Demorecht

PATRIARCHAT, KAPITAL UND GESELLSCHAFTLICHE REPRODUKTION VON SEXUELLER GEWALT

Was ist Patriarchat?


1. Was ist Patriarchat?
2. Patriarchale Strukturen und sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder
3. Ausblick
4. Modernisiertes Patriarchat


Screenshot der Seite des Innen- und Heimatministeriums - nein, nicht von Saudi-Arabien, sondern von Deutschland. Das ist Heimat: Männer in die Politik, Frauen ... an den Herd?

Wieviele Frauen sind unter den 100 bestverdienendsten Sportler*innen der Welt?
Auflösung unten

Hirnstupser - politische Analyse und Nachdenktexte
Hirnstupser am 20.4.2020: Die männliche Logik: Ingenieursdenken in der Sozialpolitik
Der Satz ist bei mir hängengeblieben: Doro von den Omas-gegen-rechts hat ihn auf unserer großartigen Demo „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen!" am 17.4. rausgehauen. Sie schimpfte, dass es sie nerve, wenn Männer ihr ständig die Welt erklären würden. Ich habe dann an dieses absurde Bild denken müssen, wo sich 13 Menschen in einen Klinikfahrstuhl drängen – allen Abstandsgeboten zum Trotz. Dabei waren die, die sich da drängelten, genau die, die die Verordnungen erlassen hatten. Das war schon Skandal genug. Erst Doros Rede richtete den Fokus auf das zweite Wichtige: Neben einer Ärztin standen da nur Männer. Alle Menschen mit politischem Mandat, die da – wichtig, wichtig – telegen das längst privatisierte Klinikum besuchten, waren Männer. Sie waren da, um den Eindruck zu erzeugen, sie würden sich um das Gesundheitssystem kümmern. Tatsächlich sind es die Privatisierer und Sozialabbauer der Vergangenheit und Gegenwart. Was sie auszeichnet, ist dieser männliche Blick auf das Soziale. Die Beziehungen zwischen Menschen und das Geschehen in der Gesellschaft gleichen dann einem technischen Gerät, welches zu reparieren ist. Wichtig dreinblickende Menschen – eben meist Männer – betrachten das Gerät, also die Gesellschaft, bei Störungen und übertreffen sich mit schau klingenden Sprüchen, wo bestimmt das Problem liege. Es entsteht eine wissenschaftlich verpackte Mackerigkeit im Ringen um den meisten Applaus für die überlegen wirkenden Vorschläge. Und dann wird herumgeschraubt …
Ich habe schon einmal dieses Ingenieursdenken im Sozialen bitter beklagt. Das war in den Jahren des Widerstands gegen die Agrogentechnik. Die sollte, so behaupteten es die Befürworter*innen stets, vor allem soziale Probleme lösen: Hunger, Krankheiten, Klimawandel usw. An der Behauptung vermeintlicher Rettung gegen den Hunger lässt sich gut zeigen, wie abwegig das ist. Es gibt genug zu essen auf der Welt – sogar viel mehr als nötig. Aber es wird mit brutaler Gewalt und aus Profitdenken so umverteilt, das viele zu viel und viele andere zu wenig haben. Wie soll eine Technik, die eventuell höhere Erträge schafft, ein Problem lösen, dass durch soziale Ungleichheiten entsteht? Ich habe dann immer gelästert: Vielleicht durch gentechnische Überarbeitung der Führer*innen in Politik und Wirtschaft – aber bestimmt nicht der Pflanzen. Die können nichts dafür, dass vielen Menschen ihr Land oder ihre Ernte weggenommen wird. Gentechnik sollte die Möglichkeiten der Patentierung von Lebewesen erweitern. Das diente dem Profit und hätte Saatgut künstlich verknappt, also Hunger und Abhängigkeiten erzeugt. Wie fast immer, wenn von Solidarität und Wohlstand für alle gesprochen wird, geht tatsächlich um Macht und Geld. Gesellschaftliche Macht- und Reichtumsverteilung sind soziale Fragen, die aber bearbeitet werden im Denkmodus von Ingenieuren. Das gilt sogar für den Bereich des Militärischen, also der krassesten Form von Machtausbau, Unterwerfung und Zerstörung jeder Rest-Menschlichkeit und der Natur. Auch die basteln an gentechnischen Manipulationen. Sie kaufen dafür die Wissenschaft, deren Handelnde keine schlimmeren Menschen sind, sondern sich – wie fast alle – für jede Scheiße kaufen lassen. Immer: Ingenieursdenken für Soziale.
„This is a man's world“ ist nicht nur ein bekannter (und vom Text her gruseliger) Hit, sondern durchaus eine zutreffende Beschreibung der schon lange und bis heute wirkmächtigen Leitkultur. Dabei darf Männlichkeit nicht einseitig nur Männern, und dort auch nicht allen zugeschrieben werden. Es ist eine Zurichtung, die aber überwiegend Jungen als Kinder und Jugendliche erfahren. Sie werden auf bestimmte Denk- und Handlungsweisen trainiert, die zu Überheblichkeit, Machbarkeitsdenken und das Begreifen der ganzen Welt mit allen ihren Teilen als eine Art Maschine führt, die es richtig einzustellen und im Zweifel zu reparieren gilt. Alles war und ist nur ein Rädchen in diesem System einschließlich aller Menschen. So sortierten die „Männer“, also die zu männlichem denken erzogenen Teile der Menschheit, „ihre“ Frauen und Kinder, Bevölkerungen anderer Erdteile, Tiere, Pflanzen usw. in Schubladen, verpassten ihnen – selbstverständlich mit wissenschaftlichem Schein – feststehende Eigenschaften und eröffneten Schubladen wie fremd, kriminell, hysterisch, Hexe und unendlich weitere. Wenn die Maschine „Welt“ nicht mehr rund lief, wurde repariert – mit Technik, Überwachung, Verboten, Geboten, Optimierung von Umwelt und Humankapital oder dem Wegschmeißen der Irreparablen.
Doro hatte Recht, als sie lautstark darauf hinwies, dass auch in der Bedrohung durch das Corona-Virus wieder die Männer und ihre männlichen Zurichtungen zum Zuge kamen. Die Politik, die daraus folgte, machte die Menschen zu Setzfiguren in einem technischen Spiel. Und ich schließe mich Doros „Nein“ dazu an. Wir brauchen mehr soziales Nachdenken, eine Stärkung der einfachen Menschen mit ihrem viel größeren Knowhow um die Abläufe in ihrem Leben und mehr solidarisches Miteinander, gemeinsame Nutzung von Ressourcen statt Kampf um Macht, Kontrolle, Eigentum, Grenzen usw.!

Internetseite zur emanzipatorischen Gentechnikkritik

Frei gesprochen im Buchversandraum der Projektwerkstatt - als Beitrag auf Youtube und als Podcast:



Zur Begriffsgeschichte
Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff ,Patriarchat' Herrschaft der Väter. Er wurde erstmals von Max WEBER in seinen Studien zur Herrschaftssoziologie wissenschaftlich verwendet. Weber kennzeichnet mit diesem Begriff den reinsten Typ traditioneller Herrschaft. Diese Herrschaft beruht auf der persönlichen Abhängigkeit und Fügsamkeit der Unterworfenen gegenüber durch Traditionen legitimierten Normen. Nach Weber ist die ursprüngliche Form des Patriarchats die durch Tradition legitimierte, umfassende Herrschaft des Hausvaters über die Mitglieder einer häuslichen Wirtschaftsgemeinschaft (Frauen, Kinder, Sklaven, Mägde und Knechte). Hier wird deutlich, dass Weber den Patriarchatsbegriff nicht spezifisch als Kennzeichnung der Unterdrückung von Frauen verwendet hat.In den 20er Jahren unseres Jahrhunderts wurde der Patriarchatsbegriff von der radikal-feministischen Strömung der Frauenbewegung aufgegriffen und in der Weise neu interpretiert, als dass Patriarchat verstanden wird als Männerherrschaft, deren Kern die sexuelle Verfügungsgewalt des Mannes über die Frau ist. Damit wurde versucht, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die männliche Herrschaft über die ,Herrschaft der Väter' weit hinausgeht und auch von Ehemännern, von männlichen Vorgesetzten, von Männern in Führungspositionen in Politik, den meisten gesellschaftlichen Institutionen und in der Wirtschaft ausgeübt wurde und wird.Von der neuen feministischen Bewegung wurde Ende der 60er der Patriarchatsbegriff als Kampfbegriff erneut aufgegriffen. ,Patriarchat' wird seitdem zur Kennzeichnung der Gesamtheit und des systemischen Charakters der weltweiten Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen verwendet. Im Gegensatz zum Begriff ,Männerherrschaft' ist er besser geeignet, biologistische Deutungen (,die Männer sind halt so') abzuwehren und gesellschaftliche sowie historische Dimensionen der Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen hervorzuheben.Durch die Weiterentwicklung der feministischen Theorie und die sich damit herausbildende Frauenforschung erfuhr der Begriff immer größere politische Bedeutung und wissenschaftliche Prägnanz.Zum Zusammenhang zwischen Patriarchat und KapitalismusIn den 60er und 70er Jahren spaltete sich die linke Bewegung an der Frage von ,Haupt- und Nebenwiderspruch'. Die Positionen, die sich dabei gegenüberstanden, stritten über die Frage, ob mit der Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse die Frage der Frauenemanzipation quasi nebenbei miterledigt wird, oder ob die Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen eigenständig bekämpft werden muss. Die erste Position, vertreten im wesentlichen durch orthodoxe kommunistische Gruppierungen, ließ bei der Analyse die Wirklichkeit der patriarchalen Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen in den pseudosozialistischen Staaten außer acht.

Auf der anderen Seite lässt sich feststellen, dass in Teilen der Frauenbewegung derzeit zunehmend auf die Einbeziehung der kapitalistischen Unterdrückung in die Analyse (und damit auf antikapitalistische Zielbestimmung) verzichtet wird.Die nach wie vor gegebene Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen lässt sich jedoch weder allein mit den alten Formen patriarchaler Herrschaft, noch allein durch die Funktionsweise des Kapitalismus erklären. Feststellen lässt sich vielmehr, dass Patriarchat und Kapitalismus sich gegenseitig durchdringen, der Kapitalismus das Patriarchat bei seiner Entwicklung also nicht, wie den Feudalismus, zerstörte, sondern modifizierte. Aufgrund dieser Modifizierung halten wir es auch für sinnvoll, vom kapitalistischen Patriarchat zu sprechen.Auf der politischen Ebene leiten ten wir daraus für uns die Aufgabe ab, gegen alle kapitalistisch-patriarchalen Verhältnisse zu kämpfen. Dabei ist, ausgehend von der Mann-Frau-Beziehung, über den Warencharakter der Arbeit und das Mensch-Natur-Verhältnis auch die Beziehung zwischen den industriellen Metropolen und den unterentwickelt gehaltenen Ländern einzubeziehen. Der Feminismus muß sich in seinem Kampf auf alle diese Verhältnisse beziehen, da sie miteinander eng verwoben sind und sich gegenseitig bedingen.

Was ist das Patriarchat?
Das kapitalistische Patriarchat ist das weltweit vorherrschende System der Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen und Mädchen aller Altersstufen, Körperlichkeiten, Klassen, sexuellen Orientierungen, Hautfarben und Religionen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens.Grundlegende Faktoren sind die Differenzierung und Klassifizierung nach Geschlecht, wobei dem weiblichen der untergeordnete Status zugewiesen wird; die männliche Verfügungsgewalt über Frauen und die geschlechtliche Arbeitsteilung, und damit die Zuweisung des reproduktiven Bereichs an die Frauen. Zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Patriarchats erfolgt die Anwendung psychischer, körperlicher, seelischer, sexueller, politischer und struktureller Gewalt gegen Frauen und Mädchen.Hinzu kommen entsprechende weltliche bzw. religiöse Ideologien von "naturgegebenen" Eigenschaften männlicher und weiblicher Menschen, die die bestehende "natürliche" patriarchale Ordnung der Welt als alternativlos erscheinen lassen. Die alltäglich ausgeübte Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat an diesem Prozess ebenfalls großen Anteil.

Wieviele Frauen sind unter den 100 bestverdienendsten Sportler*innen der Welt?
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Definition "Matriarchat" nach Heide Göttner-Abendroth in "Der Weg zu einer egalitären Gesellschaft" (S. 18)
Man muss sich auch nicht an dem Begriff "Matri-archat" aufhängen, denn er ist nicht, gegen den Anschein, die Parallele zum Begriff "Patri-archat". Das Wert "arché" bedeutet im Griechischen sowohl "Herrschaft" wie "Anfang", wobei die zweite Bedeutung die ältere ist. "Patriarchat" müssen wir klarerweise mit "Herrschaft der Väter" übersetzen, während "Matriarchat" eigentlich heißt "am Anfang die Mütter". Und das trifft die Sache. Denn einmal sind Matriarchate kulturgeschichtlich wesentlich früher als Patriarchate aufgetreten. Zum anderen repsektieren sie, dass die Mütter der Anfang jedes lebenden Wesens sind. Und diese natürliche Tatsache haben sie in ein kulturelles Gefüge verwandelt.

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Kommentare

MrWhite am 21.08.2019 - 03:10 Uhr
Bezüglich der anfänglichen Frage, wie viele Frauen unter den 100 bestverdienensten Sportlern der Welt sind seien möchte ich Folgendes anmerken:
Ich gehe davon aus, dass man Sportler, wie übrigens auch Menschen in anderen Berufen, nach ihrer Leistung entsprechend bezahlt. Bekannt ist, dass beispielsweise das Niveau der Fußball-WM der Frauen deutlich unter dem der Männer ist. Es ist nicht sexistisch, die Tatsachen darzulegen und ich behaupte hier auch nicht, Frauen könnten insgesamt schlechter Fußball spielen als Männer. Sexistisch wäre es, Frauen trotz, derzeit erkennbarer, geringerer Leistung besser zu bezahlen als Männer. Das würde ja bedeuten, dass ein männlicher Fußballspieler, wenn er auf dem gleichen Level ist, weniger als ein weiblicher Fußballspieler verdient. So viel also zum Thema gleiche Bezahlung.
Zudem möchte ich noch sagen, dass es für mich, wenn ich mich in die Lage einer Frau versetze, eine Demütigung wäre, bei gleicher Leistung mehr als der Mann zu verdienen. Ich würde mir vorkommen, als hätte ich ein Handycap und es würde eine Art Paralympics abgehalten. Ich bin also für eine vollkommene Nichtbeachtung des Geschlechts. Ob gemischte Mannschaften (klar, das Wort ist natürlich nicht genderpolitisch korrekt) hier die Lösung wären? Vielleicht. Allerdings sollte es auf keinen Fall eine Frauenquote (oder Männerquote) geben, da eine Quote sexistisch und diskriminierend (egal von welcher Seite betrachtet) ist. Nur die Leistung zählt.
Ist es frauenfeindlich von den großen Fußballclubs, keine Frauen aufzunehmen? Frauenclubs nehmen allerdings auch keine Männer auf. Letztendlich muss man sich aber auch fragen, ob man überhaupt gemischte Mannschaften haben möchte, ich denke nämlich viele Sportler (egal, welches Geschlecht) wären, zumindest beim Teamsport, nicht damit einverstanden.


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