Projektwerkstatt

DIRECT-ACTION: ÜBERIDENTIFIKATION

Einleitung


Einleitung · Aktionsbeispiele und Berichte · Demo für Knast und Strafe

Überidentifikation meint die übertriebene, aber in der Regel gerade noch ernst genommene Übernahme der eigentlich kritisierten Position, also die Meinung des politischen Gegners. Durch die gesteigerte Präsentation, z.B. unter Offenlegung der dahinter stehenden Interessen, kann so diese Position diskreditiert werden.

Mögliche Formen sind:
  • Frenetischer Applaus, Jubeln bis Slips-Werfen bei Auftritten von Politiker_innen, Industrievertreter_innen usw.
  • Gründung einer Unterstützungs-BIs, die Unterschriften oder Spenden sammelt, Petitionen einreicht oder Demonstrationen durchführt für die dadurch lächerlich gemachte Position.
  • Anmeldung von Gegendemos gegen die eigene Demo.

Notizen zur Positiven Subversion
Aus Pieper, Werner: "Widersteh' Dich!", W. Piepers Medienexperimente in Lörrach

Wer seinen Feind umarmt, macht ihn bewegungsunfähig. Wolfgang Neuss

Den Begriff "Positive Subversion" benutze ich noch nicht lange. Ich weiß noch nicht mal, ob ich ihn irgendwo aufgeschnappt habe oder ob er sich im eigenen Kopf zusammengesetzt hat. Ist auch unwichtig. Die Methode dagegen kenne ich schon seit der Schulzeit.
Damals waren wir als Klasse für unsere "mangelnde Beteiligung am Unterricht" bekannt. Zuweilen legten wir großen Eifer an den Tag und diskutierten höchst engagiert. Allerdings gelangten wir dann sehr schnell von der inneren Zerrissenheit des Prinzen von Homburg zum Kaliber von Musketen oder ähnlichem. Wollte der Lehrer uns stoppen, versuchten wir die Relevanz solcher Fragen nachzuweisen. Wurde auch das unterbunden, zeigten wir uns empört und beleidigt: "Sonst heißt es immer, wir beteiligten uns nicht. Wenn wir es tun, ist das auch nicht richtig. Kein Wunder, daß wir da keine Lust haben" usw.
Später, bei der Bundeswehr, begegnete mir die Methode erneut. Man führte bestimmte Befehle einfach wörtlich durch, war übergehorsam und damit nicht bestrafbar. Unteroffizier XY hatte ja befohlen.
Noch später, zu einer Zeit, als auch auf Deutschlands Straßen und Plätzen zuweilen öffentlich diskutiert wurde, lernte ich eine weitere Variante kennen. Ich vertrat die Meinung, die meiner nicht entsprach, die Position, gegen die ich anging. Und die führte ich durch kleine, aber feine Übertreibungen und Verdrehungen ad absurdum, ohne sie auch im mindesten zu kritisieren. Das war oft sehr wirksam - einmal wurde ich von einem zackigen Militaristen zur Seite genommen. Er vertraute mir an, es sei zwar alles richtig, was ich sage, aber darüber solle man doch nicht in der Öffentlichkeit reden! (Fremde Meinungen zu vertreten, schult übrigens nicht nur das Hirn und lehrt Widersprüche zu erkennen, man lernt auch, daß jeder Position ein gerüttelt Maß Absurdität innewohnt - auch der eigenen.)
Doch zurück zum Begriff "Positive Subversion": Er bedeutet, gegen eine Sache oder Zustände anzutreten, indem man sie scheinbar unterstützt. Nicht kritisch zu attackieren, sondern durch Eifer und Bejahung zu ersetzen.
Schön an der Positiven Subversion ist, daß sie Spaß macht und das Herz erfreut. Nicht umsonst steht sie in enger Verwandtschaft zu Dada-Aktionen, Happenings, Yippietum und Spaßguerilla. Zu ihren Ahnen zählen Till Eulenspiegel und Schwejk. Die Positive Subversion weicht der offenen Konfrontation aus, zeigt sich nie als sichtbare Aufsässigkeit. Im Gegenteil!

Verhalten nach Vorschrift
Die in Deutschland bekannteste Form der Positiven Subversion ist der "Dienst nach Vorschrift", der hierzulande als angebliche Auseinandersetzungsform privilegierter Beamter etwas scheel angesehen wird. Daß gerade Staatsdiener zu dieser Methode greifen können, liegt weniger an ihren sicher vorhandenen Privilegien, sondern am Charakter des Apparates, in dem sie beschäftigt sind.
Ich ziehe den Ausdruck "Arbeit nach Vorschrift" vor, "Dienst" klingt zu sehr nach Beamten und Soldaten. Das zeigt aber, wie differenziert diese Kampfform wahrgenommen wurde. "Dienst nach Vorschrift" bei den besser gestellten Gehaltsempfängern - bei den einfachen Arbeitern hieße sowas allemal Sabotage und Leistungsverweigerung.
Die Industrial Workers of the Worid, eine der wenigen Organisationen der Arbeiterbewegung, die offen Sabotage propagierte, zählte den Dienst nach Vorschrift denn auch zu den Methoden der "Proletarischen Sabotage".
Arbeit nach Vorschrift beruht auf der Tatsache, daß an jedem Arbeitsplatz in jeder gesellschaftlichen Organisation (sei es Fabrik oder Bundesbahn, Armee oder Großraumbüro) Vorschriften gelten. Ge- und Verbote aller Art, Gesetze, Hausordnungen, Dienstanweisungen, Arbeitssicherheitsbestimmungen und und und. Vom unmittelbaren Vorgesetzten bis hin zur Regierung tut jeder etwas dazu. Ein Teil solcher Vorschriften ist immer überholt und unsinnig, manche widersprechen sich.
Im "Normalbetrieb" werden sie einfach nicht beachtet, das wäre viel zu kompliziert. Sicherheitsbestimmungen werden zum Beispiel allerorten bewußt übergangen, um die Arbeitsleistung zu erhöhen. Wenn dann ein Unfall passiert, wird die Verantwortung auf den Einzelnen geschoben, der die Vorschriften nicht beachtet hat. Wie bei den LKWFahrern, die sich nach zwölf Stunden ununterbrochener Raserei nicht mehr konzentrieren können. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, daß Fahrer, die sich auf solche gefährlichen Spielchen nicht einlassen, oft einfach entlassen werden. Bei der Arbeit nach Vorschrift wird der Spieß umgedreht. Möglichst jede Regel, jedes Ge- und Verbot wird beachtet. Je mehr Regeln existieren, desto umständlicher und langwieriger wird bald jeder sonst noch so einfache Vorgang. Je mehr Regeln existieren, desto mehr widersprechen sie sich aber auch. Das muß natürlich geklärt werden, ehe man aktiv werden kann. Aber wer ist zuständig, wer darf entscheiden? Wie ist das wieder geregelt, usw.

Beschwerden an Behörden u.ä.
Bürokratische, zentralistische und hierarchische Institutionen neigen dazu, dauernd Verfügungen zu erlassen in dem Bestreben, alles zu regeln. Damit schaffen sie,die Voraussetzungen für völlige Verwirrung.
Sehr schön ist, daß bei den meisten Behörden vorgeschrieben ist, in welcher Frist Beschwerden behandelt werden müssen. Fristüberschreitung berechtigt zur Beschwerde bei der nächsthöheren Behörde. So lassen sich ganze Lawinen lostreten - allerdings kostet das viel Arbeit und ist im Alleingang nicht zu machen. Außerdem bedarf es eines eingehenden Studiums von Gesetzen und Paragraphen.
Das weiß ich auch von einem Ratsmitglied einer kleinen Dorfgemeinde. Er stört das traditionelle Gekungel der Dorfhonoratioren nicht durch entlarvende Reden oder revolutionäre Resolutionen - er kennt sich nur in den Regeln der Geschäftsordnung und dergleichen besser aus als seine etablierten Ratskollegen. Inzwischen wird er, der langhaarige Freak, schon sicherheitshalber gefragt, ob bestimmte Beschlüsse oder Vorgehensweisen rechtens sind...

Gefahren
Hier deutet sich eine der Gefahren der Positiven Subversion an: ein Sich-Vertiefen in Paragraphen kann durchaus damit enden, daß man dabei steckenbleibt und sich auf Geschäftsordnungsanträge beschränkt. Daß man die Spielregeln übernimmt und verinnerlicht. Als Beispiel bietet sich so manche Fraktion der Grünen an. Wer sich ins Parlament begibt, kommt darin um.
Den "Feind" zu umarmen, kann durchaus damit enden, daß man selber bewegungsunfähig wird. Um das zu vermeiden, braucht es eine bestimmte innere Einstellung. Man muß die Illusion vom "Feind" aufgeben und als mindeste Gemeinsamkeit akzeptieren, daß auch das Gegenüber ein Mensch ist. Und daß man selber ihm/ihr wahrscheinlich ähnlicher ist, als man es wahrhaben möchte.
Nur so läßt sich Abstand bewahren. Doch das führt jetzt ins grundsätzlich philosophische. Hier ging es aber um die Methode der Positiven Subversion, zu der ich einige Anregungen liefern wollte. Nicht mehr - sie hat noch tausendundeine andere Variante. Peter Will

Zugabe: Am liebsten sind mir die kleinen Gemeinheiten: an Automaten Aufkleber "DEFEKT!" anbringen, Geldscheine mit einem Stempel "Inflationsgeld" versehen, Überweisungen an Behörden, Finanzämter und ähnliche Institutionen um kleine Beträge kürzen - es gibt meistens eine Summe, unterhalb derer nicht mehr gemahnt wird. Und was dergleichen Späßchen mehr sind. Gerne benutze ich auch die Freiumschläge, die manchen Werbesendungen beiliegen.

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