Aktionsraum Gießen

IDEE UND ORGANISIERUNG VON PROJEKTWERKSTÄTTEN

Die Grundsätze


1. Einleitung
2. Schafft FreiRÄUME!
3. Die Grundsätze
4. Konkret: Möglichkeiten, Lösungen, Vorgehen
5. Werkstatt-Team
6. Karte und Liste der Projektwerkstätten
7. Bleibende Projekte, die in Projektwerkstätten entstanden
8. Links zu mehr ...

Projektwerkstätten (oder Umweltzentren o.ä., die die gleichen Ziele verfolgen) sind Räume, manchmal ganz Häuser. Arbeits- oder Aktionsplattform könnte mensch ebenso gut zu ihnen sagen. Hinter ihnen stecken Ideen, die in jedem Ort von Nutzen sein könnten. Nachfolgend werden die wichtigsten Eckpfeiler einer Projektwerkstatt dargelegt. In der Praxis gibt es nicht die Projektwerkstatt. je nach Platz und Einrichtungen variiert das Angebot der verschiedenen Werkstätten.

  • Infrastruktur für die konkrete Arbeit
    Bücher, Arbeitsgeräte und vieles mehr, was in verschiedenen Gruppen vorhanden ist, werden in der Projektwerkstatt zusammengefügt. Gemeinsam kümmern sich alle um die weitere Verbesserung der Infrastruktur. So entsteht eine Plattform, die für alle Gruppen große Vorteile bildet. Von den Geräten bis zu Presseverteilern, Adressensammlungen, ReferentInnenkarteien reicht die Palette der Materialien, die von allen genutzt werden können.
  • Projektfreiheit
    Ein wichtiger Grundsatz von Projektwerkstätten ist die Selbstbestimmung aller Gruppen. Arbeitsform und ?inhalte werden selbst festgelegt. Die Koordination wird auf das Mindeste begrenzt (z.B. auf Pläne, wer wann welchen Raum nutzt, um Doppelbelegungen zu vermeiden). Durch die Projektfreiheit wird die Bürokratie erfolgreich bekämpft.
    Außerdem entsteht eine höhere Flexibilität, denn Projektgruppen können auf aktuelle Vorgänge viel schneller reagieren als schwerfällige Apparate (z.B. Vorstände). Das Ziel bei der Gründung von Projektwerkstätten war bisher immer, die Projektfreiheit uneingeschränkt zu entwickeln. Keine Gruppe wird kontrolliert. Meinungsunterschiede werden ebenso direkt angesprochen wie Kooperationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Projektgruppen. Grernien zur Kont rolle oder Koordination entfallen (siehe Kapitel 6, "Gruppenarbeit').
  • Abbau von Hierarchie
    ChefInnen, Vorstände, Dienstvorgesetzte usw. sind in Projektwerkstätten verpönt. Die einzelnen Menschen bzw. die Projektgruppen agieren selbständig. Was alle angeht, wird im Werkstattskollektiv besprochen möglichst im Konsens. Was aber nicht alle angeht, darüber entscheiden nur die, die daran beteiligt sind (in der Regel die Projektgruppen). Zuständigkeiten werden aufgeteilt (z.B. Betreuung der Bibliothek oder einzelner Werkstätten), dann aber den daran arbeitenden Personen die Freiheit gelassen, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Mit dem Streben um den Abbau von Hierarchien wird der Wunsch verbunden, auch die sonst typischen Rangfolgen zwischen Männern und Frauen, Studierten und Nichtstudierten, Deutschen und Nichtdeutschen, Erwachsenen, jugendlichen und Kindern abzubauen. Wo etwas nicht zusammenpaßt, entstehen zwei (oder mehr) Gruppen, die wieder gleichberechtigt nebeneinander stehen.
  • Unabhängigkeit
    Niemand weiß, welche Projektideen und politischen Initiativen einmal entstehen werden. Es wäre schade, wenn ein wichtiges Projekt daran scheitert, daß dann z.B. der/die HauseigentümerIn (Stadt, Kirche, anderer Verein etc.) der Projektwerkstatt den Rauswurf androht, bzw. umgekehrt, und wenn wegen eines Projekts die Zusammenarbeit in der Projektwerkstatt zerbricht. Unabhängigkeit wird schon dadurch gestärkt, daß möglichst alle Einmischungen von außen gemeinsam abwehren ? selbst wenn die betroffene Gruppe nicht die eigene Meinung vertritt. Diskussionsforen werden in der Projektwerkstatt geschaffen, jedenfalls nicht mit Außenstehenden gegen andere in der Projektwerkstatt gekungelt. Genauso wichtig ist aber, die Plattform möglichst unabhängig zu gestalten. Das Haus oder die Räume sollten langfristig nutzbar und möglichst unkündbar sein. Möglich ist das durch die vertragliche Absicherung oder Kauf eines Gebäudes.
    "Ohne Chef und Staat" heißt folglich zusammengefaßt das Motto der Projektwerkstatt. Nicht unbedingt "gegen", aber eben so, daß es auch ohne geht. Wer heute für wirksame Umweltschutzmaßnahmen eintritt, gerät fast zwangsläufig in den Konflikt mit PolitikerInnen, Wirtschaft und zunehmend größeren Teilen der Bevölkerung. Da gilt es vorzusorgen, damit keine Erpressung, z.B. durch Entziehung von Geldquellen oder Räumlichkeiten, möglich ist.

Warnung!
Die wenigen Jahre, in denen Projektwerkstätten bestehen, haben gezeigt, daß die benannten Ideale und Grundsätze zwar am Anfang von allen geteilt werden, mit der Zeit aber doch in Vergessenheit geraten sind. Dann schleichen sich unbemerkt Veränderungen ein, die in Konfliktsituationen verheerende Konsequenzen haben. Plötzlich gibt es nur noch eine zuständige Person für die Schlüsselvergabe ? und die verweigert einer Gruppe oder einer Person den Zutritt. Plötzlich beginnt ein Streit zwischen Projektgruppen, ob die jeweils andere noch geduldet werden kann - die ursprüngliche Projektfreiheit ist vergessen. Solche und andere Beispiele sind schon häufiger eingetreten und haben auch einige Projektwerkstätten "das Leben gekostet". Noch dramatischer ist diese Entwicklung bei Umwelt und Naturschutzzentren, wo oftmals schon von Beginn an die Grundsätze der Projektfreiheit und Unabhängigkeit nicht gegolten haben. Vereinsräume und ?büros ohne Zugang für aktive Umweltgruppen sind die Folge.

Weitere schlechte Erfahrungen wurden gesammelt. Der neuen Idee freier und projektorientierter Jugend? und Umweltarbeit stemmen sich die Hürden einer an Hierarchien orientierten Gesellschaft entgegen Freie Projekte bekommen selten Geld, werden als Vertragspartner abgelehnt, schnell in Ecken gestellt oder scheitern an dem Spannungsfeld zwischen spontaner Aktion in den Werkstätten und den formallangsamen Entscheidungswegen derer, die z.B. BesitzerIn oder VerwalterIn des Gebäudes oder PartnerIn bei Projekten sind (Vereine, Gemeinde, Jugendpflegerln). Einige Projektwerkstätten oder Zentren wurden Opfer staatlicher Repression (Hausdurchsuchungen, Zuschußentzug, Gerichtsverfahren gegen Mitwirkende), andere gerieten unter Druck der etablierten und oft parteinahen Umweltverbände. So fristen die beiden ersten Projektwerkstätten, die es überhaupt gab, nun ihr Dasein als Vereinsheim, nachdem VerbandsfunktionärInnen die einstmals Aktiven hinausdrängten oder sogar hinauswarfen.
Vorsicht ist also angesagt. Die Ideale von Projektwerkstätten, ähnlich organisierten Umweltzentren (Projektfreiheit, Abbau von Hierarchie und Unabhängigkeit) müssen immer wieder neu erstritten werden. Alltagsschlendrian bzw. das Vergessen dieser ursprünglichen Ziele verwandeln die Aktionsplattformen in normale Büros oder Vereinsheime.

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