Projektwerkstatt

OFFENE PLATTFORMEN

Einleitung


1. Einleitung
2. Schon wieder keine Spraydose da?
3. Beispiele aus den vergangenen Jahren
4. Das Beispiel „Offene Presseplattform“ - selbstorganisiert, kreativ, eine unter vielen

Die Treffen des Weltsozialforums beraten nicht im Namen der Institution Weltsozialforum. Daher ist niemand berechtigt, im Namen eines der Foren zu sprechen oder eine Position als die aller Teilnehmer wiederzugeben. Die Teilnehmer dürfen nicht aufgefordert werden, als Institution Erklärungen oder Aktionsvorschläge anzunehmen, die jeden oder die Mehrheit binden und den Eindruck erwecken können, mit ihnen würde das Forum als Institution etabliert. Es stellt daher keinen Ort der Macht dar, um den die Teilnehmer in den Treffen ringen. Ebenso wenig hat das Forum den Anspruch, die einzige Form der Zusammenarbeit zwischen den teilnehmenden Organisationen und Gruppen zu sein.
(6. Absatz der WSF-Grundsätze - von den WSF-tragenden NGOs auch nicht mehr beachtet ...)

Die Alternative zu Zentralismus und Basisdemokratie
(Text aus der "Zeitung für stürmische Tage) ++ Download

Wo immer etwas größer wird, entsteht das Problem der Koordinierung, des Überblicks, der Informationsflüsse bis hin zum seltsamen Zwang, jetzt auch Gemeinsames entscheiden zu müssen. Camps, Kongresse, Konferenzen, Aktionen, aber auch die politischen Zusammenhänge einer Stadt oder Region sind solche Größenordnungen. Normalerweise entwickelt sich eine Mischung aus Nebeneinander (manchmal auch Gegeneinander) und zentralen Organisationsstrukturen. Bei Camps, Kongressen oder Aktionen sind das meist Plena, in einigen Fällen auch SprecherInnenräte (z.B. Jugendumweltkongreß, X-1000malquer) oder formale Führungsgremien (wie die Vorstände in den NGOs, z.T. als Koordinations- oder Steuerungsgruppen verschleiert).
Die immer wieder negativen Erfahrungen mit Dominanzen und zentraler Steuerung sowie das Erleben der strategischen Unterlegenheit basisdemokratischer gegenüber zentralistischen Organisierungsmodellen führt zu ständigen Debatten über die Struktur großer Treffen, Aktionen oder gruppenübergreifender Prozesse. Dabei wiederholen sich immer dieselben Fehler:
  • Es wird nach einem Modell gesucht, daß für alle die beste Lösung bringen soll.
  • Alle Anforderungen und Probleme sollen durch eine Methode bearbeitet werden.
  • Immer bleibt im Kern ein zentrales Gremium und eine kontrollierende Struktur übrig, wenn sie auch in ihrer Form ständig wechselt (Plenum, SprecherInnenrat, Vorstand, Koordinationskreis, Orga-Gruppe usw.)
  • Werden Teilfragen ausgelagert, so wird auch dafür wieder ein neues Gremium geschaffen, das zentral zuständig ist.

Kooperation autonomer Teile
Das Gegenmodell zu solchen Lösungsmodellen muß sehr grundsätzlich mit der Vorstellung brechen, überhaupt ein allumfassendes Organisierungsschema zu finden. Das ist nämlich bereits eine Vorgabe, die dominant wirkt, weil sie die Einigung im Sinne einer Vereinheitlichung durchsetzt. Hierarchiemindernd aber kann nur eine Organisierung sein, die verschiedene (!) Handlungsmöglichkeiten schafft, die gerade Unterschiedlichkeit fördert - und zwar im Sinne echter Möglichkeiten, nicht nur der theoretischen Chance. Ein grundlegendes Modell dieser Art sind die "offenen Plattformen". Darunter ist zu verstehen, daß Organisierungen nicht mehr von Gremien ausgehen, sondern von allen AkteurInnen gleichermaßen entwickelt werden können.
  • Die Gleichberechtigung entsteht durch den für alle möglichen Zugriff auf alle (!) Ressourcen, seien es Adressenlisten (z.B. Presseverteiler), Infrastruktur (Geräte, Technik usw.), Räume, Wissen, Termine usw.
  • Die Vielfalt entsteht durch die informelle und technische Möglichkeit, verschiedene Organisierungsansätze auch nebeneinander zu verwirklichen. Das bedeutet: Es geht nicht mehr um die Frage "der" richtigen Organisierung, sondern um eine Vielfalt verschiedener. Die Menschen verwirklichen jeweils "ihre richtige" Struktur zusammen mit denen, die ähnliche oder gleiche Vorstellungen haben.
  • Statt eines Nebeneinanders ist das Ziel, daß zwischen diesen autonomen Teilbereichen vielfältige Kooperationen entstehen, seien sie in gemeinsamen Aktionen, gemeinsamer Nutzung von Infrastruktur oder auf andere Weise. Wichtig ist dabei einerseits, dass keine übergeordnete Ebene diese Kooperationen organisiert bis erzwingt, andererseits aber auch, daß Kooperation gegenüber konkurrierendem Verhalten der einzelnen Teile (exklusive Nutzung von Infrastruktur, Material, Geld, Wissen, Verteiler usw.) als die sinnvollere Form erscheint. Das ist vor allem dann gegeben, wenn alle diese nutzbare Infrastruktur grundsätzlich allen gleichberechtigt zugänglich ist. Wo keine bevorzugten Zugriffsrechte existieren und damit auch außer dem blanken Faustrecht und ähnlichen Ausgrenzungsmethoden keine Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten bestehen, ist die Chance am größten, daß sich die Teilgruppen kooperativ verhalten, also sich über die Nutzung verständigen, die Infrastruktur weiterentwickeln usw. Gruppenegoismus und das für andere auch Nützliche fallen dann weitgehend zusammen (siehe auch die Theorie der Herrschaftsfreiheit im Projekt "Freie Menschen in Freien Vereinbarungen", z.B. unter www.herrschaft.siehe.website oder www.opentheory.org/herrschaftsfrei).

Praktisch werden ...
Gegen das Prinzip der "Offenen Plattformen" könnte es Vorbehalte geben - weil es fremd ist und auch "Linke" meist strukturkonservativ sind, Angst vor Neuem haben. Oder weil Eliten ungern die Zügel aus der Hand geben (auch wenn sie es anders begründen werden). Da ist hilfreich, dass die Plattformen auch zunächst neben anderen Teilen bestehen können. Allerdings muss durchgesetzt werden, dass die hierarchische Gesamtorganisation mit Steuerungsgruppe, Plenum oder wie auch immer keine Zuständigkeit für die Plattform haben. Die ist ein autonomer Teil und hängt nicht von anderen Teilen, die z.B. Hausrecht anwenden, ab.
Wie offene Organisierungsplattformen aussehen können, wird noch sehr stark zu entwickeln sein. Es gibt aber bereits einzelne Beispiele für Anfänge von Praxis, die zeigen können, in welche Richtung es geht. Viele der bisherigen Beispiele litten unter äußeren Zwängen. "Offene Plattformen" werden zur Zeit in politischen Bewegungen als Fremdkörper wahrgenommen. Es sind Zonen, wo die normalen Dominanzen nicht mehr wirken. Daher versuchen formaldemokratische Gremien oder informelle Eliten, solche "Freiräume" wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.


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