GESCHICHTE DER DEMOKRATIE

Der klassische Geschichtsunterricht ist vor allem die Geschichte der Kriege und Herrscher sowie der Entwicklung Europas und aller von Europa geprägten Gesellschaften. Abweichungen werden oft einfach weggelassen - vor allem die in Europa selbst. Aber es gibt sie ...

• Pariser Kommune (1871) - Darstellung auf Wikipedia, Artikel auf SAV-Webseite, Frauen in der Pariser Kommune
• Spanischer Bürgerkrieg (1930er Jahre) mit ersten Ansätzen sozialer Revolution
• Machnowiki (Ukraine) - Machno-Bewegung (aus libertärer Sicht), Darstellung auf Wikipedia
• Die Region Annaberg/Schwarzenberg 1945
• Extraseite zu Anarchist*innen pro Demokratie

Peinlich: "Anarchos" bejubeln Republikanismus ... Demokratie = egalitär = Republik???
Überschrift in der basisdemokratischen Graswurzelrevolution 2/06 (S. 14)
Der radikale Republikaner als anarchistischer Klassiker
... Wenn er provozierend zuspitzte, dass es sich bei solcher Anarchie zwar im ein "schreckliches Unheil" handele, sie aber - aufgrund ihrer Kurzlebigkeit - "weniger schrecklich sei als Despotismus" (...), dann argumentierte er für demokratische Verhältnisse und postuliert die egalitäre Republik.
*Die GWR versteht sich selbst als anarchistisch und behauptet, dass (Basis-)Demokratie und Anarchie identisch sind.

Über Räterepubliken, in Gandalf Lipinski (o.J.): „Denkschrift Basisdemokratie im 21. Jahrhundert“ (S. 11ff)
Das Ende des ersten Weltkrieges brachte in Deutschland eine Reihe sehr kurzlebiger und regional begrenzter Räterepubliken hervor. Diese wurden von Anfang an auch mit Waffengewalt bekämpft und schließlich durch die Reichswehr militärisch besiegt. Es gab jedoch auch innere Widersprüche, an denen sie von Anfang an litten, schließlich zerbrachen, aus denen wir Heutigen lernen können. So bestand ihre Basis in den meisten Fällen eben nicht aus den Menschen, die an einem Ort zusammenlebten, sondern schwerpunktmäßig aus relativ homogenen Männergruppen. Es gab Matrosen- und Soldatenräte, Arbeiter- und Bauernräte und ähnliches. Die Zeit und damit die Chance, diese zu alle umfassenden Basisgemeinschaften weiter zu entwickeln, war ihnen nicht vergönnt. …
Im darauffolgenden Bürgerkrieg setzten anarchistische Kräfte für fast zwei Jahre in der Ukraine ein rätedemokratisches Model um. Es gelang dort, die Menschen bei einer sehr weitgehenden basisdemokratischen Selbstverwaltung mitzunehmen. Sogar die Wirtschaft brummte ... Trotz der Wirren des Bürgerkrieges, wurden Rekordüberschüsse an Getreide erwirtschaftet und in Güterzügen nach Moskau und Leningrad gebracht, um die Hungersnot bei den bolschewistischen Genossen zu lindern. Doch nachdem die reaktionären weißen Truppen besiegt waren, wandte sich die rote Armee schließlich der Ukraine zu und beendete das dortige rätedemokratische Experiment.
Ähnliche rätedemokratische Erfolge sind aus der Zeit des spanischen Bürgerkrieges zu berichten. In den Regionen, die von den Anarchisten gehalten wurden, gab es fast eineinhalb Jahre und trotz Kriegsbedingungen neben einer aufblühenden demokratischen Kultur gleichzeitig eine Steigerung der Produktion und steigende Löhne.
Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit findet derzeit in Nordsyrien, und wieder unter Kriegsbedingungen, ein noch weitergehendes rätedemokratisches Experiment statt. Die kurdischen Selbstverteidigungskräfte, und an ihrer Spitze drei nur aus Frauen bestehende Bataillone progieren dort den demokratischen Konföderalismus, ein Rätesystem, welches Kurden, Türken, Araber, Alewiten, Sunniten, Schiiten, Juden, Christen und Yeziden in einem einzigartigen System der basisdemokratischen Selbstverwaltung vereint. Wenn es dem türkischen Präsidenten Erdogan mit seinem Krieg gegen Rojava (der kurdische Name der Region) gelingen sollte, diesen Ansatz auszulöschen, dann wäre es nicht nur um die letzte Option der Kurden auf Freiheit und Demokratie geschehen, sondern die gesamte Menschheit würde einen schweren geistigen Verlust erleiden, nämlich die Möglichkeit, eine Gesellschaft jenseits von Kapitalismus und Despotie nicht nur zu denken, sondern auch verwirklichen zu können.

• Text "Räte im Deutschen Reich 1918/1919 - Runde Tische in der DDR 1989/90" der Bundeszentrale für politische Bildung