt: Töten.
Die Welt: Warum scheint sich dieser Extremismus derzeit hauptsächlich im Islam zu finden?
Le Carré: Das stimmt doch so nicht. Die gibt es genauso bei der religiösen Rechten wie im Zionismus. Mr. Bush ist ebenfalls ein Extremist.
Die Welt: Im heutigen Terrorkrieg haben die Geheimdienste Hochkonjunktur. Anfang der 60er waren Sie selbst Mitglied des Secret Service. Welchen Reiz hätte der Gedanke, wieder in dieses Gewerbe einzusteigen?
John Le Carré: Überhaupt keinen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie ein Geheimagent unter den heutigen Umständen operiert. Normalerweise nutzt man die privaten Ambitionen von Leuten aus: Was wollen sie? Geld? Rache? Wenn man an diesen Punkten ansetzt, kann man eine Kontaktperson wunderbar steuern. Aber wie soll man eine dieser zahllosen terroristischen Zellen infiltrieren? Ein Agent könnte versuchen, einen einsamen Jungen in einem muslimischen Land zu finden, der in eine verdächtige Moschee geht. Er könnte ihn davon überzeugen, daß er sich von einer radikalen Gruppe anwerben läßt. Aber irgendwann kommt der Punkt, wo dieser Kandidat, um sich zu beweisen, ein Verbrechen begehen muß. Und als Agent darf man kein Komplize sein - zumindest nicht nach britischem Recht. Zu meinen Zeiten war das alles viel zivilisierter, strukturierter.
Die Welt: Das klingt ja regelrecht nostalgisch.
Le Carré: So ist das sicher nicht gemeint. Aber zumindest kannten die Leute damals die Regeln. Man warf die Spione der anderen Seite ins Gefängnis, und nach einer gewissen Zeit ließ man sie frei. Manchmal wurden Leute ermordet oder entführt, aber insgesamt war es keine besonders blutige Zeit. Die guten alten europäischen Verhaltensregeln wurden beachtet.
Die Welt: Was finden Sie am Geheimdienst besonders faszinierend?
Le Carré: Daß er so etwas wie das Unterbewußtsein einer Gesellschaft darstellt. Hier versteigt man sich zu den wildesten Träumen: Was versucht die andere Seite zu tun? Wer könnte sich hinter der anderen Seite verbergen? Wenn es keine Gesetze gäbe, was dürften wir unternehmen? - Das größte Geheimnis dieser Agenten ist: Sie sind Menschen wie wir alle, mit den gleichen Phantasien und Chauvinismen. Nur weil man durch die Tür zum Geheimdienst tritt, verwandelt man sich nicht in einen Superhelden.
Die Welt: Was uns zahllose Romane und Filme glauben zu machen versuchen.
Le Carré: Sie sollten sich mal die Geschichte der geheimdienstlichen Operationen anschauen. Bei jedem Einsatz gibt es mindestens eine Person, die ihrem Partner davon erzählt. Leute vergessen Koffer in der U-Bahn. Oder bei der Planung denkt jemand nicht daran, daß der betreffende Monat 31statt 30 Tage hat. Das alles ist auch furchtbar komisch. Ich gebe zu: Für mich war es aufregend, als kleiner Fisch in diesem Teich zu schwimmen. Denn man hatte das Gefühl, als würde man dem großen Geheimnis des eigenen Landes immer näher kommen. Aber wenn man die letzte Tür und den letzten Safe öffnet, findet man nur Leere. Es gibt kein geheimes Zentrum der Politik.
Die Welt: Aber diese Themen scheinen Sie nicht mehr so zu interessieren. In Ihrem letzten Roman, „Der ewige Gärtner“, dessen Verfilmung am 12. Januar in die Kinos kommt, geht es um die Machenschaften der Pharmaindustrie in der dritten Welt. Sind sie politischer geworden?
Le Carré: Es gibt schon Parallelen zu meinen anderen Büchern. Auch diese Geschichte spielt in einem Mikrokosmos der britischen Gesellschaft, nämlich in der Welt der Botschafter. Aber Sie haben insofern Recht, als ich zorniger geworden bin. Die Täuschung der Öffentlichkeit durch Politik und Medien hat einen Grad erreicht, den ich für höchst gefährlich halte. In England und den USA haben wir nicht mal eine nennenswerte parlamentarische Opposition. Wir leben in einer Welt virtueller Nachrichten. Und so gesehen fällt Autoren und Filmemachern die Verantwortung zu, diese Informationslücke zu füllen. Schon allein die Tatsachen über die Pharmaindustrie, die ich bei den Recherchen zu „Der ewige Gärtner“ herausgefunden habe, sind erschütternd. Nur ein Beispiel: Die Hälfte der Medikamente, die in Afrika angeboten werden, sind Fälschungen. Und pharmazeutischen Unternehmen, die andererseits mit allen erdenklichen Mitteln gegen Generika kämpfen, weigern sich, diese Fälschungen zu identifizieren, um die eigenen Medikamente nicht zu diskreditieren. Dabei ging es mir nicht um die Pharmaindustrie an sich. Sie war für mich nur eine Metapher für die Ausbeutung der dritten Welt. Und die Leute begreifen instinktiv, daß Armut und Unterdrückung auch zum Terror führen können. Aber noch weigern sich die Politiker, die wahren Hintergründe zu verstehen. Wer in England oder in den USA behauptet, der Irakkrieg wäre mit verantwortlich für die Anschläge des letzten Jahres, wird noch wie ein Ketzer behandelt.
Die Welt: Wie sieht denn Ihre Erklärung des Terrorismus aus?
Le Carré: Wir sollten eines festhalten: Es gibt keine logische Begründung des Terrorismus. Wer diesen Akten eine Logik zuschreibt, würdigt sie bereits. Das dürfen wir nicht tun. Aber wenn jemand einen umzubringen versucht, sollte man besser herausfinden, warum er das tun will. Gehen Sie doch mal in die Krisengebiete und versetzen sie sich zum Beispiel in die Lage eines palästinensischen Kindes, das sich einem israelischen Panzer gegenübersieht: Dieses Gefühl von Ohnmacht und Erniedrigung führt doch letztendlich zu einer Psychose, die nur noch eines kennt: Töten.
Die Welt: Aber israelische Panzer reichen wohl als Grund nicht aus.
Le Carré: Nein, natürlich nicht. Das war nur ein besonders griffiges Beispiel. Wir müssen viel weiter zurückblicken, um zu verstehen, woher dieses Gefühl der Erniedrigung kommt. Und dafür ist der Westen zu einem großen Teil verantwortlich. Wenn man als Brite in palästinensische Flüchtlingscamps kommt, trifft man immer wieder Leute, die alte Papiere hervorziehen: Dort steht, wie ihre alten Grundstücke durch eine britische Verfügung den Israelis überschrieben wurden. Diese Leute wurden von uns belogen; wir haben unsere Versprechen gebrochen. Auch im Iran haben wir Dreck am Stecken. 1947-48 gab es dort eine liberale islamische Bewegung unter Premierminister Mossadegh. Aber der amerikanische und britische Geheimdienst organisierten Unruhen, die zu seinem Sturz führten, und der Schah kam an die Macht - bis zur schiitischen Revolution. Wir stoppten also den Liberalismus und waren letztlich die Architekten dieser Radikalisierung. Und die Menschen vergessen das nicht. Das Bewußtsein dieser Entrechtung durch den Westen wird von Generation zu Generation weitergegeben - auch in der Mittelschicht, aus der manche der Attentäter kommen. Und wenn jemand davon einer systematischen Gehirnwäsche ausgesetzt ist, dann ist er bereit, diese schrecklichen Taten zu begehen.
Die Welt: Warum scheint sich dieser Extremismus derzeit hauptsächlich im Islam zu finden?
Le Carré: Das stimmt doch so nicht. Die gibt es genauso bei der religiösen Rechten wie im Zionismus. Mr. Bush ist ebenfalls ein Extremist. Er behauptet doch immer wieder, der American Way of Life sei der einzig gültige Weg. Für mich ist das ein fundamentalistisches Statement. Und der Gedanke, dieser Way of Life solle auch noch in den Rest der Welt exportiert werden, hat etwas regelrecht Obszönes an sich. Mit dem Orwellschen Konzept „America = Gut’ und „Islam = Böse’ kommen wir ganz sicher nicht weiter. Die Tragödie ist nur, daß es von der Seite Washingtons keinen wirklichen Kontakt mit dem Islam gibt.
Die Welt: Können in dieser verfahrenen Situation Bücher und Filme neue Einsichten bieten?
Le Carré: Ich glaube, daß sie für einen kurzen Moment die Menschen dazu bringen, innezuhalten und zuzuhören. Das Kino hat Macht, davon bin ich überzeugt, so kurzlebig sie auch sein mag. Man darft nur nicht anfangen, den Leuten etwas zu predigen. Die Geschichte ist der einzige Maßstab. Alles Moralisieren muß sich ihr unterordnen. Wenn die Leute das Gefühl bekommen, daß man ihnen eine Botschaft verkaufen will, hat man verloren.
Die Welt: Immerhin scheint „Der ewige Gärtner“ die Zeichen der Zeit richtig erkannt zu haben. Spätestens seit dem G-8-Gipfel ist Afrika endgültig in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt.
Le Carré: Das Timing für den Film war ideal - eine reine Glückssache. Als wir das Projekt verschiedenen Hollywoodstudios anboten, hagelte es Absagen. Die Begründung war das „A’-Wort. - Die Leute interessieren sich nicht für Filme über Afrika, hieß es.
Die Welt: Mit welcher Kinoverfilmung Ihrer Bücher waren Sie bisher zufrieden?
Le Carré: Die meisten Filmemacher hatten gegenüber meinen Büchern zu viel Respekt. Das ist bei einer Adaption eines Romans nicht die richtige Herangehensweise, denn man muß sozusagen ein Rind in einen Suppenwürfel verwandeln. Glücklich war ich mit Martin Ritts „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Aber erst bei „Der ewige Gärtner“ hatte ich das Gefühl, daß hier ein eigenständiges Werk herausgekommen ist. Regisseur Fernando Meirelles machte sich den Stoff zu eigen, veränderte manches und erzählte die Geschichte aus seiner eigenen Perspektive. So soll es sein.
Die Welt: Traten Sie nicht auch einmal als Schauspieler in einem der Filme auf?
Le Carré: Erinnern Sie mich bloß nicht daran. Das war bei „Die Libelle“. Ich wies Regisseur George Roy Hill darauf hin, daß eine wichtige Sache nicht klar war - was sich bei den Testvorführungen bestätigte. Also drehte er zähneknirschend eine neue Szene - aber nur unter der Bedingung, daß ich mitspiele. Dabei ließ er mich einen Satz 17mal wiederholen, ganz offensichtlich, um sich zu revanchieren. Seither habe ich alle schauspielerischen Ambitionen begraben. Fernando wollte, daß ich in „Der ewige Gärtner“ auftrete. Aber meine Devise heißt: Nie wieder.
Die Fragen stellte Rüdiger Sturm


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