Demorecht

FORSCHUNG UND FORSCHUNGSFÖRDERUNG: TRENDS, ZIELE UND BETRUG

Das Beispiel AgroBioTechnikum


1. Das Beispiel AgroBioTechnikum
2. Kampf und Krampf: Forschung zwischen Geld, PR-Zielen und Machtpolitik
3. Die Player

Zum AgroBioTechnikum findet sich ein
Text ab Seite 12 der Broschüre "Organisierte
Unverantwortlichkeit" (Infoseite ++ PDF)

Wer von Rostock aus nach Osten auf der hier schnurgerade verlaufende B 110 fährt, passiert einige Kilometer nach Brodertorf, dem Verwaltungssitz des Amtes Carbäk, ein kleines Waldstück. Danach weitet sich die Landschaft und landwirtschaftliche Flächen werden sichtbar, auf denen Pflanzenzüchtung Tradition hat. Hier wird seit langem vor allem an Kartoffeln geforscht. Bedeutende Saatgutkonzerne für diese Pflanze, wie Norika, und eine Saatgutbank für Kartoffeln sind hier zur finden. Just in diesem empfindlichen Raum entstand das zur Zeit größte Freiland-Forschungszentrum für Agrobiotechnologie - mit der Hauptforschungspflanze Kartoffel. Warum sich Saatgutbank und -firmen nicht energisch wehren, blieb über die Jahre immer recht unklar. Die erkennbaren Verflechtungen mit der Gentechnikbranche lassen aber nur trübe Gedanken aufkommen. Norika zeigt nur seine Angst vor den Gentechnikgegner_innen offen. Auf Schildern am Ackerrand weist das Unternehmen darauf hin, seine Pflanzen nicht gentechnisch verändert zu haben, damit Feldbefreier_innen nicht versehentlich das falsche Gelände attackieren. Ganz unverdient wäre das aber auch nicht, denn Norika sitzt genauso wie andere Kartoffelzüchter am Ort selbst in den Gremien der Einrichtung, die die Gentechnik nach Groß Lüsewitz brachte: Das AgroBioTechnikum.

Es ist das zweite deutsche Zentrum für Firmengründungen in der Agro-Gentechnik, ein sogenannter BioPark. Älter ist nur das Firmenensemble am IPK in Gatersleben. Es entstand in direkter Nachbarschaft zu anderen Pflanzenzüchtern und einer Saatgutbank - das schlechte Beispiel machte also Karriere, als östlich von Rostock gv-Pflanzen direkt neben der dortigen Kartoffel-Saatgutbank in die Erde kamen. Besonderes Interesse an der Gründung des AgroBioTechnikum, erbaut 2004 und 2005 im Dorf Groß Lüsewitz, hatte ein befreundetes Tandem aus einer Agrobiotechnologie-Professorin der Uni Rostock und einer sich mit ihrer selbstgegründeten Kleinfirma BioMath GmbH durchschlagenden Mathematikerin, Inge Broer und Kerstin Schmidt. Sie gründeten 1999 einen gemeinnützigen Verein mit klangvollem Namen: "Verein zur Förderung innovativer und nachhaltiger Agrobiotechnologie", abgekürt FINAB e.V. Der stieß eine Kampagne für die Errichtung eines Agro-Gentechnikzentrums in Mecklenburg-Vorpommern an und fand Befürworter in der rot-roten (!) Landesregierung - allen voran den immer nach PR-Effekte suchenden SPD-Landwirtschaftsminister Till Backhaus. Diese "fruchtbare und vertrauensvolle Kooperation zwischen unterschiedlichen Ministerien, Forschungseinrichtungen und Agrarbetrieben" war der Schlüssel zum Erfolg - so jedenfalls umschrieb der Agro-Gentechnikpropagandist Thomas Deichmann das enge Geflecht.
Dass alles dem Firmenaufbau und der Propaganda diente, räumten die Initiator_innen des AgroBioTechnikums freimütig ein. Auf der Internetseite von FINAB57, der bis heute von Prof. Inge Broer geleitet wird, während Schatzmeisterin Kerstin Schmidt 2008 aus dem Vorstand ausschied, hieß es über einen Rapsversuch der Anfangsjahre 2004 bis 2006: „Diese Freisetzung dient einerseits der Etablierung von notwendigem Know-how für die Beantragung und Durchführung von Freisetzungen am Standort Groß Lüsewitz, andererseits als politisches Signal und Präsentation des Dienstleistungsangebotes im AgroBioTechnikum. Gemeinsam mit der Universität Rostock wird an der Etablierung von Analyseverfahren zur Identifizierung und Quantifizierung von gentechnisch veränderten Pflanzen gearbeitet. Diese Verfahren sollen als Standarddienstleistungen im Zentrum angeboten werden.“ Im Klartext: Ein wissenschaftliches Ziel bestand gar nicht. Trotz dieser offen eingeräumten Ausrichtung auf Firmengründung und Werbezwecke strich dieser Versuch eine hohe Förderung durch das Wirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern ein, nämlich 80? Förderung bei einem Gesamtvolumen von 628.198 €. Weitere Gelder flossen aus dem BioSicherheitsprogramm. Mit solch hoher staatlicher Subventionierung starteten die ersten Versuchsanlagen - bei hohem Risiko, denn der zunächst angebaute Raps ist die auskreuzungs- und durchwuchsintensivste Art unter den bisher freigesetzten transgenen Pflanzen. Wo sie angebaut wurde, lassen sich meist bis heute gv-Bestandteile in der Landschaft nachweisen.

Dass hier ein neuer, gut geförderter und bewachter Spielplatz für Gentechnikexperimente entstand, interessierte weitere Protagonist_innen dieser Branche. Joachim Schiemann klopfte an, dem bei einem Freisetzungsexperimente gerade die Versuchsleitung entzogen worden war - wegen Interessenskollision, da er gleichzeitig als unabhängiger Begutachter in Genehmigungsverfahren mitwirkte. Schiemann engagierte sich als Gründungsmitglied am Aufbau von FINAB und des Agro BioTechnikums. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass der ihm entzogene Versuch dann dort weiter betrieben wurde ...
Schiemann war insgesamt ein nützlicher Partner im Geflecht von Groß Lüsewitz. Denn dass er im staatlichen JKI seit 2005 selbst an Versuchen mitwirkte56, dieses Julius-Kühn-Institut als Teil des in AgroBioTechnikum wichtigsten Firmenverbundes BioOK gelistet wurde und Schiemann persönlich zuständig war für die JKI-Stellungnahmen bei Genehmigungen von Feldversuchen, war ebenso praktisch wie Sitz und Stimme, die er in der passenden Arbeitsgruppe bei der europäischen Genehmigungsbehörde EFSA innehatte.

Im Original: Ziele
Auf der Homepage von FINAB zu den Zielen des AgroBioTechnikums
In seinem Gesamtkonzept bildet das Kompetenz- und Gründerzentrum eine Einheit, die durch das synergetische Zusammenwirken der einzelnen Einheiten geprägt ist:
  • Es ist eine Einrichtung zum Transfer wissenschaftlicher Forschung in wirtschaftliche Tätigkeit, in der mit Hilfe der grünen Biotechnologie neue Verfahren, beginnend bei der Züchtung über die Landwirtschaft und Verarbeitung bis hin zum Verbraucherschutz, erforscht und entwickelt werden sollen (FINAB e.V.).
  • Es nutzt als Dienstleistungseinrichtung diese Verfahren im Auftrag anderer Wirtschaftspartner (biovativ GmbH).
  • Es stellt mit dem Technikum europaweit dringend benötigte Kapazitäten zur Verfügung, um die effektive Isolierung wertvoller Inhaltsstoffe gentechnisch oder züchterisch veränderter Organismen in mittlerem Maßstab zu entwickeln und durchzuführen.
  • Gleichzeitig bietet es als Gründerzentrum Raum und Unterstützung für die Ausgründung junger Unternehmen um eine effiziente Überführung innovativer Entwicklungen in die Praxis zu gewährleisten (BVC mbH).
  • Es ist eine Einrichtung zur Verknüpfung von Kompetenzen im Bereich der grünen Biotechnologie und zu anderen Bereichen der Biotechnologie durch FINAB und BioCon Valley.
Für die Gewährleistung der Erreichung der Ziele sorgt ein Beirat aus Landwirtschaftsministerium und Wirtschaftsministerium MV, der Gemeinde Sanitz, dem Betreiber und dem Verein FINAB.

Zur Geschichte auf www.finab.de (Eingangsseite):
Der gemeinnützige Verein FINAB e.V. wurde 1999 mit dem Ziel der Förderung der Agrobiotechnologie in MV gegründet. Wichtiger Meilenstein hierfür war die Errichtung eines Kompetenz- und Gründerzentrums für Agrobiotechnologie. Das AgroBioTechnikum Groß Lüsewitz konnte im November 2004 eröffnet werden. Zeitnah gründete FINAB Ende 2003 seine 100%ige Tochterfirma biovativ GmbH, die am 01.07.2004 ihre Geschäftstätigkeit aufnahm. FINAB und biovativ nutzen seit Beginn 2005 das AgroBioTechnikum für ihre Forschungs- bzw. Dienstleistungstätigkeiten.

Propagandist der Agro-Gentechnik begrüßte Mitwirkung Schiemann und enge Verflechtungen!
Aus Thomas Deichmann, "Gentechnikgegner verunglimpfen deutsche Forscher" (Quelle: www.gruene-biotechnologie.de*)
Dr. Schiemann wurde vorgeworfen, sich einem "Verein zur Förderung der AgroBiotechnologie" angeschlossen zu haben. In Wirklichkeit wurde dieser, der ED-Redaktion bekannte "Verein zur Förderung Innovativer und Nachhaltiger Agrobiotechnologie in Mecklenburg-Vorpommern" (FINAB e.V.) 1999 mit der Idee der "Vernetzung der agrarwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kräfte im traditionell landwirtschaftlich orientierten Nordosten Deutschlands gegründet". Der Verein erhält Unterstützung der SPD-geführten Landesregierung und genießt hohes Ansehen. Er widmet sich, eigenen Angaben zufolge, klassischen, ökologischen wie modernen biotechnologischen Verfahren in der Landwirtschaft.
*Träger: Hessen-Media, eine Einrichtung der CDU-Landesregierung von Hessen. Seit 2007 eingestellt.

Aus Thomas Deichmann (2009): "Warum Angst vor Grüner Gentechnik?" (S. 78 ff.)
... Bundesland Mecklenburg Vorpommern, dessen sozialdemokratischer Landwirtschaftsminister Till Backhaus die Grüne Gentechnik ebenfalls fördert und zumindest in diesem Punkt mehr mit seinen ostdeutschen Landeskollegen der Union gemein hat als mit der grünen Landwirtschaftsministerin des Bundes. Auf einer Tagung des Vereins zur Förderung Innovativer und Nachhaltiger Agrobiotechnologien (FINAB e.V.) im vergangenen Mai bezeichnete er die Verweigerungshaltung Berlins hinsichtlich der Pflanzenbiowissenschaften als "falschen Weg", der sich im globalen Welthandel ohnehin nicht einhalten ließe. Backhaus fungierte als Schirmherr der Tagung, die auf dem Gelände der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) in Rostock abgehalten wurde. Sein Ministerium misst den Aktivitäten von FINAB e.V. große Bedeutung zu.
Der Verein wurde im April 1999 gegründet mit dem Ziel, die agrarwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kräfte im traditionell landwirtschaftlich orientierten Nordosten Deutschlands zu vernetzen und die Tier und Pflanzenzucht im Sinne einer naturschonenden Landwirtschaft in Mecklenburg Vorpommern zu entwickeln. Dabei werden alle verfügbaren Technologien, von der Grünen Gentechnik bis hin zum ökologischen Landbau, vorurteilsfrei einbezogen und das im Westen der Republik politisch heiß diskutierte Konzept der gleichberechtigten Koexistenz verschiedener Anbausysteme in die Praxis umgesetzt. Augenfällig ist auch in Mecklenburg Vorpommern die fruchtbare und vertrauensvolle Kooperation zwischen unterschiedlichen Ministerien, Forschungseinrichtungen und Agrarbetrieben, was maßgeblich auf das unermüdliche Engagement zweier Frauen zurückgeht: der FINAB Vorsitzenden Inge Broer, Agrarökologin an der Universität Rostock, und einer ihrer Stellvertreterinnen, Kerstin Schmidt von der BioMath GmbH in Rostock.
In Sachen Infrastruktur ist Mecklenburg Vorpommern einen Schritt weiter als Sachsen Anhalt. Bereits im März 2002 erfolgte der erste Spatenstich für ein großzügiges Kompetenz- und Gründerzentrum für biogene Ressourcen in Groß Lüsewitz etwa zehn Kilometer vor Rostock. Das Kompetenzzentrum soll 30 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche umfassen, dazu werden Gewächshäuser und im angegliederten Gründerzentrum Büro und Laborgebäude errichtet. Bei der Grundsteinlegung des "Bioaktiv" getauften Projekts im September letzten Jahres überreichte Landwirtschaftsminister Backhaus einen Zuwendungsbescheld der Landesregierung über 5,34 Mio. Euro, die in den Bau des Zentrums fließen sollen.

Aus der Studie von Lorch/Then zum AgroBioTechnikum (Stand: 2008)
Aus Antje Lorch und Christoph Then (2008): "Kontrolle oder Kollaboration? Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden"
Ingesamt scheint in Groß Lüsewitz/Sanitz ein günstiges Klima für die Freisetzung von gv-Pflanzen zu herschen: Seit 2003 fanden hier auch Freisetzungen von gv-Raps durch die Bundesforschungsanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen Quedlingburg (jetzt Teil des JKI), von gv-Kartoffeln durch BASF und von herbizid-tolerantem Mais durch Monsanto statt.
Die Firma biovativ wiederum wurde 2003 als 100%ige Tochter des Vereins FINAB gegründet, mit der Aufgabe das Gewächshaus und die Äcker des von FINAB initiierten AgroBioTechnikum zu betreuen.
Wie bereits festgestellt, ist Kerstin Schmidt die Geschäftsführerin von biovativ. Laut Handelsregister hat die biovativ GmbH nur einen Mitarbeiter. Da Kerstin Schmidt gleichzeitig auch Geschäftsführerin von BioMath und BioOK und im Vorstand von FINAB e.V. ist - und all diese Betriebe und der Verein unter der gleichen Adresse und teilweise unter der gleichen Telefonnummer zu erreichen sind -, drängt sich der Verdacht auf, dass es sich hier gar nicht um separate Einheiten handelt, sondern das Konglomerat von Firmen eher dazu dient, die kommerziellen Interessen im Umfeld des Vereins FINAB möglichst undurchsichtig zu gestalten. ...
BioOK GmbH, bei der Kerstin Schmidt ebenfalls Geschäftsführerin ist, soll zukünftig als allgemeine Dachmarke des Konglomerats, bzw. des „Wachstumskern BioOK“ aufgebaut werden: “Der Wachstumskern 'BioOK' etabliert die Ostseeküstenregion Rostock-Schwerin - insbesondere um das AgroBioTechnikum Groß Lüsewitz - als europäisches Kompetenzzentrum für die Analyse, Bewertung und Überwachung von agrobiotechnologischen Produkten und Verfahren. Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft wirken zusammen, um aus Kompetenzen und Erfahrungen in der biologischen Sicherheitsforschung neue, effektivere und kostengünstigere Analyse- und Bewertungsverfahren zu entwickeln und über die BioOK GmbH in einer One-Stop-Agency zu vermarkten.“ (Quelle)
„One-Stop-Agency“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Zulassung und das Monitoring gentechnisch veränderter Pflanzen für die Industrie vereinfacht und verbilligt werden soll. Gefördert wird dies von 2005 bis 2008 mit 4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). FINAB ist dabei untrennbar mit einem Dienstleister verflochten, der daran interessiert sein muss, dass im Sinne seiner Auftraggeber möglichst wenig umfangreiche und daher kostengünstige Überwachungspläne für den Anbau von gv-Saaten entwickelt werden.
Mit Kenntnis dieses – zugegebenermaßen komplizierten - Netzwerkes um die Firmen BioOK, biovativ und Biomath, um den Verein FINAB und der Tatsache, dass ausgerechnet Joachim Schiemann (Leiter der BBA-Abteilung Gentechnik und Biologische Sicherheit und EFSA-Mitglied) 1999 zu den Gründungsmitgliedern von FINAB gehört – erscheint die Art und Weise, wie der Fragebogen für die Firma Monsanto entwickelt wurde, etwas nachvollziehbarer. ... (S. 27 f.)
So wird die Politik zum Opfer ihrer eigenen Fehler: Sie ist umschlungen von einem fast undurchdringbaren Geflecht von Experten, Consulting-Firmen, Spezialagenturen, Arbeitsgruppen, Initiativen und den vielfältigen Aktivitäten ihrer Beamten, die gemeinsam mit der Industrie sowohl die Risikobewertung als auch die Risikokommunikation organisieren und dabei Politik und Öffentlichkeit zu ihrem Spielball machen.
Im Zentrum des Geflechts findet man dabei selten die großen Firmen selbst, sondern eher „Spezialagenturen“ mit exzellenten Kontakten zu Behörden, Politik, Medien und Konzernen. Sie arbeiten als Tarnkappenstrategen der Industrie, finanziert sowohl durch die öffentliche Hand als auch durch die Wirtschaft, sie haben Netzwerke, Seilschaften und Klüngelrunden auf allen relevanten Ebenen organisiert, die Institutionen der EU-Mitgliedsstaaten infiltriert und eine weitgehende Definitionsmacht errungen. ... (S. 37)

Geschichte: Bau 2003 - 05. Nutzung seit 2005. Initiiert durch FINAB e.V.
Wissenschaftliche Betreuung durch biovativ GmbH. Besitzerin: Gemeinde Sanitz.
Betreiberin: BioConValley. Beirat: Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerien Meck.-Vorpommern, Gemeinde Sanitz, BioConValley und FINAB.
Aktivitäten/Teilnahme an Forschungsprojekten: 260 ha landwirtschaftliche Nutzfläche für Freilandversuche, 1000m2 Gewächshausfläche und Lagerhalle für Saat- und Erntegut; 14 Mitarbeiter. Betreuung von Freilandversuchen mit zusätzlichen Serviceleistungen.
Sitz von verschiedenen Laboren und Betrieben. u.a. Labore von biovativ und FINAB, Firmensitz von BioConValley. 2006: Freisetzung zum Studium von Auskreuzungsraten von gv-Raps.
Teilnahme an Lobbyorganisationen: Initierung durch FINAB. Firmensitz von BioConValley.
Finanzierung: durch das Land Meck.-Vorpommern (Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerien: 5,43 Mio. Euro), EU und BMBF. Gesamtkosten vermutlich 10 Mio. Euro.

Schaubild mit Verflechtungen der Institutionen im deutschen Gentechnikfilz (Studie von Then/Lorch, S. 32)


Aus Umweltinstitut München, "Gentechnik-Verflechtungen in Mecklenburg-Vorpommern":
Der Verein FINAB ist ein wichtiges Element des Gentechnik-Netzwerks in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Blick in die Mitgliederliste des Vereins zeigt deutlich die Verquickung zwischen Wissenschaft, staatlichen Einrichtungen und Industrie. ...
Ziel des Bündnisses BioOK ist es, führender Dienstleister für die Prüfung und Zulassung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen in Europa zu werden. Gefördert wird das Projekt BioOK vom Bundesforschungsministerium mit über vier Millionen Euro. Frau Prof. Broer ist sowohl Gesellschafterin von BioOK als auch Gesellschaftervorsitzende der biovativ GmbH, dem kommerziellen Arm des Vereins FINAB, dessen Vorsitzende wiederum Prof. Broer ist. ...
Länderübergreifend, aber ebenfalls an die selben Personen gebunden ist auch ein für 2008 bis 2010 geplanter Freisetzungsversuch mit genmanipuliertem Weizen (siehe dazu www.umweltinstitut.org/genweizen2008) Als Projektleiterin wird im Antrag der Universität Rostock Frau Prof. Broer genannt. An der Freisetzung ist offenbar wiederum die FINAB-Tochter biovativ GmbH beteiligt. Rätselhaft ist dies insbesondere, als biovativ im Antrag der Universität überhaupt nicht genannt wird. Die biovativ GmbH ist das kommerzielle Tochterunternehmen des Gentechnik-Lobbyvereins FINAB. Vorsitzende des Vereins: Frau Prof. Broer, die auch als Gesellschafterin von biovativ fungiert. Allem Anschein dienen auch hier Projektgelder dafür, die eigene Firma mit Aufträgen zu bedienen. ...

Antje Lorch und Christoph Then vermuten in ihrer Studie zum Gentechnikfilz intransparente Geldflüsse im Lüsewitz-Rostocker Geflecht:58 „Die Firma biovativ wiederum wurde 2003 als 100%ige Tochter des Vereins FINAB gegründet mit der Aufgabe, das Gewächshaus und die Äcker des von FINAB initiierten AgroBioTechnikum zu betreuen. Wie bereits festgestellt, ist Kerstin Schmidt die Geschäftsführerin von biovativ. Laut Handelsregister hat die biovativ GmbH nur einen Mitarbeiter. Da Kerstin Schmidt gleichzeitig auch Geschäftsführerin von BioMath und BioOK und im Vorstand von FINAB e.V. ist - und all diese Betriebe und der Verein unter der gleichen Adresse und teilweise unter der gleichen Telefonnummer zu erreichen sind - drängt sich der Verdacht auf, dass es sich hier gar nicht um separate Einheiten handelt, sondern das Konglomerat von Firmen eher dazu dient, die kommerziellen Interessen im Umfeld des Vereins FINAB möglichst undurchsichtig zu gestalten.“
Wenig seriös wirkt die fachliche Qualifikation der Hauptperson: Kerstin Schmidt ist als Mathematikerin Drahtzieherin beim Aufbau der Infrastruktur und in der Durchführung von Versuchen an den zwei wichtigsten Freisetzungsstandorten deutscher Gentechnik - dem AgroBioTechnikum und der BioTechFarm in Üplingen (siehe S. 15).59 Für Letztere registrierte sie am 28.3.2007 die Internetadresse und arbeitet seit April 2008 als Geschäftsführerin Seite an Seite mit der einflussreichen Gentechlobby Sachsen-Anhalts um den FDP-Politiker und Lobbyisten Uwe Schrader.
Nicht wirtschaftlicher Erfolg, sondern Förderungen aus staatlicher Hand ermöglichten den Aufbau des AgroBioTechnikums. Die Gesamthöhe der öffentlichen Zuschüsse für die Errichtung der Gebäude und Infrastruktur betrug 9,1 Mio. Euro60, die meisten Mittel stellte das Land Mecklenburg-Vorpommern. Wie gut müssen dorthin die Kontakte gewesen sein, um 2.103.459 € aus dem Topf „Zukunft für die Jugend in MV“ für Forschungsgewächshaus und Mehrzweckhalle umzuleiten?
Zusätzlich flossen laufende Zuschüsse. Im AgroBioTechnikum siedelten etliche Firmen, viele davon allerdings mit dem gleichen Personal. Kerstin Schmidt ist immer dabei: Sie ist Geschäftsführerin der biovativ GmbH und bietet dort gentechnische Arbeiten als Dienstleistung für andere an. Bis 2008 fungierte sie als Schatzmeisterin beim Verein FINAB, der lange als Antragsteller und politisches Sprachrohr diente. Und sie ist Geschäftsführerin beim regionalen Zusammenschluss von Firmen und Institute der Agro-Gentechnik namens BioOK. Von 2005 bis 2008 wurde dieser BioOK-Verbund durch das BMBF mit 4,383 Mio. € gefördert, um „neue, effektivere und kostengünstigere Analyse- und Bewertungsverfahren“ zu entwickeln. Allein Inge Broer bzw. die Uni Rostock erhielten 1.876.490 € über diese Förderung62.

Im Original: Geldflüsse aus staatlichen Töpfen
Aus dem Artikel "Leere Labore "im Spiegel am 6.10.2008 mit vielen weiteren Hintergrundinformationen
2004 ging es dann auch in Mecklenburg-Vorpommern los - der Lobbyverein "zur Förderung innovativer und nachhaltiger Agrobiotechnologie" (Finab), dem Broer vorsitzt, hatte immer wieder angetrieben. Für zehn Millionen Euro wurde in Groß Lüsewitz östlich von Rostock ein Agrobiotechnikum gebaut - mit einem Schülerlabor für Gentechnik. 260 Hektar Fläche gehören zum Groß Lüsewitzer Anwesen.

Ausgewählte Investitonszuschüsse aus Landes- und Bundesprogrammen60:
  • „Zukunft für die Jugend in MV“ für Forschungsgewächshaus und Mehrzweckhalle: 2.103.459 €.
  • Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für „Planungsleistungen Gründerzentrum für biogene Ressourcen Groß Lüsewitz“ 21.533 € und für das „Kompetenz- und Gründerzentrum Groß Lüsewitz“: 5.189.200 €.
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung: 983.498,01 € an den Verein zur Förderung innovativer und nachhaltiger Agrobiotechnologie (FINAB e.V.) zur Anschaffung von Geräten.61

Zuschüsse für BioOK, aufgeschlüsselt nach Empfänger_innen im Firmenverbund (siehe auch Abbildung rechts aus der Bundestagsdrucksache 16/6208, S. 3 f. ++ Ausschnitt größer durch Klick):
  • Entwicklung von standardisierten Analyseschemata und Zulassungsdossiers für gentechnisch veränderte Pflanzen: biovativ GmbH, 130.152 €.
  • Pflanzenspezifische Analyseschemata und Zulassungsdossiers: BioMath, 158.619 €.63
  • Optimierung von Anbauverfahren für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen - zur Produktion von Pflanzenmaterial mit einheitlichen Inhaltsstoffen - unter Vermeidung von messbarem Pollenflug: biovativ GmbH, 207.204 €.
  • Analytischer Nachweis von Summenparametern und Einzelkomponenten, Teilprojekt 1: Uni Rostock, 677.765 €.
  • Analytischer Nachweis von Summenparametern und Einzelkomponenten, Teilprojekt 2: BIOSERV GmbH, 261.347 €.64
  • Entwicklung eines schnellen in vivo Verfahrens zur Detektion geringer Einflüsse transgenkodierter Proteine auf Mikroorganismen und Stoffflüsse im Boden, Teilprojekt 1: Uni Rostock, 270.838 €.
  • Entwicklung eines schnellen in vivo Verfahrens zur Detektion geringer Einflüsse transgenkodierter Proteine auf Mikroorganismen und Stoffflüsse im Boden, Teilprojekt 2: Steinbeis Transferzentrum, 245.461 €.
  • Entwicklung eines standardisierten Labortests für Dungkäfer zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von verfütterten transgenen Pflanzen, BTL GmbH, 155.009 €.65
  • Entwicklung einer Methode zur Detektion des Einflusses transgener Pflanzen auf Ökosysteme auf der Basis von Veränderungen des Genoms responsiver Viren sowohl in Pflanzenmaterial als auch ihren Vektoren. Teilprojekt 1: BTL GmbH, 247.102 €.
  • Entwicklung einer Methode zur Detektion des Einflusses transgener Pflanzen auf Ökosysteme auf der Basis von Veränderungen des Genoms responsiver Viren sowohl in Pflanzenmaterial als auch ihren Vektoren. Teilprojekt 2: BAZ Quedlinburg (jetzt JKI), 238.058 €.
  • Entwicklung einer in-vitro-Methode zur Simulation von Verdauung und Resorption: Broer/Uni Rostock, 927.887 €.
  • Entwicklung von Anreicherungsverfahren und Testsystemen zum quantitativen Nachweis von Substanzen in transgenen Pflanzen: BIOSERV GmbH, 224.600 €.
  • Entwicklung von Analyseverfahren zur Toxizität von gv-Pflanzen: Primacyt GmbH, 77.110 €.
  • Entwicklung von Analyse- und Bewertungssystemen zur Ermittlung einer potenziellen Allergenität von gv-Pflanzen: BIOSERV GmbH, 414.218 €.
  • Entwicklung und Umsetzung von Modellen zur Unterstützung bei der Erstellung von Freisetzungsanträgen und Überwachungsplänen für ein anbaubegleitendes Monitoring von gv-Pflanzen: BioMath GmbH, 150.237 €.
  • Polymerenproduktion in transgenen Kartoffelknollen (2007-08). Teilprojekt 1: Broer/Uni Rostock (263.853 €), Teilprojekt 2: biovativ (94.369 €). Weitere Projektpartner: Uni Bielefeld, Eberhard-Karls-Uni Tübingen, Norika Nordring-Kartoffelzucht und VermehrungsGmbH. Gesamt: 693.783 €.66
Neben diesen Steuergeldern fließen Mittel der Gentechnikkonzerne nach Groß Lüsewitz. Die BASF engagierte sich auch direkt und schützte 2009 die Versuchsfelder durch eine beauftragte Wachfirma. Deren Bedienstete verwiesen bei Nachfrage auf die Firma BASF als Auftraggeber und verteilten deren Propaganda.


Abb.: Bundestagsdrucksache 16/6208, S. 3: Gesamtsumme und biovativ als Koordinator.

Aus einem Interview mit Inge Broer, in: Volksstimme am 4.8.2009:
Volksstimme: Was haben Ihre Kartoffelversuche bisher gekostet und wer bezahlt sie ?
Broer: In die Entwicklung der Biopolymer-Kartoffel zur Biopolymerproduktion sind bisher etwa zwei Millionen Euro geflossen. Für die beiden anderen Linien waren es jeweils geringere Beträge. Die Gelder kamen zum größten Teil vom Bundesforschungsministerium, außerdem vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Aus der Landtagsdrucksache 06/1673 vom 11.8.2008 (Hinweis: Die Anfrage stammte von NPD, die keine emanzipatorische Gentechnikkritik vertritt. Im folgenden wird aus der Antwort der Landesregierung zitiert, also nicht aus dem Text der NPD)
Eine finanzielle Unterstützung durch die Landesregierung erfolgte im Rahmen der Errichtung des Kompetenz- und Gründerzentrums für biogene Ressourcen Groß Lüsewitz (jetzt AgroBioTechnikum).
Die Errichtung des Teilobjektes Gründerzentrum wurde im Jahr 2002 mit einer Zuweisung an die Gemeinde Sanitz aus Kapitel 1102 Titel 883.08 des Landeshaushaltsplanes 2002/2003 in einer Höhe von 604.568 € unterstützt.
Aus dem Fonds „Zukunft für die Jugend in MV“, Kapitel 0802 Titel 883.07, wurden für das Teilprojekt Kompetenzzentrum (Forschungsgewächshaus und Mehrzweckhalle) in den Jahren 2002 - 2004 insgesamt 2.103.459 € bewilligt und ausgezahlt.
Auf der Grundlage der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ wurden die Vorhaben „Planungsleistungen Gründerzentrum für biogene Ressourcen Groß Lüsewitz“ im Jahr 2001 mit 21.533 € und „Kompetenz- und Gründerzentrum Groß Lüsewitz“ im Jahr 2002 mit 5.189.200 € gefördert.
Der Landesregierung ist darüber hinaus bekannt, dass durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Errichtung des Kompetenz- und Gründerzentrums dem Verein zur Förderung innovativer und nachhaltiger Agrobiotechnologie (FINAB e. V.) im Jahr 2001 983.498,01 € zur Anschaffung von Geräten bewilligt und ausgezahlt wurden, die jetzt im AgroBioTechnikum genutzt werden.

Und noch eine Finanzquelle sponsort das El Dorado für Gentechnikfirmen und Fördermittelempfang: Obwohl es sich wohl kaum um einen landwirtschaftlichen Berieb handelt, kassiert die FINAB-Tocher biovativ 74.166.46 € an Flächenprämien, also als allgemeine Agrarförderung.


Aus dem Register der Agrarsubventionen für 2008


Geld ist das Hauptmotiv für die Aktivitäten am AgroBioTechnikum: „Im Moment ist es hauptsächlich Forschung in der Gentechnik, weil es dafür Geld gibt“, räumte Inge Broer 2006 in der WDR-Sendung "Immer Ärger mit Linda" freimütig ein. Minister Backhaus nannte weitere Gründe: „Gute Ergebnisse in diesem Bereich sind für die Landesregierung und für mich als Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz die besten Argumente sowohl gegenüber dem Bund als auch innerhalb des Landes, mich für den Erhalt der Agrarwissenschaften in der Universität Rostock, aber auch ganz aktuell für den Erhalt zumindest eines Teils der Bundesforschungsanstalt hier in Groß Lüsewitz einzusetzen.“60
Broer, Schmidt und Umfeld träumten seit 2007 von einer großen europäischen Agentur für Biotechnologie, die der Region um Rostock den Glanz eines bedeutenden Forschungsstandortes verleihen soll. Ebenso auch Minister Backhaus: „Der Wachstumskern ,BioOK' soll sich in der Küstenregion Rostock-Schwerin - insbesondere um das AgroBioTechnikum Groß Lüsewitz - als ein europäisches Kompetenzzentrum für die Analyse, Bewertung und Überwachung von agrobiotechnologischen Produkten und Verfahren etablieren“.68 Was BioOK tatsächlich ist, wird im Kapitel zu Agro-Gentechnikfirmen aufgeklärt.

Das Wohl der Menschen vor Ort spielt in den abenteuerlichen und teuren Phantasien des Standortpokers keine Rolle. Ganz im Gegenteil: So einige Bemerkungen weckten Erinnerungen an den autoritären Bayernführer Franz-Josef Strauß, der vor vielen Jahren eine atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf für durchsetzbar hielt, weil "der Standort Wackersdorf in einem Raum mit industriegewohnter Bevölkerung liegt". In einer Regierungsbroschüre zur 'BioRegion' im Nordosten wird ähnlich argumentiert und das ablehnende Votum der Gemeinde Thulendorf schlicht übergangen mit der Behauptung: "Die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns stehen den wachsenden Chancen und neuen Entwicklungen äußerst offen gegenüber." Dass in der Genehmigungsbehörde geschummelt wird und die durchwinkenden Beamten mit der Industrie verfilzt sind, mutiert zum Standortvorteil für Mecklenburg-Vorpommern: "Deshalb sind die Genehmigungsverfahren nach dem Gentechnikgesetz äußerst kurz."

Im Original: Bevölkerung für blöd verkauft
Wird Mecklenburg-Vorpommern aufgrund unkritischer Bevölkerung zum Gentechnik-Musterland?
Aus: BioRegionen in Deutschland. Bundesministerium für Forschung und Bildung, Berlin 2004
BioCon Valley® ist das fruchtbare Milieu einer innovativen Biotechnologie- und Wissenskultur. Die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns stehen den wachsenden Chancen und neuen Entwicklungen äußerst offen gegenüber. Sie begleiten sie kritisch, aber unvoreingenommen. Deshalb sind die Genehmigungsverfahren nach dem Gentechnikgesetz äußerst kurz.

Kritik an Agro-Gentechnik bleibt unberücksichtigt: Universität Rostock und Biotechfirmen legen auch 2010 Felder an
Aus " Gen-Pflanzen: Forscher lassen die Proteste kalt", in: Ostseezeitung, 24.4.2010:
Die Kritik an Gentechnik auf Äckern in Mecklenburg-Vorpommern wird schärfer – die Universität Rostock will aber trotzdem auch in diesem Jahr wieder Freisetzungs-Versuche starten. Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurden den Rostocker Genforschern Genehmigungen für den Anbau von genveränderten Kartoffeln, Weizen und Petunien erteilt. ...
Die befürchtete Verbreitung von genveränderten Pflanzen ist längst Alltag, melden der Öko-Bauerverband Bioland und Greenpeace. Die Zukunft des Bio-Anbaus sei dadurch gefährdet. Bei staatlichen Kontrollen von importiertem Saatgut für den Maisanbau dieses Frühjahrs seien in sieben von 13 Bundesländern gentechnisch verunreinigte Proben festgestellt worden. Mecklenburg-Vorpommern gehört mit Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zu den einzigen Ländern, die diese Angaben geheim halten, so Bioland-Sprecher Gerald Wehde. Warum das so ist, konnte das Schweriner Landwirtschaftsministerium gestern nicht erklären. Der zuständige Mitarbeiter sei auf Dienstreise.
Bioland wirft Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) Totschweigen vor. 2007 bauten Bauern aus MV auf 800 Hektar gentechnisch verunreinigten Raps an. Ohne es zu wissen, sie hatten das Saatgut in gutem Glauben gekauft. Auch andere Länder waren betroffen. Backhaus weigere sich, mitzuteilen, um welche Flächen es sich handelt, so Bioland. Der Öko-Verband klagte auf Bekanntgabe und gewann. Der Erfolg lässt aber auf sich warten. „Wir warten immer noch auf die Daten“, sagt der Bioland-Sprecher.

2009 erwärmte sich auch Bundesforschungsministerin Annette Schavan für den Größenwahn an Uni Rostock und AgroBioTechnikum: „In Groß Lüsewitz bei Rostock arbeitet eine Arbeitsgemeinschaft von Wissenschaftlern und regionalen Unternehmen in dem Projektverbund BioOK an der Standardisierung von Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen und könnte dabei auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung zum Weltmarktführer avancieren. ... Die beiden Alpha-Frauen Schawan und Broer tragen somit entscheidend dazu bei, dem strukturschwachen Agrarland Mecklenburg-Vorpommern eine neue Perspektive als Forschungsstandort zu verschaffen.“69 BioOK wurde in den ersten Jahren vom BMBF zu 75% gefördert, die Folgefinanzierung betrug 50% der Kosten.
Die großen Summen an Fördergeldern für die Firmengeflechte mögen für Propaganda, beteiligte Personen und 'klamme' Uni-Institute nützlich gewesen sein. Dem geldfressenden AgroBioTechnikum selbst reichten sie nicht. Schon drei Jahre nach dem Start geriet es in eine wirtschaftliche Schieflage. Ein Großteil der Labore und Büroflächen stand 2008 leer.30 Der Träger BioCon Valley70 zog sich aus Groß Lüsewitz zurück. Daraufhin übernahm die vom Land Mecklenburg-Vorpommern getragene Landgesellschaft M-V die Trägerschaft. Erneut sprang der Staat der bei den meisten Menschen unerwünschten Gentechnik zur Seite, die sich nun auch finanziell zum Fass ohne Boden wandelte.71 Wirkung hinterließen die Förderungen nur bei der Ausbreitung der gv-Pflanzen in der Natur und im kleinen Geflecht der Firmen von Kerstin Schmidt, während für die Region sonst kaum Impulse in Form dauerhafter Investitionen oder Arbeitsplätze heraussprangen.
Parallel stieg der Druck von Aktivist_innen, Umweltgruppen, Anwohner_innen und den politischen Gremien aus der Nachbargemeinde Thulendorf, auf deren Gebiet die meisten der Versuchsfelder lagen. Der dortige Gemeinderat sprach sich schließlich einstimmig gegen die Versuchsfelder und für die Kündigung des Pachtvertrages zumindest seiner Flächen aus. Anwohner_innen beteiligten sich zunehmend an Protesten gegen die Freisetzungen, die bis an die Gärten des Ortes Sagerheide heranreichten. Lange Zeit setzte aber der mecklenburg-vorpommersche SPD-Landwirtschaftsminister Backhaus auf das von ihm unterstützte AgroBioTechnikum, ruderte aber ab 2010 unter dem Eindruck der Proteste Stück für Stück zurück. Die wirtschaftlichen und politischen Probleme der Gentechnik-Seilschaften sind inzwischen trotz Steuergeldern, 74.144,46 € landwirtschaftlicher Flächenprämie und anlagensichernder Polizeitruppen groß. Gelder versickern in den dubiosen Firmengeflechten, während sich die Standorte kaum lange halten können. Doch Broer und Schmidt baden ihre Hände in Unschuld: „Den Vorwurf einer Interessenkollision weisen beide von sich. Bei der EFSA hätten sie nur beratende Funktion. Sicher profitiere sie von Förderung, so Kerstin Schmidt. ,Aber daraus habe ich in den letzten drei Jahren mehr als 20 Arbeitsplätze geschaffen.' Inge Broer sagt, die entstandenen Netzwerke seien notwendig, aber ,kein Filz'. Vom Forschungsministerium gebe es nur Geld, wenn die Industrie beteiligt sei.“30 Doch wer genauer hinschaut, erfährt das Gegenteilt. Selbst vor Ort funktioniert der Filz, denn die widerspenstige Gemeinde Thulendorf wird bei ihren Beschlüssen vom eigenen Verwaltungsamt Carbäk ausgebremst. Deren Chef, Dr. Ernst Schmidt, befürwortet als SPD-Fraktionschef im Kreistag die Gentechnik. Nachdem das IPK in Gatersleben als Freisetzungsfläche verlorenging und der politische Druck auch am AgroBioTechnikum zunahm, wurde zwar der Firmenverbund BioOK zum neuen Stern am Himmel deutscher Gentechnik auserkoren. Andererseits fanden die Seilschaften einschließlich Kerstin Schmidt einen neuen Ort für ihre riskanten Freisetzungen: Das Stiftsgut Üplingen in der Magdeburger Börde beherbergte bereits 2009 mit neun Versuchen die größte Zahl solcher Freisetzungen.


Was wird geforscht? Mais, Kartoffel, Petunie und mehr am AgroBioTechnikum
Was passiert mit all dem Geld? Neben dem Aufbau von Infrastruktur fließt es vor allem in die Versuchsfelder. Waren die anfangs noch auf verschiedene Äcker rund um Sagerheide und im nördlichen Gemarkungsgebiet von Lüsewitz verteilt, so wurden sie aus Sicherheitsgründen immer mehr auf eine großbewachte Fläche zusammengelegt, bis ab 2010 alle Versuchsfelder am nordöstlichen Ortsrand des kleinen Dorfes Sagerheide lagen (siehe rechts die Karte der Felder: Rot unterlegt wurde der Ort Sagerheide, gelb die Ackerflächen mit dem schraffierten Versuchsgelände, grün ist Wald). Der Gemeinderat dort hatte sich zwar einstimmig gegen die Experimente ausgesprochen, aber die Meinung der Menschen vor Ort interessierte die Agro-Gentechniker_innen noch nie. So standen dort mehrere Felder mit sehr unterschiedlichen Pflanzen. "In allen Fällen geht es um Sicherheits- und Begleitforschung", verkündete die Internetseite der Betreiberfirma biovativ.
Das bedeutet dreierlei: Erstens geht es um richtig viel Geld, denn die Förderungen aus dem Biosicherheitsprogramm liegen immer bei einigen Hunderttausend Euro. Da jedes Jahr mehrere Felder auf dem Versuchsgelände liegen, kommt schon ein beachtlicher Jahresetat zusammen. Zweitens sind die Felder überwiegend schlicht Betrug bzw. Unterschlagung. Denn laut biovativ sei bis auf eine Ausnahme "bei keiner dieser Pflanzen daran gedacht, sie in den nächsten Jahren als Produkte auf den Markt zu bringen." Genau das fordert die Förderrichtlinie des Programms aber: "Freisetzungsbegleitende Untersuchungen sollen sich ausschließlich auf gentechnisch veränderte Pflanzen beziehen, deren Anwendung in Deutschland erwartet wird bzw. deren Freisetzung bereits erfolgt." Drittens sind Sicherheitsversuche die riskantesten Felder in Deutschland. Die Begründung ist einfach: Hier werden bislang unbekannte Genkonstrukture in die Umwelt ausgebracht. Für diese liegen bislang keinerlei Daten über ihre Wirkung in der freien Natur vor noch sind überhaupt Nachweismethoden entwickelt worden. Während z.B. zum Bt-Mais MON810 inzwischen viele Studien vorliegen und ein einfacher Nachweis-Teststreifen für 5 € zu haben ist (was die Pflanze nicht ungefährlicher macht), so laufen viele der Biosicherheitsversuche mit mehrfach veränderten Pflanzen. So stehen auf den Versuchsfeldern am AgroBioTechnikum jedes Jahre mehrere Pflanzenarten mit sehr verschiedenen gentechnischen Veränderungen - z.B. über 500 veränderte, unterschiedliche Kartoffelsorten und -linien der Firma BASF. Sie verschwinden nach der Testserie meist wieder aus den Laboren. Die Entwicklung einer Nachweismethode lohnt daher nicht. Ob sie sich allerdings während bzw. nach der Freisetzungsperiode draußen in die freie Natur hinausgemogelt haben und sich dort nun munter weiter verbreiten, bleibt unbekannt. Der LL601-Reis, der es von Versuchsstandorten in die Supermarktregale der ganzen Welt schaffte, wurde nur durch Zufall eines Tages entdeckt. Ob das eine oder andere Bier, das mensch trinkt, bereits die Erlanger-Gießener-Genkonstrukte enthält oder in irgendeinem Kartoffelsack ein Rostocker oder BASF-Konstrukt enthalten ist, werden wir voraussichtlich nie erfahren! Das 2010 selbst auf BASF-Versuchsfeldern in Nordschweden die falsche Kartoffelsorte gefunden wurde, lässt aufhorchen: Wenn die Durchmischung schon beim Hersteller vorkommt, wo und wie soll sie dann verhinderbar sein?
So oder so stand also eine bunte Vielfalt von Versuchsfelder in der Landschaft östlich von Rostock. Wie die Tabelle über Freisetzungsversuche östliche von Rostock in den Jahren 2005 bis 2008 zeigte, war die Vielfalt der angebauten gv-Pflanzen hoch. Können eine Forscherin und ein kleines Firmengeflecht an so vielen Pflanzen gleichzeitig forschen? Nun - zumindest tun sie es nicht. Die Felder stehen überwiegend unberührt herum. Aussaat und Ernte - das war's bei den meisten Feldern, Wachschutz und Nachbar_innen übereinstimmend berichteten. Besucht werden sie höchstens von Wahlkampftouren der Gentechnikfans im Bundestag oder von Menschen, die geschickt und nächstens der Bewachung ein Schnippchen schlagen, um die Versuchsflächen von ihrer gentechnisch veränderten Pflanzendecke befreien. Gibt es diese Forschung überhaupt? Der Verdacht bestätigt sich beim Versuch, Ergebnisse der Forschungen herauszubekommen. Es ist nämlich übliche wissenschaftliche Praxis, Forschungsergebnisse in renommierten Fachzeitschriften zu veröffentlichen, um die Erkenntnisse zugänglich zu machen und einer kritischen Analyse zu unterwerfen. Um jedoch etwas zu Versuchsergebnissen bei Uni Rostock, FINAB & Co. zu finden, hilft alles Wühlen in Magazinen, Internet oder Bibliotheken nichts: Es gibt keine - außer dem für die Forschungsmittel erforderlichen Endbericht an die Mittelvergabestelle. Die gentechnische Forschung am AgroBioTechnikum ist Show und Betrug. Es gibt sie nicht. Warum aber stehen dann die Felder da? Das soll das folgende Kapitel klären - mit bedrückenden Erkenntnisse.



Im Original: Versuchsfelder am AgroBioTechnikum
Auf der Internetseite der die Versuche ausführenden Firma biovativ (Geschäftsführung: Kerstin Schmidt) heißt es:
In 2009 sind in Groß Lüsewitz mehrere Freisetzungsversuche geplant. Bei den gentechnisch veränderten Pflanzen handelt es sich um Prototypen, bei denen verschiedene Fragestellungen untersucht werden sollen. In allen Fällen geht es um Sicherheits- und Begleitforschung. Bis auf eine gentechnisch veränderte Kartoffel ist bei keiner dieser Pflanzen daran gedacht, sie in den nächsten Jahren als Produkte auf den Markt zu bringen. Einige dieser Versuche werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms "Biologische Sicherheitsforschung" gefördert.


Freisetzungsregister aller 2010 möglichen Felder (durchgestrichen: MON810, da verboten) ++ größer: Anklicken
Unten: Hinweisschild am Feld 2010 - danach sind es deutlich weniger Versuchsfelder.
Am 1.4.2010 wurde ein weiterer Versuch mit gv-Kartoffeln genehmigt.


Zu den Versuchsfeldern 2009:
2009er-Schild (von Unbekannten mit neuem Titel versehen)

Der Umgang mit Kritik
"Alles Lüge" sagte Prof. Inge Broer einem Nachbar der Versuchsfelder, der ihr die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" entgegenstreckte. Eine Feldbesetzung wurde 2009 geräumt, Aktivist_innen mit gerichtlichen Verfügungen und Strafverfahren überzogen. Stramm an der Seite der Gentechnik-Seilschaften standen und stehen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in Rostock. Kritiker_innen werden drangsaliert, die Feldbetreiber_innen hingegen geschont. Auch Meinungsfreiheit scheinen die Gentechniker_innen nicht besonders zu schätzen. Ein kritischer Vortrag über Seilschaften an der Universität Rostock wurde verboten. An einen anderem Ort verlegt, besuchten ihn über 20 Studierende und Hauptamtliche der Uni den Vortrag und versuchten, diesen durch ständiges Nachfragen und Pöbeln zu verhindern - was nicht gelangt, aber den Ablauf um 1,5 Stunden verzögerte. Der Versuchsleiter des Feldes mit zur Überwinterung eingegrabenen gv-Kartoffeln, bezeichnete Biolandwirte dort als "Hobbybauern", Student_innen mit abweichender Meinung mehrfach als "dreimal dumm" und beleidigte schließlich den Referenten, bei ihm seinen wohl die „Synapsen durchgebrannt“.

Im Original: Störung bei kritischem Vortrag
Foto: Kurz vor dem Beginn - es kamen noch etliche mehr


Doch Vielfalt und Intensität der Proteste begannen schließlich doch, Wirkung zu zeigen. 2010 verabschiedete ein Parteitag der SPD in Mecklenburg-Vorpommern erstmals eine klare Position gegen die Agro-Gentechnik - und zwar gegen alle Felder. Und auch Landwirtschaftsminister Backhaus, der genau dieser Partei angehört, verzichtete auf weitere Unterstützungserklärungen für das AgroBioTechnikum.

Im Original: Wachsende Ablehnung der Agro-Gentechnik in der SPD
Aus der Ostseezeitung vom 26.4.2010
In der anschließenden Diskussion wurden einige Änderungen an dem vom Parteivorstand eingebrachten Leitantrag vorgenommen. ... Auch die Ablehnung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen wurde eingefügt.

Till Backhaus im Nordkurier am 24.7.2010
Für das Gesundheitsland MV, für diesen wichtigen Agrarstandort, brauchen wir die Gentechnik eigentlich nicht.
Doch dann wieder das immer gleiche Spiel: Obwohl niemand sie braucht, sollen ihre Wirkungen erforscht werden:
Wir haben es mit Ideologie zu tun. Die einen sagen, Gentechnik ist das heilsbringende, die anderen sagen, das ist Teufelszeug. Ich komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass bei einem großflächigen Anbau die Frage der Koexistenz nicht zu lösen ist. Die Wahlfreiheit für Erzeuger wie Konsumenten, gentechnikfreie Produkte zu erzeugen bzw. zu konsumieren, kann somit kaum durchgesetzt werden. Aber wir müssen forschen dürfen. Denn, wie sich die Gentechnik langfristig auswirkt, da gibt es viele offene Fragen.


Im Original: Krasse Polemik, Vergleich mit verfolgten Juden
Aus dem Gen-ethischen Informationsdienst Juni 2011 (S. 40f.)
Zwei Milliarden für den Protest
Ende Mai fand in Berlin ein bemerkenswertes Pressegespräch statt. Sein Titel: „Nutzung der Grünen Gentechnik ist ethisch geboten!“ Warum sich aus diesem Anlass nicht einmal ganz unvoreingenommen folgende Frage stellen: Wenn die Gentechnik hilft, den Welthunger zu besiegen, dann sollte man sie doch auch anwenden, oder?
Von Birgit Peuker
Im Mai des Jahres 2009 einigten sich auf einer Studienwoche an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in Vatikanstadt 40 Wissenschaftler auf eine politische Stellungnahme zur Grünen Gentechnik. Die 40 Wissenschaftler kamen aus unterschiedlichen Ländern, zum größten Teil aber aus den USA, Großbritannien und Deutschland. Nach der Diskussion wissenschaftlicher Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen zu Gentechnik und Ernährungssicherung waren sie zu der Erkenntnis gelangt, dass die Anwendung der Gentechnik ethisch geboten sei. Die Mehrzahl von ihnen waren Naturwissenschaftler aus dem Bereich der Pflanzenbiotechnologie. Wer hätte gedacht, dass so viele Naturwissenschaftler sich in der philosophischen Disziplin der Ethik auskennen?
Die 40 Wissenschaftler hatte der Vater des Goldenen Reis (1), Ingo Potrykus, ausgewählt. Nun aber, zwei Jahre nach dieser Tagung, war im Mai 2011 in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin zu einem Pressegespräch eingeladen worden, um die erstmalige Veröffentlichung der Zusammenfassung und die Stellungnahme der 40 ausgewählten Wissenschaftler in deutscher Sprache vorzustellen.(2)
Potrykus, emeritierter Professor der Pflanzenbiotechnologie, war gemeinsam mit seinem ebenfalls mittlerweile emeritierten Kollegen Klaus Ammann anwesend. In Anbetracht so viel wissenschaftlicher Kompetenz konnte man gespannt sein, welche neuen und originellen Argumente hervorgebracht werden würden.
Doch wer gedacht hatte, dass nun nüchterne und sachliche wissenschaftliche Argumente vorgetragen würden, wurde in ein - nun, wie soll man es ausdrücken? - gewisses Erstaunen versetzt. Denn das geheime Ziel der Veranstaltung schien eher gewesen zu sein, so viele Leute wie möglich zu beleidigen. Gleich zu Beginn seines Vortrages beklagte sich Potrykus über die Ignoranz, welche Politiker und Medien den Ergebnissen der Tagung in Rom entgegengebracht hatten. Dabei habe man doch ein überraschendes Resultat erzielt: Die Anwendung der Gentechnik ist ethisch geboten. Dies hätte doch - so die Meinung der engagierten Professoren - zu einem Aufschrei in der Öffentlichkeit führen müssen!
Oje, hat Potrykus sich etwa vorgestellt, dass eine einzige wissenschaftliche Konferenz, welche diese nicht besonders neue Behauptung unterstützt, sofort dazu führt, dass alle Leute aufschauen, sich verwundert ansehen und sagen: „Ach was, Gentechnik ist ethisch geboten? Das haben wir nicht gewusst, lasst uns gleich gentechnisch veränderte Samen in den Garten werfen.“ Welche anderen Wissenschaftler erwarten eine vergleichbare Wirkung von ihren Konferenzen?
Der Unmut von Potrykus richtete sich sodann gegen eine ganze Reihe von Gruppen: neben den Politikern auch die Medien und die großen Konzerne. Aber zuerst waren natürlich die Gentechnikkritiker_innen dran: Diese würden falsche Argumente in der armen unwissenden Bevölkerung verbreiten, beispielsweise über sogenannte „Risiken“ gentechnisch veränderter Pflanzen. Argumente, die schon längst wissenschaftlich widerlegt worden seien und zwar peer-review't!(3)
Eine ganze „Protestindustrie“ habe sich gebildet. Ein riesiges Budget stehe den gentechnikkritischen Gruppen zur Verfügung, ungefähr zwei Milliarden Euro. Dagegen seien die Budgets der großen Konzerne, die mit der Gentechnik ihre Geschäfte machen, „Peanuts“. Und apropos große Konzerne: Die hätten den Markt monopolisiert und ließen kleinere mittelständische Unternehmen, die ihrerseits ihre Geschäfte mit der Gentechnik machen wollen, nicht hochkommen. Das Geld für die Gentechnikkritiker stamme hauptsächlich von der Regierung und die Medien würden - unwissend wie sie seien - die Argumente der Kritiker unhinterfragt aufnehmen und verbreiten. Ausserdem, so Potrykus weiter, drücke sich die öffentliche Hand vor der Verantwortung gegenüber Landwirten, die verbessertes Saatgut bräuchten. Die Regierung stecke ihr ganzes Forschungsbudget nur in die Sicherheitsforschung, obwohl schon seit Jahren bewiesen sei, dass es keine Risiken gebe. Damit sei es verlorenes und unnütz ausgegebenes Geld.

„Ökofaschisten” und „Genjuden”
Ammann hieb in seiner Rede in die gleiche Kerbe. Die Studien, welche die Kritiker zur Untermauerung ihrer Argumente anführten - zum Beispiel, dass Glyphosat giftig sei (4) - seien äußerst schludrig. Überhaupt hätten Gentechnikkritiker generell kein Fachwissen - wie übrigens die Medienleute und die Leute von der Regierung auch nicht. Die Debatte werde viel zu emotional geführt. Gentechnikkritiker hätten ideologische Positionen. Mit Gentechnikkritikern könne man nicht sprechen. Gentechnikkritiker behaupteten, dass man mit ihm, Ammann, nicht sprechen könne. Ammann könne das nur eine „ökofaschistische Grundhaltung“ nennen und er fühle sich, da häufig attackiert und denunziert, als „Genjude“. Ups, das hat er gesagt. Wenn das nicht emotional war, was war es dann? Waren das gerade sachliche Argumente gewesen für eine Überwindung des Welthungers mittels der Gentechnik? Kann es sein, dass Herr Ammann unter „emotional“ und „sachlich“ etwas ganz anderes versteht als allgemein üblich?
Die eingeladenen Medien- und Regierungsvertreter waren kräftig vor den Kopf gestoßen, waren sie doch alle quasi als Dummköpfe und Handlanger der „Protestindustrie“ bezeichnet worden. Ihren Ärger darüber brachten sie deutlich zum Ausdruck.
Im letzten Teil der Veranstaltung wurde versucht, das zerschlagene Porzellan wieder zu kitten: Beleidigen habe man niemanden wollen, allerdings müsse man doch mal deutliche Worte gebrauchen dürfen; sogar sie selbst wüssten nicht immer alles - auch wenn sie Professoren gewesen seien und in vielen Bereichen gearbeitet haben; man könne sich doch nur in einem kleinen spezialisierten Bereich seines Forschungsgebietes ein fundiertes Urteil erlauben; das, was gesagt worden sei, sei nur die Sichtweise, die sich ihnen auf Grund ihrer Lebenserfahrung darstelle ... Ammann und Potrykus versuchten, die Leute von den Ministerien mit Lobeshymnen auf die Ministerien und die Medienmenschen mit Lobeshymnen auf ihre Artikel zu besänftigen und fühlten sich - wie sollte es auch anders sein - vor allem unverstanden.

Nicht grün - ohne Vernunft
Eingeladen zu der Veranstaltung hatte das „Forum Grüne Vernunft“. Das „grün“ im Namen ist - man ahnt es schon - dabei weder mit der Partei Bündnis 90/Die Grünen noch mit dem „Grünen Punkt“ zu verwechseln. „Grün“ spielt eher auf das Grün der Pflanzen an, die durch den Einsatz der Gentechnik „verbessert“ werden sollen.
Nach der Veranstaltung hatte man den Eindruck, dass auch der Begriff „Vernunft“ im Namen dieses Forums nicht unbedingt das bedeuten muss, was üblicherweise damit gemeint ist: nämlich sich seiner Geisteskräfte zu bedienen, um Beschränkungen der eigenen Sichtweise erkennen zu können.
Man konnte die Veranstaltung nur mit einem mitleidigen Herzen für alle anderen Gentechnikbefürworter verlassen. Solche Mitstreiter haben selbst sie nicht
verdient.
Birgit Peuker ist Techniksoziologin. Sie lebt in Berlin.

Fußnoten:
(1) Als Goldener Reis wird eine gentechnisch veränderte Reis-Varietät bezeichnet, der ein Gen für die Produktion des Provitamin A (ein Vorläufer-Molekül des Vitamin A) eingesetzt wurde. Mit diesem Reis sollen die Folgen der Vitamin A-Mangelernährung bekämpft werden. Ingo Potrykus hat ihn gemeinsam mit Peter Beyer von der Universität Freiburg entwickelt. Siehe dazu auch den Beitrag „Goldenen Reis überprüfen“ von Christoph Then im GID 192, Februar 2009 (www.gen-ethisches-netzwerk.de).
(2) Die Zusammenfassung ist nur wenige Seiten lang. Vollständig können die Beiträge zu der Tagung unter folgendem Link eingesehen werden: www.sciencedirect.com/science/issue/43660-2010-999729994-2699796.
(3) Im Peer-Review-Verfahren werden zum Beispiel Artikel der Fachzeitschriften von Kolleg_innen der Autor_innen auf Richtigkeit, Plausibilität und wissenschaftliche Methodik geprüft.
(4) Gerade in den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass der Herbizidwirkstoff Glyphosat beziehungsweise die Unkrautvernichtungsmittel, in denen es zum Einsatz gebracht wird, sehr viel giftiger - und damit schädlicher für die Umwelt - sind, als bisher angenommen. Zuletzt erschienen Berichte von den Nichtregierungsorganisationen NABU und Testbiotech. Siehe dazu im Magazin dieser Ausgabe unter Materialien und unter „Landwirtschaft und Lebensmittel - Kurz notiert”.

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