Demorecht

ANARCHIE VS. MARXISMUS: LIBERTÄRER KOMMUNISMUS ODER GEGENSEITIGE HETZE?

Einleitung


1. Einleitung
2. Vergleiche
3. Unterschiede im Detail
4. Anarchokritik und -hetze gegen (autoritären) Kommunismus/Sozialismus
5. Sozialistische und kommunistische Kritik und Hetze an der Anarchie
6. Zusammengedacht: Marxismus und Anarchismus

Ein Text im Buch "Anarchie. Träume, Kampf und Krampf im deutschen Anarchismus" (Gliederung)

Es gibt Strömungen, die marxistische und anarchistische Ideen miteinander zu verknüpfen versuchen. Das ist nicht neu, sondern geschah so in den Anfängen der ArbeiterInnenbewegung. Die später als Vordenker bekannt gewordenen Personen, allen voran Marx und Bakunin, schienen zunächst an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten, um sich dann stark zu entfremden und politisch zu bekämpfen. Der mit ihren Namen verbundene Streit zeigt, dass sowohl Gemeinsamkeit wie auch Unterschiede das Verhältnis von Marxismus und Anarchismus prägen. Es lohnt daher, diese zumindest zusammenfassend zu benennen, auch wenn eine exakte Beschreibung schon deshalb schwerfällt, weil beide in viele Unterströmungen zerfallen, die wiederum untereinander hoch zerstritten sein können. Mensch denke nur an die ständigen Rivalitäten zwischen TrotzkistInnen und anderen MarxistInnen, vor allem AnhängerInnen von Stalin, aber auch die Streitereien zwischen gewaltfreien und militanten AnarchistInnen, zwischen BasisdemokratInnen und antidemokratischen Strömungen fallen mitunter recht schroff aus).

Im Original: Marxismus und Anarchismus im Vergleich
Aus Diefenbacher, Hans (Hrsg., 1996): "Anarchismus", Primus Verlag in Darmstadt
  • Der Anarchismus wird von Anarchisten immer für die einzig legitime Verkörperung sowohl des Sozialismus als auch des Kommunismus gehalten: Die herrschaftsfreie Gesellschaft ist das eigentliche, gemeinsame Ziel.
  • Anarchismus will dabei jedoch mehr als Sozialismus und Kommunismus, nämlich nicht nur eine klassenlose oder genossenschaftliche, sondern auch eine von jedwedem unnötigen institutionellen Überbau befreite Gesellschaft. ... (S. 10)
Das ebenfalls verhandelte Programm zur Abschaffung des Grundbesitzes fand eine nur knappe Mehrheit von 27:23 der Delegierten - gegen Marx übrigens, der dem Programm der Überführung des Eigentums in die Verfügungsgewalt einzelner, kleiner Produktionskollektive nichts abgewinnen konnte. ... (S. 16)
Schon beim vierten Kongreß der Internationalen Arbeiter-Assoziation vier Monate später, vom 5.-12. September in Basel, kam es zum offenen Eklat. Bakunin trat als Delegierter der Mechaniker von Neapel auf und forderte gegen Marx vor allem die Gleichmachung der Klassen, nicht die Eroberung politischer Macht durch die Arbeiterklasse. Die weiteren Meinungsverschiedenheiten zwischen Bakunin und Marx können in sieben Punkten festgehalten werden:
  1. ob das Erbrecht oder das Privateigentum an Produktionsmitteln die Grundlage des Staates sei;
  2. ob die Produktionsmittel sofort sozialisiert, also in die Hände von Produzentenvereinigungen gegeben, oder verstaatlicht werden sollten;
  3. ob die Deklassierten oder die Industriearbeiter das revolutionärste Element sind;
  4. ob das Zusammenwirken von Denken und Empörung oder der Klassenkampf die entscheidende Triebkraft der Geschichte bildet;
  5. ob die Macht verneint oder erobert werden soll;
  6. ob die Arbeitervereinigungen föderalistisch oder zentralistisch aufzubauen seien;
  7. ob der Mensch ein Produkt der Natur, der gegebenen Verhältnisse und seiner Selbsttätigkeit oder nur der gesellschaftlichen Verhältnisse ist.
Auf alle Fragen gab Bakunin die erste und Marx die zweite Antwort. Der Schlagabtausch mündete in eine Kampfabstimmung über zwei Anträge, wie das Erbrecht "nach der Revolution" gestaltet werden sollte: Völlige Abschaffung (Bakunin, 32 Stimmen), Beschränkung (Marx, 19 Stimmen), Enthaltung (24 Stimmen); das waren im wesentlichen die Proudhonisten, die es wiederum für unvereinbar hielten, daß Bakunin gleichzeitig kollektives Eigentum haben wollte und für unbeschränkte individuelle Freiheit eintrat. So gab es keine absolute Mehrheit, der Schlagabtausch endete unentschieden.
Im Januar 1869 war in Genf ein erster Kongreß der Sektion der Internationalen Arbeiter-Assoziation in der französischen Schweiz abgehalten worden, die seit 1865 unter dem Namen "Fédération romande" firmierte. Es gab über 30 lokale Sektionen, und dieser erste Kongreß brachte außer einem Gründungsstatut á la Bakunin nur eine Gemeinsamkeit zustande: "Der Kongreß erklärt, daß die Religion nicht zu den menschlichen Kenntnissen zu zählen ist." Beim zweiten regionalen Kongreß brachen heftige Zwistigkeiten hervor, weniger aus theoretischen, sondern vor allem aus persönlichen Motiven, wodurch sich der Kongreß in zwei Gruppen spaltete, die getrennt berieten, wobei jede der Gruppen behauptete, vollständig die Fédération zu vertreten.
Im September 1871 fand die fünfte Tagung der Internationalen Arbeiter-Assoziation in London statt - fast ausschließlich von Marxisten besucht. Sie diskutierten kaum inhaltlich, übertrugen aber dem Generalrat der Assoziation disziplinarische Befugnisse gegenüber den nationalen Sektionen. Daraufhin verlangte der eine Teil der Fédération romande die Abschaffung des Generalrats und taufte sich in Fedération jurassienne um. Die Belgier, Italiener und Spanier schlossen sich der jurassischen Forderung an, in England, Holland und den USA kam es zur Spaltung der jeweiligen nationalen Sektion. Marx und Engels erkannten, daß die Internationale Arbeiter-Assoziation im Begriff stand, mehrheitlich von Anarchisten bestimmt zu werden. ...
(S. 17 f.)
Der Dissens mit Marx ist programmiert, wenn Bakunin aus dieser Analyse den Schluß zieht, daß die Eroberung der politischen Macht auch der Arbeiterschaft nur Nachteile bringe. Schon das allgemeine Wahlrecht, von dessen Einführung sich viele Arbeiter politische Freiheit versprächen, würde gerade eine radikale sozialistische Partei nur demoralisieren. Selbst bei einer Regierung, so behauptet Bakunin, die aus allgemeinen Wahlen hervorgegangen sei und ausschließlich aus Arbeitern gebildet wäre, würden diese 'Yon heute auf morgen zu den entschiedensten Aristokraten und offenen oder geheimen Anbetern der Prinzipien der Autorität, der Ausbeutung und Unterdrückung werden". So würden die Arbeiter schnell ihre revolutionäre Gesinnung verlieren.
Bakunins fundamentale Opposition gegen das allgemeine Wahlrecht entsprach seiner Überzeugung, daß sich an der bestehenden Verteilung von Macht und Reichtum dadurch nichts ändern würde. Anders als Marx, der glaubte, ein allgemeines Wahlrecht werde schließlich den Kommunismus herbeiführen, berief sich Bakunin in dieser Sache auf Proudhon, der das universale Wahlrecht mit der Konterrevolution gleichgesetzt hatte. Im Hinblick auf die marxistische Forderung nach einer Diktatur des Proletariats ergaben sich vor diesem Hintergrund gravierende Differenzen.
(S. 124)

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Kommentare

alinka am 03.12.2020 - 11:47 Uhr
Habt Ihr je die Kritik der politischen Ökonomie studiert? Habt Ihr Euch mit Marx beschäftigt? Scheinbar nicht. Denn Marx - das lässt sich belegen - wusste, dass nur durch eine soziale Revolution eine egalitäre und soziale Gesellschaft (Jede*r nach seinen/ihren Bedürfnissen unter Weiterentwicklung seiner/ihrer Fähigkeiten) - das menschliche Gemeinwesen - durch die assoziierten Produzent*innen möglich ist. Die kommunistischen Theoretiker*innen hatten die Geschichte der gescheiterten Klassenkämpfe von der Antike bis zur Neuzeit studiert, u.a. auch die der "Pariser Commune". Fast alle Kommunard*innen wurden durch die Konterrevolution von Thiers und Bismarck getötet.
Insofern entwickelten sie eine Strategie, damit nicht noch einmal ein emanzipatorischer Aufstand und eine beginnende Revolution brutal niedergeschlagen werden würde.
Das mit den Wahlen und quantitative Zunahme von Mitglieder in der Sozialdemokratie kam von Bernstein. Rosa Luxemburg hat jedoch die Theorie von Karl Marx - die der sozialen Arbeiter*innen-Revolution - in „Sozialreform oder Revolution?“ verteidigt.
kritisch-lesen.de/rezension/rosa-luxemburgs-hammerschlag


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