Demorecht

ATOMKRAFT UND KERNFUSION

Kernfusion


Atomkraft Kernfusion

Was ist Kernfusion?
Herausgegeben von der Bürgerinitiative Kernenergie zur Förderung alternativer Energiekonzepte e. V. in Greifswald
Mit redaktionellen Änderungen vom Webmaster

In Greifswald wird für die Kernfusion als Energiequelle der Zukunft geworben. Hier soll in den nächsten Jahrzehnten die Fusionsforschung vorangetrieben werden, zunächst mit dem Projekt Wendelstein 7-X, das derzeit am Stadtrand gebaut wird.
Kernfusion soll die Energieproduktion der Sonne mit irdischer Technik imitieren. In einem Plasma, d.h. in einem stark verdünnten (praktisch vollständig) ionisierten Gas und bei unvorstellbar hohen Temperaturen sollen zwei Wasserstoffkerne zu Helium verschmolzen werden. Das Plasma wird in ein Magnetfeld eingeschlossen; es muß verhindert werden, daß das heiße Plasma mit der Reaktorwand in Berührung kommt, denn es gibt kein Material, welches derartige Temperaturen aushalten würde. Ein Energieüberschuß entsteht, wenn bei der Verschmelzung der zwei Atome deren Bewegungsenergie frei wird. Realisierbar scheint den Forschern die Fusion eines Deuteriumkerns mit einem Tritiumkern zu Helium unter Freisetzung eines Neutrons, vor allem weil die erforderliche Plasmatemperatur von ca. 250 Mio.° Celsius tatsächlich schon im Experiment erreicht wurde.

Forschungsstand und Risiken
Die Kernfusion wird seit ca. 60 Jahren erforscht und nach Aussage von Fusionswissenschaftlern wird es ungefähr noch einmal so lange dauern, bis in einem Fusionsreaktor Strom erzeugt werden kann. Derzeit werden vor allem die Eigenschaften des Plasmas erforscht, denn es gestaltet sich sich schwieriger als erhofft, das Plasma über einen längeren Zeitraum in der benötigten Reinheit, Dichte und Temperatur zu halten. Dazu soll der Wendelstein 7-X mehr Erkenntnisse liefern.
Ein anderes Problem ist, daß die Innenwand der Reaktors von dem intensiven Beschuß mit energiereichen Teilchen erodiert, d.h. zerfressen wird. Das führt nicht nur zu einer Verunreinigung des Plasmas, sondern auch zu einer großen Menge an radioaktivem Schrott. Bei den derzeitig für die Wandbeschichtung verwendeten Materialien (Edelstahl, Graphit) rechnen die Fusionsforscher mit einer Lebensdauer von fünf Jahren, dann muß das Reaktorinnere komplett entfernt und endgelagert werden. Schätzungen zufolge entsteht so mehr radioaktiver Müll als bei einem Kernspaltungsreaktor.
Auch mit dem Brennstoff Tritium gibt es ein Problem: er ist radioaktiv und außerdem so klein, daß er jedes bisher bekannte Material durchdringt, im Laufe der Zeit sogar meterdicke Wände.
Tritium hat eine Halbwertzeit von ca.12 Jahren und wird, wenn es vom Menschen aufgenommen wurde, größtenteils schnell wieder ausgeschieden. Doch ein Teil wird im Körper gebunden und verbleibt dort bis zu zwei Jahren. So kann die Strahlung, die Tritium aussendet, durchaus auch zu Schädigungen des Erbgutes und zu einer Verlangsamung der chemischen Prozesse im Körper führen. Die radiologische Wirksamkeit von Tritium ist umstritten, was nicht bedeutet, daß es ungefährlich ist. Wegen der extremen Flüchtigkeit ist im Umkreis eines Fusionsreaktors in jedem Fall mit erhöhten Tritium-Werten zu rechnen.

Wendelstein 7-X
Das Forschungsprojekt Wendelstein 7-X ist ein Kernfusionsexperiment von Typ "Stellarator", d.h. das Plasma wird durch Magnetfelder eingeschlossen, die durch Magnetspulen außerhalb des Plasmabereichs erzeugt werden. Es wird hier ein besonderes Bauprinzip der Magnetspulen getestet, das die dauerhafte Aufrechterhaltung des Plasmas ermöglichen soll. Nach Informationen des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP), dem Betreiber der Anlage, soll im Wendelstein 7-X das Plasma "nur" auf Temperaturen bis 50 Mill.° C erhitzt werden und es sind keine Experimente mit Tritium geplant. Trotzdem wird im Wendelstein 7-X auch Radioaktivität erzeugt: radioaktiver Kohlenstoff (C-14), Tritium und je nach Material der Reaktorwand radioaktive Isotope von Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel u.a.. Diese wird nur zum Teil in der Apparatur zurückgehalten und gelangt auch in die Umwelt, z.B. über einen drei Meter hohen Kamin. Die Verdünnung durch die Luft in der Umgebung sorge dafür, daß die Grenzwerte für diese Stoffe eingehalten werden, heißt es im Genehmigungsantrag des IPP.
Für den Forschungsreaktor Wendelstein 7-X wurde am 19.6.1997 in Greifswald der Grundstein gelegt. Das Baugelände ist 120.00 qm groß und liegt südlich von Schönwalde I an der B109.
Der Wendelstein 7-X wird keinen Strom erzeugen, aber verbrauchen, nämlich ca. 50 MWh/Jahr.
Der Wendelstein 7-X kostet Geld: Insgesamt etwa 600 Mio. DM.

Ist Kernfusion sicher?
Hinsichtlich der Verfügbarkeit bekommt ein Fusionsreaktor schlechte Noten, denn der Betrieb muß wegen der aufwendigen Wartungsarbeiten häufig unterbrochen werden.
Es ist noch völlig ungeklärt, in welchen Mengen radioaktive Emissionen und radioaktiver Müll anfallen. Außerdem wirken sich Betriebsstörungen bei einer zentrierten Energieversorgung, wie bei einem Fusionskraftwerk mit einer Leistung im Giga-Wattbereich, wesentlich stärker auf die Umwelt wie auch auf die Versorgungssicherheit aus. Eine dezentrale Energieversorgung hat mit diesem Problem nicht zu kämpfen.
Die Fusionsenergie wird oft als "Retter in der Klimakatastrophe" angepriesen. Doch auch dieses Argument sollte man differenzierter betrachten: Ein Kernfusionsreaktor erzeugt Strom auf dem Umweg über Wärme. Das ist aus energiewirtschaftlicher Sicht eine sehr schlechte Lösung. Die Unmengen an nicht nutzbarer Abwärme, die eine "fusionsversorgte" Welt produzieren würde, beschleunigen nur die Klimakatastrophe.
Um das Klima zu schützen, müssen jetzt die entsprechenden Maßnahmen in die Wege geleitet werden, muß jetzt weniger CO2 ausgestoßen werden. Es ist gefährlich, darauf zu vertrauen, daß das "Wundermittel" Fusion in 50 oder 60 Jahren die Welt retten wird, denn das verleitet dazu, so lange die Hände in den Schoß zu legen. Für die Fusionsforscher entsteht so ein enormer Druck, irgendwie einen funktionierenden Reaktor zustande zu bringen. Das wird sich auf die technische Ausgereiftheit und damit auf die Sicherheit wohl eher negativ auswirken.

Ist die Kernfusion preiswert?
Die Kosten für die Forschung und Entwicklung der Fusion sind enorm, was ein Reaktor kosten wird, ist noch völlig unklar. Der Preis für Fusionsenergie, und damit für den so erzeugten Strom, läßt sich also derzeit nicht kalkulieren.

Kann die Kernfusion gerecht verteilt werden?
Das ist eher unwahrscheinlich, nur die reichen Länder dieser Erde werden sich ein Fusionskraftwerk leisten können. Außerdem wird für eine zentrale Energieversorgung die entsprechende Infrastruktur benötigt, wenn die gesamte Bevölkerung versorgt werden soll. Deshalb ist für die Länder der sog. 3.Welt die dezentrale Nutzung regenerativer Energiequellen wesentlich günstiger. Ein wichtiger Faktor für die Einführung von risikoreicher Großtechnologie ist die politische und wirtschaftliche Stabilität eines Landes, denn die fachgerechte Wartung einer solchen Anlage sollte dauerhaft gesichert sein. Einiges spricht also dafür, auch im Hinblick auf die Sicherheit künftiger Generationen, eine fehlerfreundliche, leicht zu bedienede Technik für die Energieversorgung zu entwickeln.
Die Beurteilung der Kernfusion als Energiequelle fällt nicht sonderlich positiv aus, selbst wenn die Theorie sich, wie von den Forschern geplant, in die Praxis umsetzen läßt. Und wenn nicht?

Trotzdem weiterforschen?
Um das Energieproblem zu lösen, bedarf es keiner Fusionsforschung. Es ist nicht angebracht, Kernfusion unter der Rubrik "Energiequellen" zu führen.
Dies sollte auch bei der Verteilung von Forschungsgeldern beachtet werden. Es ist nicht einzusehen, warum 1997 die Bundesmittel für Kernfusion um 17% erhöht und gleichzeitig die Forschungsgelder für regenerative Energien/Effizienzforschung um 13% gekürzt wurden.
Auch international ist umstritten, ob in die Fusionsforschung weiter in dem Maße investiert werden soll, wie bisher. Die USA prüfen derzeit, ob sie ihr Fusionsprogramm stoppen, eine Entscheidung wird Anfang 1998 erwartet.
Den Forschungsreaktor ITER, das Wendelstein-Nachfolge-Projekt, will derzeit kein Land bauen. Forschungsminister Rüttgers hat bereits Anfang 1997 die deutsche Bewerbung um ITER zurückgezogen, auch Italien und Japan, die beiden anderen Kandidaten, wollen nicht die 70% der ITER-Kosten aufbringen, die dem "Gastland" aufgebürdet werden sollen.
In der Sonnenenergie liegt die Zukunft, aber wahrscheinlich nicht in einer auf der Erde nachgebauten Sonne. Vielmehr gilt es, die im Überfluß auf die Erde gestrahlte Sonnenenergie intelligent zu nutzen. Ob nachwachsende Rohstoffe, Wasserkraft, Biomasse, Windenergie, Photovoltaik oder Wasserstofftechnik, allen diesen Energieträgern haben zweierlei gemeinsam: Sie erfüllen die oben genannten Kriterien und sie sind jetzt einsetzbar, viele kleine und größere Anlagen beweisen schon heute ihre Tauglichkeit und Wirtschaftlichkeit. Kernfusion dagegen ist ein Traum, aus dem einige Wissenschaftler und einige ehrgeizige Provinzpolitiker nicht aufwachen wollen, während sie die Entwicklung auf dem Gebiet zukunftsweisender Technologien verschlafen.

BI Kernenergie e.V. zur Förderung alternativer Energiekonzepte
Postfach 32 38
17462 Greifswald
Tel/Fax: 03834/89 21 50
email: bigreifswald@topmail.de

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