RECHTSLEXIKON
HSOG - öffentliche Sicherheit & Ordnung
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HSOG - öffentliche Sicherheit & Ordnung
Leitsatzkommentar
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Stand: 4. Oktober 2012
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Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 14. Januar 2005
§ 1 - Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Polizeibehörden
§ 2 Aufgabenabgrenzung
§ 3 Geltungsbereich
§ 4 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§ 5 Ermessen, Wahl der Mittel
§ 6 - Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen
§ 7 - Verantwortlichkeit für den Zustand von Tieren und Sachen
§ 8 - Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme
§ 9 Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen
§ 10 - Einschränkung von Grundrechten
§ 11 Allgemeine Befugnisse
§ 12 Befragung und Auskunftspflicht
§ 13 Erhebung personenbezogener Daten
§ 14 Datenerhebung und sonstige Datenverarbeitung an öffentlichen Orten und besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen
§ 15 Datenerhebung durch Observation und Einsatz technischer Mittel
§ 15a - Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung
§ 16 Datenerhebung durch Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist, und durch verdeckt ermittelnde Personen
§ 17 Polizeiliche Beobachtung
§ 18 - Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen
§ 19 - Erkennungsdienstliche Maßnahmen, DNA-Analyse
§ 20 Datenspeicherung und sonstige Datenverarbeitung
§ 21 - Allgemeine Regeln der Datenübermittlung
§ 22 - Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs
§ 23 - Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs
§ 24 Automatisiertes Abrufverfahren
§ 25 Datenabgleich
§ 26 Besondere Formen des Datenabgleichs
§ 27 - Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten
§ 28 Verfahrensverzeichnis
§ 29 Auskunft und Unterrichtung
§ 30 Vorladung
§ 31 Platzverweisung
§ 32 Gewahrsam
§ 33 Richterliche Entscheidung
§ 34 Behandlung festgehaltener Personen
§ 35 Dauer der Freiheitsentziehung
§ 36 Durchsuchung und Untersuchung von Personen
§ 37 Durchsuchung von Sachen
§ 38 Betreten und Durchsuchung von Wohnungen
§ 39 Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen
§ 40 Sicherstellung
§ 41 Verwahrung
§ 42 Verwertung, Unbrauchbarmachung und Vernichtung
§ 43 - Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten
§ 43a - Halten gefährlicher Tiere
§ 44 Vollzugshilfe
§ 45 Verfahren
§ 46 Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung
§ 47 - Zulässigkeit des Verwaltungszwanges
§ 48 Zwangsmittel
§ 49 Ersatzvornahme
§ 50 Zwangsgeld
§ 51 Ersatzzwangshaft
§ 52 Unmittelbarer Zwang
§ 53 Androhung der Zwangsmittel
§ 54 Rechtliche Grundlagen
§ 55 Begriffsbestimmung, zugelassene Waffen
§ 56 Handeln auf Anordnung
§ 57 - Hilfeleistung für Verletzte
§ 58 Androhung unmittelbaren Zwanges
§ 59 Fesselung von Personen
§ 60 - Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch
§ 61 Schusswaffengebrauch gegen Personen, Sprengmittel
§ 62 Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge
§ 63 - Ausübung unmittelbaren Zwanges durch Vollzugsbedienstete
§ 64 - Zum Schadensausgleich verpflichtende Tatbestände
§ 65 Inhalt, Art und Umfang des Schadensausgleichs
§ 66 - Ansprüche mittelbar Geschädigter
§ 67 - Verjährung des Ausgleichsanspruchs
§ 68 - Ausgleichspflicht, Erstattungsansprüche
§ 69 - Rückgriff gegen Verantwortliche
§ 70 Rechtsweg
§ 71 Allgemeines
§ 71a Gefahrenabwehrverordnung Hunde, Haftpflichtversicherung
§ 72 Gefahrenabwehrverordnungen der Ministerinnen, Minister und Regierungspräsidien
§ 73 Gefahrenabwehrverordnungen der Landkreise
§ 74 Gefahrenabwehrverordnungen der Gemeinden
§ 75 Verbot des Widerspruchs zu anderen Rechtsvorschriften
§ 76 Inhalt
§ 77 Ordnungswidrigkeiten
§ 78 Formerfordernisse
§ 79 Geltungsdauer
§ 80 - Wirkung von Gebietsänderungen
§ 81 Gefahrenabwehr als staatliche Aufgabe
§ 82 - Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung
§ 83 - Aufsichtsbehörden, Aufsicht
§ 84 Weisungsbefugnisse
§ 85 - Allgemeine Ordnungsbehörden
§ 86 - Aufsichtsbehörden, Aufsicht
§ 87 Weisungsbefugnisse, Unterrichtungspflichten
§ 88 Selbsteintritt
§ 89 - Sachliche Zuständigkeit
§ 90 - Sonderordnungsbehörden
§ 91 - Polizeibehörden, Polizeieinrichtung
§ 92 Hessisches Landeskriminalamt
§ 93 - Hessisches Bereitschaftspolizeipräsidium
§ 94 - Polizeipräsidien
§ 95 - Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung, Hessische Polizeischule
§ 96 Dienst- und Fachaufsicht
§ 97 Weisungsbefugnisse, Unterrichtungspflichten
§ 98 - Ermächtigung
§ 99 Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte
§ 100 - Zuständigkeit der Gefahrenabwehrbehörden
§ 101 - Zuständigkeit der Polizeidienststellen
§ 102 - Amtshandlungen von Dienstkräften der Polizei anderer Länder und von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Bundes
§ 103 - Amtshandlungen von Dienstkräften der Polizei außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Landes Hessen
§ 104 Begriff der Kosten
§ 105 - Kosten der Behörden der allgemeinen Verwaltung
§ 106 - Kosten der allgemeinen Ordnungsbehörden
§ 107 - Kosten der Sonderordnungsbehörden
§ 108 Kosten der Polizeidienststellen
§ 109 Einnahmen
§ 110 - Versorgungslasten, Wohnungsfürsorgemaßnahmen
§ 111 - Übergangsvorschriften
§ 112 - Änderung von Rechtsvorschriften
§ 113 Aufhebung und Fortgeltung von Rechtsvorschriften
§ 114 - Ausführungsvorschriften
§ 115 In-Kraft-Treten und Befristung
***
ERSTER TEIL - Aufgaben und Befugnisse - Erster Abschnitt - Aufgaben und allgemeine Vorschriften
§ 1 Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Polizeibehörden
(1) Die Gefahrenabwehrbehörden (Verwaltungsbehörden, Ordnungsbehörden) und die Polizeibehörden haben die gemeinsame Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahrenabwehr), soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Sie haben im Rahmen dieser Aufgabe auch die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung in Gefahrenfällen zu treffen.
(2) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden haben ferner die ihnen durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen weiteren Aufgaben zu erfüllen.
(3) Der Schutz privater Rechte obliegt den Gefahrenabwehr- und den Polizeibehörden nach diesem Gesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne gefahrenabwehrbehördliche oder polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
(4) Die Polizeibehörden haben im Rahmen der Gefahrenabwehr auch zu erwartende Straftaten zu verhüten sowie für die Verfolgung künftiger Straftaten vorzusorgen (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten).
(5) Die Polizeibehörden leisten anderen Behörden Vollzugshilfe (§§ 44 bis 46).
(6) Alle Behörden haben bei der Gefahrenabwehr zusammenzuarbeiten. Insbesondere haben sie sich unverzüglich gegenseitig über Vorgänge, deren Kenntnis für die Aufgabenerfüllung der anderen Behörde bedeutsam erscheint, zu unterrichten. Die Gefahrenabwehrbehörden und die Polizeibehörden sollen im Rahmen der Gefahrenabwehr gemeinsame Arbeitsgruppen (Kriminalpräventionsräte) bilden; diese sollen auch Personen und Institutionen aus unterschiedlichen Bereichen und Aufgabenfeldern, die zur Kriminalprävention beitragen können, aufnehmen. Die Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten (§§ 12 bis 29) bleiben unberührt.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Berücksichtigung schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die bei der Unterbringung einer obdachlosen Person in einer Obdachlosenunterkunft drohen (BVerfG, Urteil vom 07.04.1993 - 1 BvR 565/93).
*** (VGH)
Eine kriminalpolizeiliche Gefährderansprache, mit der der Geschäftsführer eines Inkassounternehmens unter Hinweis auf mögliche Ermittlungsmaßnahmen darüber "bösgläubig" gemacht wird, dass das Einziehen erkennbar unberechtigter Forderungen - etwa aus verbotenen und strafbaren Internet-Glücksspielen - Beihilfe zum Betrug darstellen kann, greift zwar in die Freiheit der Unternehmensbetätigung ein, ist aber zur Verhütung drohender Straftaten geeignet und auch im Übrigen verhältnismäßig. Eine auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel des § 11 HSOG gestützte Gefährderansprache ist in einem solchen Fall nicht durch die Möglichkeit des Widerrufs der Registrierung gemäß § 14 RDG ausgeschlossen (VGH, Beschluss vom 28.11.2011 - 8 A 199/11.Z zu §§ 1 Abs 4, 11,10 H SOG, § 14 RDG, Art 12 Abs 1 GG u.a.).
***
Eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Hess. HundeVO, nach der auch die Gefahr, dass ein Hund einen Menschen in Gefahr drohender Weise anspringt, die Eigenschaft eines Hundes als gefährlicher Hund begründet, ist ausgeschlossen (VGH Hessen, Urteil vom 18.10.2007 - 8 UE 243/06 zu §§ 1, 40, 43, 71a Abs. 1 HSOG, §§ 2, 14 Hess. HundeVO).
***
Eine Obdachlosenunterkunft muß ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen.- Zur Berücksichtigung des individuellen Lebenszuschnitts.- Die Unterbringung einer Familie mit mehreren Kleinkindern in einem Wohnwagen ohne gesicherten Stromanschluß und bei unzureichenden sanitären Verhältnissen wird den Mindestanforderungen nicht gerecht. Im Fall der Obdachlosigkeit kann sich der Anspruch des einzelnen auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu einem Anspruch auf polizeiliches Einschreiten verdichten, wenn sich das Ermessen der Ordnungsbehörde wegen des Ausmaßes und der Schwere der drohenden Gefahr auf eine Pflicht zum Einschreiten reduziert (VGH Kassel, Entscheidung vom 04.10.1983 - 8 TG 48/83, NJW 1984, 2305).
***
Die Durchführung kollektiver Kampfmaßnahmen ("Streiks') von Beamten zur Durchsetzung gemeinsamer beruflicher Interessen und der vorbereitenden Urabstimmung stellt eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Der Hessische Kultusminister ist kraft Polizeirechts befugt, die Durchführung eines Streiks von Beamten oder die vorbereitende Urabstimmung durch eine Verfügung gegenüber der Gewerkschaft, die zu solchen Maßnahmen aufruft, zu untersagen (VGH Kassel, Entscheidung vom 01.03.1989 - 11 TH 681/89).
***
Zur Untersagung des Betreibens eines die Volkszählung 1987 betreffenden Informationsstandes (VGH Kassel, Entscheidung vom 14.05.1987 - 11 TH 1229/87).
*** (VG)
Die Zuweisung einer Unterkunft darf auch bei zahlungsunwilligen Obdachlosen nicht von der Zahlung von Benutzungsgebühren abhängig gemacht werden. Die Kommune ist auf die Durchsetzung ihrer Forderung nach den Bestimmungen des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes verwiesen. Ihren Belangen hat der Gesetzgeber mit § 55 S. 2 NVwVG (juris: VwVG ND) Rechnung getragen (VG Osnabrück, Beschluss vom 16.07.2012 - 6 B 57/12).
***
Zur Unterbringung eines Obdachlosen nach erteiltem Hausverbot für Obdachlosenunterkünfte und zur Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Obdachlosen (VG Osnabrück, Beschluss vom 04.05.2012 - 6 B 44/12):
... I. Der Antragsteller wendet sich gegen ein ihm auferlegtes Hausverbot für die Obdachlosenunterkünfte der Antragsgegnerin und begehrt von ihr seine erneute Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft.
Seine Ehefrau bewohnte bis zur Zwangsräumung am 26.3.2012 mit einem gemeinsamen Kind eine im Gebiet der Antragsgegnerin gelegene Wohnung. Diese Wohnung musste der Antragsteller bereits zum 22.8.2011 verlassen. Dazu erklärte er der Antragsgegnerin am 26.3.2012, er sei seitdem "mal hier mal da untergekommen" und habe auf die Zwangsräumung seiner Ehefrau gewartet. Die Eheleute begehrten von der Antragsgegnerin die Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft; ihr Kind wurde vom Jugendamt in Obhut genommen.
Mit Verfügung vom 26.3.2012 wies die Antragsgegnerin die Eheleute für die Zeit bis zum 30.6.2012 auf Grund bestehender Obdachlosigkeit in eine Notunterkunft ein; auf diesen Bescheid wird Bezug genommen.
Ausweislich eines Vermerks einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin wurde diese am 28.3.2012 von der Ehefrau des Antragstellers um ca. 17:05 Uhr auf dem Parkplatz mit der Bitte angesprochen, ihr in der Obdachlosenunterkunft ein eigenes Zimmer zu geben, weil es eine Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann gegeben habe, die es ihr unmöglich mache, weiterhin mit ihm zusammen in einer Wohnung zu wohnen. Nähere Angaben habe sie dazu nicht machen wollen. Die Mitarbeiterin forderte die Ehefrau auf, sich am Abend an den Ordnungsdienst zu wenden und unterrichtete den Ordnungsdienst dahingehend, dass der Antragsteller heute für eine Nacht in einem anderen Zimmer im Nachbargebäude unterzubringen sei. Nach erneutem Verlassen des Bürogebäudes habe sie den Antragsteller getroffen, der sich in aggressivem Tonfall nach seiner Frau erkundigt und die Vermutung geäußert habe, diese habe eine eigene Wohnung haben wollen. Sie habe eine Erörterung "auf der Straße" abgelehnt und dem Antragsteller angeboten, am nächsten Tag ins Büro zu kommen.
Vom Abend des 28. auf den 29.3. wies der Ordnungsdienst der Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Notunterkunft im benachbarten Haus zu, wobei der Antragsteller im Rahmen seines von Ordnungskräften begleiteten Umzugs durch Lärmen und Brüllen unter wiederholter Sachbeschädigung an Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen und Äußerungen beleidigender und bedrohender Art gegenüber den Ordnungskräften hinhaltenden Widerstand leistete. Schließlich wurde die Polizei gerufen und dem Antragsteller wurde ein Hausverbot erteilt, woraufhin er fluchend und drohend vor deren Erscheinen das Haus verließ. Auf den diesbezüglichen Bericht des Ordnungsdienstes vom 28.3.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Am 29.3.2012 beschwerten sich fünf Bewohner der Obdachlosenunterkünfte ausweislich eines Vermerks der Antragsgegnerin über den Antragsteller und teilten übereinstimmend mit, sie seien aufgrund des Vorfalls vom gestrigen Abend sehr verängstigt und hätten zeitweise Angst um ihre körperliche Unversehrtheit gehabt. Übereinstimmend baten sie darum, den Antragsteller und seine Frau nicht mehr in der Obdachlosenunterkunft unterzubringen.
Am gleichen Tag erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller wegen dieser Vorfälle unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein unbefristetes, unter den Vorbehalt des Widerrufs gestelltes Hausverbot für die beiden von ihr zur Obdachlosenunterbringung genutzten Gebäude und deren Grundstücke. Mit Bescheid vom selben Tag widerrief die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller zu sofort ihre Einweisungsverfügung. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag widerrief sie ihre Einweisungsverfügung auch gegenüber der Ehefrau und wies diese zugleich in eine andere Räumlichkeit ihrer Obdachlosenunterkunft ein. Bei Aushändigung dieser Verfügungen an die gemeinsam erschienenen Eheleute erklärte der Antragsteller, dass er sich nunmehr zunächst ein Hotelzimmer nehmen werde. Auf den diesbezüglichen Vermerk der Antragsgegnerin vom 29.3.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Aufgrund der Vorfälle wurden der Antragsgegnerin zusätzliche Leistungen des Ordnungsdienstes (Rechnung vom 31.3.2012) berechnet. Den vom Antragsteller verursachten Sachschaden schätzte die Antragsgegnerin gegenüber der Polizei auf 170.- .
Da die Ehefrau des Antragstellers angab, dieser habe sich einen nachgemachten Schlüssel für die Haustür ihrer Obdachlosenunterkunft verschafft, ließ die Antragsgegnerin bei Sachkosten von ca. 77 Schloss und Schlüssel austauschen.
Ausweislich der Verwaltungsvorgänge lehnte die Antragsgegnerin eine vom Antragsteller begehrte erneute Obdachgewährung unter Hinweis auf dessen Grundrecht auf Freizügigkeit und der damit verbundenen Möglichkeit ab, auch in anderen Gemeinden untergebracht werden zu können. Ein entsprechendes Angebot ihrer Nachbargemeinde habe der Antragsteller abgelehnt. Mit Schreiben vom 13.4.2012 bestätigte sie diesem die Aufrechterhaltung ihrer Entscheidungen und den von ihr vertretenen Standpunkt in der Sache. Gemäß ihrem Vermerk vom 20.4.2012 lehnte sie auf telefonische Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auch eine Unterbringung in einer Pension ab.
Am 20.4.2012 hat der Antragsteller Klage gegen den Widerruf der Einweisungsverfügung vom 29.3.2012 erhoben und einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Hausverbot, hilfsweise die vorläufige Zuweisung einer Notunterkunft beantragt. Mit Schreiben vom 24.4.2012 hat er seine Klage auch gegen den Hausverbotsbescheid der Antragsgegnerin gerichtet. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe sich mit seiner Frau bereits am Vorfallstag ausgesöhnt, wolle Streit wie auch den Genuss von Alkohol in Zukunft vermeiden. Inzwischen seien seit dem Vorfall etwa vier Wochen vergangen, in denen er sich mit seiner Frau nur in der Öffentlichkeit habe treffen können. Zwischenzeitlich habe er mehr als 400.- für Hotelübernachtungen ausgeben müssen, obwohl seine monatliche Rente nur 516,71 betrage. Das ihm erteilte Hausverbot sei weder geboten noch verhältnismäßig gewesen. Jedenfalls fehle es an einem sachlichen Grund, der ein weiteres Festhalten am Hausverbot rechtfertige. Er habe bisher im Gebiet der Antragsgegnerin gewohnt bzw. sich dort aufgehalten und möchte dies auch weiterhin, zumal sich seine Ehefrau dort befinde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Hausverbotsbescheid wiederherzustellen, hilfsweise, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihm per sofort vorläufig eine Notunterkunft zuzuweisen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, der Antragsteller habe die ihm nach Absprache mit dem Gericht für die Dauer des Eilverfahrens angebotenen Unterbringungsmöglichkeiten (bislang) nicht genutzt. Zwar wende er sich formal gegen das ihm erteilte Hausverbot, doch gehe es ihm an sich darum, dass ihm eine Notunterkunft zugewiesen werde. Deshalb sei die Frage zu stellen, weshalb er die ihm angebotenen Möglichkeiten nicht wahrgenommen habe. Er begehre wohl nicht die Beseitigung seiner Obdachlosigkeit. Ihm gehe es allein darum, gemeinsam mit seiner Ehefrau unterzukommen. Es sei nicht ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau Heimstatt in ihrer Obdachlosenunterkunft habe, nachdem die Eheleute seit der Zwangsräumung des Antragstellers vom 22.8.2011 bis zur Zwangsräumung seiner Ehefrau am 26.3.2012 keine gemeinsame Unterkunft gehabt hätten. Sie bestreite, dass sich der Kläger bis zur Zwangsräumung seiner Frau in ihrem Gebiet aufgehalten habe. Sie bestreite, dass sich die Eheleute in einer Weise versöhnt hätten, dass eine Wiederholung vergleichbarer Vorfälle nicht drohe. Dagegen spreche, dass sich die Ehefrau des Klägers bereits mehrfach wegen häuslicher Gewalt schutzsuchend an die Behörden gewandt habe. Deren Zusammenleben wechsele zwischen Versöhnung und Streit, in dessen Verlauf es auch zu Gewalt gegen Sachen und Personen komme. Beide neigten zu unkontrolliertem, exzessivem Alkoholgenuss. Ohnehin sei davon auszugehen, dass der Wille zum Zusammenleben einseitig vom Kläger ausgehe. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei der behaupteten Versöhnung um eine "Zwangsversöhnung" handele und die Ehefrau unmittelbar nach gemeinsamer Unterbringung erneut darum bitten werde, vom Antragsteller getrennt zu werden. Auch der Schutz der übrigen Bewohner der Obdachlosenunterkunft verbiete es ihr, den Eheleuten gemeinsame Unterkunft zu gewähren. Bei seiner Einweisung am 26.3.2012 sei der Antragsteller eindringlich auf die Hausordnung und die Ahndung von Verstößen mit einem Haus- und Betretungsverbot hingewiesen worden. Dazu habe konkreter Anlass bestanden, weil es im Rahmen vorangegangener Unterbringungen des Antragstellers zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen sei. Auch im Übrigen sei der Antragsteller als gewaltbereit bekannt. Es fehle ihm an der erforderlichen Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg. Dabei geht die Kammer davon aus, dass das Begehren des Antragstellers darauf gerichtet ist, unter vorläufiger Aussetzung des Hausverbots (erneut) in eine Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin in möglichst großer räumlicher Nähe zu seiner Ehefrau eingewiesen zu werden. Dabei ist die Kammer nicht an den Wortlaut der bislang formulierten Anträge gebunden, sondern hat das Rechtsschutzbegehren interessenkonform auszulegen. Dahinter tritt das formulierte formelle Stufenverhältnis von Haupt- und Hilfsantrag zurück. Ein ausdrücklich auf Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft mit seiner Ehefrau gerichtetes Begehren hat die Kammer dem Vortrag des Antragstellers indes nicht entnommen.
Das auf vorläufige Zuweisung einer solchen Obdachlosenunterkunft gerichtete Begehren beurteilt sich nach § 123 VwGO; insoweit hat der Antragsteller Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Soweit er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen das Hausverbot begehrt, ist § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig. Danach kann das Gericht aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen oder wiederherstellen.
Ermächtigungsgrundlage für das gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Hausverbot ist das Hausrecht, das als notwendiger Annex zur öffentlich-rechtlichen Sachkompetenz einer Behörde von deren Leiter kraft der ihm zustehenden Organisationsgewalt zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs ausgeübt wird. Der Ausspruch eines Hausverbots hat insoweit einen präventiven Charakter als es darauf abzielt, künftige Störungen des Betriebsablaufs in der Behörde oder öffentlichen Einrichtung zu vermeiden und dient dem öffentlichen Interesse an der unbeeinträchtigten Funktionsfähigkeit der Behörde bzw. Einrichtung. Dabei dient die Sicherstellung des ungestörten Ablaufs des Betriebs zugleich der Wahrung der Rechte von Mitarbeitern wie auch der übrigen "Kunden", d.h. der die Behörde oder Einrichtung tatsächlich oder potentiell in Anspruch nehmenden Menschen, deren Rechte den Rechten des von einem Hausverbot Betroffenen regelmäßig nicht nachstehen.
Ausweislich der Satzung der Antragsgegnerin über die Benutzung der Obdachlosenunterkünfte vom 9.12.2009 werden die im Hausverbot angeführten Obdachlosenunterkünfte zweier benachbarter Häuser in Form unselbständiger Anstalten des öffentlichen Rechts geführt (§ 1 Abs. 1). Alle dem Satzungszweck entsprechend genutzten Unterkünfte sind Teil einer öffentlichen Einrichtung (§ 1 Abs. 2), die der Unterbringung von Obdach- und Wohnungslosen dient (§ 2); das Benutzungsverhältnis ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet (§ 3 Abs. 1 S. 1). Das von der Antragsgegnerin in Wahrnehmung der ihr für diese öffentliche Einrichtung zustehenden Organisationsgewalt verhängte Hausverbot beruht somit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Die Organisation eines störungsfreien Dienstbetriebs und damit auch die Befugnis, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, gehört zu den laufenden Geschäften der Verwaltung, die vom Hauptverwaltungsbeamten der Antragsgegnerin und der ihm nachgeordneten Verwaltung wahrgenommen werden (§ 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 NKomVG).
Ein Hausverbot muss auf einer Tatsachengrundlage beruhen, die die Prognose trägt, das künftig mit Störungen gerechnet werden muss, zu deren Verhinderung das Hausverbot notwendig ist. Dies erfordert dementsprechend grundsätzlich, dass der Betroffene in der vorangegangenen Zeit den Hausfrieden gestört hat und einer zu erwartenden Wiederholung derartiger Störungen mit einem Hausverbot wirksam begegnet werden kann. Allerdings muss die Behörde / Einrichtung auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Menschen zurechtkommen und diese ihr Anliegen verfolgen lassen und kann nicht sogleich auf ein Hausverbot zurückgreifen. Diese Möglichkeit ist regelmäßig erst eröffnet, wenn der Dienstbetrieb insbesondere durch beleidigendes, bedrohendes oder aggressives Verhalten nachhaltig gestört wird (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 1.8.2011 - 21 L 1077/11 -, m.w.N., juris). Dabei ist insbesondere Charakter und Eigenart der jeweiligen Behörde oder Einrichtung bzw. der von dieser jeweils wahrzunehmenden Aufgabe und den daraus resultierenden Bezügen zu dem in Betracht zu ziehenden Kreis betroffener Menschen nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, wobei auch zu berücksichtigen ist, inwieweit die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe durch die Verhängung eines Hausverbots gefördert oder auch beeinträchtigt wird.
Dementsprechend sind vorliegend die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten der von der Antragsgegnerin wahrgenommenen Aufgabe der Obdachlosenunterbringung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Hausverbots maßgeblich einzubeziehen, denn die Antragsgegnerin hat im Rahmen der ihr obliegenden Aufgabe der Gefahrenabwehr einem von ihr zunächst untergebrachten Obdachlosen unter Aufhebung seiner Einweisung ein Hausverbot für alle von ihr nach § 1 Abs. 1 ihrer Satzung vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte erteilt.
Die Antragsgegnerin ist gemäß § 97 Abs. 1 Nds. SOG die zur Gefahrenabwehr berufene Behörde. Sie ist grundsätzlich auf ihren Bezirk, somit ihr Stadtgebiet, beschränkt (§ 100 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG). Örtlich zuständig ist sie, soweit in ihrem Stadtgebiet die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden (Art. 100 Abs. 1 S. 2 Nds. SOG). Insoweit hat sie gemäß § 11 Nds. SOG nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine - konkrete - Gefahr, d.h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird (§ 2 Nr. 1 lit. a) Nds. SOG), abzuwehren.
Der Zustand unfreiwilliger Obdachlosigkeit wird im Hinblick auf die damit typischerweise verbundene Gefährdung insbesondere von Gesundheit und Leben, d.h. der körperlichen Integrität des Obdachlosen, als eine Störung der öffentlichen Sicherheit angesehen. Im Rahmen ihrer Aufgabe zur Gefahrenabwehr hat die Antragsgegnerin daher die unfreiwillige Obdachlosigkeit in ihrem Stadtgebiet nach pflichtgemäßem Ermessen zu beseitigen. Sie hat in Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 4 Nds. SOG) insbesondere unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen. Insoweit ist sie regelmäßig nur verpflichtet, zur Behebung der unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben des Obdachlosen eine den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügende vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen, wobei dem Obdachlosen grundsätzlich kein Auswahlrecht unter den bereitgehaltenen Unterkünften zusteht.
Nach gegenwärtiger Erkenntnislage ist der Antragsteller bereits am 22.8.2011 im Wege der Zwangsräumung aus einer im Stadtgebiet der Antragsgegnerin gelegenen gemeinsamen Wohnung mit der Ehefrau obdachlos geworden. Nach seiner eigenen Einlassung gegenüber der Antragsgegnerin hat er die Zwangsräumung seiner Ehefrau abwartend wohl keine anderweitige Unterkunft gefunden, sondern ist - wie es der Antragsteller am 26.3.2012 selbst formuliert hat - "mal hier mal da untergekommen". Dementsprechend hat er am Tag der Zwangsräumung seiner Ehefrau mit dieser gemeinsam die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft von der Antragsgegnerin begehrt, die ihrerseits die Obdachlosigkeit auch des Antragstellers nicht in Frage gestellt, sondern beide gemeinsam in ihre Obdachlosenunterkunft eingewiesen hat. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller entgegen seinem Vorbringen nicht obdachlos war bzw. ist, weil er über eine anderweitige ausreichende Unterkunft verfügt, sind nicht erkennbar. In gleicher Weise ist nicht erkennbar, dass die örtliche Zuständigkeit einer anderen Gefahrenabwehrbehörde begründet gewesen oder zwischenzeitlich begründet worden wäre. Vielmehr entstand und besteht die Obdachlosigkeit des Antragstellers im Gebiet der Antragsgegnerin, von der der Antragsteller nach eigener Aufenthaltsbestimmung die Unterbringung begehrt, so dass die Zuständigkeit der Antragsgegnerin zur Beseitigung seiner Obdachlosigkeit anzunehmen ist.
Der Umstand, dass sich der Antragsteller seit Verhängung des Hausverbots nach eigener Einlassung bis zur Erschöpfung seiner finanziellen Möglichkeiten mit gewerblichen Unterkünften beholfen hat, bevor er um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchte, widerspricht nicht durchgreifend der Annahme (weiterhin) bestehender Obdachlosigkeit, denn für eine anhaltende Lösung des Wohnungsproblems des Antragstellers und seiner Ehefrau ist nichts ersichtlich. Auch die wohl andauernde Nichtannahme der unter gerichtlicher Vermittlung von der Antragsgegnerin für die Dauer des Eilverfahrens angebotenen Zwischenlösung - nämlich einer vorübergehenden Unterbringung des Antragstellers in einer Obdachlosenunterkunft einer benachbarten Kommune - durch den Antragsteller, lässt dessen Obdachlosigkeit vorliegend nach derzeitiger Würdigung durch die Kammer nicht entfallen. Insbesondere lässt dies nicht den Schluss auf eine nunmehrige Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit zu, da für dieses Verhalten und die von ihm auf das Gebiet der Antragsgegnerin begrenzte Aufenthaltsbestimmung - soweit für die Kammer ersichtlich - insbesondere der Wunsch bestimmend ist, wieder mit seiner Ehefrau zusammen zu leben und zu wohnen.
Die der Antragsgegnerin im öffentlichen Interesse obliegende Aufgabe, die mit einer Obdachlosigkeit des Antragstellers - wie auch seiner Ehefrau - verbundenen Gefahren zu bekämpfen, diesem mithin eine menschenwürdige Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen, besteht nach derzeitiger Einschätzung der Kammer auch fort, insbesondere dürfte ihr nicht eine anhaltende fehlende Unterbringungsfähigkeit und Unterbringungswilligkeit des Antragstellers (vgl. VG München, B. v. 24.10.2002 - M 22 E 02.2459 u.a.; zust. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage, Abschnitt F Rn. 815) entgegenstehen.
Nach Maßgabe der Verwaltungsvorgänge hat der Antragsteller entsprechend dem Vorbringen der Antragsgegnerin in der Nacht vom 28. auf den 29. März die Ordnung in der Obdachlosenunterkunft und deren Betrieb intensiv und nachhaltig gestört. Seine verbalen Ausfälle und Beleidigungen von Mitarbeitern, die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Sachen, die vorgenommenen Beschädigungen bis hin zur erheblichen Störung und Belästigung der übrigen in der Einrichtung untergebrachten Personen erforderten fraglos ein Einschreiten der Antragsgegnerin, die eine Wiederholung derartiger Verhaltensweisen des Antragstellers insbesondere auch angesichts dessen bekannten Lebenswandels im Übrigen einerseits befürchten und andererseits wirksam verhindern musste. Dabei war von ihr auch einzubeziehen, dass der Antragsteller außerhalb der Obdachlosenunterbringung bereits wiederholt der Gewaltanwendung gegenüber seiner Ehefrau wie auch gegenüber Dritten zumindest erheblich verdächtig war und sein Auftreten insgesamt zu entsprechenden Befürchtungen Anlass gab. Zudem war gerade der Wunsch seiner Ehefrau, nicht weiter mit ihm zusammen wohnen zu müssen, der Auslöser für die Umsetzung des Antragstellers und dessen dadurch ausgelöste Fehlreaktion gewesen.
Auch bei Berücksichtigung dieser Vorfälle fehlt es jedoch nach Würdigung der Kammer noch nicht an einer Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers, auch wenn die im Übrigen hinsichtlich des Antragstellers bislang anzunehmenden Umstände, insbesondere seine Neigung zu Gewalt und Alkohol, seine Unterbringung in jedweder Wohnung aufgrund einer damit einhergehenden sozialen Unverträglichkeit und deshalb zu befürchtender sozialer Konflikte schwierig gestalten. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich in Obdachlosenunterkünften aufgrund der gesellschaftlichen Gegebenheiten in nicht unerheblichem Maße soziale Problemfälle sammeln, die einerseits die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe besonders anspruchsvoll machen, aber andererseits auch die Grenze des unter den Bewohnern der Unterkunft wechselseitig notwendig Hinzunehmenden im Vergleich zu einem durchschnittlichen bürgerlichen Wohnumfeld verschieben, ohne dass damit indes die Berechtigung der Antragsgegnerin, für Ordnung auch innerhalb ihrer Obdachlosenunterkünfte zu sorgen, nachhaltig beschränkt wäre. Auch die Belange der Ehefrau des Antragstellers, die die Antragsgegnerin zum Anlass der Umsetzung genommen hatte, sind nach den bislang bekannten Umständen maßgeblich zu relativieren. Zwar besteht Grund zu der Annahme, dass es bereits in der Vergangenheit wiederholt Probleme mit sog. häuslicher Gewalt gegeben hat, doch haben die Eheleute stets wieder zusammen gefunden, wie sie sich wohl auch unmittelbar nach den maßgeblichen Vorfällen wieder versöhnt haben sollen. Die Vermutung der Antragsgegnerin, dass der Wille zum Zusammenleben einseitig vom Kläger ausgehe und nicht auszuschließen sei, dass es sich bei der behaupteten Versöhnung um eine "Zwangsversöhnung" handele, ist bislang nicht anhand greifbarer Tatsachen substantiiert, insbesondere hat die Antragsgegnerin die von ihr mit gerichtlicher Verfügung vom 23.4.2012 erbetene Stellungnahme der Ehefrau des Antragstellers nicht beigebracht. Dementsprechend sind auch die Auswirkungen des Grundrechts der Eheleute aus Art. 6 Abs. 1 GG im Rahmen der gebotenen Abwägung zugunsten des Antragstellers in Betracht zu ziehen, ohne dass das vorliegende Verfahren dazu nötigte, Bedeutung und Reichweite dieses Grundrechts im Rahmen der ordnungsrechtlich determinierten Obdachlosenunterbringung auszuloten. Hier genügt die Feststellung, dass die von Art. 6 Abs. 1 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellte Ehe auch im Rahmen der Obdachlosenunterbringung von Eheleuten jedenfalls nicht ohne zureichenden sachlichen Grund rechtlich oder tatsächlich beeinträchtigt werden darf, ohne dass damit notwendig ein Rechtsanspruch obdachloser Eheleute auf Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft begründet wäre.
Ist mithin im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass es (noch) nicht an der Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers fehlt, so ist die Antragsgegnerin einerseits verpflichtet, die mit einer Obdachlosigkeit des Antragstellers verbundenen Gefahren durch Zuweisung einer menschenwürdigen Unterkunft zu beseitigen. Andererseits lässt sich das Hausverbot jedenfalls solange nicht einschränkungslos aufrecht erhalten, wie die Antragsgegnerin neben den beiden im Hausverbot aufgeführten benachbarten Gebäuden erklärtermaßen über keine weiteren Obdachlosenunterkünfte verfügt, die ihr eine Unterbringung des Antragstellers ermöglichten. Zudem ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Zwar mag das hinsichtlich seiner Dauer uneingeschränkt für beide benachbarten Häuser und damit für sämtliche von der Antragsgegnerin vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte ausgesprochene Hausverbot geeignet sein, vom Antragsteller ausgehende Störungen des Betriebs der Unterkünfte künftig zu vermeiden. Auch kann man ein umfassendes Hausverbot insoweit als erforderlich ansehen, als ein anderes, milderes, aber gleichermaßen geeignetes Mittel fehlt, den Antragsteller von einer erneuten Störung abzuhalten. Jedoch ist ein solches alle Obdachlosenunterkünfte umfassendes, zeitlich unbeschränktes Hausverbot nicht mit dem ebenfalls im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurzelnden Erfordernis der Angemessenheit der Maßnahme vereinbar. Bei der vorliegend bejahten Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers war ein zeitlich befristetes Hausverbot zur Einwirkung auf den Antragsteller als Reaktion auf dessen erhebliches, aber - soweit ersichtlich - erstmaliges Fehlverhalten in einer Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin angebracht, so dass dem Antragsteller unter Wahrung seines Aufenthaltsbestimmungsrechts wie auch seines Wunsches auf Aufrechterhaltung der ehelichen Beziehung die Perspektive einer weiteren Unterbringung am Ort gewahrt blieb. Bei Würdigung der bislang bekannten Gesamtumstände dürfte eine diesbezügliche Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin die Monatsfrist nicht maßgeblich überschreiten. Die im Hausverbot ausgesprochene, voraussetzungslos geregelte Möglichkeit eines Widerrufs bringt eine inhaltsleere Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, die weder die rechtlichen und tatsächlichen Wirkungen des ausgesprochenen Hausverbots begrenzt noch dem Antragsteller eine erkennbare Perspektive eröffnet. Damit allein ist dem Gebot der Angemessenheit nicht Rechnung getragen. Zudem fragt sich, ob ein beide Häuser umfassendes Hausverbot erforderlich und angemessen ist, insbesondere da sich die Antragsgegnerin mit einem solchen alle zur Verfügung stehenden Obdachlosenunterkünfte umfassenden Hausverbot sehenden Auges der Möglichkeit beraubte, ihrer Gefahrenabwehraufgabe durch Unterbringung des Antragstellers nachzukommen. Insoweit kam eine Beschränkung des Hausverbots auf das Gebäude zur Unterbringung der Ehefrau in Betracht, so dass dem Antragsteller im Nachbargebäude Unterkunft hätte gewährt werden können. Dies hätte den Eheleuten zudem eine weitergehende Aufrechterhaltung ihrer ehelichen Gemeinschaft ermöglicht, ohne der Ehefrau die Rückzugsmöglichkeit in eine eigene geschützte Umgebung zu nehmen. Dabei verkennt die Kammer nicht die gesteigerten Probleme, die Einhaltung eines in dieser Weise räumlich beschränkten Hausverbots zu überprüfen und durchzusetzen, doch rechtfertigen diese im Zuschnitt der von der Antragsgegnerin vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte begründeten tatsächlichen Schwierigkeiten es voraussichtlich nicht, den Antragsteller wie geschehen vollkommen von der Unterbringung auszuschließen. Im vorliegenden Verfahren genügt es indes festzustellen, dass die weitere Aufrechterhaltung des Hausverbots rechtswidrig sein dürfte, so dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung angezeigt ist. ..."
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Von einem im Wohnungsbereich tätigen gewerblichen Unternehmer ist im Fall der Beschlagnahme einer Wohnung zum Zwecke der Obdachloseneinweisung zu verlangen, daß gegebenenfalls durch eigene Anstrengungen nachgewiesen wird, daß anderweitiger Wohnraum zur Verfügung steht, in den obdachlose Personen eingewiesen werden können (VG Frankfurt, Entscheidung vom 28.11.1989 - V/V H 2820/89).
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§ 2 Aufgabenabgrenzung
Die Ordnungsbehörden (allgemeine Ordnungsbehörden, Sonderordnungsbehörden) und die Polizeibehörden werden in Erfüllung der Aufgaben der Gefahrenabwehr außer in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 nur tätig, soweit die Abwehr der Gefahr durch andere Behörden, die Aufgaben der Gefahrenabwehr zu erfüllen haben, nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Die sonstigen Aufgaben der Gefahrenabwehr sind allgemeine Verwaltungsaufgaben. Sie sind von den Landkreisen und Gemeinden zu erfüllen, soweit nicht die Zuständigkeit einer Behörde der Landesverwaltung durch Rechtsvorschrift begründet ist.
§ 3 Geltungsbereich
(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden Anwendung bei der Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr und weiterer Aufgaben nach § 1. Vorschriften des Bundes- oder des Landesrechts, in denen die Gefahrenabwehr und die weiteren Aufgaben besonders geregelt sind, gehen diesem Gesetz vor. Soweit die besonderen Rechtsvorschriften keine abschließenden Regelungen enthalten, ist dieses Gesetz ergänzend anzuwenden.
(2) Bei der Gefahrenabwehr sowie bei der Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind die Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden.
(3) Bei der Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind die Vorschriften der §§ 55 bis 62 über die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges anzuwenden, soweit die Strafprozessordnung keine abschließenden Regelungen enthält.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der Bauaufsichtsbehörde obliegt es, nach pflichtgemäßer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob sie von ihrer Befugnis, gegen eine ungenehmigte Nutzung oder ungenehmigte Veränderungen einzuschreiten, Gebrauch macht, wie sie davon Gebrauch macht und gegen wen sie vorgeht, wenn mehrere Personen für die ungenehmigte Nutzung oder Veränderung verantwortlich sind. Das kann gemäß §§ 3 Abs. 1, 6 HSOG derjenige sein, der die Anlage formell rechtswidrig nutzt bzw. die Veränderungen formell rechtswidrig vorgenommen hat (Verhaltensstörer), oder der Eigentümer, der für den Zustand des Grundstücks und des Gebäudes verantwortlich ist (Zustandsstörer gemäß §§ 3 Abs. 1, 7 HSOG). Gegen wen die Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall vorgeht, liegt in ihrem Auswahlermessen. Dies gilt auch für den Fall, dass als Gefahrenabwehrmaßnahme die Verpflichtung ausgesprochen wird, Bauvorlagen einzureichen (so auch Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2002, Art. 83 Rdnr. 314; VGH Hessen, Beschluss vom 14.03.2003 - 9 TG 2894/02).
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§ 4 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen haben die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden diejenigen Maßnahmen zu treffen, die die einzelne Person und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.
(2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.
(3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.
Leitsätze/Entscheidungen:
Im Abschiebungsverfahren ist die Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung zum Zwecke der Auffindung von Ausweispapieren nur dann zulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer solche Dokumente tatsächlich besitzt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.07.2006 - 20 W 181/06 zu Art. 13 Abs. 1 GG, §§ 4, 38 Abs. 1, 39 Abs. 1, 47 Abs. 5 HSOG, § 12 FGG):
... I. Nachdem der Asylantrag des Betroffenen rechtskräftig abgelehnt worden und die gegen ihn ergangene Abschiebungsandrohung seit 6. Dezember 2005 vollziehbar war, forderte der Antragsteller den Betroffenen mit Verfügung vom 27. Januar 2006 unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung bis zum 8. Februar 2006 zur Klärung seiner ausländerrechtlichen Situation zur Vorsprache bei der Ausländerbehörde und Vorlage von Passbildern, eines Flugtickets zur beabsichtigten Ausreise sowie eines Passes oder Nachweises über dessen Beantragung auf. Der Bevollmächtigte des Betroffenen beantragte daraufhin unter dem 1. Februar 2006 die Erteilung einer Duldung, da eine Abschiebung derzeit wegen Passlosigkeit unmöglich sei.
Auf Antrag des Antragstellers ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 2. Februar 2006 die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen zum Zwecke seiner Ergreifung und Auffinden seiner Ausweispapiere an und führte zur Begründung aus, es sei zu befürchten, dass der Betroffene Deutschland nicht freiwillig verlassen, sich seiner beabsichtigten Abschiebung nicht stellen und den Beamten den Zutritt zu seiner Wohnung verweigern werde, so dass die angeordnete Maßnahme zur Sicherung der Vollziehung der Abschiebung als geeignetes Mittel erforderlich sei.
Die Durchsuchung wurde am 14. Februar 2006 vollzogen. Dabei wurde ein Pass des nicht angetroffenen Betroffenen, der sich nach Angaben seines Bruders überwiegend bei seiner Freundin in O1 aufhalten soll, nicht aufgefunden.
Der Betroffene legte am 15. Februar 2006 gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 2. Februar 2006 Beschwerde ein, der die Amtsrichterin mit der Begründung, es stehe nicht fest, dass der Betroffene nicht über einen Pass verfüge, nicht abhalf.
Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 27. April 2006 zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, da der Betroffene der mit Verfügung vom 27. Januar 2006 angeordneten Vorlage von Pass oder Reisedokumenten bzw. eines Nachweises über deren Beantragung nicht nachgekommen sei, sei die Wohnungsdurchsuchung zur Überprüfung der Angabe des Betroffenen, nicht über einen Pass oder entsprechende Ersatzpapiere zu verfügen, zulässig gewesen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der weiteren Beschwerde, mit der er insbesondere geltend macht, es hätten keinerlei Verdachtsmomente dafür vorgelegen, dass er entgegen seinen bisherigen wiederholten Angaben im Besitze eines Passes gewesen sei.
II. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 19 , 20 , 27 FGG i. V. m. §§ 38 HSOG statthaft. Insbesondere erweist sich das Rechtsmittel auch nach der Vollziehung der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen noch als zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass im Hinblick auf die Schwere des mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG der Betroffene nicht nur im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, sondern auch bei nach Polizei- und Ordnungsrecht angeordneten Durchsuchungen nach deren Vollstreckung ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse hat, das sich nunmehr auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der gerichtlich angeordneten Maßnahme richtet (vgl. BVerfG Beschluss vom 19. Juni 1997, StV 1997, 505).
Das zulässige Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht ( §§ 27 Abs. 1 FGG , 546 ZPO ).
Nach §§ 47 Abs. 5, 39 Abs. 1, 38 Abs. 1 HSOG darf das Amtsgericht die Durchsuchung einer Wohnung anordnen, soweit es der Zweck der zwangsweisen Durchsetzung eines ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Verwaltungsaktes erfordert. Dabei soll der auf Art. 13 Abs. 2 GG beruhende Richtervorbehalt eine vorbeugende Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffes gewährleisten (BVerfG NJW 2002, 1333). Dies erfordert eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Amtsrichter, ob die im Antrag behaupteten Voraussetzungen erfüllt sind und unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechtes und des in § 4 HSOG konkretisierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Durchsuchungsanordnung rechtfertigen. Des weiteren bedarf es auch im Falle einer auf Polizei- und Ordnungsrecht beruhenden Durchsuchungsanordnung einer hinreichend konkreten Begründung, die geeignet ist, eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG NJW 2002, 1941 und zuletzt Beschluss vom 3. Juli 2006 - 2 BvR 2030/04 - dok. bei Juris jeweils zur strafrechtlichen Durchsuchung). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung kann es dabei nur auf den Sachverhalt ankommen, der für den Amtsrichter zum Zeitpunkt seiner Entscheidung - gegebenenfalls nach Durchführung der möglichen und nach § 12 FGG erforderlichen Ermittlungen - erkennbar war ( vgl. BVerfG NJW 2003, 1513 [BVerfG 18.12.2002 - 2 BvR 1910/02] ; OLG Hamm Beschluss vom 27. Mai 2004 - 15 W 307/03 - dok. bei Juris).
Danach erweist sich die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung im Beschluss vom 2. Februar 2006 als rechtsfehlerhaft. Soweit das Landgericht auf die zwangsweise Durchsetzung der mit Verfügung vom 27. Januar 2006 angeordneten Vorlage des Passes oder Nachweises über deren Beantragung verwiesen hat, wird bereits verkannt, dass dem Betroffenen in dieser Verfügung eine Frist bis zum 8. Februar 2006 gesetzt worden war, so dass es zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung bereits aus diesem Grund offensichtlich an einer Vollziehbarkeit fehlte.
Soweit die Vorinstanzen zur Rechtfertigung der Durchsuchung auf die Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise im Wege der Abschiebung abgestellt haben, steht dem entgegen, dass keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Betroffene im Besitz eines für seine Abschiebung benötigten iranischen Passes ist und sich dieser in der Wohnung befand.
Zwar ist in einer Mitteilung der Ausländerbehörde an den Sicherheits- und Ordnungsdienst - AG Ausländer- (Bl. 136) vermerkt, der Pass des Betroffenen müsse sich in dessen Besitz befinden, dies solle überprüft und gegebenenfalls der Pass sichergestellt werden. Diese Annahme der Ausländerbehörde findet jedoch in der vorgelegten Akte keine Stütze. Vielmehr hat der Betroffene stets behauptet, keinen Reisepass zu besitzen und mit einem gefälschten türkischen Reisepass, den ihm der Schlepper anschließend abgenommen habe, in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Bezüglich der in der Akte befindlichen Passkopie hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei ausweislich des Inhaltes und des Passbildes gerade nicht um einen Ausweis des Betroffenen, sondern um den iranischen Nationalpass des Onkels des Betroffenen handelt, der als Kopie zur Akte genommen wurde, als dieser bei der Ausländerbehörde des Landkreises ... im Rahmen einer psychiatrischen Untersuchung des Betroffenen entsprechend seiner zuvor bekundeten Bereitschaft als Dolmetscher fungierte.
Soweit das Amtsgericht in seinem Beschluss ausgeführt hat, mehrere Versuche zur Festnahme des unter der angegebenen Adresse wohnhaften und amtlich gemeldeten Betroffenen seien gescheitert, lässt sich dies aus der vorgelegten Akte nicht entnehmen.
Auch die in der Nichtabhilfeentscheidung der Amtsrichterin angegebene Begründung, es stehe keinesfalls fest, dass der Betroffene nicht über einen Pass verfügte, reicht zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffes der Wohnungsdurchsuchung nicht aus. Vielmehr hätte in der Durchsuchungsanordnung dargelegt werden müssen, worauf sich die Annahme stützt, es bestehe der begründete Verdacht, dass der Betroffene entgegen seinen Angaben noch im Besitz von Ausweispapieren sei.
Ob und welche weiteren Angaben zur Erlangung des Durchsuchungsbeschlusses beim Amtsgericht seitens der Antragstellerin gemacht wurden, kann nicht festgestellt werden, da sich ein solcher Antrag nicht in der Akte befindet.
Des Weiteren lässt sich die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung auch nicht allein mit der Erwägung des Landgerichts rechtfertigen, nachdem der Betroffene der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen sei, bestehe für die Ausländerbehörde ein Anlass, dessen Angabe, nicht über einen Pass zu verfügen, im Wege einer Wohnungsdurchsuchung zu überprüfen. ..."
*** (VG)
Es erscheint unverhältnismäßig, wenn eine Landesverordnung über das Halten und Führen von Hunden das Führen eines als gefährlich geltenden, gelisteten Hundes ausnahmslos verbietet, wenn dieser Hund in einem anderen Bundesland gehalten wird und dort nicht als gefährlicher Hund gilt, so dass der Halter eine Haltererlaubnis auch nicht erhalten kann (VG Kassel, Beschluss vom 08.09.2011 - 4 L 1020/11.KS).
***
Zur Rechtswidrigkeit eines Nutzungsverbots mit Sofortvollzug für eine Mobilfunksendeanlage (VG Gießen, Beschluss vom 18.06.2002 - 1 G 1689/02).
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Die Anordnung eines Platzverweises i.S. des § 31 HessSOG ist nur vorübergehend rechtlich zulässig. Längere Aufenthaltsverbote können nicht auf die Befugnisnorm des § 31 HessSOG gesützt werden. Ein Aufenthaltsverbot kann nach hessischem Landesrecht nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 11 HessSOG ausgesprochen werden. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit eines ausgesprochenen Aufenthaltsverbots (VG Frankfurt, Urteil vom 21.02.2002 - 5 E 4962/01 (V)).
§ 5 Ermessen, Wahl der Mittel
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden treffen ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen.
(2) Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Der betroffenen Person ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes, ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine "Nacht-Tanz-Demo", mit der auch bestimmte kulturpolitische Ziele verfolgt werden, genießt den verfassungsrechtlichen Schutz der Versammlungsfreiheit i.S. des Art. 8 I GG. Eine gem. § 15 VersG erlassene Auflage, die für die Durchführung einer von 22 bis 4 Uhr in der Frühe angemeldeten und zum Teil durch Mischgebiete führenden "NachtTanz-Demo" bestimmt, dass bei allen mitgeführten und betriebenen Verstärkeranlagen die abgestrahlte Lautstärke auf 85 db (A) Einwirkungswert zu begrenzen ist, trägt dem gem. Art. 2 III 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Ruhebedürfnis der Anwohner der Demonstrationsroute nicht in gebührender Weise Rechnung. Zur Anwendung der TALärm im Versammlungsrecht (VG Frankfurt, Beschluss vom 28.02.2001 - 5 G 4360/00 (3)).
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§ 6 Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen
(1) Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen diese Person zu richten.
(2) Ist die Person noch nicht vierzehn Jahre alt, so können die Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die zur Aufsicht über sie verpflichtet ist. Ist für die Person eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt, so können die Maßnahmen auch gegen die Betreuerin oder den Betreuer im Rahmen des jeweiligen Aufgabenkreises gerichtet werden.
(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, die Gefahr in Ausführung der Verrichtung, so können Maßnahmen auch gegen diejenige Person gerichtet werden, die die andere Person zu der Verrichtung bestellt hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Mit der Zug um Zug gegen die Herausgabe eines abgeschleppten Fahrzeugs nach § 43 Abs.3 Sätze 4 und 5 HSOG getätigten Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten leistet der Abholberechtigte auch dann auf die späterhin durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostenschuld, wenn nicht er, sondern eine andere Person der oder die Kostenverantwortliche ist (VGH Hessen, Beschluss vom 20.09.2006 - 11 UE 2545/05 zu BGB §§ 116, 267, § 812 Abs. 1, HSOG §§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, 43 Abs. 3, § 49 Abs. 1):
... Der Kläger begehrt die Rückzahlung von ihm bezahlter Kosten und Auslagen für das Abschleppen seines Kraftfahrzeugs in Höhe von 119,- EUR sowie eine Kostenlastenentscheidung, aufgrund derer ihm die anlässlich des Widerspruchsverfahrens (Nr. 7/409/03) gegen die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 33,35 EUR erstattet werden.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Ergehen des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt wird gem. § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 30. Juni 2005 das Klagebegehren wegen zwischenzeitlich eingetretener Erledigung insoweit abgewiesen, als es auf die Erstattung der durch das Widerspruchsverfahren verursachten Kosten gerichtet war. Im Übrigen hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozent, genauer: fünf Prozentpunkten, über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2004 zu zahlen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Kläger einen öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung der von ihm bei Abholung des Fahrzeugs im Voraus entrichteten Abschleppkosten habe. Eine Rechtsgrundlage für das Behalten des Kostenbetrages sei nicht vorhanden, nachdem der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid wegen nicht gegebener Kostenverantwortlichkeit aufgehoben worden sei. § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG würde insoweit ebenso keine Rechtsgrundlage bieten. Schließlich hätte der Kläger auch nicht gemäß § 267 BGB auf die Schuld einer anderen Person, nämlich der Fahrerin des verbotswidrig geparkten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 30. Juni 2005 - Az. 5 E 2374/04) Fahrzeugs geleistet. Voraussetzung für die Annahme einer Leistung zu Gunsten der Schuld eines Dritten sei, dass der Dritte mit für den Gläubiger erkennbarem Fremdtilgungswillen leiste. Da einem Schweigen im Rechtsverkehr keine Bedeutung zukomme, fehle es vorliegend an dem Nachweis eines Fremdtilgungswillens. Allein aus dem Umstand, dass der Fahrzeugabholer, hier der Kläger, die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme entrichte, weil ansonsten das Fahrzeug nicht herausgegeben würde, lasse sich kein Fremdtilgungswille schließen. Der Zinsanspruch folge aus dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 BGB.
Zur Begründung der gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil von der Beklagten im Umfang ihrer Beschwer erhobenen und vom Senat mit Beschluss vom 30. September 2005 (Az. 11 UZ 2192/05) zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nach § 43 Abs. 3 Sätze 4, 5 HSOG befugt gewesen sei, die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs von der Zahlung der voraussichtlichen Sicherstellungskosten abhängig zu machen und das beauftragte Abschleppunternehmen zu ermächtigen, die Zahlung dieser Kosten in Empfang zu nehmen. Die Zahlung, die der Kläger zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeugs am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen geleistet habe, sei eine Zahlung für denjenigen gewesen, der sich als heranzuziehender Kostenverantwortlicher erweisen würde. Weil er auf der Zahlungsquittung keinen Vorbehalt vermerkt habe, wonach er die Leistung nur für den Fall erbringen würde, dass er selbst als Kostenverantwortlicher festgestellt würde, habe der Kläger daher am 30. April 2003 die Kosten vorgeschossen, die die Beklagte später gegen die Fahrerin des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs als Kostenschuldnerin festgesetzt habe. Der gegen sie ergangene Kostenbescheid enthalte dementsprechend die Mitteilung, dass die Kostenschuld bereits beglichen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger diese Tilgungsbestimmung auf die für ihn fremde Schuld nicht ausdrücklich erklärt habe. Denn maßgeblich sei insofern nicht sein innerer Wille, sondern der Empfängerhorizont, wie also das Abschleppunternehmen als Empfangsbote der Beklagten und somit die Beklagte das Verhalten des Klägers hätte verstehen dürfen. Sein Verhalten sei demnach als Zahlung für den Kostenverantwortlichen zu verstehen, wer immer dies auch sei. Wenn die Beklagte, wie vorliegend, noch keine Kenntnis davon haben könne, wer der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs sei, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht für den Kostenverantwortlichen erfolgt sei. Ein stillschweigender Vorbehalt des Abholberechtigten, wie hier des Klägers, die Abschleppkosten nicht für diejenige dritte Person auszulegen, die das Fahrzeug gefahren und daher die Kosten zu tragen habe, sei unbeachtlich. Der Zahlungsempfänger müsse nicht damit rechnen, dass der Abholer nicht wisse, ob er der Fahrer gewesen sei. Vielmehr wisse der Abholberechtigte stets, wenn er nicht der Fahrer gewesen sei. Für diesen Fall könne erwartet werden, dass er einen Vorbehalt, nicht auf die Kostenschuld des Fahrers zu leisten, ausdrücklich erkläre. Ein anderes Ergebnis würde dem Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG widersprechen. Die dadurch für den Abholberechtigten eintretenden Folgen seien auch nicht unbillig. Zwar würde die Erklärung eines ausdrücklichen Vorbehalts die Unbequemlichkeit nach sich ziehen, vor Herausgabe des Wagens eine Zahlung durch den Fahrzeugführer veranlasst haben zu müssen. Jedoch stelle es andererseits keine unzumutbare Belastung für einen abholberechtigten Fahrzeughalter dar, zur Vermeidung dieser Unbequemlichkeit die Abschleppkosten vorzustrecken und sodann beim Fahrzeugführer um Ausgleich nachzusuchen. In vorliegendem Fall stünde der aus Empfängersicht anzunehmenden Bestimmung, die Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten sei personenunabhängig für den Kostenverantwortlichen erfolgt, auch nicht entgegen, dass der Kläger späterhin, im Widerspruchsverfahren gegen die Abschleppmaßnahme, die Person, die den Wagen gefahren sei, benannt und daher die Rückerstattung der von ihm beglichenen Kosten verlangt habe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 - 5 E 481/04 (3) - die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr die Zahlung von 119,- EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 an den Kläger begehrt wird. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe keine Leistung auf fremde Schuld erbracht. Vielmehr habe er zum Zeitpunkt der Zahlung an den Abschleppunternehmer eine eigene Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld geleistet. Diese Leistung habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass zum einen überhaupt eine Forderung und zum anderen diese gegen ihn tatsächlich bestanden habe. Dieser Vorbehalt könne auch stillschweigend erklärt werden. Insoweit verweist der Kläger auf die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung. Des Weiteren bestreitet er, dass der Abschleppunternehmer als Empfangsbote der Beklagten die Zahlung als Zahlung für den Kostenverantwortlichen verstehen durfte. Vielmehr dürfe es nach der Verkehrsanschauung eine übliche Annahme sein, dass der Halter eines Fahrzeugs für den - gängigen - Fall, dass er nicht der Fahrer des Fahrzeugs sei, die Abschleppkosten nicht auf die vermeintliche Schuld des Fahrzeugsführers zahle, sondern zu dem Zweck, das Fahrzeug zu erhalten. Daher könne der Abschleppunternehmer eine Zahlung auch dann nicht als Leistung auf eine fremde Schuld ansehen, wenn es an einem schriftlich fixierten Vorbehalt fehle. Dafür würden auch die häufigen Fälle in der Praxis sprechen, in denen der Halter dem Abschleppunternehmer mündlich mitteilt, wer tatsächlicher Kostenverantwortlicher sei. Doch selbst wenn angenommen werde, der Kläger habe vorliegend mangels einer ausdrücklichen Vorbehaltserklärung auf eine für ihn fremde Schuld geleistet, so sei zu berücksichtigen, dass es einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt gleichstehe, wenn die Zahlung nicht freiwillig, sondern zur Vermeidung eines drohenden Nachteils unter Druck oder Zwang, beispielsweise zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich eines dringend benötigten Gegenstandes, geleistet werde. So läge es hier: Der Kläger habe die Abschleppkosten nicht freiwillig geleistet, sondern nur deshalb, weil er sein Fahrzeug dringend benötigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO einverstanden erklärt. ...
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 zu zahlen.
Die insoweit zulässigerweise erhobene Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der 119,- EUR nebst Zinsen nicht zu. Als Grundlage des klägerischen Begehrens kommt nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dieser ist als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts auf die Rückgewährung rechtsgrundlos erlangter Leistungen gerichtet. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat die vom Kläger zurückgeforderte Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher nicht zu deren Herausgabe verpflichtet.
Allerdings scheidet der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 als möglicher Rechtsgrund der Zahlung aus. Der Bescheid wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 22. September 2003 aufgehoben, weil nicht der Kläger, sondern die von ihm benannte dritte Person als Verantwortliche für die durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten und Gebühren in Anspruch zu nehmen war. Daraus folgt jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die 119,- EUR wie gefordert zurückzuerstatten. Denn dass der Kläger diesen Betrag zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeuges am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen gezahlt hat, findet seinen rechtlichen Grund in §§ 43 Abs. 3 Sätze 4 und 5 HSOG in Verbindung mit § 267 BGB analog.
Wenn im Wege einer unmittelbaren Ausführung (§ 8 Abs. 1 HSOG) eine Sache, wie vorliegend das abgeschleppte Fahrzeug des Klägers, in Verwahrung genommen worden ist, kann gemäß § 43 Abs. 3 Sätze 3, 4 HSOG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 3 HSOG die Herausgabe der Sache von der Zahlung der voraussichtlichen Kosten abhängig gemacht werden. Bei dieser Zahlung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Leistung, die der Kostenschuldner in Person zu leisten hat. Das gesetzlich eingeräumte Recht, die Sache nur Zug um Zug gegen die Begleichung der durch die Verwahrung bzw. die Abschleppmaßnahme voraussichtlich entstandenen Kosten herauszugeben, dient allein dem Zweck, die Erfüllung des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG gegebenen und schließlich durch nachfolgenden Kostenbescheid festgesetzten Kostenersatzanspruchs sicherzustellen. Ebenso wenig wie die Tilgung dieser Kostenschuld als eine höchstpersönliche Leistungsverpflichtung qualifiziert werden kann, lassen sich dem § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG irgendwelche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nur derjenige durch die Vorauszahlung auf die Kostenschuld die Auslösung der verwahrten Sache soll erreichen können, der im konkreten Fall auch der nach § 6 oder § 7 HSOG Kostenverantwortliche ist. Die Regelungen entsprechen demnach dem Gedanken, dass der Gläubiger jedenfalls bei Schuldverhältnissen, die eine Forderung zum Gegenstand haben, im Allgemeinen nur an der Herbeiführung des Leistungserfolgs, nicht aber an der Person des Leistenden interessiert ist. Daraus folgt, dass nach dem auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse entsprechend anwendbaren § 267 BGB (vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, § 267 Rn. 1) die geschuldete Leistung, hier die Erstattung der Verwahr- bzw. Abschleppkosten, auch durch einen Dritten bewirkt werden kann. Dritter in diesem Sinne ist derjenige, der nicht selbst als Schuldner bzw. Kostenverantwortlicher in Betracht kommt und daher nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit leistet.
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger im vorliegendem Fall als Dritter im Sinne des § 267 BGB auf die für ihn fremde, in der Person der Verantwortlichen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG bestehende Kostenschuld geleistet, als er bei der Abholung seines Fahrzeugs die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 119,- EUR bezahlte. Da er nicht selbst der Fahrer des Fahrzeugs und somit Verursacher der Abschleppmaßnahme war und daher die dadurch entstandene Kostenlast weder allein noch als Gesamtschuldner (vgl. §§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 43 Abs. 3 Satz 2 HSOG, § 421 BGB ) zu verantworten hat, handelte er dabei nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.
Zur Empfangnahme dieser Vorauszahlung konnte gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 HSOG, wie vorliegend geschehen, der Abschleppunternehmer von der Ordnungsbehörde der Beklagten ermächtigt werden. Als Erklärungs- und Empfangsbote war er berechtigt, für die Beklagte die Zahlung des Klägers entgegen zu nehmen und ihm gegenüber das Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG geltend zu machen (vgl. HessVGH, Urteil vom 14. August 2003 - 11 UE 1204/00 -, mit weit. Nachw.).
Eine Verpflichtung der Beklagten, diese Zahlung nach den Regeln des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs an den Kläger wieder auszukehren, bestünde daher nur dann, wenn sie rechtsgrundlos erfolgt wäre. Im Verhältnis zwischen der Beklagten als Gläubigerin der Kostenforderung und dem Kläger als Drittleistendem würde es an der Berechtigung für das Behaltendürfen der Zahlung fehlen, wenn die Kostenforderung, die der Kläger tilgen wollte, nicht bestanden hätte oder wenn die Zahlung ohne den erforderlichen Fremdtilgungswillen erfolgt wäre. Beides ist nicht der Fall. Dabei kann es hier dahinstehen, ob nach zivilrechtlicher Auffassung zu § 812 Abs. 1 BGB , dessen Rechtsgedanke, eine ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben zu müssen, auch dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch innewohnt, das Rückforderungsbegehren des Klägers daran scheitert, dass in Dreiecksverhältnissen, wie dem vorliegenden, eine Bereicherung des Gläubigers wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungskondiktion in der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Schuldner auszugleichen ist, oder daran, dass die Beklagte die Zahlung, die mangels einer zum Kläger bestehenden (echten) Leistungsbeziehung als sonstige Zuwendung zu qualifizieren ist, nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erlangt hat.
Die Kostenschuld, auf die der Kläger die Vorauszahlung leistete, bestand in der Person der von ihm als Fahrzeugführerin benannten anderen Person. Weil sie die Abschleppmaßnahme verursacht hat, ist sie diejenige Verantwortliche, die gemäß § 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG die Kosten der Maßnahme zu tragen hat. Allerdings entsteht die Rechtspflicht zur Erstattung dieser Kosten erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids. Erst dieser setzt auf der Grundlage der genannten Vorschriften den zu erstattenden Kostenbetrag und den pflichtigen Kostenschuldner fest. Regelmäßig und so auch im vorliegenden Fall ist daher zu dem Zeitpunkt, in dem die Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs gegen die Vorauszahlung der Abschleppkosten erfolgt, der konkrete Kostenerstattungsanspruch noch nicht entstanden. Dies steht jedoch einem Rechtsgrund für die Drittleistung des Klägers nicht entgegen. Ebenso wenig wie die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts setzt die Vorauszahlung der Abschleppkosten nach der gesetzlichen Konstruktion voraus, dass die Kostenforderung bereits in einem Leistungsbescheid tituliert sein müsste (vgl. auch HessVGH, a.a.O.). Indem § 43 Abs. 3 Satz 3 HSOG im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG die Rechtsgrundlage für die Vorschusspflicht auf die Kostenforderung normiert, liefert die Vorschrift zugleich den Rechtsgrund für die Erfüllung dieser Vorschusspflicht durch denjenigen, demgegenüber die Herausgabe der verwahrten Sache nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSOG bewirkt werden kann. Der Kläger hat daher die 119,- EUR nicht auf eine Scheinforderung bzw. an einen Scheingläubiger geleistet, sondern der gesetzlichen Regelung entsprechend auf den voraussichtlichen, durch den Erlass des Kostenbescheids gleichsam aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Pflichtige im Voraus bezahlt.
Dabei handelte er auch mit dem notwendigen Fremdtilgungswillen, d.h. mit dem Willen, die Kostenschuld der Pflichtigen in der zum Zeitpunkt der Zahlung voraussichtlichen Höhe zu erfüllen. Insoweit kommt es, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, nicht auf den inneren Willen des Klägers, sondern darauf an, wie der Gläubiger, mithin der Abschleppunternehmer als Erklärungs- und Empfangsbote der Beklagten sein Verhalten verstehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 - VII ZR 71/76, BGHZ 72, 248 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76] ; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; Heinrichs, in: Palandt, a.a.O, § 267 Rn. 3). Nach der somit maßgeblichen Empfängersicht erfolgt die zur Auslösung des Fahrzeugs nach § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG vorgenommene Vorauszahlung der Abschleppkosten zugunsten desjenigen, der die Kostenlast der Abschleppmaßnahme zu tragen hat. Dass die konkrete Person des oder der Kostenverantwortlichen erst nachträglich mit dem Erlass des Kostenbescheids rechtsverbindlich bestimmt ist, folglich für den Empfänger zum Zeitpunkt der Vorauszahlung noch nicht feststeht, steht dem nicht entgegen, sondern ist Folge der gesetzlichen Regelung.
Zwar stellt sich aus objektiver Empfängersicht die Vorauszahlung bei Abholung des Fahrzeugs, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte, insbesondere eine vom Leistenden ausdrücklich erklärte Tilgungsbestimmung, etwas anderes veranlassen, entweder als Zahlung auf eine eigene Kostenschuld des Fahrzeugabholers oder als Zahlung auf eine für diesen fremde Kostenschuld dar. Weil der Empfänger jedoch nicht damit rechnen muss, dass der Zahlende nicht weiß, ob er der Verursacher und damit der Schuldner der Abschleppkosten ist, vielmehr davon ausgehen kann, dass der Zahlende weiß, wenn er nicht der Verantwortliche ist und daher nicht auf eine eigene, sondern auf eine fremde Schuld leistet, durfte er die Zahlung, wiederum sofern konkrete Anhaltspunkte nichts anderes veranlassen, als Drittleistung zugunsten derjenigen Person verstehen, deren Kostenverantwortung zum Zeitpunkt der Zahlung materiellrechtlich besteht und im nachfolgenden Leistungsbescheid rechtsverbindlich bestimmt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass dem Drittleistenden eine nachträgliche Vorbehaltserklärung, die Vorauszahlung nicht auf die Schuld des oder der (anderen) Kostenverantwortlichen getätigt zu haben, verwehrt ist. Die Möglichkeit, nach der Zug um Zug gegen die Vorauszahlung erlangten Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs einwenden zu können, die Zahlung sei nicht zur Tilgung der voraussichtlichen Kostenschuld erfolgt, widerspräche dem Sinn und Zweck des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG, das fiskalische Interesse an dem Inkasso der Abschleppkosten sicherzustellen. Im Übrigen stünde dem auch der Gedanke unzulässiger Rechtsausübung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium entgegen, weil derjenige, der in Kenntnis seiner nicht bestehenden Kostenschuld gleichwohl die Herausgabe des Fahrzeugs bewirkt, weiß, dass seine Vorauszahlung nur als Vorschuss auf die in der anderen Person bestehende Kostenschuld gelten kann. Wer aber weiß, dass er nicht selbst zur Leistung verpflichtet ist, kann das gleichwohl zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückfordern (Rechtsgedanke aus § 814 BGB ). Es ist daher vorliegend ohne Belang, dass der Kläger in seinem Widerspruch gegen den zunächst an ihn gerichteten und späterhin aufgehobenen Kostenbescheid die andere Person als Verantwortliche benannt und die Rückerstattung seiner Vorauszahlung verlangt hat.
Nach alldem konnte der Kläger die Deutung seiner Vorauszahlung, wie sie das Abschleppunternehmen vornehmen durfte, allein durch einen zum Zeitpunkt der Zahlung ausdrücklich erklärten Vorbehalt korrigieren, mit dieser nicht die Tilgung einer fremden Kostenschuld bewirken zu wollen. Das ist indes nicht geschehen. Ein etwaiger stillschweigender Vorbehalt genügt nicht und wäre entsprechend § 116 BGB unbeachtlich. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 43 Abs. 3 HSOG kommt seinem Schweigen vielmehr weitergehend insofern eine Erklärungswirkung im Sinne dessen zu, wie das Abschleppunternehmen sein Verhalten verstehen durfte, als er verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dieser Verpflichtung zur ausdrücklichen Erklärung steht es, entgegen dem klägerischen Vorbringen, nicht gleich, dass die Vorauszahlung aus der Sicht des nicht-kostenverantwortlichen Abholberechtigten vordergründig zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts, mithin zur Vermeidung des ihn treffenden Nachteils erfolgt, andernfalls nicht die Herausgabe des Fahrzeugs zu erlangen. Weil dieser Effekt der Vorschussregelung des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG gerade immanent ist, sperrt sie sich gegen eine solche Gleichsetzung.
Diese Rechtslage zieht zwar die Konsequenz nach sich, dass bei einer unter derartigem Vorbehalt stehenden Zahlung der Empfänger an dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG festhalten und die Herausgabe des Fahrzeugs verweigern kann. Daraus ergeben sich jedoch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Abholberechtigten, der nicht der Kostenschuldner ist und nicht auf die fremde Kostenschuld leisten will, verbleibt die Möglichkeit, die Vorauszahlung durch den Verursacher und damit Kostenverantwortlichen der Abschleppmaßnahme zu veranlassen. Dadurch wird er in seiner Rechtsstellung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Gerade weil die gesetzliche Regelung die Herausgabe des Fahrzeugs nicht von der Vorauszahlung der Abschleppkosten durch den Kostenschuldner abhängig macht, ist sie für den Betroffenen als zumutbar hinzunehmen. ..."
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Unterlässt es der Veräußerer eines Fahrzeugs entgegen § 27 III Satz 1 StVZO, der Zulassungsstelle den Namen und die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, trifft ihn grundsätzlich keine polizeirechtliche Verantwortlichkeit für das spätere rechtswidrige Abstellen des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 18. 5. 1999 - 11 UE 343/98 -, NJW 1999, 3650; VGH Kassel, Beschluss vom 14.02.2005 - 11 UZ 1879/04).
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Der Bauaufsichtsbehörde obliegt es, nach pflichtgemäßer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob sie von ihrer Befugnis, gegen eine ungenehmigte Nutzung oder ungenehmigte Veränderungen einzuschreiten, Gebrauch macht, wie sie davon Gebrauch macht und gegen wen sie vorgeht, wenn mehrere Personen für die ungenehmigte Nutzung oder Veränderung verantwortlich sind. Das kann gemäß §§ 3 Abs. 1, 6 HSOG derjenige sein, der die Anlage formell rechtswidrig nutzt bzw. die Veränderungen formell rechtswidrig vorgenommen hat (Verhaltensstörer), oder der Eigentümer, der für den Zustand des Grundstücks und des Gebäudes verantwortlich ist (Zustandsstörer gemäß §§ 3 Abs. 1, 7 HSOG). Gegen wen die Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall vorgeht, liegt in ihrem Auswahlermessen. Dies gilt auch für den Fall, dass als Gefahrenabwehrmaßnahme die Verpflichtung ausgesprochen wird, Bauvorlagen einzureichen (so auch Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2002, Art. 83 Rdnr. 314; VGH Hessen, Beschluss vom 14.03.2003 - 9 TG 2894/02).
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Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs, dessen Zustand den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung widerspricht, stellt einen Verstoß gegen § 16 StVZO dar und begründet deshalb eine polizeirechtliche Gefahr. Der Verkäufer eines Fahrzeugs verletzt seine Pflicht nach § 27 III 1 StVZO, der Zulassungsstelle unverzüglich die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, auch dann, wenn er fahrlässig eine falsche Adresse des Käufers mitteilt. Der frühere Eigentümer eines Kraftfahrzeugs ist nicht deshalb als Verhaltensstörer für die durch das rechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs eintretende polizeirechtliche Gefahr verantwortlich, weil er nach dem Verkauf des Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 27 III 1 StVZO der Zulassungsstelle die Adresse des Erwerbers nicht oder fahrlässig eine falsche Adresse mitgeteilt hat. Da sein Pflichtverstoß nicht kausal für den Eintritt der Gefahr ist, die durch das Abschleppen des Kraftfahrzeugs beseitigt wird, ist er nicht zum Ersatz der dadurch entstehenden Kosten verpflichtet (VGH Kassel, Urteil vom 18.05.1999 - 11 UE 343/98
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Abfallrechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind gegen die in Betracht kommenden polizeipflichtigen Personen zu richten (vgl. § 11 II HAbfAG); zivilrechtliche Haftungsnormen sind für die Bewertung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit einer Person nicht aussagekräftig (VGH Kassel, Entscheidung vom 24.08.1994 - 14 TH 1406/94).
*** (VG)
Für die Beseitigung drohender Obdachlosigkeit ist der Obdachlose nach den §§ 11, 6 HSOG selbst verantwortlich. Die Inanspruchnahme des Eigentümers der Wohnung, deren Räumung dieser betreibt, ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 HSOG (Nichtverantwortlicher) zulässig. Die grundsätzlich nach § 2 Satz 2 HSOG zuständige Verwaltungsbehörde hat nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 HSOG vor der Inanspruchnahme des nichtverantwortlichen Wohnungseigentümers ernsthafte und nachprüfbare Anstrengungen in Bezug auf eine anderweitige Unterbringung des Obdachlosen zu unternehmen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 HSOG verbietet es aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit zivilrechtlicher Räumungstitel zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 06.06.2011 - 8 L 1441/11.F)
§ 7 Verantwortlichkeit für den Zustand von Tieren und Sachen
(1) Geht von einem Tier oder einer Sache eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen die Inhaberin oder den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Die nachfolgenden für Sachen geltenden Vorschriften sind auch auf Tiere anzuwenden.
(2) Maßnahmen können auch gegen die Eigentümerin oder den Eigentümer oder eine andere berechtigte Person gerichtet werden. Dies gilt nicht, wenn die Inhaberin oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese ohne den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers oder der berechtigten Person ausübt.
(3) Geht die Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, so können die Maßnahmen gegen diejenige Person gerichtet werden, die das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Bauaufsichtsbehörde kann einen Grundstückseigentümer grundsätzlich auch dann nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW (juris: OBG NW) zur Gefahrenbeseitigung heranziehen, wenn daneben eine Zustandsverantwortlichkeit eines Erbbauberechtigten gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW (OBG NW) analog zu bejahen wäre. Die von § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW (juris: OBG NW) (analog) abgesteckten Verantwortungssphären des Erbbauberechtigten einerseits und des Grundstückseigentümers andererseits erstrecken sich grundsätzlich entlang der Grenzen zwischen Erbbaurecht und Grundstückseigentum, können aber auch abhängig von der jeweils abzuwehrenden konkreten Gefahrenlage ineinander übergehen oder sich decken (OVG Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.07.2012 - 2 B 748/12).
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Nach Freigabe eines Tanklagers kann der Insolvenzverwalter nicht als Betreiber im Rahmen der Gefahrenabwehr herangezogen werden. Die für eine Verhaltensverantwortlichkeit erforderliche alleinige Verfügungsbefugnis fehlt einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (VGH Kassel, Beschluss vom 11.09.2009 - 8 B 1712/09).
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Die bloße Wahrnehmung einer Gefahrenabwehrpflicht durch den Insolvenzverwalter als Zustandsverantwortlichem begründet für ihn keine Stellung als Betreiber einer Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (Tanklager). Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer wasseraufsichtsrechtlichen Maßnahme nach § 53 II HWG ist wie im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht der Zeitpunkt des Erlasses der behördlichen Anordnung. Die wasserrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 53 II HWG wird auch dann nicht durch die geräte- und produktsicherheitsrechtliche Vorschrift des § 15 GPSG verdrängt, wenn eine Anlage sowohl wasserrechtlichen als auch geräte- und produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen genügen muss und diese inhaltlich identisch sind. Bei dem die Durchführung eines Vorverfahrens ausschließenden Tatbestand der Nr. 13.4 der Anlage zu § 16a HessAGVwGO handelt es sich - wie bei der überwiegenden Mehrzahl der Tatbestände der Anlage zu § 16a HessAGVwGO - um eine statische Verweisung auf das darin bezeichnete Gesetz in einer bestimmten Fassung (VGH Kassel, Beschluss vom 20.04.2009 - 7 B 838/09).
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Mit der Zug um Zug gegen die Herausgabe eines abgeschleppten Fahrzeugs nach § 43 Abs.3 Sätze 4 und 5 HSOG getätigten Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten leistet der Abholberechtigte auch dann auf die späterhin durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostenschuld, wenn nicht er, sondern eine andere Person der oder die Kostenverantwortliche ist (VGH Hessen, Beschluss vom 20.09.2006 - 11 UE 2545/05 zu BGB §§ 116, 267, § 812 Abs. 1, HSOG §§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, 43 Abs. 3, § 49 Abs. 1):
... Der Kläger begehrt die Rückzahlung von ihm bezahlter Kosten und Auslagen für das Abschleppen seines Kraftfahrzeugs in Höhe von 119,- EUR sowie eine Kostenlastenentscheidung, aufgrund derer ihm die anlässlich des Widerspruchsverfahrens (Nr. 7/409/03) gegen die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 33,35 EUR erstattet werden.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Ergehen des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt wird gem. § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 30. Juni 2005 das Klagebegehren wegen zwischenzeitlich eingetretener Erledigung insoweit abgewiesen, als es auf die Erstattung der durch das Widerspruchsverfahren verursachten Kosten gerichtet war. Im Übrigen hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozent, genauer: fünf Prozentpunkten, über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2004 zu zahlen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Kläger einen öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung der von ihm bei Abholung des Fahrzeugs im Voraus entrichteten Abschleppkosten habe. Eine Rechtsgrundlage für das Behalten des Kostenbetrages sei nicht vorhanden, nachdem der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid wegen nicht gegebener Kostenverantwortlichkeit aufgehoben worden sei. § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG würde insoweit ebenso keine Rechtsgrundlage bieten. Schließlich hätte der Kläger auch nicht gemäß § 267 BGB auf die Schuld einer anderen Person, nämlich der Fahrerin des verbotswidrig geparkten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 30. Juni 2005 - Az. 5 E 2374/04) Fahrzeugs geleistet. Voraussetzung für die Annahme einer Leistung zu Gunsten der Schuld eines Dritten sei, dass der Dritte mit für den Gläubiger erkennbarem Fremdtilgungswillen leiste. Da einem Schweigen im Rechtsverkehr keine Bedeutung zukomme, fehle es vorliegend an dem Nachweis eines Fremdtilgungswillens. Allein aus dem Umstand, dass der Fahrzeugabholer, hier der Kläger, die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme entrichte, weil ansonsten das Fahrzeug nicht herausgegeben würde, lasse sich kein Fremdtilgungswille schließen. Der Zinsanspruch folge aus dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 BGB.
Zur Begründung der gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil von der Beklagten im Umfang ihrer Beschwer erhobenen und vom Senat mit Beschluss vom 30. September 2005 (Az. 11 UZ 2192/05) zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nach § 43 Abs. 3 Sätze 4, 5 HSOG befugt gewesen sei, die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs von der Zahlung der voraussichtlichen Sicherstellungskosten abhängig zu machen und das beauftragte Abschleppunternehmen zu ermächtigen, die Zahlung dieser Kosten in Empfang zu nehmen. Die Zahlung, die der Kläger zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeugs am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen geleistet habe, sei eine Zahlung für denjenigen gewesen, der sich als heranzuziehender Kostenverantwortlicher erweisen würde. Weil er auf der Zahlungsquittung keinen Vorbehalt vermerkt habe, wonach er die Leistung nur für den Fall erbringen würde, dass er selbst als Kostenverantwortlicher festgestellt würde, habe der Kläger daher am 30. April 2003 die Kosten vorgeschossen, die die Beklagte später gegen die Fahrerin des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs als Kostenschuldnerin festgesetzt habe. Der gegen sie ergangene Kostenbescheid enthalte dementsprechend die Mitteilung, dass die Kostenschuld bereits beglichen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger diese Tilgungsbestimmung auf die für ihn fremde Schuld nicht ausdrücklich erklärt habe. Denn maßgeblich sei insofern nicht sein innerer Wille, sondern der Empfängerhorizont, wie also das Abschleppunternehmen als Empfangsbote der Beklagten und somit die Beklagte das Verhalten des Klägers hätte verstehen dürfen. Sein Verhalten sei demnach als Zahlung für den Kostenverantwortlichen zu verstehen, wer immer dies auch sei. Wenn die Beklagte, wie vorliegend, noch keine Kenntnis davon haben könne, wer der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs sei, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht für den Kostenverantwortlichen erfolgt sei. Ein stillschweigender Vorbehalt des Abholberechtigten, wie hier des Klägers, die Abschleppkosten nicht für diejenige dritte Person auszulegen, die das Fahrzeug gefahren und daher die Kosten zu tragen habe, sei unbeachtlich. Der Zahlungsempfänger müsse nicht damit rechnen, dass der Abholer nicht wisse, ob er der Fahrer gewesen sei. Vielmehr wisse der Abholberechtigte stets, wenn er nicht der Fahrer gewesen sei. Für diesen Fall könne erwartet werden, dass er einen Vorbehalt, nicht auf die Kostenschuld des Fahrers zu leisten, ausdrücklich erkläre. Ein anderes Ergebnis würde dem Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG widersprechen. Die dadurch für den Abholberechtigten eintretenden Folgen seien auch nicht unbillig. Zwar würde die Erklärung eines ausdrücklichen Vorbehalts die Unbequemlichkeit nach sich ziehen, vor Herausgabe des Wagens eine Zahlung durch den Fahrzeugführer veranlasst haben zu müssen. Jedoch stelle es andererseits keine unzumutbare Belastung für einen abholberechtigten Fahrzeughalter dar, zur Vermeidung dieser Unbequemlichkeit die Abschleppkosten vorzustrecken und sodann beim Fahrzeugführer um Ausgleich nachzusuchen. In vorliegendem Fall stünde der aus Empfängersicht anzunehmenden Bestimmung, die Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten sei personenunabhängig für den Kostenverantwortlichen erfolgt, auch nicht entgegen, dass der Kläger späterhin, im Widerspruchsverfahren gegen die Abschleppmaßnahme, die Person, die den Wagen gefahren sei, benannt und daher die Rückerstattung der von ihm beglichenen Kosten verlangt habe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 - 5 E 481/04 (3) - die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr die Zahlung von 119,- EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 an den Kläger begehrt wird. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe keine Leistung auf fremde Schuld erbracht. Vielmehr habe er zum Zeitpunkt der Zahlung an den Abschleppunternehmer eine eigene Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld geleistet. Diese Leistung habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass zum einen überhaupt eine Forderung und zum anderen diese gegen ihn tatsächlich bestanden habe. Dieser Vorbehalt könne auch stillschweigend erklärt werden. Insoweit verweist der Kläger auf die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung. Des Weiteren bestreitet er, dass der Abschleppunternehmer als Empfangsbote der Beklagten die Zahlung als Zahlung für den Kostenverantwortlichen verstehen durfte. Vielmehr dürfe es nach der Verkehrsanschauung eine übliche Annahme sein, dass der Halter eines Fahrzeugs für den - gängigen - Fall, dass er nicht der Fahrer des Fahrzeugs sei, die Abschleppkosten nicht auf die vermeintliche Schuld des Fahrzeugsführers zahle, sondern zu dem Zweck, das Fahrzeug zu erhalten. Daher könne der Abschleppunternehmer eine Zahlung auch dann nicht als Leistung auf eine fremde Schuld ansehen, wenn es an einem schriftlich fixierten Vorbehalt fehle. Dafür würden auch die häufigen Fälle in der Praxis sprechen, in denen der Halter dem Abschleppunternehmer mündlich mitteilt, wer tatsächlicher Kostenverantwortlicher sei. Doch selbst wenn angenommen werde, der Kläger habe vorliegend mangels einer ausdrücklichen Vorbehaltserklärung auf eine für ihn fremde Schuld geleistet, so sei zu berücksichtigen, dass es einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt gleichstehe, wenn die Zahlung nicht freiwillig, sondern zur Vermeidung eines drohenden Nachteils unter Druck oder Zwang, beispielsweise zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich eines dringend benötigten Gegenstandes, geleistet werde. So läge es hier: Der Kläger habe die Abschleppkosten nicht freiwillig geleistet, sondern nur deshalb, weil er sein Fahrzeug dringend benötigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO einverstanden erklärt. ...
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 zu zahlen.
Die insoweit zulässigerweise erhobene Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der 119,- EUR nebst Zinsen nicht zu. Als Grundlage des klägerischen Begehrens kommt nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dieser ist als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts auf die Rückgewährung rechtsgrundlos erlangter Leistungen gerichtet. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat die vom Kläger zurückgeforderte Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher nicht zu deren Herausgabe verpflichtet.
Allerdings scheidet der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 als möglicher Rechtsgrund der Zahlung aus. Der Bescheid wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 22. September 2003 aufgehoben, weil nicht der Kläger, sondern die von ihm benannte dritte Person als Verantwortliche für die durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten und Gebühren in Anspruch zu nehmen war. Daraus folgt jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die 119,- EUR wie gefordert zurückzuerstatten. Denn dass der Kläger diesen Betrag zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeuges am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen gezahlt hat, findet seinen rechtlichen Grund in §§ 43 Abs. 3 Sätze 4 und 5 HSOG in Verbindung mit § 267 BGB analog.
Wenn im Wege einer unmittelbaren Ausführung (§ 8 Abs. 1 HSOG) eine Sache, wie vorliegend das abgeschleppte Fahrzeug des Klägers, in Verwahrung genommen worden ist, kann gemäß § 43 Abs. 3 Sätze 3, 4 HSOG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 3 HSOG die Herausgabe der Sache von der Zahlung der voraussichtlichen Kosten abhängig gemacht werden. Bei dieser Zahlung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Leistung, die der Kostenschuldner in Person zu leisten hat. Das gesetzlich eingeräumte Recht, die Sache nur Zug um Zug gegen die Begleichung der durch die Verwahrung bzw. die Abschleppmaßnahme voraussichtlich entstandenen Kosten herauszugeben, dient allein dem Zweck, die Erfüllung des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG gegebenen und schließlich durch nachfolgenden Kostenbescheid festgesetzten Kostenersatzanspruchs sicherzustellen. Ebenso wenig wie die Tilgung dieser Kostenschuld als eine höchstpersönliche Leistungsverpflichtung qualifiziert werden kann, lassen sich dem § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG irgendwelche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nur derjenige durch die Vorauszahlung auf die Kostenschuld die Auslösung der verwahrten Sache soll erreichen können, der im konkreten Fall auch der nach § 6 oder § 7 HSOG Kostenverantwortliche ist. Die Regelungen entsprechen demnach dem Gedanken, dass der Gläubiger jedenfalls bei Schuldverhältnissen, die eine Forderung zum Gegenstand haben, im Allgemeinen nur an der Herbeiführung des Leistungserfolgs, nicht aber an der Person des Leistenden interessiert ist. Daraus folgt, dass nach dem auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse entsprechend anwendbaren § 267 BGB (vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, § 267 Rn. 1) die geschuldete Leistung, hier die Erstattung der Verwahr- bzw. Abschleppkosten, auch durch einen Dritten bewirkt werden kann. Dritter in diesem Sinne ist derjenige, der nicht selbst als Schuldner bzw. Kostenverantwortlicher in Betracht kommt und daher nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit leistet.
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger im vorliegendem Fall als Dritter im Sinne des § 267 BGB auf die für ihn fremde, in der Person der Verantwortlichen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG bestehende Kostenschuld geleistet, als er bei der Abholung seines Fahrzeugs die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 119,- EUR bezahlte. Da er nicht selbst der Fahrer des Fahrzeugs und somit Verursacher der Abschleppmaßnahme war und daher die dadurch entstandene Kostenlast weder allein noch als Gesamtschuldner (vgl. §§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 43 Abs. 3 Satz 2 HSOG, § 421 BGB ) zu verantworten hat, handelte er dabei nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.
Zur Empfangnahme dieser Vorauszahlung konnte gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 HSOG, wie vorliegend geschehen, der Abschleppunternehmer von der Ordnungsbehörde der Beklagten ermächtigt werden. Als Erklärungs- und Empfangsbote war er berechtigt, für die Beklagte die Zahlung des Klägers entgegen zu nehmen und ihm gegenüber das Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG geltend zu machen (vgl. HessVGH, Urteil vom 14. August 2003 - 11 UE 1204/00 -, mit weit. Nachw.).
Eine Verpflichtung der Beklagten, diese Zahlung nach den Regeln des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs an den Kläger wieder auszukehren, bestünde daher nur dann, wenn sie rechtsgrundlos erfolgt wäre. Im Verhältnis zwischen der Beklagten als Gläubigerin der Kostenforderung und dem Kläger als Drittleistendem würde es an der Berechtigung für das Behaltendürfen der Zahlung fehlen, wenn die Kostenforderung, die der Kläger tilgen wollte, nicht bestanden hätte oder wenn die Zahlung ohne den erforderlichen Fremdtilgungswillen erfolgt wäre. Beides ist nicht der Fall. Dabei kann es hier dahinstehen, ob nach zivilrechtlicher Auffassung zu § 812 Abs. 1 BGB , dessen Rechtsgedanke, eine ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben zu müssen, auch dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch innewohnt, das Rückforderungsbegehren des Klägers daran scheitert, dass in Dreiecksverhältnissen, wie dem vorliegenden, eine Bereicherung des Gläubigers wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungskondiktion in der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Schuldner auszugleichen ist, oder daran, dass die Beklagte die Zahlung, die mangels einer zum Kläger bestehenden (echten) Leistungsbeziehung als sonstige Zuwendung zu qualifizieren ist, nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erlangt hat.
Die Kostenschuld, auf die der Kläger die Vorauszahlung leistete, bestand in der Person der von ihm als Fahrzeugführerin benannten anderen Person. Weil sie die Abschleppmaßnahme verursacht hat, ist sie diejenige Verantwortliche, die gemäß § 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG die Kosten der Maßnahme zu tragen hat. Allerdings entsteht die Rechtspflicht zur Erstattung dieser Kosten erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids. Erst dieser setzt auf der Grundlage der genannten Vorschriften den zu erstattenden Kostenbetrag und den pflichtigen Kostenschuldner fest. Regelmäßig und so auch im vorliegenden Fall ist daher zu dem Zeitpunkt, in dem die Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs gegen die Vorauszahlung der Abschleppkosten erfolgt, der konkrete Kostenerstattungsanspruch noch nicht entstanden. Dies steht jedoch einem Rechtsgrund für die Drittleistung des Klägers nicht entgegen. Ebenso wenig wie die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts setzt die Vorauszahlung der Abschleppkosten nach der gesetzlichen Konstruktion voraus, dass die Kostenforderung bereits in einem Leistungsbescheid tituliert sein müsste (vgl. auch HessVGH, a.a.O.). Indem § 43 Abs. 3 Satz 3 HSOG im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG die Rechtsgrundlage für die Vorschusspflicht auf die Kostenforderung normiert, liefert die Vorschrift zugleich den Rechtsgrund für die Erfüllung dieser Vorschusspflicht durch denjenigen, demgegenüber die Herausgabe der verwahrten Sache nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSOG bewirkt werden kann. Der Kläger hat daher die 119,- EUR nicht auf eine Scheinforderung bzw. an einen Scheingläubiger geleistet, sondern der gesetzlichen Regelung entsprechend auf den voraussichtlichen, durch den Erlass des Kostenbescheids gleichsam aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Pflichtige im Voraus bezahlt.
Dabei handelte er auch mit dem notwendigen Fremdtilgungswillen, d.h. mit dem Willen, die Kostenschuld der Pflichtigen in der zum Zeitpunkt der Zahlung voraussichtlichen Höhe zu erfüllen. Insoweit kommt es, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, nicht auf den inneren Willen des Klägers, sondern darauf an, wie der Gläubiger, mithin der Abschleppunternehmer als Erklärungs- und Empfangsbote der Beklagten sein Verhalten verstehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 - VII ZR 71/76, BGHZ 72, 248 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76] ; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; Heinrichs, in: Palandt, a.a.O, § 267 Rn. 3). Nach der somit maßgeblichen Empfängersicht erfolgt die zur Auslösung des Fahrzeugs nach § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG vorgenommene Vorauszahlung der Abschleppkosten zugunsten desjenigen, der die Kostenlast der Abschleppmaßnahme zu tragen hat. Dass die konkrete Person des oder der Kostenverantwortlichen erst nachträglich mit dem Erlass des Kostenbescheids rechtsverbindlich bestimmt ist, folglich für den Empfänger zum Zeitpunkt der Vorauszahlung noch nicht feststeht, steht dem nicht entgegen, sondern ist Folge der gesetzlichen Regelung.
Zwar stellt sich aus objektiver Empfängersicht die Vorauszahlung bei Abholung des Fahrzeugs, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte, insbesondere eine vom Leistenden ausdrücklich erklärte Tilgungsbestimmung, etwas anderes veranlassen, entweder als Zahlung auf eine eigene Kostenschuld des Fahrzeugabholers oder als Zahlung auf eine für diesen fremde Kostenschuld dar. Weil der Empfänger jedoch nicht damit rechnen muss, dass der Zahlende nicht weiß, ob er der Verursacher und damit der Schuldner der Abschleppkosten ist, vielmehr davon ausgehen kann, dass der Zahlende weiß, wenn er nicht der Verantwortliche ist und daher nicht auf eine eigene, sondern auf eine fremde Schuld leistet, durfte er die Zahlung, wiederum sofern konkrete Anhaltspunkte nichts anderes veranlassen, als Drittleistung zugunsten derjenigen Person verstehen, deren Kostenverantwortung zum Zeitpunkt der Zahlung materiellrechtlich besteht und im nachfolgenden Leistungsbescheid rechtsverbindlich bestimmt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass dem Drittleistenden eine nachträgliche Vorbehaltserklärung, die Vorauszahlung nicht auf die Schuld des oder der (anderen) Kostenverantwortlichen getätigt zu haben, verwehrt ist. Die Möglichkeit, nach der Zug um Zug gegen die Vorauszahlung erlangten Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs einwenden zu können, die Zahlung sei nicht zur Tilgung der voraussichtlichen Kostenschuld erfolgt, widerspräche dem Sinn und Zweck des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG, das fiskalische Interesse an dem Inkasso der Abschleppkosten sicherzustellen. Im Übrigen stünde dem auch der Gedanke unzulässiger Rechtsausübung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium entgegen, weil derjenige, der in Kenntnis seiner nicht bestehenden Kostenschuld gleichwohl die Herausgabe des Fahrzeugs bewirkt, weiß, dass seine Vorauszahlung nur als Vorschuss auf die in der anderen Person bestehende Kostenschuld gelten kann. Wer aber weiß, dass er nicht selbst zur Leistung verpflichtet ist, kann das gleichwohl zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückfordern (Rechtsgedanke aus § 814 BGB ). Es ist daher vorliegend ohne Belang, dass der Kläger in seinem Widerspruch gegen den zunächst an ihn gerichteten und späterhin aufgehobenen Kostenbescheid die andere Person als Verantwortliche benannt und die Rückerstattung seiner Vorauszahlung verlangt hat.
Nach alldem konnte der Kläger die Deutung seiner Vorauszahlung, wie sie das Abschleppunternehmen vornehmen durfte, allein durch einen zum Zeitpunkt der Zahlung ausdrücklich erklärten Vorbehalt korrigieren, mit dieser nicht die Tilgung einer fremden Kostenschuld bewirken zu wollen. Das ist indes nicht geschehen. Ein etwaiger stillschweigender Vorbehalt genügt nicht und wäre entsprechend § 116 BGB unbeachtlich. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 43 Abs. 3 HSOG kommt seinem Schweigen vielmehr weitergehend insofern eine Erklärungswirkung im Sinne dessen zu, wie das Abschleppunternehmen sein Verhalten verstehen durfte, als er verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dieser Verpflichtung zur ausdrücklichen Erklärung steht es, entgegen dem klägerischen Vorbringen, nicht gleich, dass die Vorauszahlung aus der Sicht des nicht-kostenverantwortlichen Abholberechtigten vordergründig zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts, mithin zur Vermeidung des ihn treffenden Nachteils erfolgt, andernfalls nicht die Herausgabe des Fahrzeugs zu erlangen. Weil dieser Effekt der Vorschussregelung des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG gerade immanent ist, sperrt sie sich gegen eine solche Gleichsetzung.
Diese Rechtslage zieht zwar die Konsequenz nach sich, dass bei einer unter derartigem Vorbehalt stehenden Zahlung der Empfänger an dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG festhalten und die Herausgabe des Fahrzeugs verweigern kann. Daraus ergeben sich jedoch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Abholberechtigten, der nicht der Kostenschuldner ist und nicht auf die fremde Kostenschuld leisten will, verbleibt die Möglichkeit, die Vorauszahlung durch den Verursacher und damit Kostenverantwortlichen der Abschleppmaßnahme zu veranlassen. Dadurch wird er in seiner Rechtsstellung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Gerade weil die gesetzliche Regelung die Herausgabe des Fahrzeugs nicht von der Vorauszahlung der Abschleppkosten durch den Kostenschuldner abhängig macht, ist sie für den Betroffenen als zumutbar hinzunehmen. ..."
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Der Bauaufsichtsbehörde obliegt es, nach pflichtgemäßer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob sie von ihrer Befugnis, gegen eine ungenehmigte Nutzung oder ungenehmigte Veränderungen einzuschreiten, Gebrauch macht, wie sie davon Gebrauch macht und gegen wen sie vorgeht, wenn mehrere Personen für die ungenehmigte Nutzung oder Veränderung verantwortlich sind. Das kann gemäß §§ 3 Abs. 1, 6 HSOG derjenige sein, der die Anlage formell rechtswidrig nutzt bzw. die Veränderungen formell rechtswidrig vorgenommen hat (Verhaltensstörer), oder der Eigentümer, der für den Zustand des Grundstücks und des Gebäudes verantwortlich ist (Zustandsstörer gemäß §§ 3 Abs. 1, 7 HSOG). Gegen wen die Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall vorgeht, liegt in ihrem Auswahlermessen. Dies gilt auch für den Fall, dass als Gefahrenabwehrmaßnahme die Verpflichtung ausgesprochen wird, Bauvorlagen einzureichen (so auch Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2002, Art. 83 Rdnr. 314; VGH Hessen, Beschluss vom 14.03.2003 - 9 TG 2894/02).
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Auch nach den durch das Altlastenrechts-Neuordnungs-Gesetz vom 20.12.1994 erfolgten Rechtsänderungen bleibt es angesichts des unverändert gebliebenen § 77 III HessWassG dabei, daß die altlastenrechtlichen Vorschriften für ihren Anwendungsbereich ein Einschreiten auf wasserrechtlicher Grundlage ausschließen. § 23 I 2 HessAltlastG, wonach u. a. auf Wasserrecht gestützten Sanierungsverfügungen die Unzuständigkeit der Wasserbehörde nicht entgegengehalten werden kann, ist eine den Anwendungsbereich des § 46 HessVwVfG hinsichtlich der sachlichen Unzuständigkeit erweiternde spezielle Regelung. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 7 II 1 HessSOG im Geltungsbereich des § 77 I HessWassG wird eine Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers nicht nur für eine noch bestehende Gefahr, sondern weitergehend auch für durch deren Realisierung bereits eingetretene Gewässerverunreinigungen begründet. Die Zustandsverantwortlichkeit entfällt selbst dann nicht, wenn sich der Verantwortliche in einer sogenannten Opferposition befindet. Ein solcher Haftungsausschluß auf das Primärebene, wie ihn etwa § 12 I Nr. 5 HessAltlastG vorsieht, ist wegen des spezialgesetzlichen Ausnahmecharakters dieser Vorschrift auf das Wasserecht und das allgemeine Polizeirecht nicht - auch nicht analog - übertragbar. Der grundsetzlichen Eigentumsgarantie ist allerdings im Rahmen der gemäß § 74 II 1 HessWassG i. V. mit § 5 I HessSOG vorzunehmenden pflichtgemäßen Ermessensausübung Rechnung zu tragen. Dabei ist vornehmlich zu überprüfen, in welchem Verhältnis die voraussichtlichen Kosten der angeordneten Maßnahmen zum Grundstückswert stehen. Wenn eine effektive Sanierung durch Verhaltensverantwortliche aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen nicht gewährleistet ist, kann ermessensfehlerfrei gegen Zustandsverantwortliche eingeschritten werden. Auch gegen einen abgestuften Zugriff - also zunächst gegen die Verhaltensverantwortlichen bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und alsdann gegen die Zustandsverwantwortlichen - ist rechtlich nichts einzuwenden. Die wasserbehördliche Anordnung, einen Sanierungsplan durch eine Fachfirma erstellen zu lassen, ist ermessenfehlerhaft, wenn die ins Auge gefaßten Sanierungsmaßnahmen bereits derart weitgehend konkretisiert sind, daß die Wasserbehörde sie aufgrund der ihr vorliegenden fachtechnischen Stellungnahmen - unter Einschaltung des Wasserwirtschaftsamts - unmittelbar anordnen kann (VGH Kassel, Beschluss vom 21.05.1997 - 7 TG 2293/95).
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Ein in einer Halteverbotszone geparktes Kraftfahrzeug kann in der Regel im Wege unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme (§ 8 Abs. 1 HSOG) auch dann abgeschleppt werden, wenn das Halteverbot erst nach dem Abstellen des Fahrzeugs wirksam geworden ist. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Unverhältnismäßig ist das Verlangen nach Kostenerstattung in der Regel dann, wenn nicht festgestellt werden kann, daß Fahrer oder Halter des abgeschleppten Fahrzeugs vor der Abschleppmaßnahme Kenntnis von dem Halteverbot hatten, und das Halteverbot für den konkreten Abstellort nicht mindestens drei Werktage vor dem Abschleppen angekündigt oder ohne Ankündigung in Kraft gesetzt war (VGH Hessen, Urteil vom 20.08.1996 - 11 UE 284/96).
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Ist ein Grundstückseigentümer lediglich als Zustandsstörer für den von einer im Grenzbereich stehenden Mauer ausgehenden Gefahrenzustand verantwortlich, während der Eigentümer des Nachbargrundstücks sowohl Zustands- als auch Verhaltensstörer ist, ist das Auswahlermessen i. d. R. dahin auszuüben, daß der letztere zu einer eilbedürftigen Abstützungsmaßnahme allein heranzuziehen ist. Es genügt dem Anhörungsgebot des § 28 I, wenn der Ehemann der Grundstückseigentümerin und Bauherrin, der diese in einem die Umbauarbeiten am Wohnhaus der Eheleute betreffenden Verfahren vertritt, darüber informiert wird, daß die Bauaufsichtsbehörde den Erlaß einer Verfügung erwägt, mit der Anordnungen zur Sicherung einer baufälligen Grenzmauer getroffen werden sollen (VGH Kassel, Entscheidung vom 21.03.1988 - 4 TH 3794/87).
*** (VG)
Der Eigentümer einer baulichen Anlage ist als Zustandsstörer für eine den materiell-rechtlichen Vorschriften entsprechende Nutzung dieser Anlage verantwortlich und kann daher von der Behörde auch dann in Anspruch genommen werden, wenn Handlungen Dritter für die Störung der öffentlichen Ordnung verantwortlich sind. In diesem Falle hat er grundsätzlich die rechtliche Möglichkeit und Pflicht, auf die rechtmäßige Nutzung seiner baulichen Anlage hinzuwirken. Die Behörde kann grundsätzlich gegen den Eigentümer von nicht von ihm selbst baurechtswidrig genutzten Räumen durch die Kombination eines - in die Zukunft gerichteten - Vermietungsverbots mit einem - die aktuellen Nutzungsverhältnisse betreffenden - Kündigungsgebot vorgehen (VG Darmstadt, Beschluss vom 12.09.2011 - 2 L 795/11.DA).
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Die Vorschrift des § 7 III HessSOG, nach der bei Gefahr von einer herrenlosen Sache polizeiliche Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden können, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat, ist bei verfassungskonformer Auszulegung nicht auf die die Fälle einer Eigentumsaufgabe vor Inkrafttreten der Regelung (am 1.1.1991) anzuwenden (VG Kassel, Beschluss vom 28.10.1997 - 2 G 3244/97 (3)).
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§ 8 Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Maßnahme selbst oder durch eine beauftragte dritte Person unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Die von der Maßnahme betroffene Person ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Entstehen den Gefahrenabwehr- oder den Polizeibehörden durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen zum Ersatz verpflichtet. Mehrere Verantwortliche haften gesamtschuldnerisch. Soweit Sachen in Verwahrung genommen werden, gelten die §§ 41 bis 43 entsprechend. Die Kosten können im Verwaltungsvollstreckungsverfahren beigetrieben werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Frage, nach welcher "Karenzzeit" eine Abschleppmaßnahme im Straßenverkehr verhältnismäßig ist (BVerwG, Beschluss vom 01.12.2000 - 3 B 51/00):
... Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ( § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , der Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) und des Verfahrensmangels ( § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie grundsätzliche bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen aufwirft, deren im zukünftigen Revisionsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Derartige Rechtsfragen sind von der Beschwerde nicht aufgeworfen worden.
1.1 Die Frage, nach welcher "Karenzzeit" eine Abschleppmaßnahme im Straßenverkehr verhältnismäßig ist, erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen nicht. Das angefochtene Urteil stützt seine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der unmittelbaren polizeilichen Ausführung einer Abschleppmaßnahme auf § 8 Abs. 1 und Abs. 2 HSOG. Es beruht somit auf Landesrecht, dessen Verletzung - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - gemäß § 137 Abs. 1 VwGO mit der Revision nicht gerügt werden und daher auch nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf das Urteil vom 14. Mai 1992 - BVerwG 3 C 3.90 - (BVerwGE 90, 189 (193)) und die dortigen Ausführungen zum bundesverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinweist, übersieht sie bereits, dass im Unterschied zum Streitfall in dem damaligen Verfahren zur Rechtfertigung der Abschleppmaßnahme maßgeblich auf die bundesrechtliche Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO über das Parken auf Gehwegen abzustellen war; gleichfalls das verbotswidrige Parken auf Gehwegen betraf der von der Beschwerde herangezogene Beschluss vom 20. Dezember 1989 - BVerwG 7 B 179.89 - (NJW 1990, 931 = NVwZ 1990, 473 Ls). Soweit sich anderen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 6. Juli 1983 - BVerwG 7 B 182.82 - DVBl 1983, 1066 f. ; Beschluss vom 26. Januar 1988 - BVerwG 7 B 189.87 - NVwZ 1988, 623 f.) Aussagen zum Einfluss des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf Abschleppvorgänge entnehmen lassen, ist geklärt, dass die Nachteile, die mit einer Abschleppmaßnahme für den Betroffenen verbunden sind, nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolgt stehen dürfen, was sich aufgrund einer Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalls beurteilt (Beschluss vom 6. Juli 1983 a.a.O. S. 1067); dabei kann auch die Heranziehung generalpräventiver Gesichtspunkte zulässig sein (Beschluss vom 20. Dezember 1989 a.a.O.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das erstrebte Revisionsverfahren zu über den Einzelfall hinausführenden zusätzlichen Erkenntnissen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beitragen könnte.
1.2 Auch die weiter vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
"ob es in Fällen der unmittelbaren Ausführung (hier gestützt auf § 8 HSOG) zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme einer konkreten Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer bedarf"
kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Ausgehend von den vorstehend dargelegten revisionsrechtlichen Einschränkungen sowie bundesrechtlichen Maßstäben lässt sie sich auch ohne die Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig in dem Sinne verneinen, dass beim Fehlen einer konkreten Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer i.S. einer Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs (vgl. Beschluss vom 6. Juli 1983 a.a.O.) eine Störung der öffentlichen Ordnung durch den Verstoß (vgl. Beschluss vom 6. Juli 1983 a.a.O.) zwar gleichfalls eine Abschleppmaßnahme unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen kann, aber naturgemäß das Gewicht der gegenläufigen Interessen erheblicher wird. Nicht anders ist im Übrigen insoweit das von der Beschwerde auch in diesem Zusammenhang herangezogene Urteil vom 14. Mai 1992 - BVerwG 3 C 3.90 - (a.a.O.) zu verstehen, wenn dort ausgeführt ist, jedenfalls unterliege es keinem Zweifel,
"dass ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern geboten erscheint."
Von der Erforderlichkeit dieser Behinderung für jede Abschleppmaßnahme (noch dazu nach anderen Vorschriften) ist dort nicht die Rede.
2. Das Berufungsurteil weicht entgegen der Behauptung des Klägers nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem vom Bundesverwaltungsgericht oder von einem anderen im § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Das ist hinsichtlich der Frage der Erforderlichkeit einer konkreten Behinderung der Verkehrsteilnehmer zur Rechtfertigung einer Abschleppmaßnahme schon deswegen nicht der Fall, weil der Senat in der genannten Entscheidung vom 14. Mai 1992 (BVerwG 3 C 3.90 a .a.O.) - wie bereits dargelegt - den vom Kläger behaupteten Rechtssatz nicht aufgestellt hat.
3. Die Rüge, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler, weil das Berufungsgericht es unter Missachtung des Aufklärungsgebots des § 86 VwGO versäumt habe, die Tatsachen hinsichtlich Verkehrsbehinderung und "Begleitumstände" weiter zu erforschen, geht schon deshalb fehl, weil es nach der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts hierauf nicht ankam. ..." (BVerwG, Beschluss vom 01.12.2000, 3 B 51.00)
*** (VGH)
Die in § 13 Abs. 1 FBG (juris: BestattG HE 2007) ausnahmslos begründete öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht naher Angehöriger stellt keinen Verstoß gegen Grundrechte des Bestattungspflichtigen dar und ist auch mit dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Die Gründe für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht naher Angehöriger rechtfertigen es regelmäßig, die Pflicht zur Kostentragung an die Bestattungspflicht zu koppeln. Bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls kann das grundsätzliche Interesse der Allgemeinheit an der Übernahme der Bestattungskosten durch die Angehörigen, hinter das Interesse des bestattungspflichtigen Angehörigen, von der Heranziehung zu den Kosten verschont zu bleiben, zurücktreten. Die Heranziehung des eigentlichen Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten nach § 13 Abs. 5 FBG (juris: BestattG HE 2007) in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG (juris: SOG HE) kann bei schwerwiegenden Verfehlungen, wie sie sich in Straftaten von erheblichem Gewicht (Mord, Totschlag, Vergewaltigung, sexuellem Mißbrauch) realisieren, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen. Ein möglicher Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII (juris: SGB 12) suspendiert die Gefahrenabwehrbehörde nicht von der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kostenerstattung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG (juris: SOG HE; VGH, Urteil vom 26.10.2011 - 5 A 1245/11).
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Ein Anscheinsstörer kann zu den Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme herangezogen werden, wenn er bei der gebotenen ex post-Betrachtung den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (im Anschluss an VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047 und Urt. v. 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153). Ist keine amtsrichterliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer Ingewahrsamnahme getroffen worden, so ist die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams eine im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Betroffenen. Diese Prüfung erstreckt sich nicht nur auf die materiellen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme, sondern auch auf die Einhaltung des in Art. 104 Abs. 2 GG verankerten Richtervorbehalts ( VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2011 - 1 S 2513/10):
... II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf den Gewahrsam", d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der Unverzüglichkeit" im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 (249) m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798(800)). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von Fußballfans" auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben ( wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt"; Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden") deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- , die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 - 5.000 ) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. ..."
***
Mit der Zug um Zug gegen die Herausgabe eines abgeschleppten Fahrzeugs nach § 43 Abs.3 Sätze 4 und 5 HSOG getätigten Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten leistet der Abholberechtigte auch dann auf die späterhin durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostenschuld, wenn nicht er, sondern eine andere Person der oder die Kostenverantwortliche ist (VGH Hessen, Beschluss vom 20.09.2006 - 11 UE 2545/05 zu BGB §§ 116, 267, § 812 Abs. 1, HSOG §§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, 43 Abs. 3, § 49 Abs. 1):
... Der Kläger begehrt die Rückzahlung von ihm bezahlter Kosten und Auslagen für das Abschleppen seines Kraftfahrzeugs in Höhe von 119,- EUR sowie eine Kostenlastenentscheidung, aufgrund derer ihm die anlässlich des Widerspruchsverfahrens (Nr. 7/409/03) gegen die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 33,35 EUR erstattet werden.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Ergehen des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt wird gem. § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 30. Juni 2005 das Klagebegehren wegen zwischenzeitlich eingetretener Erledigung insoweit abgewiesen, als es auf die Erstattung der durch das Widerspruchsverfahren verursachten Kosten gerichtet war. Im Übrigen hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozent, genauer: fünf Prozentpunkten, über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2004 zu zahlen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Kläger einen öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung der von ihm bei Abholung des Fahrzeugs im Voraus entrichteten Abschleppkosten habe. Eine Rechtsgrundlage für das Behalten des Kostenbetrages sei nicht vorhanden, nachdem der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid wegen nicht gegebener Kostenverantwortlichkeit aufgehoben worden sei. § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG würde insoweit ebenso keine Rechtsgrundlage bieten. Schließlich hätte der Kläger auch nicht gemäß § 267 BGB auf die Schuld einer anderen Person, nämlich der Fahrerin des verbotswidrig geparkten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 30. Juni 2005 - Az. 5 E 2374/04) Fahrzeugs geleistet. Voraussetzung für die Annahme einer Leistung zu Gunsten der Schuld eines Dritten sei, dass der Dritte mit für den Gläubiger erkennbarem Fremdtilgungswillen leiste. Da einem Schweigen im Rechtsverkehr keine Bedeutung zukomme, fehle es vorliegend an dem Nachweis eines Fremdtilgungswillens. Allein aus dem Umstand, dass der Fahrzeugabholer, hier der Kläger, die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme entrichte, weil ansonsten das Fahrzeug nicht herausgegeben würde, lasse sich kein Fremdtilgungswille schließen. Der Zinsanspruch folge aus dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 BGB.
Zur Begründung der gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil von der Beklagten im Umfang ihrer Beschwer erhobenen und vom Senat mit Beschluss vom 30. September 2005 (Az. 11 UZ 2192/05) zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nach § 43 Abs. 3 Sätze 4, 5 HSOG befugt gewesen sei, die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs von der Zahlung der voraussichtlichen Sicherstellungskosten abhängig zu machen und das beauftragte Abschleppunternehmen zu ermächtigen, die Zahlung dieser Kosten in Empfang zu nehmen. Die Zahlung, die der Kläger zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeugs am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen geleistet habe, sei eine Zahlung für denjenigen gewesen, der sich als heranzuziehender Kostenverantwortlicher erweisen würde. Weil er auf der Zahlungsquittung keinen Vorbehalt vermerkt habe, wonach er die Leistung nur für den Fall erbringen würde, dass er selbst als Kostenverantwortlicher festgestellt würde, habe der Kläger daher am 30. April 2003 die Kosten vorgeschossen, die die Beklagte später gegen die Fahrerin des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs als Kostenschuldnerin festgesetzt habe. Der gegen sie ergangene Kostenbescheid enthalte dementsprechend die Mitteilung, dass die Kostenschuld bereits beglichen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger diese Tilgungsbestimmung auf die für ihn fremde Schuld nicht ausdrücklich erklärt habe. Denn maßgeblich sei insofern nicht sein innerer Wille, sondern der Empfängerhorizont, wie also das Abschleppunternehmen als Empfangsbote der Beklagten und somit die Beklagte das Verhalten des Klägers hätte verstehen dürfen. Sein Verhalten sei demnach als Zahlung für den Kostenverantwortlichen zu verstehen, wer immer dies auch sei. Wenn die Beklagte, wie vorliegend, noch keine Kenntnis davon haben könne, wer der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs sei, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht für den Kostenverantwortlichen erfolgt sei. Ein stillschweigender Vorbehalt des Abholberechtigten, wie hier des Klägers, die Abschleppkosten nicht für diejenige dritte Person auszulegen, die das Fahrzeug gefahren und daher die Kosten zu tragen habe, sei unbeachtlich. Der Zahlungsempfänger müsse nicht damit rechnen, dass der Abholer nicht wisse, ob er der Fahrer gewesen sei. Vielmehr wisse der Abholberechtigte stets, wenn er nicht der Fahrer gewesen sei. Für diesen Fall könne erwartet werden, dass er einen Vorbehalt, nicht auf die Kostenschuld des Fahrers zu leisten, ausdrücklich erkläre. Ein anderes Ergebnis würde dem Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG widersprechen. Die dadurch für den Abholberechtigten eintretenden Folgen seien auch nicht unbillig. Zwar würde die Erklärung eines ausdrücklichen Vorbehalts die Unbequemlichkeit nach sich ziehen, vor Herausgabe des Wagens eine Zahlung durch den Fahrzeugführer veranlasst haben zu müssen. Jedoch stelle es andererseits keine unzumutbare Belastung für einen abholberechtigten Fahrzeughalter dar, zur Vermeidung dieser Unbequemlichkeit die Abschleppkosten vorzustrecken und sodann beim Fahrzeugführer um Ausgleich nachzusuchen. In vorliegendem Fall stünde der aus Empfängersicht anzunehmenden Bestimmung, die Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten sei personenunabhängig für den Kostenverantwortlichen erfolgt, auch nicht entgegen, dass der Kläger späterhin, im Widerspruchsverfahren gegen die Abschleppmaßnahme, die Person, die den Wagen gefahren sei, benannt und daher die Rückerstattung der von ihm beglichenen Kosten verlangt habe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 - 5 E 481/04 (3) - die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr die Zahlung von 119,- EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 an den Kläger begehrt wird. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe keine Leistung auf fremde Schuld erbracht. Vielmehr habe er zum Zeitpunkt der Zahlung an den Abschleppunternehmer eine eigene Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld geleistet. Diese Leistung habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass zum einen überhaupt eine Forderung und zum anderen diese gegen ihn tatsächlich bestanden habe. Dieser Vorbehalt könne auch stillschweigend erklärt werden. Insoweit verweist der Kläger auf die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung. Des Weiteren bestreitet er, dass der Abschleppunternehmer als Empfangsbote der Beklagten die Zahlung als Zahlung für den Kostenverantwortlichen verstehen durfte. Vielmehr dürfe es nach der Verkehrsanschauung eine übliche Annahme sein, dass der Halter eines Fahrzeugs für den - gängigen - Fall, dass er nicht der Fahrer des Fahrzeugs sei, die Abschleppkosten nicht auf die vermeintliche Schuld des Fahrzeugsführers zahle, sondern zu dem Zweck, das Fahrzeug zu erhalten. Daher könne der Abschleppunternehmer eine Zahlung auch dann nicht als Leistung auf eine fremde Schuld ansehen, wenn es an einem schriftlich fixierten Vorbehalt fehle. Dafür würden auch die häufigen Fälle in der Praxis sprechen, in denen der Halter dem Abschleppunternehmer mündlich mitteilt, wer tatsächlicher Kostenverantwortlicher sei. Doch selbst wenn angenommen werde, der Kläger habe vorliegend mangels einer ausdrücklichen Vorbehaltserklärung auf eine für ihn fremde Schuld geleistet, so sei zu berücksichtigen, dass es einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt gleichstehe, wenn die Zahlung nicht freiwillig, sondern zur Vermeidung eines drohenden Nachteils unter Druck oder Zwang, beispielsweise zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich eines dringend benötigten Gegenstandes, geleistet werde. So läge es hier: Der Kläger habe die Abschleppkosten nicht freiwillig geleistet, sondern nur deshalb, weil er sein Fahrzeug dringend benötigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO einverstanden erklärt. ...
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 zu zahlen.
Die insoweit zulässigerweise erhobene Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der 119,- EUR nebst Zinsen nicht zu. Als Grundlage des klägerischen Begehrens kommt nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dieser ist als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts auf die Rückgewährung rechtsgrundlos erlangter Leistungen gerichtet. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat die vom Kläger zurückgeforderte Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher nicht zu deren Herausgabe verpflichtet.
Allerdings scheidet der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 als möglicher Rechtsgrund der Zahlung aus. Der Bescheid wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 22. September 2003 aufgehoben, weil nicht der Kläger, sondern die von ihm benannte dritte Person als Verantwortliche für die durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten und Gebühren in Anspruch zu nehmen war. Daraus folgt jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die 119,- EUR wie gefordert zurückzuerstatten. Denn dass der Kläger diesen Betrag zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeuges am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen gezahlt hat, findet seinen rechtlichen Grund in §§ 43 Abs. 3 Sätze 4 und 5 HSOG in Verbindung mit § 267 BGB analog.
Wenn im Wege einer unmittelbaren Ausführung (§ 8 Abs. 1 HSOG) eine Sache, wie vorliegend das abgeschleppte Fahrzeug des Klägers, in Verwahrung genommen worden ist, kann gemäß § 43 Abs. 3 Sätze 3, 4 HSOG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 3 HSOG die Herausgabe der Sache von der Zahlung der voraussichtlichen Kosten abhängig gemacht werden. Bei dieser Zahlung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Leistung, die der Kostenschuldner in Person zu leisten hat. Das gesetzlich eingeräumte Recht, die Sache nur Zug um Zug gegen die Begleichung der durch die Verwahrung bzw. die Abschleppmaßnahme voraussichtlich entstandenen Kosten herauszugeben, dient allein dem Zweck, die Erfüllung des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG gegebenen und schließlich durch nachfolgenden Kostenbescheid festgesetzten Kostenersatzanspruchs sicherzustellen. Ebenso wenig wie die Tilgung dieser Kostenschuld als eine höchstpersönliche Leistungsverpflichtung qualifiziert werden kann, lassen sich dem § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG irgendwelche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nur derjenige durch die Vorauszahlung auf die Kostenschuld die Auslösung der verwahrten Sache soll erreichen können, der im konkreten Fall auch der nach § 6 oder § 7 HSOG Kostenverantwortliche ist. Die Regelungen entsprechen demnach dem Gedanken, dass der Gläubiger jedenfalls bei Schuldverhältnissen, die eine Forderung zum Gegenstand haben, im Allgemeinen nur an der Herbeiführung des Leistungserfolgs, nicht aber an der Person des Leistenden interessiert ist. Daraus folgt, dass nach dem auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse entsprechend anwendbaren § 267 BGB (vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, § 267 Rn. 1) die geschuldete Leistung, hier die Erstattung der Verwahr- bzw. Abschleppkosten, auch durch einen Dritten bewirkt werden kann. Dritter in diesem Sinne ist derjenige, der nicht selbst als Schuldner bzw. Kostenverantwortlicher in Betracht kommt und daher nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit leistet.
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger im vorliegendem Fall als Dritter im Sinne des § 267 BGB auf die für ihn fremde, in der Person der Verantwortlichen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG bestehende Kostenschuld geleistet, als er bei der Abholung seines Fahrzeugs die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 119,- EUR bezahlte. Da er nicht selbst der Fahrer des Fahrzeugs und somit Verursacher der Abschleppmaßnahme war und daher die dadurch entstandene Kostenlast weder allein noch als Gesamtschuldner (vgl. §§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 43 Abs. 3 Satz 2 HSOG, § 421 BGB ) zu verantworten hat, handelte er dabei nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.
Zur Empfangnahme dieser Vorauszahlung konnte gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 HSOG, wie vorliegend geschehen, der Abschleppunternehmer von der Ordnungsbehörde der Beklagten ermächtigt werden. Als Erklärungs- und Empfangsbote war er berechtigt, für die Beklagte die Zahlung des Klägers entgegen zu nehmen und ihm gegenüber das Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG geltend zu machen (vgl. HessVGH, Urteil vom 14. August 2003 - 11 UE 1204/00 -, mit weit. Nachw.).
Eine Verpflichtung der Beklagten, diese Zahlung nach den Regeln des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs an den Kläger wieder auszukehren, bestünde daher nur dann, wenn sie rechtsgrundlos erfolgt wäre. Im Verhältnis zwischen der Beklagten als Gläubigerin der Kostenforderung und dem Kläger als Drittleistendem würde es an der Berechtigung für das Behaltendürfen der Zahlung fehlen, wenn die Kostenforderung, die der Kläger tilgen wollte, nicht bestanden hätte oder wenn die Zahlung ohne den erforderlichen Fremdtilgungswillen erfolgt wäre. Beides ist nicht der Fall. Dabei kann es hier dahinstehen, ob nach zivilrechtlicher Auffassung zu § 812 Abs. 1 BGB , dessen Rechtsgedanke, eine ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben zu müssen, auch dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch innewohnt, das Rückforderungsbegehren des Klägers daran scheitert, dass in Dreiecksverhältnissen, wie dem vorliegenden, eine Bereicherung des Gläubigers wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungskondiktion in der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Schuldner auszugleichen ist, oder daran, dass die Beklagte die Zahlung, die mangels einer zum Kläger bestehenden (echten) Leistungsbeziehung als sonstige Zuwendung zu qualifizieren ist, nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erlangt hat.
Die Kostenschuld, auf die der Kläger die Vorauszahlung leistete, bestand in der Person der von ihm als Fahrzeugführerin benannten anderen Person. Weil sie die Abschleppmaßnahme verursacht hat, ist sie diejenige Verantwortliche, die gemäß § 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG die Kosten der Maßnahme zu tragen hat. Allerdings entsteht die Rechtspflicht zur Erstattung dieser Kosten erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids. Erst dieser setzt auf der Grundlage der genannten Vorschriften den zu erstattenden Kostenbetrag und den pflichtigen Kostenschuldner fest. Regelmäßig und so auch im vorliegenden Fall ist daher zu dem Zeitpunkt, in dem die Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs gegen die Vorauszahlung der Abschleppkosten erfolgt, der konkrete Kostenerstattungsanspruch noch nicht entstanden. Dies steht jedoch einem Rechtsgrund für die Drittleistung des Klägers nicht entgegen. Ebenso wenig wie die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts setzt die Vorauszahlung der Abschleppkosten nach der gesetzlichen Konstruktion voraus, dass die Kostenforderung bereits in einem Leistungsbescheid tituliert sein müsste (vgl. auch HessVGH, a.a.O.). Indem § 43 Abs. 3 Satz 3 HSOG im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG die Rechtsgrundlage für die Vorschusspflicht auf die Kostenforderung normiert, liefert die Vorschrift zugleich den Rechtsgrund für die Erfüllung dieser Vorschusspflicht durch denjenigen, demgegenüber die Herausgabe der verwahrten Sache nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSOG bewirkt werden kann. Der Kläger hat daher die 119,- EUR nicht auf eine Scheinforderung bzw. an einen Scheingläubiger geleistet, sondern der gesetzlichen Regelung entsprechend auf den voraussichtlichen, durch den Erlass des Kostenbescheids gleichsam aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Pflichtige im Voraus bezahlt.
Dabei handelte er auch mit dem notwendigen Fremdtilgungswillen, d.h. mit dem Willen, die Kostenschuld der Pflichtigen in der zum Zeitpunkt der Zahlung voraussichtlichen Höhe zu erfüllen. Insoweit kommt es, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, nicht auf den inneren Willen des Klägers, sondern darauf an, wie der Gläubiger, mithin der Abschleppunternehmer als Erklärungs- und Empfangsbote der Beklagten sein Verhalten verstehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 - VII ZR 71/76, BGHZ 72, 248 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76] ; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; Heinrichs, in: Palandt, a.a.O, § 267 Rn. 3). Nach der somit maßgeblichen Empfängersicht erfolgt die zur Auslösung des Fahrzeugs nach § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG vorgenommene Vorauszahlung der Abschleppkosten zugunsten desjenigen, der die Kostenlast der Abschleppmaßnahme zu tragen hat. Dass die konkrete Person des oder der Kostenverantwortlichen erst nachträglich mit dem Erlass des Kostenbescheids rechtsverbindlich bestimmt ist, folglich für den Empfänger zum Zeitpunkt der Vorauszahlung noch nicht feststeht, steht dem nicht entgegen, sondern ist Folge der gesetzlichen Regelung.
Zwar stellt sich aus objektiver Empfängersicht die Vorauszahlung bei Abholung des Fahrzeugs, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte, insbesondere eine vom Leistenden ausdrücklich erklärte Tilgungsbestimmung, etwas anderes veranlassen, entweder als Zahlung auf eine eigene Kostenschuld des Fahrzeugabholers oder als Zahlung auf eine für diesen fremde Kostenschuld dar. Weil der Empfänger jedoch nicht damit rechnen muss, dass der Zahlende nicht weiß, ob er der Verursacher und damit der Schuldner der Abschleppkosten ist, vielmehr davon ausgehen kann, dass der Zahlende weiß, wenn er nicht der Verantwortliche ist und daher nicht auf eine eigene, sondern auf eine fremde Schuld leistet, durfte er die Zahlung, wiederum sofern konkrete Anhaltspunkte nichts anderes veranlassen, als Drittleistung zugunsten derjenigen Person verstehen, deren Kostenverantwortung zum Zeitpunkt der Zahlung materiellrechtlich besteht und im nachfolgenden Leistungsbescheid rechtsverbindlich bestimmt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass dem Drittleistenden eine nachträgliche Vorbehaltserklärung, die Vorauszahlung nicht auf die Schuld des oder der (anderen) Kostenverantwortlichen getätigt zu haben, verwehrt ist. Die Möglichkeit, nach der Zug um Zug gegen die Vorauszahlung erlangten Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs einwenden zu können, die Zahlung sei nicht zur Tilgung der voraussichtlichen Kostenschuld erfolgt, widerspräche dem Sinn und Zweck des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG, das fiskalische Interesse an dem Inkasso der Abschleppkosten sicherzustellen. Im Übrigen stünde dem auch der Gedanke unzulässiger Rechtsausübung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium entgegen, weil derjenige, der in Kenntnis seiner nicht bestehenden Kostenschuld gleichwohl die Herausgabe des Fahrzeugs bewirkt, weiß, dass seine Vorauszahlung nur als Vorschuss auf die in der anderen Person bestehende Kostenschuld gelten kann. Wer aber weiß, dass er nicht selbst zur Leistung verpflichtet ist, kann das gleichwohl zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückfordern (Rechtsgedanke aus § 814 BGB ). Es ist daher vorliegend ohne Belang, dass der Kläger in seinem Widerspruch gegen den zunächst an ihn gerichteten und späterhin aufgehobenen Kostenbescheid die andere Person als Verantwortliche benannt und die Rückerstattung seiner Vorauszahlung verlangt hat.
Nach alldem konnte der Kläger die Deutung seiner Vorauszahlung, wie sie das Abschleppunternehmen vornehmen durfte, allein durch einen zum Zeitpunkt der Zahlung ausdrücklich erklärten Vorbehalt korrigieren, mit dieser nicht die Tilgung einer fremden Kostenschuld bewirken zu wollen. Das ist indes nicht geschehen. Ein etwaiger stillschweigender Vorbehalt genügt nicht und wäre entsprechend § 116 BGB unbeachtlich. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 43 Abs. 3 HSOG kommt seinem Schweigen vielmehr weitergehend insofern eine Erklärungswirkung im Sinne dessen zu, wie das Abschleppunternehmen sein Verhalten verstehen durfte, als er verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dieser Verpflichtung zur ausdrücklichen Erklärung steht es, entgegen dem klägerischen Vorbringen, nicht gleich, dass die Vorauszahlung aus der Sicht des nicht-kostenverantwortlichen Abholberechtigten vordergründig zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts, mithin zur Vermeidung des ihn treffenden Nachteils erfolgt, andernfalls nicht die Herausgabe des Fahrzeugs zu erlangen. Weil dieser Effekt der Vorschussregelung des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG gerade immanent ist, sperrt sie sich gegen eine solche Gleichsetzung.
Diese Rechtslage zieht zwar die Konsequenz nach sich, dass bei einer unter derartigem Vorbehalt stehenden Zahlung der Empfänger an dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG festhalten und die Herausgabe des Fahrzeugs verweigern kann. Daraus ergeben sich jedoch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Abholberechtigten, der nicht der Kostenschuldner ist und nicht auf die fremde Kostenschuld leisten will, verbleibt die Möglichkeit, die Vorauszahlung durch den Verursacher und damit Kostenverantwortlichen der Abschleppmaßnahme zu veranlassen. Dadurch wird er in seiner Rechtsstellung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Gerade weil die gesetzliche Regelung die Herausgabe des Fahrzeugs nicht von der Vorauszahlung der Abschleppkosten durch den Kostenschuldner abhängig macht, ist sie für den Betroffenen als zumutbar hinzunehmen. ..."
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Die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde darf ein gestohlenes und ungesichert abgestelltes Kraftfahrzeug im Wege der unmittelbaren Ausführung zum Schutze privaten Eigentums sicherstellen, wenn eine konkrete Gefährdung durch Beschädigungen oder Diebstahl besteht. In diesen Fällen ist sie unter Berücksichtigung der für die Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 680, 681 BGB geltenden Grundsätzen je nach Sachlage nicht verpflichtet, die Eigentumssicherung verzögernde Versuche, den Eigentümer als Zustandsverantwortlichen zu erreichen, zu unternehmen. Die Sicherstellung eines stark beschädigten Kraftfahrzeugs ist in der Regel unverhältnismäßig, wenn die Abschleppkosten etwa die Hälfte des Restwertes des Kraftfahrzeugs betragen (VGH Kassel, Urteil vom 18.05.1999 - 11 UE 4648/96).
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Das Abschleppen eines unter Verstoß gegen ein Verkehrszeichen oder eine Verkehrseinrichtung gem. § 13 StVO (Parkuhr, Parkscheinautomat) rechtswidrig abgestellten Kraftfahrzeuges stellt in der Regel eine Ersatzvornahme nach § 49 I HessSOG dar. Nur wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, weis es z.B. an einer dem Pflichtigen bekannt gegebenen Grundverfügung fehlt (Verstoß gegen ein unmittelbar in der StVO oder einer anderen Norm normiertes Gebot oder Verbot, Aufstellung eines Verkehrszeichens nach zunächst rechtmäßigem Abstellen eines Kraftfahrzeugs, Inanspruchnahme des Halters, der nicht das Kraftfahrzeug abgestellt hat) oder eine andere als die für den Erlaß der Grundverfügung zuständige Gefahrenabwehrbehörde, Vollstreckungsmaßnahmen durchführt, kommt als Rechtsgrundlage die "unmittelbare Ausführung einer Maßnahme" nach § 8 I HessSOG in Betracht. Verhältnismäßig ist ein Abschleppen des Fahrzeugs schon dann, wenn eine Beeinträchtigung des durch die Verkehrsvorschrift geschützten Rechtsguts durch das rechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs mehr als 1 Stunde andauert; der Nachweis einer konkreten Behinderung des Verkehrs durch das rechtswidrig abgestellte Kraftfahrzeug ist nicht erforderlich (VGH Kassel, Urteil vom 11.11.1997 - 11 UE 3450/95).
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Ein in einer Halteverbotszone geparktes Kraftfahrzeug kann in der Regel im Wege unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme (§ 8 Abs. 1 HSOG) auch dann abgeschleppt werden, wenn das Halteverbot erst nach dem Abstellen des Fahrzeugs wirksam geworden ist. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Unverhältnismäßig ist das Verlangen nach Kostenerstattung in der Regel dann, wenn nicht festgestellt werden kann, daß Fahrer oder Halter des abgeschleppten Fahrzeugs vor der Abschleppmaßnahme Kenntnis von dem Halteverbot hatten, und das Halteverbot für den konkreten Abstellort nicht mindestens drei Werktage vor dem Abschleppen angekündigt oder ohne Ankündigung in Kraft gesetzt war (VGH Hessen, Urteil vom 20.08.1996 - 11 UE 284/96).
*** (VG)
... Der Kostenbescheid der Beklagten vom 16.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 21.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 145,00 Euro sind § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 13 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2003 (GVBl. S. 214) i. V. m. § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 VwKostG LSA. § 13 SOG LSA ermächtigt die Verwaltungsbehörden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Gefahr abzuwenden. Nach § 9 Abs. 1 SOG LSA können sie dabei eine Maßnahme selbst oder durch einen beauftragten Dritten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach §§ 7 oder 8 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Entstehen den Sicherheitsbehörden oder der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die nach §§ 7 oder 8 Verantwortlichen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 SOG LSA zum Ersatz verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Dem Kostenbescheid liegt keine rechtmäßige Maßnahme im Wege der unmittelbaren Ausführung zugrunde.
Zwar hat aufgrund der Art und Weise, in der das klägerische Fahrzeug auf der Straße abgestellt war, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Eine Gefahr im Sinne des § 13 SOG LSA ist eine konkrete Gefahr, d.h. nach § 3 Nr. 3 a) SOG LSA eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Gemäß § 3 Nr. 1 SOG LSA umfasst die öffentliche Sicherheit u.a. die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung. Eine Gefahr bzw. Störung im vorgenannten Sinne liegt mithin bereits dann vor, wenn gegen öffentlich-rechtliche - hier straßenverkehrsrechtliche - Vorschriften verstoßen wird.
Im vorliegenden Fall wurde durch das ordnungswidrige Parken des klägerischen LKW gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen. § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO verbietet das Halten an engen und an unübersichtlichen Straßenstellen. Eng im Sinne dieser Vorschrift ist eine Straßenstelle dann, wenn der zur Durchfahrt insgesamt freibleibende Raum für ein Fahrzeug höchst zulässiger Breite - diese beträgt laut § 32 Abs. 1 StVZO 2,55 m - zuzüglich eines Seitenabstands von 50 cm bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde. Dabei ist die Gegenfahrbahn mit einzubeziehen. Auf einen etwaigen Fußweg kommt es hingegen nicht an, da dieser nicht zum Befahren durch Lkw und schwere Einsatzfahrzeuge ausgelegt ist. Enge Straßenstellen sind mithin solche, die eine Fahrbahnbreite unter 3,05 m aufweisen. Ein Verkehrsschild, welches auf das insoweit bestehende gesetzliche Halteverbot hinweist, ist dabei nicht erforderlich (vgl. VG Bremen, Urteil v. 12.11.2009 - Az.: 5 K 252/09, Rn. 17 - zit. nach juris). Hier wurde diese erforderliche Restbreite weit unterschritten. Die mittels technischer Hilfsmittel durchgeführte Messung hat nach den nachvollziehbaren Angaben der Beklagten ergeben, dass das klägerische Fahrzeug so am rechten Straßenrand geparkt war, dass die restliche Fahrbahnbreite lediglich 2,20 m betrug. Die Straßenbreite beträgt ausweislich des vorgelegten Auszuges aus der digitalen Stadtgrundkarte und den von den Beamtinnen der Beklagten durchgeführten Messungen im maßgeblichen Bereich 4,40 m. Der VW des Klägers weist nach den Angaben der Beklagten mit Außenspiegel eine Breite von ca. 2,20 m auf, so dass ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO gegeben ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man die Angaben des Klägers zugrunde legt, wonach die Straße 4,45 m breit sei und sein Fahrzeug lediglich 1,95 m. Denn auch bei einer Restbreite von 2,50 m wäre eine enge Straßenstelle zu bejahen. Gegen eine Anwendung der Regelung des 3 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO spricht auch nicht, dass sich die Straße hinter dem hier in Rede stehenden Abschnitt des Großen Sandberges auf ca. 2,30 m verengt, zumal sich keine Einschränkung dahin findet, dass die Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO nur auf Straßen bezieht, in denen Durchgangsverkehr besteht.
Bei der streitgegenständlichen Fläche handelt es sich auch nicht um eine Parkbucht im Sinne eines Parkstreifens. Parkstreifen sind ausreichend befestigte, befahrbare Flächen unmittelbar neben der Fahrbahn, die für den ruhenden Verkehr angelegt sind. Das ist hier nicht der Fall. Aus den Fotos, die am Tattag gefertigt wurden und die vorgefundene Situation dokumentieren geht hervor, dass am rechten Fahrbahnrand geparkt wird, ein separater Parkstreifen aber nicht existiert.
Die Beklagte durfte die Maßnahme zur Gefahrenabwehr grundsätzlich auch im Wege der unmittelbaren Ausführung durchführen. Das Abschleppen eines Fahrzeugs ist als unmittelbare Ausführung nach § 9 Abs. 1 S. 1 SOG LSA zu qualifizieren, wenn das zu der Maßnahme Anlass gebende Verhalten in einem Verstoß gegen unmittelbar geltende Rechtsvorschriften besteht. Das ist hier der Fall. In solchen Fällen fehlt es - im Unterschied zu den in Verkehrszeichen enthaltenen, sofort vollziehbaren Verwaltungsakten i. S. e. Allgemeinverfügung gemäß §§ 1 Abs. 1 VwVfG LSA, 35 S. 2 VwVfG - in der Regel an einer Grundverfügung, die ggf. im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken ist (vgl. Hamburgisches OVG, Urteil v. 28.03.2003 - Az.: 3 Bf 215/98, Rn. 24 - zit. nach juris).
Der Zweck der Maßnahme - die Beseitigung der andauernden Rechtsverletzung und die Wiederherstellung der Verkehrssicherheit - konnte auch nicht rechtzeitig durch die Inanspruchnahme der nach §§ 7, 8 SOG LSA Verantwortlichen erreicht werden. Weder der Fahrer als Verhaltensstörer nach § 7 SOG LSA noch der Halter als Zustandsstörer nach § 8 SOG LSA waren im Zeitraum zwischen der Feststellung des Verkehrsverstoßes und der Einleitung der Abschleppmaßnahme erreichbar. Auch Anhaltspunkte auf ihren Aufenthaltsort waren nicht ersichtlich.
Die Maßnahme erweist sich jedoch als unverhältnismäßig. Das in § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO normierte Halteverbot an engen Straßenstellen dient der Sicherstellung ausreichenden Raumes für den fließenden Straßenverkehr. Deshalb kommt es auf eine konkrete Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer zwar nicht an. Vielmehr ist eine Umsetzung regelmäßig bereits dann gerechtfertigt, wenn durch ein parkendes Fahrzeug weniger als 3 m zur Durchfahrt frei bleiben (VG Berlin, Urteil v. 18.11.1997 - Az.: 11 A 1542.96). Das angeordnete Abschleppen des klägerischen LKW war zur Beseitigung des Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und damit der bereits eingetretenen und noch andauernden Störung der öffentlichen Sicherheit auch geeignet. Ob sie auch erforderlich war, d.h. möglicherweise andere den Kläger weniger belastende, aber gleichermaßen effektive Mittel zur Gefahrenabwehr zur Verfügung standen, kann offen bleiben. Sie war jedenfalls nicht angemessen. Die Verwaltungsvollstreckungsbeamten haben die Abschleppmaßnahme nur 9 Minuten nach Feststellung des Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften eingeleitet, ohne zuvor den Versuch zu unternehmen, Fahrer oder Halter des klägerischen Fahrzeugs zu erreichen. Dies erscheint im konkreten Fall unverhältnismäßig.
Es ist zwar regelmäßig nicht zu beanstanden, bei qualifizierten Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht zur Vermeidung jederzeit möglicher Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer ohne jedes Zuwarten und ohne weitere Nachforschungen nach dem Aufenthalt des gegen die entsprechenden verkehrsrechtlichen Anordnungen Verstoßenden das Abschleppen des betreffenden Fahrzeuges zu veranlassen (vgl. hierzu OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.03.2002, 4 L 118/01,NVwZ-RR 2003, 647). Eine zeitnah nach der Feststellung eines Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften durchgeführte Abschleppmaßnahme ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dabei regelmäßig nur dann problematisch, wenn der Fahrzeugführer ohne Schwierigkeiten und wesentliche Verzögerungen erreicht und zur Beseitigung des verbotswidrigen Parkens veranlasst werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1989, 7 B 179.89, Buchh. 442.151 3 12 StVO Nr. 7; Beschluss vom 27.05.2000, 3 B 67.02, juris).
Im konkreten Fall war jedoch zunächst zu berücksichtigen, dass sich hinsichtlich der Durchfahrtmöglichkeit für Feuerwehrfahrzeuge wie auch für LKW, die das Kaufhaus Peek & Cloppenburg anliefern wollen, bereits durch die wenige Meter von der hier maßgeblichen Stelle entfernte Fahrbahnverengung auf ca. 2,30 m maßgebliche Behinderungen ergeben. Diese auch im hier maßgeblichen Zeitpunkt bereits gegebenen Einschränkungen dürften durch das Abstellen des LKW des Klägers jedenfalls nicht gravierend verschärft worden sein. Bei dem Kläger ist angesichts der in unmittelbarer Nähe befindlichen Fahrbahnverengung und dem Nichtvorhandensein eines entsprechenden Verkehrszeichens der Eindruck entstanden, es handele sich um eine Parkbucht. Dieser Eindruck erscheint dem Gericht angesichts der dortigen gerichtsbekannten Verkehrssituation jedenfalls nicht gänzlich abwegig, auch wenn er nicht durch entsprechende Verkehrszeichen gerechtfertigt wird. Der Kläger hat ferner vorgetragen, dass er an der maßgeblichen Stelle bereits seit mehreren Jahren unbehelligt geparkt hat und dass - abgesehen von dem hier streitigen Abschleppvorgang - bis heute dort geparkt wird, ohne dass die Beklagte einschreitet. Die Beklagte verweist hierzu auf einen Abschleppvorgang im Jahr 2000, tritt dem Vorbringen im Übrigen jedoch nicht entgegen. Zutreffend führt sie hierzu zwar aus, dass ihr ein Präsentsein zu jeder Zeit an jedem Ort nicht möglich ist. Allein der Umstand, dass ein Verstoß gegen Straßenverkehrsrecht bislang ungeahndet blieb, vermag diesen auch nicht zu rechtfertigen oder einen im Übrigen gebotenen Abschleppvorgang in Frage zu stellen. Die Beklagte hätte jedoch die vorgenannten Gesichtspunkte bei der Ausübung ihres Ermessens dahingehend berücksichtigen müssen, dass sie vor Einleitung des Abschleppvorganges Ermittlungen über den Verbleib des Fahrzeugführers oder die Identität des Fahrzeughalters anstellt, zumal angesichts des innerstädtischen Kennzeichens derartige Nachforschungsversuche nicht bereits von vornherein nicht erfolgversprechend waren. Es erscheint ferner angesichts der durch das klägerische Fahrzeug nicht maßgeblich verschärften Verkehrssituation unverhältnismäßig, den Abschleppvorgang nach weniger als 30 Minuten nach Feststellung des verbotswidrigen Parkens einzuleiten.
Hat die Beklagte den Kläger nach alledem zu Unrecht zu den Kosten des Abschleppvorgangs als solchen herangezogen, ist auch die gegenüber dem Kläger zugleich erfolgte Gebührenfestsetzung in Höhe von 56,00 rechtswidrig. Die Voraussetzungen der insoweit als Rechtsgrundlage heranzuziehenden §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 VwKostG LSA liegen nicht vor. Der Kläger ist aus den vorgenannten Gründen nicht Kostenschuldner im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 VwKostG LSA. ..." (VG Halle, Urteil vom 30.08.2012 - 3 A 20/11)
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Ein verbotswidriges Abstellen (Parken) eines KfZ über einen Zeitraum von mehr als 1 Stunde rechtfertigt auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände, dass die Mitarbeiter der Ordnungsbehörde das Abschleppen des Fahrzeugs grundsätzlich veranlassen dürfen. Die Bediensteten der Ordnungsbehörde sind nicht verpflichtet, den Störer vor Veranlassung des Abschleppens zu benachrichtigen und ihn zum Wegfahren des KfZ aufzufordern; dies gilt auch, wenn Anschrift, Telefon-, Handy-Nr. in oder an dem Fahrzeug angebracht sind (im Anschluss an BVerwG, NJW 2002, 2122; VG Gießen, Urteil vom 20.09.2002 - 10 E 1547/02).
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Ist die Polizei im Besitz des Fahrzeugschlüssels, darf sie ein unbeschädigtes Fahrzeug zur Eigentumssicherung nicht ohne weiteres abschleppen lassen. Sie ist vielmehr dazu verpflichtet, den Schlüssel mit auf die Dienststelle zu nehmen und von dort aus den Eigentümer zu benachrichtigen (VG Darmstadt, Urteil vom 08.02.2001 - 3 E 2559/99).
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Das Abschleppen eines - auch über einen längeren Zeitraum - ordnungswidrig im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten Kraftfahrzeug zur Personenbeförderung (Taxi) im Bereich der Beförderungspflicht nach § 47 IV PBefG (Pflichtfahrbereich) ist zur Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes weder erforderlich noch ermessensgerecht. Auf Grund der behördlichen Registrierung eines derartigen Kraftfahrzeugs, des Halters/Unternehmers und des Betriebssitzes sowie der an und in dem Fahrzeug angebrachten Identifikationsmerkmale ist es im Zeitalter der EDV zumutbar, verhältnismäßig und ermessensgerecht, den Verursacher des ordnungswidrigen Zustandes ausfindig zu machen und ihn unmittelbar zur Beseitigung in Anspruch nehmen; das mehrstündige Zuwarten und anschließende Abschleppen ist in einem derartigen Fall ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig in Bezug auf die Zielrichtung der Ermächtigungsgrundlage, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit effektiv und schnell zu beseitigen. Eine unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft angeordnete Abschleppmaßnahme zieht keinen Kostenerstattungsanspruch nach sich (VG Gießen, Urteil vom 22.09.2000 - 10 E 1651/96).
§ 9 Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können Maßnahmen gegen andere Personen als die nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen richten, wenn
1. eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist,
2. Maßnahmen gegen die nach §§ 6 oder 7 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,
3. die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörden die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch beauftragte Dritte abwehren und
4. die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.
(2) Die Maßnahmen nach Abs. 1 dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Für die Beseitigung drohender Obdachlosigkeit ist der Obdachlose nach den §§ 11, 6 HSOG selbst verantwortlich. Die Inanspruchnahme des Eigentümers der Wohnung, deren Räumung dieser betreibt, ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 HSOG (Nichtverantwortlicher) zulässig. Die grundsätzlich nach § 2 Satz 2 HSOG zuständige Verwaltungsbehörde hat nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 HSOG vor der Inanspruchnahme des nichtverantwortlichen Wohnungseigentümers ernsthafte und nachprüfbare Anstrengungen in Bezug auf eine anderweitige Unterbringung des Obdachlosen zu unternehmen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 HSOG verbietet es aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit zivilrechtlicher Räumungstitel zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 06.06.2011 - 8 L 1441/11.F).
***
Die Wiedereinweisung einer vierköpfigen Familie in ein Eigenheim verstößt jedenfalls dann gegenüber dem in Anspruch genommenen Eigentümer als Nichtstörer gegen das Übermaßverbot, wenn die Behörde nicht nachgewiesen hat, dass anderweitiger zumutbarer Wohnraum nicht zur Verfügung steht (VG Darmstadt, Beschluss vom 20.07.2009 - 3 L 946/09):
... Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO begründet, wenn eine seitens des Gerichts vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs oder seiner Anfechtungsklage das von der Behörde geltend gemachte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Ob dies der Fall ist, richtet sich primär danach, welche Erfolgsaussichten der Widerspruch beziehungsweise die Anfechtungsklage aufweisen. Erweist sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig und eilbedürftig, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das private Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beziehungsweise der Klage.
Bei Zugrundelegung des vorstehend dargelegten Entscheidungsmaßstabes ergibt sich, dass der Antrag begründet ist.
Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Inanspruchnahmeverfügung des Bürgermeisters der Stadt W. vom 02.07.2009, weil sich die in Ziffer 1) der angefochtenen Verfügung getroffene Regelung nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen als rechtswidrig erweist.
Die Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer zur Abwendung drohender Obdachlosigkeit der Beigeladenen ergibt sich aus §§ 11, 9 HSOG. Nach diesen Vorschriften können die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Dabei können sie Maßnahmen auch gegen andere Personen als die nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen (Verhaltens- oder Zustandsstörer) richten, wenn 1. eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren ist, 2. Maßnahmen gegen die nach §§ 6 oder 7 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, 3. die Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörden die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch beauftragte Dritte abwehren und die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.
Da die Inanspruchnahme eines Nichtstörers nur in Ausnahmefällen rechtmäßig sein kann, sind die o. g. Voraussetzungen sehr eng auszulegen. Insbesondere müssen sämtliche Voraussetzungen kumulativ, d. h. gleichzeitig, vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zwar stellt Obdachlosigkeit grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der damit einhergehenden Gesundheitsgefahr eine Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Vorliegend fehlt es indes schon an der Darlegung, dass den Beigeladenen ohne die Inanspruchnahme des Antragstellers Obdachlosigkeit drohen könnte. Obdachlos ist jemand, der unfreiwillig ohne Unterkunft und aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln nicht in der Lage ist, die Obdachlosigkeit durch Beschaffung einer Wohn- oder Unterkunftsmöglichkeit zu beseitigen. Diese Voraussetzungen treffen auf die Beigeladenen nicht zu. Diese haben mit Mietvertrag vom 04.01.2006 das im Eigentum des Antragstellers stehende Einfamilienwohnhaus gemietet, wobei das Mietverhältnis im Hinblick auf einen beruflich bedingten Auslandsaufenthalt des Antragstellers auf die Dauer von 36 Monaten befristet abgeschlossen war und zum 15.01.2009 endete. Der Antragsteller hat den Beigeladenen mehrfach vor Ablauf des Mietverhältnisses mitgeteilt, dass er beabsichtigt, nach seiner berufsbedingten Abwesenheit wieder in sein Haus in W. einzuziehen. Da die Beigeladenen sich mit der Zahlung der Miete für die Monate Oktober und November 2008 im Rückstand befanden, kündigte der Antragsteller das Mietverhältnis. Nachdem die Beigeladenen das Einfamilienhaus nicht fristgerecht zum 15.01.2009 geräumt hatten, erhob dieser unter dem 28.01.2009 Räumungsklage zum Amtsgericht Darmstadt. Für den Fall des Anerkenntnisurteils sowie den Verzicht auf Räumungsschutz wegen einer psychischen Erkrankung der Beigeladenen zu 1) erklärte der Antragsteller, dass er von einer Vollstreckung des Anerkenntnisurteils bis Ende April 2009 absehen und den Gerichtsvollzieher anweisen werde, einen Räumungstermin nicht vor dem 01.06.2009 anzuberaumen. Am 24.02.2009 verkündete das Amtsgericht Darmstadt das Anerkenntnisurteil (- ... / ... -). Die Beigeladenen haben das Haus nicht geräumt. Alle vereinbarten Fristen ließen sie verstreichen. Der Antragsteller hat den Beigeladenen mehrfach, zuletzt mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 07.04.2009 Wohnungen nachgewiesen, die für die Beigeladenen in Betracht kommen. Die Beigeladenen haben offenbar keinerlei Anstrengungen unternommen, auf dem Wohnungsmarkt eine Wohnung zu suchen. Nach alledem kann keine Rede davon sein, dass die Beigeladenen unfreiwillig ohne Unterkunft seien und aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln nicht in der Lage seien, die drohende Obdachlosigkeit durch Beschaffung einer Wohn- oder Unterkunftsmöglichkeit zu beseitigen. Im Gegenteil, das Gericht geht mit dem Antragsteller davon aus, dass es den Beigeladenen darum geht, solange als möglich im Hause des Antragstellers ausharren zu können. Ausweislich des von der Antragsgegnerin vorgelegten Aktenvorgangs haben die Beigeladenen selbst es offenkundig nicht für nötig gehalten, bei der Antragsgegnerin wegen einer Unterkunft vorstellig zu werden, denn in dem Aktenvorgang ist kein Gespräch oder sonstige Notiz über einen Kontakt zwischen Antragsgegnerin und den Beigeladenen dokumentiert. Es findet sich dort lediglich der Ausdruck einer E-Mail des Mitarbeiters Schreiber von der Firma DD, C-Stadt, an den zuständigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin, in dem dieser mitteilt, der Beigeladene zu 2) habe am 24.05.2009 an seinem Arbeitsplatz einen totalen psychischen Zusammenbruch erlitten, so dass man den Notarzt habe rufen müssen. Es bestehen schon erhebliche Zweifel, ob dieser Zusammenbruch im Zusammenhang mit der beabsichtigten Räumung steht, da die Mitteilung des Gerichtsvollziehers erst vom 02.06.2009 datiert; die Antragsgegnerin wäre indes gehalten gewesen, diesen Umstand bei der Unterbringung der Familie der Beigeladenen in eine zumutbare Unterkunft zu berücksichtigen. Soweit in diesem Zusammenhang in einem Vermerk des 3. Polizeireviers W. vom 01.07.2009 davon die Rede ist, der Beigeladene zu 2) habe bei der Antragsgegnerin vorgesprochen und dort die Auskunft erhalten, man könne die Familie lediglich in einem Container unterbringen, woraufhin dieser angedroht habe, sich und seine Familie umzubringen, ist ein derartiges Gespräch zwischen dem Ordnungsamtsleiter der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zu 2) in dem Aktenvorgang der Antragsgegnerin nicht dokumentiert.
Soweit die Antragsgegnerin in der angefochtenen Verfügung mitteilt, andere geeignete Wohnungen habe die Sozialverwaltung zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vermitteln können, behauptet sie lediglich, was sie nachvollziehbar darzulegen gehabt hätte. Es geht auch nicht darum, die Beigeladenen in eine andere Wohnung zu vermitteln, es geht darum, diese in einer zumutbaren Unterkunft unterzubringen. In diesem Zusammenhang vermag das Gericht auch nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen dem vorgelegten Aktenvorgang Schriftstücke beigeheftet sind, die erkennbar die Unterbringung einer anderen Familie betreffen und in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren stehen.
Die Antragsgegnerin hat auch nicht dargelegt, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, die Beigeladenen in einem der in W. befindlichen Beherbergungsbetriebe unterzubringen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bereits auf der offiziellen Homepage der Antragsgegnerin neun infrage kommende Betriebe aufgeführt sind. Schließlich hat sie auch nicht dargelegt, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, die Beigeladenen in einer Unterkunft einer Nachbargemeinde unterzubringen (vergleiche hierzu grundlegend BVerwG, 28.09.1972 - BVerwG I B 23.72 -, Buchholz 11 Art 11 GG Nr. 7). Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung im Übrigen darauf hinweist, sie habe bereits eine andere Familie in der Obdachlosenunterkunft im Stadtteil E untergebracht, belegt dies ebenfalls nicht, dass sie alle Mittel ausgeschöpft hat, um die Beigeladenen in einer zumutbaren Unterkunft unterzubringen. Auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 2) bzgl. der Zwangsräumung Suizidabsichten geäußert hat, führt nicht zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung.
Schließlich lässt sich dem Aktenvorgang auch nicht entnehmen, dass die Beigeladenen zwischenzeitlich in das in Anspruch genommene Haus eingewiesen worden sind; dort befindet sich lediglich eine Absichtserklärung vom 01.07.2009.
Die Inanspruchnahme der in dem im Eigentum des Antragstellers stehenden Räume in einem Einfamilienhaus (ca. 110 m 2 , 1 Küche, 1 Diele, 1 Bad, 1 Kellerraum, 3 ½ Zimmer nebst Mitbenutzung von 1 Garage, 2 Einstellplätzen für Pkw, sowie Garten und Terrasse ist darüber hinaus unverhältnismäßig, denn sie verstößt gegen das Übermaßverbot. Die an die Unterkünfte, in denen eine Einweisung zur Abwendung drohender Obdachlosigkeit erfolgen darf, zu stellenden Qualitätsanforderungen werden dadurch bestimmt, dass die gefahrenabwehrrechtliche Beseitigung von Obdachlosigkeit nur vorübergehender Natur sein soll. Dies bedeutet, dass den eingewiesenen Personen Räumlichkeiten nach ihrer Größe und Zahl zur Verfügung stehen müssen, die es jedenfalls im Ansatz ermöglichen, die unterschiedlichen Lebensbedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder so aufeinander abzustimmen, dass es nicht zwingend zu Störungen kommt. Dies bedeutet, dass genügend Schutz vor Witterungsverhältnissen vorhanden ist, wozu namentlich im Winter eine ausreichende Beheizbarkeit gehört, hygienischen Grundanforderungen genügende sanitäre Anlagen, also Waschmöglichkeiten und WC, sowie eine Kochstelle, notdürftige Möblierung, d. h. mindestens ein Schrank bzw. eine Kommode und ein Bett zählen, sowie elektrische Beleuchtung vorhanden sein müssen (vgl. hierzu grundlegend: HessVGH, Urteil vom 25.06.1991 - 11 UE 3675/88 -, DVBl. 1991, 1371). Diese Voraussetzungen für eine menschenwürdige Unterbringung von Obdachlosen werden vorliegend erheblich, insbesondere durch die Inanspruchnahme der Garage, zwei Pkw-Einstellplätzen sowie des Gartens und der Terrasse, überschritten.
Ohne dass es für die vorliegende Entscheidung darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass der Antragsteller, nachdem sein berufsbedingter Auslandsaufenthalt beendet war und die Beigeladenen das Mietobjekt nicht geräumt hatten, seinerseits, für bestimmte Zeit, eine Wohnung gemietet hat. Dieser Mietvertrag wurde mehrfach verlängert, jedoch mit Schreiben vom 27.05.2009 wegen Eigenbedarfs zum 31.07.2009 gekündigt. Nach Ablauf dieses Datums droht dem Antragsteller selbst Obdachlosigkeit. Es dürfte nur schwer vermittelbar sein, den Antragsteller in eine Obdachlosenunterkunft einzuweisen, während er für die Unterbringung der Beigeladenen mit seinem eigenen Haus in Anspruch genommen wird. ..."
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Die Gemeinden sind bei der Bewältigung des Problems von Obdachlosigkeit nicht allein auf die "klassische" Einweisungsverfügung angewiesen; sie können die notwendige Unterkunft auch aufgrund öffentlich-rechtlicher Nutzungsvereinbarung oder privatrechtlichen Mietvertrages bereitstellen. Ein privates Mietverhältnis liegt nur vor, wenn sich die Beteiligten über Mietgegenstand, -dauer und -zins geeinigt haben. Nutzungsentgelt für die Unterbringung kann die Gemeinde nur verlangen, wenn sie dies entweder mit dem Obdachlosen konkret vereinbart oder eine entsprechende Gebührensatzung erlassen hat (VG Darmstadt, Beschluss vom 01.11.2001 - 3 TG 2365/01).
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§ 10 Einschränkung von Grundrechten
Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf
Leben und körperliche Unversehrtheit (en und körperliche Unversehrtheit ( Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Art. 3 der Verfassung des Landes Hessen),
Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Art. 5 der Verfassung des Landes Hessen),
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen),
Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 6 der Verfassung des Landes Hessen),
Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 des Grundgesetzes, Art. 8 der Verfassung des Landes Hessen)
eingeschränkt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine kriminalpolizeiliche Gefährderansprache, mit der der Geschäftsführer eines Inkassounternehmens unter Hinweis auf mögliche Ermittlungsmaßnahmen darüber "bösgläubig" gemacht wird, dass das Einziehen erkennbar unberechtigter Forderungen - etwa aus verbotenen und strafbaren Internet-Glücksspielen - Beihilfe zum Betrug darstellen kann, greift zwar in die Freiheit der Unternehmensbetätigung ein, ist aber zur Verhütung drohender Straftaten geeignet und auch im Übrigen verhältnismäßig. Eine auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel des § 11 HSOG gestützte Gefährderansprache ist in einem solchen Fall nicht durch die Möglichkeit des Widerrufs der Registrierung gemäß § 14 RDG ausgeschlossen (VGH, Beschluss vom 28.11.2011 - 8 A 199/11.Z zu §§ 1 Abs 4, 11,10 H SOG, § 14 RDG, Art 12 Abs 1 GG u.a.).
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Im Falle der Obdachlosigkeit ist diejenige Gefahrenabwehrbehörde örtlich zuständig, in deren Amtsbereich sich der Obdachlose gegenwärtig aufhält und an die er sich mit der Bitte um Unterbringung wendet. Wo die Obdachlosigkeit eingetreten ist und ob sich der Obdachlose zuvor im Amtsbereich einer anderen Gefahrenabwehrbehörde aufgehalten hatte und dort um Zuweisung einer Unterkunft nachgesucht hatte, ist unerheblich (VGH Hessen, Beschluss vom 05.02.2003 - 11 TG 3397/02).
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Zweiter Abschnitt - Befugnisse
§ 11 Allgemeine Befugnisse
Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die folgenden Vorschriften die Befugnisse der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden besonders regeln.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine kriminalpolizeiliche Gefährderansprache, mit der der Geschäftsführer eines Inkassounternehmens unter Hinweis auf mögliche Ermittlungsmaßnahmen darüber "bösgläubig" gemacht wird, dass das Einziehen erkennbar unberechtigter Forderungen - etwa aus verbotenen und strafbaren Internet-Glücksspielen - Beihilfe zum Betrug darstellen kann, greift zwar in die Freiheit der Unternehmensbetätigung ein, ist aber zur Verhütung drohender Straftaten geeignet und auch im Übrigen verhältnismäßig. Eine auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel des § 11 HSOG gestützte Gefährderansprache ist in einem solchen Fall nicht durch die Möglichkeit des Widerrufs der Registrierung gemäß § 14 RDG ausgeschlossen (VGH, Beschluss vom 28.11.2011 - 8 A 199/11.Z zu §§ 1 Abs 4, 11,10 H SOG, § 14 RDG, Art 12 Abs 1 GG u.a.).
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Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist eine "Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" nicht zulässig. Es erscheint zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützte Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird (VGH Hessen, Beschluss vom 30.09.2011 - 8 B 1329/11 zu § 80 Abs 5 VwGO, §§ 31, 11 HSOG, Art 19 Abs 4 GG):
... Auch die vom Antragsgegner hilfsweise beantragte Feststellung, dass die Anordnung des Kontakt- und Annäherungsverbots rechtmäßig ergangen sei und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung daher auch insoweit abzuweisen gewesen sei, läuft dem Zweck des vorläufigen Vollziehungsschutzverfahrens" des § 80 Abs. 5 VwGO zuwider und kann deshalb nicht hier, sondern allenfalls im Hauptsache-, also im Klageverfahren ausgesprochen werden.
Es trifft zwar zu, dass das Bundesverfassungsgericht bei einem gewichtigen Grundrechtsverstoß, dessen unmittelbare Belastung sich typischerweise auf eine Zeitspanne beschränkt, in der nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangt werden kann, zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG eine Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" etwa gegen eine erledigte Unterbringungsmaßnahme zugelassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Mai 1998 - 2 BvR 978/97 - NJW 1998 S. 2432 f. = juris) oder das Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses für eine Verfassungsbeschwerde gegen eine erledigte Fessellungsanordnung angenommen hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. August 2011 - 2 BvR 1739/10 - juris). Damit soll aber überhaupt eine Rechtsschutzmöglichkeit erhalten bleiben, die aber bei einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit dem parallel geführten Hauptsacheverfahren gegeben ist. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht dementsprechend in einem dem vorliegenden vergleichbaren Fall entschieden, dass es Art. 19 Abs. 4 GG nicht gebiete, über die im Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO übliche summarische Prüfung hinauszugehen, denn dem aus der Wohnung Verwiesenen bleibe die Möglichkeit, die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 13 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 GG nachträglich etwa im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltend zu machen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Februar 2002 - 1 BvR 300/02 - NJW 2002 S. 2225 f. = juris Rdnrn. 7 ff.).
Abgesehen davon, dass sich der Antragsgegner als Träger öffentlicher Verwaltung nicht auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen kann, hätte er auch hier eine Klärung im Hauptsacheverfahren suchen können. Er hätte noch während der Geltungsdauer der streitigen polizeirechtlichen Verfügung vom 23. Mai 2011 über den erhobenen Widerspruch in der Sache entscheiden und dadurch die Möglichkeit einer Klageerhebung eröffnen können; einer späteren Erledigungserklärung des Klägers hätte er dann auch unter Berufung auf sein eigenes Fortsetzungsfeststellungsinteresse widersprechen können.
In Fällen der vorliegenden Art muss der Antragsgegner auch grundsätzlich nicht befürchten, dass vor einer Widerspruchserhebung ein einem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO stattgebender verwaltungsgerichtlicher Beschluss ergeht, weil die wiederherzustellende oder anzuordnende aufschiebende Wirkung eine Widerspruchserhebung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO voraussetzt und vorher auch die Erfolgsaussichten des Widerspruchs nicht geprüft werden können.
Es erscheint zwar auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützt Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird, da sich § 31 HSOG auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person an einem bestimmten Ort bezieht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 11 TG 2548/02 - NVwZ 2003 S. 1400 ff. = juris Rdnrn. 4 ff.), während sich das Kontakt- und Annäherungsverbot auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person in der Nähe einer anderen Person, an welchem Ort diese sich auch immer aufhält, und damit auf eine unterschiedliche Gefahrenlage bezieht. Diese Frage kann aber wegen des von vornherein fehlenden Rechtsschutzinteresses für die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde auch nicht einer nur vorübergehenden Klärung zugeführt werden. ..."
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Die Aufhebung einer erst nach Abschluss des erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgten Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes kann vom Beschwerdegericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO angeordnet werden. Die vorübergehende Einweisung in eine Notunterkunft zur Vermeidung unfreiwilliger Obdachlosigkeit begründet keinen Besitzstand und keinen Rechtsanspruch des Eingewiesenen, in der Unterkunft belassen zu werden. Die Gemeinde ist vielmehr in Ausübung ihres Nutzungsrechts befugt, ihn nach pflichtgemäßem Ermessen aus - schlüssig und nachvollziehbar angeführten - sachlichen Gründen in eine andere, den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung genügende Unterkunft umzusetzen (VGH, Urteil vom 07.03.2011 - 8 B 217/11).
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Aus § 16 Abs. 1 der hessischen Hundeverordnung ergibt sich eine umfassende Aufgabenzuweisung an die Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörden für den gesamten Bereich des Haltens und Führens von Hunden zum Zweck des Schutzes Dritter gegen dadurch hervorgerufene Gefahren. Eine generelle Untersagung der Hundehaltung kann auf § 11 HSOG gestützt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass beim Halten und Führen von Hunden durch eine Person gegen das Gebot des § 1 Abs. 1 Satz 1 HundeVO verstoßen wird, wonach Hunde so zu halten und zu führen sind, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht (VGH Hessen, Beschluss vom 29.06.2009 - 8 B 1034/09).
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Zum behördlichen Verbot der Veranstaltung von Pokerturnieren in Gaststätten und der Werbung für solche Veranstaltungen. Von Gastronomen veranstaltete Pokerturniere in Gaststätten sind in Hessen jedenfalls dann verboten und nicht genehmigungsfähig, wenn das Einsatzrisiko pro Spieler bei Wahrnehmung aller vom Veranstalter gebotenen Gewinnchancen die Einkommen Geringverdienender oder etwaige staatliche Transferleistungen übersteigt (hier entschieden für ein maximales Einsatzrisiko von 350,00 EUR pro Woche; VGH Hessen, Beschluss vom 07.08.2008 - 8 B 522/08).
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Bis zu der für den 1. Januar 2008 zu erwartenden Neuregelung der Rechtslage sind die zuständigen Behörden weiterhin befugt, privaten Wettanbietern die Vermittlung von Sportwetten zu untersagen (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung; VGH Hessen, Beschluss vom 30.08.2007 - 7 TG 616/07).
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Das Verbot exzessiver Taubenfütterung - hier bis zu 75 kg Taubenfutter pro Tag - kann auf § 11 HSOG gestützt werden, verhältnismäßig und mit den Anforderungen eines ethischen Tierschutzes vereinbar sein (VGH, Beschluss vom 30.04.2009 - 8 UZ 3006/06).
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Die private Vermittlung von Sportwetten durch nicht vom Lande Hessen zugelassene Annahmestellen kann weiterhin ordnungsrechtlich unterbunden werden (Fortführung der Rechtsprechung des 11. Senats, der Beschlüsse vom 25. Juli 2006 - 11 TG 1465/06 - und vom 14. September 2006 - 11 TG 1653/06 -; VGH Hessen, Beschluss vom 05.01.2007 - 2 TG 2911/06).
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Das in Hessen durch § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Spw/LottoG normierte staatliche Sportwettenmonopol ist in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG und mit der durch Art. 43 und 49 des EG-Vertrages verbürgten Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit von im EU-Ausland konzessionierten privaten Veranstaltern von Sportwetten vereinbar (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff. [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01] bezüglich des bayerischen Staatslotteriegesetzes). Innerhalb der von dem Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 eingeräumten Übergangsfrist bis 31. Dezember 2007 darf auch in Hessen das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht von den zuständigen hessischen Behörden erlaubt werden, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden. Die von dem Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 aufgestellten Anforderungen an die Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz zwischen den Zielen des staatlichen Sportwettmonopols und seiner tatsächlichen Handhabung sind auf Grund der durch die Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen durchgeführten bzw. veranlassten Maßnahmen zur Ausrichtung der Werbung und des Vertriebs für die staatliche Oddset-Wette an die Erfordernisse der Begrenzung problematischen Spielverhaltens, der Bekämpfung der Wettsucht und der Suchtprävention erfüllt (VGH Hessen, Beschluss vom 25.07.2006 - 11 TG 1465/06).
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Wird Piercing unter Anwendung einer örtlichen Betäubung mittels Injektion eines Arzneimittels durchgeführt, stellt dies Ausübung der Heilkunde i. S. des § 1 II HeilpraktikerG dar (VGH Kassel, Beschluss vom 02.02.2000 - 8 TG 713/99, NJW 2000, 2760).
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Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs, dessen Zustand den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung widerspricht, stellt einen Verstoß gegen § 16 StVZO dar und begründet deshalb eine polizeirechtliche Gefahr. Der Verkäufer eines Fahrzeugs verletzt seine Pflicht nach § 27 III 1 StVZO, der Zulassungsstelle unverzüglich die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, auch dann, wenn er fahrlässig eine falsche Adresse des Käufers mitteilt. Der frühere Eigentümer eines Kraftfahrzeugs ist nicht deshalb als Verhaltensstörer für die durch das rechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs eintretende polizeirechtliche Gefahr verantwortlich, weil er nach dem Verkauf des Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 27 III 1 StVZO der Zulassungsstelle die Adresse des Erwerbers nicht oder fahrlässig eine falsche Adresse mitgeteilt hat. Da sein Pflichtverstoß nicht kausal für den Eintritt der Gefahr ist, die durch das Abschleppen des Kraftfahrzeugs beseitigt wird, ist er nicht zum Ersatz der dadurch entstehenden Kosten verpflichtet (VGH Kassel, Urteil vom 18.05.1999 - 11 UE 343/98).
*** (VG)
Eine "Meldeauflage" für einen angeblich gewaltbereiten Fußballfan für die Zeit eines Fußballspiels, in dessen Zusammenhang gewalttätige Auseinandersetzungen erwartet werden dürfen, setzt regelmäßig die Anhörung des Betroffenen voraus ( VG Oldenburg, Urteil vom 26.06.2012 - 7 A 3177/12):
... Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 ist rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Der Bescheid ist schon aus formellen Gründen rechtswidrig. Die Beklagte hat den Kläger vor dessen Erlass entgegen § 28 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG nicht angehört.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakte erlassen wird, der in die Rechte des Beteiligten eingreift. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht, ihn für den 3. April 2012 zur Meldung bei der Polizeistation zu verpflichten, angehört hat. Das Gericht hat erwogen, ob die Anhörung des Klägers wegen dieser Maßnahme darin zu sehen sein könnte, dass der Kläger sich gegen die vorangegangene weitgehend inhaltsgleiche Verfügung vom 15. Februar 2012 nicht gewehrt hat. Diesem Gedanken ist indes nicht näher zu treten, da der Kläger hierzu keinen Anlass hatte, weil diese Verfügung durch die Verlegung des Spieles VfL gegen - gegenstandslos geworden. Dies ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte den Kläger wohl noch vor Erlass der Verfügung vom 15. Februar 2012 in groben Zügen über den maßgeblichen Sachverhalt und die geplante Maßnahme unterrichtet hat. Hierin ist indes keine Anhörung i.S.v. § 28 VwVfG zu sehen. Der Kläger hat nach der übereinstimmenden Schilderung der Beteiligten von diesem Telefongespräch dadurch nicht die Gelegenheit erhalten, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Belange, die gegen eine Meldeauflage" am 25. Februar 2012 sprechen könnten, vorzubringen. Dazu wäre indes im Hinblick auf den Termin des Fußballspiels am 25. Februar 2012 noch hinreichend Zeit gewesen.
Ebenso wenig sieht das Gericht in dem weiteren Telefongespräch der Beklagten mit dem Kläger am 24. Februar 2012 dessen Anhörung im Hinblick auf die Verfügung vom 12. März 2012. Dem Kläger ist darin nur unbestimmt in Aussicht gestellt worden, dass bei der Durchführung des fraglichen Fußballspiels eine Meldeauflage" gegen ihn wieder in Betracht komme. Weder der genaue Zeitpunkt des Fußballspiels noch die Einzelheiten der Meldeauflage" vom 12. März 2012 konnten naturgemäß Gegenstand des Telefongesprächs der Beteiligten am 24. Februar 2012 sein.
Eine Anhörung i.S.v. § 28 Abs. 1 VwVfG ist auch nicht in dem vorprozessualen Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers (eingeleitet durch dessen Schreiben vom 22. März 2012) und der Beklagten zu sehen. Zwar ist grundsätzlich die Anhörung vor dem Erlass der fraglichen Entscheidung durchzuführen. Indes kann eine fehlende Anhörung gemäß § 45 Abs. 2 und 1 Nr. 3 VwVfG (bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) nachgeholt werden. Diese Möglichkeit ist hier im Hinblick auf den vorbezeichneten Schriftwechsel im Ergebnis nicht in Betracht zu ziehen. Sie wurde nicht von der Beklagten eingeleitet und eröffnete dem Betroffenen auch nicht wie bei einer ordnungsgemäßen Anhörung die Änderung des fraglichen Verwaltungsakts durch das Einbringen seiner Belange. Die Aktenlage spricht eindeutig dagegen, dass die Beklagte ergebnisoffen" in diesem Sinne mit den Einwänden des Prozessbevollmächtigten des Klägers umgegangen ist. Sie hat lediglich bei der Polizeiinspektion nachgefragt und von dieser die Auskunft erhalten, dass diese an der Einschätzung der Gefahrenlage festhalte. Die Beklagte hat auf dieser Grundlage ihre Verfügung vom 12. März 2012 durch das Schreiben vom 27. März 2012 nur wiederholend verteidigt. Vom Ansatz her ist es zwar nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich auf die polizeilichen Auskünfte verlässt. Die Behörde hat grundsätzlich keinen Grund ohne weiteres an der Korrektheit der schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse der polizeilichen Szene kundigen Beamten zu zweifeln. Durch jahrelange Beobachtung der Hooligan-Szene sowie durch die Sachbearbeitung aller Delikte rund um Fußballspiele verfügen szenekundige Beamte über eine umfassende Personenkenntnis und dürften Problemfans differenziert beurteilen können (s. VG Meiningen, Urteil vom 8. Februar 2011 - 2 K 253/09 ME - zitiert nach juris, m.w.N.). Grundsätzlich genügt für die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf die Frage, ob ihr mit einer Meldeauflage für einen Fußballfan zu begegnen ist, die Zugehörigkeit dieser Person zur Hooligans-Szene. Die Straftaten von Hooligans im weiteren Zusammenhang mit Fußballspielen haben ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als ein Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus initiiert und gesteigert wird, und der schon durch die Gegenwart von Gleichgesinnten befördert wird (VGH München, Beschluss vom 9. Juni 2006 - 24 CS 06.1521 - zitiert nach juris).
Auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es indes zu beanstanden, dass die Beklagte hier den Kläger nicht zu der beabsichtigten Meldeauflage angehört hat. Sie hätte ihm Gelegenheit geben müssen, zu dem insoweit maßgeblichen tatsächlichen Vorwurf - den Vorfällen vom 10. September 2011 - Stellung nehmen zu können. Es ist beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass der Kläger dann durch geeignete Nachweise (durch glaubwürdige Zeugen z. B.) hätte belegen können, dass er sich (beispielsweise durch die Mitarbeit in "Fanprojekten") von der gewaltbereiten Fanszene des VfL abgewendet hätte. Es ist auch denkbar, dass er seine Ortsabwesenheit für den 3. April 2012 auf eine Weise hätte belegen können, dass seine Anwesenheit in an diesem Tage ausgeschlossen sei (beispielsweise Vorlage von Unterlagen für eine Fernreise). Möglicherweise hätte ggfs. auch sein Arbeitgeber bestätigt, dass er am 3. April 2012 wegen eines "Jobs" auf keinen Fall in Münster hätte sein können. Ob solche oder vergleichbare Umstände der streitgegenständlichen Anordnung hätten entgegenstehen können, braucht hier nicht geklärt zu werden - jedenfalls hätte die Beklagte sie in ihre Ermessenserwägungen aufnehmen müssen. Diesen Überlegungen steht nicht entgegen, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren solche oder ähnliche Tatsachen vorgetragen hat. Abzustellen ist insoweit bei der rechtlichen Überprüfung einer Maßnahme der Gefahrenabwehr ist auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier: Bescheid der Beklagten vom 13. März 2012 - abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Beklagte nicht wissen, welche Belange zugunsten des Klägers gegen eine Meldeauflage" streiten. Unerheblich ist mithin, was der Beklagten nach dem 13. März 2012 diesbezüglich bekanntgeworden ist. Auch aufgrund der Pflicht der Beklagten, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, war es wohl geboten, den Kläger zu der Meldeauflage" für den 3. April 2012 anzuhören.
Die Voraussetzung für ein ausnahmsweises Absehen von der Anhörung des Klägers sind hier nicht erfüllt. Ernsthaft kommt hier lediglich die Anwendung von § 28 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Betracht. Danach kann von einer Anhörung insbesondere abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Gefahr im Verzug im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät käme, um ihren Zweck zu erreichen, was in jedem Einzelfall ex ante" zu beurteilen ist (BVerwGE, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 3 C 27/82 -, juris zu der gleichlautenden bayerischen Vorschrift). Es ist weder vorgetragen noch im Hinblick auf die Zeit zwischen polizeilicher Anregung der Meldeauflage" (7. März 2012) und dem Fußballbeispiel am 3. April 2012 ansatzweise ersichtlich, dass die Voraussetzungen hier erfüllt sein könnten.
Die Anhörung ist auch nicht mit der Kommunikation der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nachgeholt. Die Anhörung gemäß § 28 VwVfG kann ihren verfahrensrechtlichen Zweck regelmäßig nur dann vollständig erfüllen, wenn sie vor dem Erlass der Entscheidung stattfindet. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in Niedersachsen gemäß § 8 a Abs. 1 Nds. AGVwGO - ein Widerspruchsverfahren, in dessen Rahmen die unterbliebene Anhörung regelmäßig nachgeholt werden kann, nicht mehr stattfindet. Wenn es das Gesetz dennoch zulässt, die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachzuholen, so sind an diese Heilung erhebliche Anforderungen gemäß Sinn und Zweck der Anhörung zu stellen. Es reicht somit nicht aus, wenn im Gerichtsverfahren - wie hier - das Gericht den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und sie auf diesem Wege ihre Auffassungen zur streitigen Maßnahme austauschen. Eine Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren setzt ein formelles Verfahren neben dem bzw. außerhalb des gerichtlichen Verfahrens voraus, das ggf. vorübergehend ausgesetzt werden kann. Eine Heilung des Verfahrensmangels kann jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn die Behörde dem Bürger im Klageverfahren eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme zum Erlass des Verwaltungsakts einräumt und danach klar zu erkennen gibt, ob und in welcher inhaltlichen Reichweite sie nach erneuter Prüfung weiter an dem Verwaltungsakt festhält. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 mit der Kommunikation der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nicht erfüllt (s. zu alledem Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 -, juris).
Schließlich dürfte das Unterlassen der Anhörung auch nicht gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er u. a. unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dabei lässt das Gericht offen, ob diese Vorschrift bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage überhaupt anwendbar ist. Die Nachholung einer unterlassenen Anhörung ist nur in einem Verwaltungsverfahren möglich, das geeignet ist, zu einer Änderung des betroffenen Verwaltungsaktes zu führen. Dies ist bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht möglich, da sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt hat (s. hierzu VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, a.a.O., m.w.N.). Es scheint zudem sehr fraglich, ob die Voraussetzungen von § 46 VwVfG hier erfüllt sind. Zum einen ist erforderlich, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei einer Anhörung des Klägers vor dem Bescheid vom 12. März 2012 die Entscheidung (Meldeauflage für den 3. April 2012) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hätte anders ausfallen können. Zum anderen muss es auch offensichtlich sein, dass eine Anhörung des Klägers die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Es muss mithin jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen sein, dass es bei Vermeidung des Fehlers zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 - juris, sowie VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, jeweils juris und m.w.N.). Das scheint vorliegend zweifelhaft. Zwar mag im Hinblick auf die Stellungnahmen der Polizeiinspektion und das Schreiben der Beklagten vom 27. März 2012 vieles dafür sprechen, dass auch eine Anhörung des Klägers, in der dieser die nunmehr im gerichtlichen Verfahren gegen die Meldeauflage angeführten Gründe hätte vortragen können, die Beklagte nicht zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätte. Gleichwohl ist die Möglichkeit einer anderen Entscheidung im Rechtssinne hier nicht auszuschließen. Bei der streitigen Verfügung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Anhörung sicherstellen soll, dass der von der beabsichtigten Maßnahme Belastete seine Belange in die Entscheidung einbringen soll (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011, a.a.O. - a.A. wohl VG Meiningen, Urteil vom 8. Februar 2011 - 2 K 453/09 - zitiert nach juris). Zur Vermeidung von Missverständnissen sei klargestellt, dass die Feststellung, der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 sei rechtswidrig, allein auf diesen formellen Erwägungen beruht. Das Gericht hält es ausdrücklich für möglich, dass eine Meldeauflage der hier streitigen Art für den Kläger nach ordnungsgemäßer Anhörung rechtmäßig sein könnte.
Mit der Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 zu Nr. 1 seines Tenors rechtswidrig gewesen ist, wird auch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 Euro für jeden nicht beachteten Meldetermin (Nr. 3 des Tenors) hinfällig. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es rechtlich bedenklich erscheint, dass die Beklagte die Festsetzung des Zwangsgeldes mit dessen Androhung und der Verfügung selbst verbindet. Ein Zwangsgeld ist regelmäßig erst dann festzusetzen, wenn der Betroffene die Verfügung gegen ihn nicht beachtet. Im Falle mehrerer Meldeauflagen" über eine Zeit von wenigen Stunden dürfte es in der Regel kaum zulässig sein, ein solches Zwangsgeld festzusetzen und beizutreiben, weil die Meldeauflage" sich mit dem letzten Meldetermin erledigt hat. Das Zwangsgeld kann dann seinen Zweck, dem Willen des Adressaten zu beugen, nicht mehr erfüllen (s. Rachor, in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, S. 704 m.w.N.). ..."
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Für die Beseitigung drohender Obdachlosigkeit ist der Obdachlose nach den §§ 11, 6 HSOG selbst verantwortlich. Die Inanspruchnahme des Eigentümers der Wohnung, deren Räumung dieser betreibt, ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 HSOG (Nichtverantwortlicher) zulässig. Die grundsätzlich nach § 2 Satz 2 HSOG zuständige Verwaltungsbehörde hat nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 HSOG vor der Inanspruchnahme des nichtverantwortlichen Wohnungseigentümers ernsthafte und nachprüfbare Anstrengungen in Bezug auf eine anderweitige Unterbringung des Obdachlosen zu unternehmen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 HSOG verbietet es aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit zivilrechtlicher Räumungstitel zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 06.06.2011 - 8 L 1441/11.F).
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Solange den Teilnehmern an Mixed Martial Arts (MMA)-Kämpfen nach den Regeln des MMA die Möglichkeit eingeräumt wird, das Kampfgeschehen durch Abklopfen zu beenden, wird der unterlegene Kämpfer nicht zum Objekt von Gewalthandlungen degradiert (VG Gießen, Beschluss vom 03.03.2011 - 4 L 444/11.GI):
... Das öffentliche Vollzugsinteresse hingegen hat die Antragsgegnerin damit begründet, dass den Kämpfen, die am 5. März 2011 dargeboten werden sollen, ein nicht unerhebliches Gewaltpotential innewohne und deshalb zu befürchten sei, dass es hierdurch zu einem Abbau von Hemmschwellen beim Publikum komme; überdies würde durch die besondere Brutalität der Kämpfe der unterliegende Gegner zum Objekt und deshalb die Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG tangiert. Diese Erwägungen der Antragsgegnerin vermögen indes nicht das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zu überwiegen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Veranstaltung am 5. März 2011 gezielt aufgesucht werden muss und nicht von Personen unter 18 Jahren besucht werden darf; ein Eintrittsverbot für Jugendliche bis zu 18 Jahren war vielmehr von der Antragstellerin - nach deren insoweit unstreitigem Vortrag - von Beginn an vorgesehen. Dementsprechend enthält die Ziffer 6 der der Antragstellerin am 18. Januar 2011 von der Antragsgegnerin erteilten Gestattung gemäß § 12 des Gaststättengesetzes auch die Auflage, dass durch geeignete Kontrollmaßnahmen sicherzustellen ist, dass Jugendlichen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist. Damit ist nach Auffassung des Gerichts der Jugendschutz sichergestellt. Würde allerdings von der Antragstellerin auch die Zulassung von Jugendlichen zu ihrer Veranstaltung angestrebt, so wäre nach Ansicht des Gerichts aus Gründen des Jugendschutzes wegen des MMA-Kämpfen wohl innewohnenden Gewaltpotentials im Rahmen der Interessenabwägung von einem überwiegenden öffentlichen Interesse auszugehen gewesen (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2010 -1 BvR 2743/10 -), da dann eine Störung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen wäre. Darüber hinaus - das heißt losgelöst vom Jugendschutz - lässt sich vorliegend nach Ansicht des Gerichts ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse aber nicht ausschließlich mit einem MMA-Kämpfen innewohnenden Gewaltpotential begründen. Zwar stimmt das Gericht der Wertung der Antragsgegnerin, dass den von der Antragstellerin am 5. März 2011 in den Hessenhallen dargebotenen elf MMA-Kämpfen und den vier Combat-Sambo-Kämpfen wohl ein höheres Gewaltpotential innewohnt als den herkömmlichen Kampfsportarten Boxen, Karate, Jiu-Jitsu und Judo, grundsätzlich zu, weil bei den am 5. März 2011 dargebotenen Kämpfen im Gegensatz zu den anderen Vollkontaktsportarten auch im Bodenkampf getreten und geschlagen werden darf. Allerdings vermag das Gericht im Rahmen seiner summarischen Prüfung nicht zu erkennen, dass die geplante Darbietung am 5. März 2011 im Sinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2001 - 6 C 3/01 - (BVerwGE 115, 189) zum Betrieb eines sogenannten Laserdromes mit simulierten Tötungshandlungen eine Tendenz zur Bejahung oder zumindest Bagatellisierung von Gewalt dergestalt innewohnt, dass wegen der auf die Identifikation der Zuschauer mit der Gewaltausübung gegen Menschen" und deren lustvoller Teilnahme" hieran, die Kampfsportveranstaltung am 5. März 2011 mit den allgemeinen Wertevorstellungen in der Gesellschaft und der verfassungsrechtlichen Garantie der Menschenwürde unvereinbar ist. Entscheidend für diese Einschätzung des Gerichts ist, dass den Kämpfern nach den Regeln des MMA die Möglichkeit verbleibt, das Kampfgeschehen durch Abklopfen zu beenden und darüber hinaus nach den Statuten der Antragstellerin sowohl der Ringrichter, der Ringarzt wie auch der jeweilige Trainer den Kampf abbrechen können. Aufgrund dieser Möglichkeiten vermag das Gericht weder zu erkennen, dass der unterlegene Kämpfer zum Objekt von Gewalthandlungen degradiert wird noch, dass bei den Zuschauern eine Einstellung erzeugt oder verstärkt wird, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt. ..."
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Anspruch auf polizeiliches Einschreiten bei Lärm von öffentlichem Platz (VG Frankfurt, Urteil vom 11.02.2011 - 5 K 4817/10.F):
... Allerdings dürften die Tatbestandsvoraussetzungen der Generalklausel (§ 11 HSOG) grundsätzlich erfüllt sein, auch wenn auf der Rechtsfolgenseite keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.
Zunächst dürfte eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehen. Konkret steht zu befürchten, dass mit der Störung der Nachtruhe der Klägerin ihre körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt werden kann. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Lärmgutachten ergibt sich eine erhebliche und massive Überschreitung der für die Nachtzeit tolerablen Geräuschbelastung. Dies wird von der Beklagten im Grundsatz auch nicht bestritten. Im Schreiben vom ...10.2010 heißt es vielmehr, die Lärmbelästigung an den Freitagen nach 22.00 Uhr werde durch eigene Schallpegelmessungen bestätigt.
Entgegen dem Vortrag der Beklagten bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken, vorliegend in der Form einer Allgemeinverfügung zu handeln. Insbesondere würde sich eine solche Allgemeinverfügung nicht auf eine Vielzahl von Gefahrenlagen oder einen unbestimmten Adressatenkreis beziehen, so dass eine abstrakt-generelle Regelung vorläge und nur eine Polizeiverordnung erlassen werden könnte. Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen (VGH Mannheim, Beschl. v. 04.10.2002 - 1 S 1963/02 -; VG Osnabrück, Beschl. v. 11.02.2010 - 6 B 9/10 - Juris) treffen nicht den vorliegenden Fall. In diesen Entscheidungen sollte durch ein Alkoholverbot konkreten Störungen wie Vandalismus, Verunreinigungen, Körperverletzungen und Ruhestörungen entgegengewirkt werden; durch diese Maßnahme wäre unter Verzicht auf eine Einzelfallprüfung eine Vielzahl von Adressaten betroffen gewesen, die sich friedlich und unauffällig verhalten und keine Störer sind. Der vorliegende Sachverhalt ist jedoch konkret eingrenzbar; Adressaten einer Allgemeinverfügung wären die Personen, die sich zu einem konkreten Zeitpunkt an einem konkreten Ort, dem E, treffen. Allein durch dieses Zusammentreffen und die Unterhaltung verursachen diese Personen - was der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 08.02.2011 zutreffend darlegt - eine Geräuschbelastung, die die Nachtruhe und damit die körperliche Unversehrtheit der Klägerin möglicherweise gefährdet. Es geht damit nicht um eine Differenzierung zwischen Bürgern, die sich unauffällig verhalten und Störern. Die Frage der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten und der Verzicht auf eine Einzelfallprüfung spielen hier keine Rolle. Anknüpfungspunkt für die Allgemeinverfügung wäre allein, dass sich C Bürger auf dem E nach 22.00 Uhr treffen und durch ihre normale Kommunikation Geräusche verursachen, die für Anwohner möglicherweise gesundheitsgefährdend sind.
Erhebliche Zweifel bestehen allerdings, ob die große Vielzahl der Bürger, die sich auf dem E treffen und unterhalten, als Störer im polizeirechtlichen Sinne zu verstehen sind und damit in Anspruch genommen werden könnten. Hiergegen sprechen sicher die von der Beklagten angeführten vielen Erwägungen, dass diese Bürger sich im Rahmen ihres Grundrechts auf Handlungsfreiheit und im Rahmen des Gemeingebrauchs an diesem Platz bewegen dürften und jeder für sich genommen nichts Unerlaubtes tut. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Bürger allein durch ihre Vielzahl dadurch zu Störern werden, dass sie in dieser großen Menge zu Lärmbeeinträchtigungen führen, die für die Klägerin möglicherweise nicht mehr hinzunehmen sind. Der Klägerbevollmächtigte führt insoweit aus, dass diese Vielzahl von Menschen mit ihrer normalen Unterhaltung ohne jeden Zwischenschritt zwangsläufig zu einer nicht mehr hinnehmbaren Geräuschentwicklung beitragen und damit die Gefahrengrenze überschreiten.
Diese Frage und auch die damit verbundene Frage, ob die sich friedlich auf dem E treffenden Bürger als Nichtstörer nach § 9 HSOG in Anspruch genommen werden können, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls ist das Ermessen der Beklagten hinsichtlich des ob" des Einschreitens und vor allem auch des wie" nicht auf Null reduziert. Das Gericht kann damit keine Verpflichtung aussprechen, dass die Beklagte überhaupt einschreiten muss noch sie gar zu konkreten polizeilichen Maßnahmen verpflichten.
Gegen eine Ermessensreduzierung auf Null spricht, dass die Lärmbelastung für die Klägerin nur an wenigen Tagen im Jahr besteht, und zwar nur freitags wohl überwiegend an Sommertagen während weniger Stunden. Aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Lärmgutachten ergibt sich zudem, dass die Geräuschentwicklung bei geschlossenem (!) Fenster in der Wohnung bei 42 db (A) liegt und damit den anzunehmenden Immissionsrichtwert für ein Mischgebiet von 45 db (A) nicht überschreitet. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es eine erhebliche Zumutung sein kann, gerade im Sommer abends die Fenster zu schließen. Damit ist aber jedenfalls insgesamt nicht zwingend davon auszugehen, dass für die Klägerin in Folge mangelnder Nachtruhe gar Schäden für die körperliche Unversehrtheit konkret drohen. Dies zumal - wie gesagt - die Belastung nur für wenige Stunden und wenige Tage im Jahr besteht. Dies spricht dafür, dass jedenfalls eine Ermessensreduzierung auf Null in Richtung eines Einschreitens nicht vorliegt. Hierfür spricht zudem, dass die Beklagte nicht gänzlich untätig geblieben ist. Aus ihrem Vortrag und dem Bericht des Ordnungsamtes vom ...01.2011 ergibt sich vielmehr, dass in Einzelfällen sehr wohl immer wieder eingeschritten wird. Darüber hinaus ist bei einer Beurteilung, ob das Ermessen auf Null reduziert ist, von Bedeutung, dass dem Ruhebedürfnis der Klägerin und der Anwohnern das Interesse vieler Bürger gegenübersteht, sich auf dem E zu treffen und zu kommunizieren. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom ...10.2010 diesen Sachverhalt dahin zusammengefasst, dass dieses urbane Geschehen dem sommerlichen Freizeitverhalten des überwiegenden Bevölkerungsteils der weltoffenen und liberalen Großstadt C-Stadt entspreche. Zu berücksichtigen ist dabei schließlich, dass jedenfalls der einzelne Bürger, der sich auf den E begibt, sich auf seine Handlungsfreiheit und den Gemeingebrauch an diesem Platz berufen kann und es für eine Großstadt wie C sicher wünschenswert ist, wenn es derartige Plätze als Treffpunkt für die Bevölkerung gibt. Damit ist das Ermessen der Beklagten, ob sie überhaupt einschreitet, jedenfalls nicht auf Null reduziert.
Dies gilt in noch stärkerem Maße für die konkret zu ergreifenden Maßnahmen. Die meisten vorstellbaren und sinnvollen Maßnahmen entspringen ohnehin nicht dem Polizeirecht und lassen sich nicht mit einer Klage auf polizeirechtliches Einschreiten durch den Bürger erzwingen.
Um aus der Vielzahl der vorstellbaren Maßnahmen einige herauszugreifen, sei auf die Verlegung des Marktes hingewiesen, sei es auf einen anderen Wochentag oder auf eine frühere Tageszeit am Freitag. Denkbar wäre auch ein Alkoholverbot, was das nächtliche Treiben auf dem E erheblich unattraktiver machen würde. Schließlich kämen bauliche Maßnahmen in Betracht, um die Attraktivität dieses Platzes zu senken. All diese Erwägungen, die in diesem Gerichtsverfahren nicht zu vertiefen sind, zeigen, dass weder hinsichtlich des ob" des Einschreitens noch des wie" eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt. Es geht letztlich um Maßnahmen, die nur im politischen Raum getroffen werden können und auf die der einzelne Bürger keinen Rechtsanspruch - gar im Wege des polizeilichen Einschreitens - hat.
Die konkret beantragte Maßnahme, Ansammlungen von mehr als 10 Personen zu einer bestimmten Uhrzeit zu untersagen, wäre nicht hinreichend bestimmt und damit vollstreckbar. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Erwägungen der Beklagten verwiesen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch, dass sie von der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beschieden wird.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom ...10.2010 ein Einschreiten bereits abgelehnt. Diese Ablehnung ist nicht zu beanstanden. Wie dargelegt ist das Ermessen, ob eingeschritten werden muss, nicht auf Null reduziert. Die von der Beklagten angestellten Erwägungen sind im Rahmen ihres Ermessens vertretbar. ..."
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Sucht ein wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mehrfach vorbestrafter Mann wiederum Kontakt zu Kindern in der seinen vergangenen Straftaten bevorzugten Altersklasse, rechtfertigt dies ein umfassendes Kontakt- und Annäherungsverbot zu allen Kindern in dem entsprechenden Alter. Ein Aufenthaltsverbot für einen privaten Raum ist nicht zulässig (VG Darmstadt, Beschluss vom 16.10.2009 - 3 L 1179/09.DA).
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Die Wiedereinweisung einer vierköpfigen Familie in ein Eigenheim verstößt jedenfalls dann gegenüber dem in Anspruch genommenen Eigentümer als Nichtstörer gegen das Übermaßverbot, wenn die Behörde nicht nachgewiesen hat, dass anderweitiger zumutbarer Wohnraum nicht zur Verfügung steht (VG Darmstadt, Beschluss vom 20.07.2009 - 3 L 946/09).
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Der Tatbestand des Werbens für ein öffentliches Glücksspiel i.S. des § 284 IV StGB ist bereits dann erfüllt, wenn von einem Veranstalter elektronische Verbindungsdaten wie Name, E-Mail-Anschrift etc. mit dem Angebot einer kostenlosen Teilnahme an einem Pokerturnier eingefordert werden (VG Frankfurt, Beschluss vom 11.10.2007 - 7 G 3111/07, NJW 2008, 1096).
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Zur Rechtmäßigkeit einer polizeirechtlichen Verfügung, mit der einem Angehörigen der "Hütchenspieler-Szene" untersagt worden ist, am "Hütchenspiel" mitzuwirken (VG Frankfurt, Beschluss vom 07.04.2003 - 5 G 639/03 (3)).
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Die Gemeinden sind bei der Bewältigung des Problems von Obdachlosigkeit nicht allein auf die "klassische" Einweisungsverfügung angewiesen; sie können die notwendige Unterkunft auch aufgrund öffentlich-rechtlicher Nutzungsvereinbarung oder privatrechtlichen Mietvertrages bereitstellen. Ein privates Mietverhältnis liegt nur vor, wenn sich die Beteiligten über Mietgegenstand, -dauer und -zins geeinigt haben. Nutzungsentgelt für die Unterbringung kann die Gemeinde nur verlangen, wenn sie dies entweder mit dem Obdachlosen konkret vereinbart oder eine entsprechende Gebührensatzung erlassen hat (VG Darmstadt, Beschluss vom 01.11.2001 - 3 TG 2365/01).
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Die Polizei ist weder nach dem Telekommunikationsgesetz noch nach allgemeinem Polizeirecht berechtigt, von einer Telekommunikationsbetreiberin zu verlangen, eine Standortermittlung hinsichtlich eines ihrer Kunden vorzunehmen (Mitteilung der Funkzelle, in welcher sich der Mobilfunktelefon-Besitzer befindet). Die Kenntnis der Funkzelle, in der sich ein Mobilfunktelefon-Besitzer mit eingeschalteten Gerät befindet, ist Folge eines bereits eingeleiteten Kommunikationsvorganges, der in den Schutzbereich des Art. 10 I GG fällt. Der Besitzer des Mobilfunktelefons breitet sich konkret auf den Empfang einer bestimmten erwarteten Nachricht oder allgemein von Anrufen vor. Die Befugnisgeneralklausel des allgemeinen Polizeirechts ist nicht geeignet den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 I GG einzuschränken (VG Darmstadt, Urteil vom 16.11.2000 - 3 E 915/99).
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Die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Beerdigung eines Verstorbenen zu sorgen, ist nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch, die Bestattungskosten zu tragen. Die notwendigen Kosten einer im Wege der Ersatzvornahme von der zuständigen Behörde veranlassten Bestattung können deshalb auch von den nach öffentlichem Recht bestattungspflichtigen Angehörigen erhoben werden, wenn diese nicht Erben sind. Es ist nicht "grob unbillig", Angehörige zur Kostenerstattung heranzuziehen, denen gegenüber sich der Verstorbene der Verletzung seiner Unterhaltspflichten strafbar gemacht hat (entgegen OVG Münster, NVwZ-RR 1997, 99). Im Falle der Bestattung im Wege der Ersatzvornahme kann dem Bestattungspflichtigen nur der notwendige Mindestaufwand für ein einfaches Begräbnis ohne Beerdigungsfeierlichkeiten auferlegt werden. Die eine Ersatzvornahme anordnende Behörde muss sich für die Feuerbestattung entscheiden, wenn diese kostengünstiger als eine Erdbestattung ist und eine anderslautende Willensbekundung des Verstorbenen oder der Angehörigen nicht vorliegt (VG Gießen, Urteil vom 05.04.2000 - 8 E 1777/98).
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§ 12 Befragung und Auskunftspflicht
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Person befragen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben zur Aufklärung des Sachverhalts in einer bestimmten gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Angelegenheit machen kann. Im Fall der Abwehr einer Gefahr kann sie zum Zwecke der Befragung angehalten werden.
(2) Eine Auskunftspflicht besteht für die in den §§ 6 und 7 genannten, unter den Voraussetzungen des § 9 auch für die dort genannten Personen. Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozessordnung genannten Voraussetzungen ist die betroffene Person zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, wenn die Auskunft für die Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Auskünfte, die gemäß Satz 3 erlangt wurden, dürfen nur zu Zwecken der Gefahrenabwehr nach § 1 Abs. 1 und 4 verwendet werden. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
(3) Werden bei der Befragung personenbezogene Daten erhoben, sind die nachfolgenden Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten anzuwenden.
(4) § 136a der Strafprozessordnung gilt entsprechend.
§ 13 Erhebung personenbezogener Daten
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben erheben, wenn
1. die Person in Kenntnis des Zwecks der Erhebung eingewilligt hat oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies im Interesse der Person liegt und sie in Kenntnis des Zwecks einwilligen würde,
2. die Daten allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können,
3. es zur Abwehr einer Gefahr, zur Erfüllung der ihnen durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen weiteren Aufgaben (§ 1 Abs. 2) oder zum Schutz privater Rechte (§ 1 Abs. 3) erforderlich ist, auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen, oder
4. eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt.
(2) Die Polizeibehörden können ferner personenbezogene Daten erheben, wenn
1. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person Straftaten mit erheblicher Bedeutung begehen wird,
2. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person mit einer in Nr. 1 genannten Person in einer Weise in Verbindung steht oder treten wird, die die Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erfordert,
3. die Person sich im räumlichen Umfeld einer Person aufhält, die in besonderem Maße als gefährdet erscheint, und tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme zum Schutz der gefährdeten Person rechtfertigen, oder
4. dies zur Leistung von Vollzugshilfe (§ 1 Abs. 5) erforderlich ist.
(3) Straftaten mit erheblicher Bedeutung im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Verbrechen und
2. Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie
a) sich gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- oder Vermögenswerte richten,
b) auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- und Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes) begangen werden oder
c) gewerbs-, gewohnheits-, serien- oder bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden.
(4) Die Erhebungsbefugnisse aus den §§ 14 bis 19 bleiben unberührt.
(5) Die Erhebung zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken ist unzulässig. Die Erhebung nicht gefahren- oder tatbezogener persönlicher Merkmale wie über Erkrankungen oder besondere Verhaltensweisen ist nur soweit zulässig, als dies für Identifizierungszwecke oder zum Schutz der Person oder der Bediensteten der Gefahrenabwehrund der Polizeibehörden erforderlich ist. Die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten für andere Zwecke ohne Zustimmung der betroffenen Person ist unzulässig.
(6) Personenbezogene Daten sind mit Ausnahme der Fälle des Abs. 1 Nr. 1 und 2 grundsätzlich bei der betroffenen Person zu erheben. Ohne ihre Mitwirkung können sie von anderen Behörden oder öffentlichen Stellen oder von Dritten beschafft werden, wenn sonst die Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde; besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen bleiben unberührt.
(7) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich offen zu erheben. Eine Datenerhebung, die nicht als gefahrenabwehrbehördliche oder polizeiliche Maßnahme erkennbar sein soll (verdeckte Datenerhebung), ist nur soweit zulässig, als auf andere Weise die Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben erheblich gefährdet würde oder wenn anzunehmen ist, dass dies dem überwiegenden Interesse der betroffenen Person entspricht.
(8) Werden die personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person oder Dritten erhoben, sind diese auf die Freiwilligkeit der Auskunft oder auf eine bestehende Auskunftspflicht hinzuweisen. Erfolgt die Erhebung bei der betroffenen Person, ist die beabsichtigte Verarbeitung mitzuteilen. Der Hinweis und die Mitteilung können im Einzelfall unterbleiben, wenn sie die Erfüllung der gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Aufgaben gefährden oder erheblich erschweren würden.
§ 14 Datenerhebung und sonstige Datenverarbeitung an öffentlichen Orten und besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen
(1) Die Polizeibehörden können personenbezogene Daten auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass bei oder im Zusammenhang mit der Veranstaltung oder Ansammlung Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten drohen. Die Unterlagen sind spätestens zwei Monate nach Beendigung der Veranstaltung oder Ansammlung zu vernichten, soweit sie nicht zur Abwehr einer Gefahr, zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder zur Strafvollstreckung benötigt werden. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist unzulässig. § 20 Abs. 7 bleibt unberührt.
(2) Die Polizeibehörden können personenbezogene Daten auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung oder dem Aufzug Straftaten drohen. Die Unterlagen sind unverzüglich nach Beendigung der Versammlung oder des Aufzuges oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Geschehnisse zu vernichten, soweit sie nicht zur Abwehr einer Gefahr, zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder zur Strafvollstreckung benötigt werden. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist unzulässig. § 20 Abs. 7 bleibt unberührt.
(3) Die Polizeibehörden können zur Abwehr einer Gefahr oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten drohen, öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen. Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie § 15 des Hessischen Datenschutzgesetzes gelten entsprechend.
(4) Die Gefahrenabwehrbehörden können mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen
1. zur Sicherung öffentlicher Straßen und Plätze, auf denen wiederholt Straftaten begangen worden sind, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für weitere Straftaten bestehen,
2. zum Schutz besonders gefährdeter öffentlicher Einrichtungen,
3. zur Steuerung von Anlagen zur Lenkung oder Regelung des Straßenverkehrs, soweit Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts nicht entgegenstehen.
Gefahrenabwehrbehörde im Sinne der Nr. 2 ist auch der Inhaber des Hausrechtes. Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie § 15 des Hessischen Datenschutzgesetzes gelten entsprechend.
(5) Die Polizeibehörden können auf öffentlichen Straßen und Plätzen Daten von Kraftfahrzeugkennzeichen zum Zwecke des Abgleichs mit dem Fahndungsbestand automatisiert erheben. Daten, die im Fahndungsbestand nicht enthalten sind, sind unverzüglich zu löschen.
(6) Die Polizeibehörden können an öffentlich zugänglichen Orten eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, mittels Bildübertragung offen beobachten und dies aufzeichnen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Dabei können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Maßnahme nach Satz 1 durchführen zu können. Sind die Daten für Zwecke der Eigensicherung oder der Strafverfolgung nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen.
Leitsätze/Entscheidungen:
§ 14 Absatz 5 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2005 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I, Seite 14) ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. § 184 Absatz 5 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG -) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b des Gesetzes zur Anpassung gefahrenabwehrrechtlicher und verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 13. April 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein, Seite 234) ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern zu 1, das Land Schleswig-Holstein dem Beschwerdeführer zu 2 deren notwendige Auslagen zu erstatten (BVerfG, Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 1254/07).
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Eine automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen zwecks Abgleichs mit dem Fahndungsbestand greift dann, wenn der Abgleich nicht unverzüglich erfolgt und das Kennzeichen nicht ohne weitere Auswertung sofort und spurenlos gelöscht wird, in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ein. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage richten sich nach dem Gewicht der Beeinträchtigung, das insbesondere von der Art der erfassten Informationen, dem Anlass und den Umständen ihrer Erhebung, dem betroffenen Personenkreis und der Art der Verwertung der Daten beeinflusst wird. Die bloße Benennung des Zwecks, das Kraftfahrzeugkennzeichen mit einem gesetzlich nicht näher definierten Fahndungsbestand abzugleichen, genügt den Anforderungen an die Normenbestimmtheit nicht. Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben. Die stichprobenhafte Durchführung einer solchen Maßnahme kann gegebenenfalls zu Eingriffen von lediglich geringerer Intensität zulässig sein (BVerfG, Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05).
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§ 15 Datenerhebung durch Observation und Einsatz technischer Mittel
(1) Im Sinne dieser Bestimmung ist
1. Observation die planmäßig angelegte Beobachtung einer Person länger als vierundzwanzig Stunden innerhalb einer Woche oder über den Zeitraum einer Woche hinaus,
2. Einsatz technischer Mittel ihre für die betroffene Person nicht erkennbare Anwendung, insbesondere zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen sowie zum Abhören oder Aufzeichnen des gesprochenen Wortes.
(2) Die Polizeibehörden können durch Observation oder den Einsatz technischer Mittel personenbezogene Daten erheben
1. auch über andere als die in den § 6 und 7 genannten Personen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist,
2. über Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen werden,
3. über Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Personen in Verbindung stehen, die Straftaten der in Nr. 2 genannten Art begehen werden, und die Datenerhebung zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist,
4. über die in § 13 Abs. 2 Nr. 3 genannten Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme zum Schutz der gefährdeten Person rechtfertigen.
Die Datenerhebung durch Observation oder den Einsatz technischer Mittel ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen mit Ausnahme der in den §§ 15a, 16 und 17 genannten erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. Im Rahmen der Aufgabenerfüllung können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Satz 1 durchführen zu können.
(3) Außer bei Gefahr im Verzug erfolgt die Anordnung der Observation oder des Einsatzes technischer Mittel durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten, soweit nach Abs. 5 nicht eine richterliche Anordnung erforderlich ist. Für eine Observation über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ist die Zustimmung des Ministeriums des Innern oder einer von ihm benannten Stelle erforderlich.
(4) In oder aus Wohnungen können die Polizeibehörden ohne Kenntnis der betroffenen Person Daten nur erheben, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegen einem Verwertungsverbot. § 38 Abs. 7 gilt entsprechend, soweit die Datenerhebung nicht mit technischen Mitteln erfolgt.
(5) Maßnahmen nach Abs. 4 sowie das Abhören oder Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch den Einsatz technischer Mittel dürfen außer bei Gefahr im Verzug nur durch richterliche Anordnung getroffen werden. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass, soweit es sich nicht um Maßnahmen nach Abs. 4 handelt, das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die Personen, gegen die sich die Maßnahmen richten sollen, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. Art und Dauer der Maßnahmen sind festzulegen. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen und, soweit möglich, räumlich zu begrenzen. Eine dreimalige Verlängerung um jeweils höchstens drei weitere Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. Hat die Polizeibehörde bei Gefahr im Verzug die Anordnung getroffen, so beantragt sie unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen richterlich bestätigt wird.
(6) Abs. 2 bis Abs. 5 gelten nicht für das Abhören und Aufzeichnen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben einer bei einem polizeilichen Einsatz tätigen Person geschieht. Das Abhören und Aufzeichnen in oder aus Wohnungen ordnet die Polizeibehörde an. Erlangte Erkenntnisse aufgrund von Anordnungen nach Satz 2 dürfen anderweitig nur verarbeitet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist und wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt worden ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen, § 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Für Zwecke der Strafverfolgung dürfen die Erkenntnisse aufgrund von Anordnungen nach Satz 2 nach Maßgabe des § 161 Abs. 2 der Strafprozessordnung verarbeitet werden.
(7) Die Befugnis der Gefahrenabwehrund der Polizeibehörden, bestimmte Mittel zur Überwachung der Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften zu verwenden, bleibt unberührt.
(8) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach Abs. 4 und Abs. 6 Satz 3 und 4 getroffenen Maßnahmen. Die parlamentarische Kontrolle wird auf der Grundlage dieses Berichts von einer parlamentarischen Kontrollkommission ausgeübt. § 20 Abs. 2 bis 4, § 21 sowie § 22 Abs. 4 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 19. Dezember 1990 (GVBl. I S. 753), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. April 2002 (GVBl. I S. 82), in der jeweils geltenden Fassung gelten entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
... 1. Artikel 21 Nummer 1, 2, 7, 13 und 14 des Bayerischen Versammlungsgesetzes vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 421) wird einstweilen außer Kraft gesetzt.
2. Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Versammlungsgesetzes ist einstweilen mit der Maßgabe anzuwenden, dass zugleich die Voraussetzungen des Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes vorliegen müssen. Eine Auswertung der Übersichtsaufzeichnungen ist nur unverzüglich nach Beendigung der Versammlung zulässig. Soweit danach die Daten nicht in Bezug auf einzelne Personen zur Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der aufgezeichneten Versammlung oder zur Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren gemäß Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 des Bayerischen Versammlungsgesetzes benötigt werden, müssen sie innerhalb von zwei Monaten gelöscht oder irreversibel anonymisiert werden. Soweit Artikel 9 Absatz 2 und 4 des Bayerischen Versammlungsgesetzes weitergehende Nutzungen zulässt, wird die Vorschrift einstweilen außer Kraft gesetzt.
3. Artikel 9 Absatz 2 Satz 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes ist einstweilen mit der Maßgabe anzuwenden, dass Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nur zulässig sind, wenn sie wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich sind.
4. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
5. ...
A. Die Beschwerdeführer begehren mit ihrem Eilantrag, das Bayerische Versammlungsgesetz (BayVersG) vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 421) als Ganzes, mit Ausnahme von Art. 15 Abs. 2 Nr. 1a und 2 sowie - bezogen hierauf - Abs. 3 BayVersG, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einstweilen außer Kraft zu setzen.
I. Im Zuge der Föderalismusreform ging die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder über (vgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034). Mit dem am 1. Oktober 2008 in Kraft getretenen Bayerischen Versammlungsgesetz hat der Freistaat Bayern von dieser Kompetenz als erstes Bundesland Gebrauch gemacht. Dessen Vorschriften lauten auszugsweise:
Art. 2 Begriffsbestimmungen, Anwendungsbereich
(1) Eine Versammlung ist eine Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.
(2) Eine Versammlung ist öffentlich, wenn die Teilnahme nicht auf einen individuell feststehenden Personenkreis beschränkt ist.
(3) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt dieses Gesetz nur für öffentliche Versammlungen.
Art. 3 Versammlungsleitung und Einladung
(1)1 Jede Versammlung muss eine natürliche Person als Leiter haben.2 Dies gilt nicht für Spontanversammlungen nach Art. 13 Abs. 4.
(2)1 Der Veranstalter leitet die Versammlung.2 Veranstaltet eine Vereinigung die Versammlung, ist Leiter die Person, die den Vorsitz der Vereinigung führt.3 Der Veranstalter kann die Leitung einer anderen Person übertragen.
(3) Die Bekanntgabe oder Einladung zu einer Versammlung muss Ort, Zeit, Thema sowie den Namen des Veranstalters enthalten.
Art. 4 Veranstalterpflichten, Leitungsrechte und -pflichten
(1) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass die Versammlung einen gewalttätigen Verlauf nehmen kann, hat der Veranstalter im Vorfeld der Versammlung geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu verhindern.
(2) Der Leiter
1. bestimmt den Ablauf der Versammlung, insbesondere durch Erteilung und Entziehung des Worts,
2. hat während der Versammlung für Ordnung zu sorgen,
3. kann die Versammlung jederzeit schließen und
4. muss während der Versammlung ständig anwesend und für die zuständige Behörde erreichbar sein.
(3)1 Der Leiter hat geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass aus der Versammlung heraus Gewalttätigkeiten begangen werden.2 Geeignete Maßnahmen können insbesondere Aufrufe zur Gewaltfreiheit und Distanzierungen gegenüber gewaltbereiten Anhängern sein.3 Vermag der Leiter sich nicht durchzusetzen, ist er verpflichtet, die Versammlung für beendet zu erklären.
(4)1 Der Leiter kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der Hilfe einer angemessenen Anzahl volljähriger Ordner bedienen.2 Die Ordner müssen weiße Armbinden mit der Aufschrift "Ordner" oder "Ordnerin" tragen; zusätzliche Kennzeichnungen sind nicht zulässig.3 Der Leiter darf keine Ordner einsetzen, die Waffen oder sonstige Gegenstände mit sich führen, die ihrer Art nach geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Personen zu verletzen oder Sachen zu beschädigen.
(5)1 Werden Polizeibeamte in eine Versammlung entsandt, haben sie oder hat sich die polizeiliche Einsatzleitung vor Ort dem Leiter zu erkennen zu geben.2 Ihnen muss ein angemessener Platz eingeräumt werden.
Art. 7 Uniformierungsverbot, Militanzverbot
(1) Es ist verboten, in einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen, sofern damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist.
(2) Es ist verboten, an einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Versammlung in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beiträgt, dass die Versammlung oder ein Teil hiervon nach dem äußeren Erscheinungsbild
1. paramilitärisch geprägt wird oder
2. sonst den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelt
und dadurch eine einschüchternde Wirkung entsteht.
Art. 9 Datenerhebung, Bild- und Tonaufzeichnungen, Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen
(1)1 Die Polizei darf bei oder im Zusammenhang mit Versammlungen personenbezogene Daten von Teilnehmern erheben und Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.2 Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2)1 Die Polizei darf Übersichtsaufnahmen von der Versammlung und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes anfertigen.2 Sofern es zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens erforderlich ist, darf die Polizei auch Übersichtsaufzeichnungen anfertigen.3 Diese dürfen auch zu Zwecken der polizeilichen Aus- und Fortbildung genutzt werden.4 Die Identifizierung einer auf den Aufnahmen oder Aufzeichnungen abgebildeten Person ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Abs. 1 vorliegen.
(3) Für Maßnahmen nach Abs. 1 und 2 gilt Art. 30 Abs. 3 des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) entsprechend.
(4)1 Die nach Abs. 1 oder 2 erhobenen Daten und Bild-, Ton- und Übersichtsaufzeichnungen sind nach Beendigung der Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu löschen oder zu vernichten, soweit sie nicht benötigt werden
1. zur Verfolgung von Straftaten oder
2. im Einzelfall zur Gefahrenabwehr, weil die betroffene Person verdächtig ist, Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung vorbereitet oder begangen zu haben, und deshalb zu besorgen ist, dass von dieser Person erhebliche Gefahren für künftige Versammlungen ausgehen.
2 Nach Abs. 2 Satz 2 angefertigte Übersichtsaufzeichnungen dürfen darüber hinaus aufbewahrt werden, soweit sie zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens benötigt werden.3 Erhobene Daten sowie Bild-, Ton- und Übersichtsaufzeichnungen, die aus den in Satz 1 Nr. 2 oder in Satz 2 genannten Gründen nicht gelöscht oder vernichtet wurden, sind spätestens nach Ablauf von einem Jahr seit ihrer Entstehung zu löschen oder zu vernichten, es sei denn, sie werden inzwischen zur Verfolgung von Straftaten benötigt.4 Eine Pflicht zur Löschung oder Vernichtung besteht nicht für nach Abs. 2 Satz 2 gefertigte Übersichtsaufzeichnungen, soweit diese zu Zwecken der polizeilichen Aus- und Fortbildung verwendet werden; die Identifizierung einer auf diesen Übersichtsaufzeichnungen abgebildeten Person ist nach Ablauf von einem Jahr seit Entstehung der Aufzeichnungen abweichend von Abs. 2 Satz 4 nicht mehr zulässig.
(5) ...
Art. 10 Veranstalterrechte und -pflichten
(1) - (2) ...
(3)1 Der Veranstalter hat der zuständigen Behörde auf Anforderung Familiennamen, Vornamen, Geburtsnamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift (persönliche Daten) des Leiters mitzuteilen.2 Die zuständige Behörde kann den Leiter als ungeeignet ablehnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er die Friedlichkeit der Versammlung gefährdet.
(4)1 Die zuständige Behörde kann Ordner als ungeeignet ablehnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die Friedlichkeit der Versammlung gefährden.2 Die zuständige Behörde kann die Anzahl der Ordner beschränken oder dem Veranstalter aufgeben, die Anzahl der Ordner zu erhöhen.3 Die zuständige Behörde kann im Rahmen ihrer Befugnisse nach Sätzen 1 und 2 verlangen, dass der Veranstalter ihr die Zahl der Ordner und deren persönliche Daten im Sinn des Abs. 3 Satz 1 mitteilt.
Art. 13 Anzeige- und Mitteilungspflicht
(1)1 Wer eine Versammlung unter freiem Himmel veranstalten will, hat dies der zuständigen Behörde spätestens 72 Stunden, bei überörtlichen Versammlungen im Sinn des Art. 24 Abs. 3 Satz 1 spätestens 96 Stunden vor ihrer Bekanntgabe anzuzeigen.2 Eine wirksame Anzeige kann nur schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift erfolgen; sie ist frühestens zwei Jahre vor dem beabsichtigten Versammlungsbeginn möglich.3 Entspricht die Anzeige nicht den Anforderungen nach Abs. 2, weist die zuständige Behörde den Veranstalter darauf hin und fordert ihn auf, die Anzeige unverzüglich zu ergänzen oder zu berichtigen.4 Bekanntgabe einer Versammlung ist die Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis.
(2)1 In der Anzeige sind anzugeben
1. der Ort der Versammlung,
2. der Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Versammlung,
3. das Versammlungsthema,
4. der Veranstalter und der Leiter mit ihren persönlichen Daten im Sinn des Art. 10 Abs. 3 Satz 1 und telefonischer Erreichbarkeit,
5. die erwartete Anzahl der teilnehmenden Personen,
6. der beabsichtigte Ablauf der Versammlung,
7. die zur Durchführung der Versammlung mitgeführten Gegenstände oder die verwendeten technischen Hilfsmittel und
8. die vorgesehene Anzahl von Ordnern.
2 Bei sich fortbewegenden Versammlungen ist auch der beabsichtigte Streckenverlauf mitzuteilen.3 Der Veranstalter hat Änderungen der Angaben nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(3) Entsteht der Anlass für eine geplante Versammlung kurzfristig (Eilversammlung), ist die Versammlung spätestens mit der Bekanntgabe fernmündlich, schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde oder bei der Polizei anzuzeigen.
(4) Die Anzeigepflicht entfällt, wenn sich die Versammlung aus einem unmittelbaren Anlass ungeplant und ohne Veranstalter entwickelt (Spontanversammlung).
(5) Die zuständige Behörde kann den Leiter ablehnen, wenn er unzuverlässig ist oder ungeeignet ist, während der Versammlung für Ordnung zu sorgen, oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass durch seinen Einsatz Störungen der Versammlung oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können.
(6)1 Die zuständige Behörde kann Ordner ablehnen, wenn
1. sie ungeeignet sind, den Leiter darin zu unterstützen, während der Versammlung für Ordnung zu sorgen, oder
2. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass durch den Einsatz dieser Personen als Ordner Störungen der Versammlung oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können.
2 Die zuständige Behörde kann die Anzahl der Ordner beschränken oder dem Veranstalter aufgeben, die Anzahl der Ordner zu erhöhen.3 Die zuständige Behörde kann im Rahmen ihrer Befugnisse nach Sätzen 1 und 2 verlangen, dass der Veranstalter ihr die Zahl der Ordner und deren persönliche Daten im Sinn des Art. 10 Abs. 3 Satz 1 mitteilt.
Art. 21 Bußgeldvorschriften
Mit Geldbuße bis zu dreitausend Euro kann belegt werden, wer
1. entgegen Art. 3 Abs. 3 Ort, Zeit, Thema oder den Namen des Veranstalters einer Versammlung nicht angibt,
2. entgegen Art. 4 Abs. 3 Satz 1 oder 3 keine geeigneten Maßnahmen ergreift oder die Versammlung nicht oder nicht rechtzeitig für beendet erklärt,
3. als Leiter Ordner einsetzt, die anders gekennzeichnet sind, als es nach Art. 4 Abs. 4 Satz 2 zulässig ist,
4. als Leiter entgegen Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Polizeibeamten keinen oder keinen angemessenen Platz einräumt,
5. - 6. ...
7. entgegen Art. 7 Abs. 2 an einer Versammlung teilnimmt,
8. - 9. ...
10. als Veranstalter
a) entgegen Art. 10 Abs. 3 Satz 1 persönliche Daten nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig mitteilt oder
b) Personen als Leiter der Versammlung einsetzt, die von der zuständigen Behörde nach Art. 10 Abs. 3 Satz 2 oder Art. 13 Abs. 5 abgelehnt wurden,
11. als Veranstalter
a) Ordner einsetzt, die von der zuständigen Behörde nach Art. 10 Abs. 4 Satz 1 oder nach Art. 13 Abs. 6 Satz 1 abgelehnt wurden,
b) einer vollziehbaren Anordnung nach Art. 10 Abs. 4 Satz 2 oder Art. 13 Abs. 6 Satz 2 zuwiderhandelt, oder
c) entgegen Art. 10 Abs. 4 Satz 3 oder Art. 13 Abs. 6 Satz 3 persönliche Daten nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig mitteilt,
12. ...
13. entgegen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 eine Anzeige nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet,
14. entgegen Art. 13 Abs. 2 Satz 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht,
15. als Veranstalter oder als Leiter eine Versammlung unter freiem Himmel ohne Anzeige nach Art. 13 Abs. 3 durchführt,
16. entgegen Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 einen Gegenstand mit sich führt oder
17. ...
II.
Die Beschwerdeführer sind Landesverbände von Gewerkschaften, Parteien und anderen nichtstaatlichen Organisationen, die regelmäßig Versammlungen veranstalten. Sie rügen eine Verletzung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG sowie - bezogen auf Art. 9, Art. 10 und Art. 13 Abs. 5 und 6 BayVersG - des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Sie seien unmittelbar durch das Gesetz als Ganzes betroffen. Dieses entfalte in der Gesamtheit der belastenden Neuregelung einschüchternde Wirkung, da nicht mehr abschätzbar sei, welche Belastungen und Risiken sich mit der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit verbänden. Auch seien sie durch die Vorschriften selbst und gegenwärtig betroffen, ohne dass es darauf ankäme, ob diese sich an den Veranstalter, den Leiter oder den Teilnehmer einer Versammlung richteten. Ihre Rechte als Veranstalter hingen von der Rechtsstellung der Leiter und Teilnehmer an einer Versammlung maßgeblich ab. Der Verfassungsbeschwerde stehe auch der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen, da im fachgerichtlichen Verfahren nicht die einschüchternde Wirkung des Gesetzes als Ganzes angegriffen werden könne.
In der Sache machen die Beschwerdeführer einen versammlungsfeindlichen Charakter des Gesetzes geltend. Im Zusammenwirken der Vorschriften sei das Gesetz insgesamt gesehen nicht versammlungsfreundlich, sondern behördenfreundlich. Es führe zu bürokratischer Gängelei und Kontrolle der Bürger, die von der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit abschreckten.
Die Vorschriften seien auch im Einzelnen verfassungswidrig. Dies gelte schon für die dem bisherigen Recht entsprechende, aber in der Literatur zu Recht in Frage gestellte nahezu ausnahmslose Pflicht, für jede Versammlung einen Leiter zu bestimmen (Art. 3 Abs. 1 BayVersG), sowie erst recht für die neu geschaffenen, gegen den Grundsatz der Normenklarheit verstoßenden weitreichenden Vorfeldpflichten des Veranstalters gemäß Art. 4 Abs. 1 BayVersG.
Weiterhin verpflichte der nun bußgeldbewehrte Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 2 BayVersG den Leiter, die Versammlung für beendet zu erklären, wenn er sich nicht durchzusetzen vermöge, auch wenn es sich unter Umständen nur um einzelne Gewalttätigkeiten handele, die im Rahmen der Versammlung drohten. Dabei lege das Gesetz keine Pflicht der anwesenden Polizei fest, ihn bei der Wiederherstellung der Ordnung zu unterstützen. Seine Möglichkeiten, mit der Polizei zu kooperieren und diese um Hilfe zu bitten, würden vielmehr erschwert, weil sich nach Art. 4 Abs. 5 BayVersG im Gegensatz zur alten Rechtslage unter Umständen nur noch die Einsatzleitung der Polizei dem Versammlungsleiter gegenüber zu erkennen geben müsse. Der Leiter wisse dann nicht mehr, wie viele Polizisten anwesend seien. Gemäß Art. 4 Abs. 5 BayVersG könnten überdies in jede Versammlung, sogar wenn sie in geschlossenen Räumen stattfinde, unbeschränkt Polizeibeamte entsendet werden, ohne dass hierbei eine Gefahrenprognose erforderlich sei.
Das Militanzverbot des nun gleichfalls bußgeldbewehrten Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG in Verbindung mit Art. 21 Nr. 7 BayVersG verstoße gegen das Prinzip der Normenklarheit. Da es weder auf den Inhalt noch auf die Form, sondern auf den Gesamteindruck eines bedrohlichen militanten Charakters der Versammlung oder Teile von ihr ankomme, könne der Bürger nicht wissen, welches Verhalten vom Gesetzgeber als illegal angesehen werde.
Art. 9 BayVersG, der offene und verdeckte Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen für alle Arten von Versammlungen erlaube, sei unverhältnismäßig. Auch die Bestimmungen zur Nutzung und Löschung der gewonnenen Daten genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen und hätten abschreckende Wirkung. Für Versammlungen in geschlossenen Räumen werde bereits die bisher in § 12a des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz - VersG) geregelte polizeiliche Datenerhebung von einem beträchtlichen Teil der Literatur für verfassungswidrig gehalten, da Art. 8 GG für derartige Versammlungen keinen Gesetzesvorbehalt vorsehe.
Die Pflicht des Veranstalters, auf Anforderung die persönlichen Daten des Leiters gemäß Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BayVersG und der Ordner nach Art. 10 Abs. 4 Satz 3 BayVersG mitzuteilen, wobei die Behörde jeweils nach Art. 10 Abs. 3 Satz 2 beziehungsweise Art. 10 Abs. 4 Satz 1 BayVersG die Möglichkeit habe, den Leiter oder die Ordner abzulehnen, entfalte gleichfalls abschreckende Wirkung. Die Anforderung sei nicht von einer auf Fakten gestützten Gefahrenprognose abhängig. Die Behörde sei an keinerlei gesetzliche Vorgaben gebunden. Auch auf die Größe der geplanten Veranstaltung komme es nicht an. Das Abfragen der persönlichen Daten des Leiters diene erkennbar dazu, diese Daten mit Erkenntnissen über die Person aus allen der Behörde zur Verfügung stehenden Quellen abzugleichen. Es drohe die Gefahr politischer Persönlichkeitsprofile.
Die in Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 sowie Art. 13 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 Satz 3 BayVersG niedergelegten Pflichten bedeuteten insbesondere für kleine Versammlungen eine große bürokratische Hürde. Die Sanktionsbewehrung entfalte eine abschreckende Wirkung speziell für kleinere, lokale Gruppierungen der Beschwerdeführer, die sich professionellen Rechtsrat nicht leisten könnten. Die übermäßig bürokratische Ausgestaltung der Anzeigeformalitäten sei jedenfalls dann verfassungswidrig, wenn sie umstandslos für alle Arten von Versammlungen gelte, ohne dass Gefahren zu besorgen seien. Obwohl ein Zwang zur Mitteilung personenbezogener Daten festgesetzt werde, habe der Gesetzgeber den Verwendungszweck nicht bereichsspezifisch und präzise bestimmt sowie nicht sichergestellt, dass die Angaben für diesen Zweck geeignet und erforderlich seien. Die Datenverarbeitung stelle nicht nur einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, sondern halte interessierte Staatsbürger von der Übernahme verantwortlicher Aufgaben bei Versammlungen ab. Art. 13 Abs. 5 BayVersG sei nicht zu entnehmen, wann eine Behörde einen Bürger für unzuverlässig oder für ungeeignet halte, als Leiter einer Versammlung für Ordnung zu sorgen. Die Überprüfung des Bürgers komme damit einem Gesinnungs-TÜV gleich. Dies verkehre die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts in ihr Gegenteil, wonach der hoheitliche Eingriff in ein Grundrecht der Rechtfertigung bedürfe, nicht aber die Ausübung des Grundrechts. Die Beurteilung eines Bürgers als ungeeignet oder unzuverlässig stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dar, der eine zumindest teilweise Aberkennung des Grundrechts bedeute. Für eine solche Entscheidung sei aber nach dem Grundgesetz nicht die Ordnungsbehörde, sondern ausschließlich das Bundesverfassungsgericht nach Art. 18 GG zuständig. Auch die Ausdehnung der Anzeigefrist von 48 auf 72 Stunden vor der Bekanntgabe nach Art. 13 Abs. 1 BayVersG sei verfassungswidrig, weil sie nicht notwendig sei. Die amtliche Begründung nenne keine konkreten Fälle, in denen die 48-Stundenfrist bei kleineren lokalen Versammlungen nicht ausgereicht hätte. Die Ausdehnung der Anzeigefrist für überörtliche Versammlungen von 48 auf 96 Stunden vor der Bekanntgabe sei ebenfalls verfassungswidrig, weil sie nicht notwendig sei. Auch hier könne die amtliche Begründung keinen einzigen Fall in der Vergangenheit nennen, bei dem die Behörden nicht ausreichend Zeit gehabt hätten, sich vorzubereiten. Anders als bisher könne die Anzeige nunmehr allein bei Eilversammlungen fernmündlich erfolgen; auch hierin liege eine unverhältnismäßige Erschwerung der Versammlungsfreiheit.
Art. 16 BayVersG verschärfe die bisherige Vorschrift des § 17a VersG, obwohl schon gegen diese von Anfang an erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden seien. Denn ein zwingender Zusammenhang zwischen Vermummung oder Schutzkleidung und der Unfriedlichkeit der Versammlung bestehe nicht. Art. 16 BayVersG sei im Vergleich zu dem bisherigen § 17a VersG auch insoweit unverhältnismäßig, als er nun auch Demonstranten beim Abmarsch von einer Versammlung betreffe. Wenn eine Versammlung beendet sei, könne es nicht mehr darum gehen, die Friedlichkeit der Versammlung zu gewährleisten.
III. Zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen.
Der Antrag könne keinen Erfolg haben, weil die Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig sei. Als Personenverbände könnten sich die Beschwerdeführer allenfalls gegen solche Vorschriften wenden, die sie als Veranstalter beträfen. Auch insoweit aber fehle es an einer unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit und der Erschöpfung des Rechtswegs. Darüber hinaus sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht das Bayerische Versammlungsgesetz als Ganzes angegriffen werden könne.
Im Übrigen könne der Antrag aber auch nach Maßgabe einer Interessenabwägung keinen Erfolg haben. Das Bayerische Versammlungsgesetz beruhe auf einem eigenen rechts- und ordnungspolitischen Konzept, das sich als eine den tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen angepasste Konkretisierung der bisherigen Rechtslage verstehe und hierbei zum Teil strengere, zum Teil aber auch geringere Anforderungen stelle. Die Außerkraftsetzung eines solchen Gesetzes sei nur unter besonders strengen Voraussetzungen zulässig, die vorliegend nicht gegeben seien.
So schränke Art. 9 Abs. 2 BayVersG die Zulässigkeit von Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen gegenüber der bisherigen Rechtslage nach §§ 12a, 19a VersG deutlich ein. Die bayerische Polizei dürfe Übersichtsaufnahmen nur zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes in die Einsatzzentrale senden, wobei diese Bilder insoweit nicht gespeichert werden dürften. Eine Speicherung dürfe nur unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG erfolgen. Weiter dürften sowohl Individualaufzeichnungen als auch Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 3 BayVersG in Verbindung mit Art. 30 Abs. 3 BayPAG grundsätzlich nur offen und nur unter besonderen Bedingungen verdeckt erfolgen, während §§ 12a, 19a VersG diese Einschränkung nicht vorsähen. Auch reduziere Art. 9 Abs. 4 Satz 3 BayVersG die Höchstspeicherfrist für Aufzeichnungen auf ein Jahr, während § 12a Abs. 2 Satz 2 VersG hierfür noch drei Jahre vorsehe.
Die in Art. 13 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVersG genannten Angaben entsprächen denjenigen, die nach der Rechtspraxis bereits gemäß § 14 VersG erforderlich gewesen seien. Sie beschränkten sich auf die Informationen, die notwendig seien, um einschätzen zu können, ob Maßnahmen zum Schutz der Versammlung selbst oder von Dritten vorbereitet oder getroffen werden müssten.
Art. 4 BayVersG sei eine Reaktion auf die Entwicklung, dass Veranstalter gewaltbereite Gruppierungen ausdrücklich zur Teilnahme einlüden und dass Versammlungsleiter im Rahmen von Versammlungen zu Gewalttätigkeiten aufriefen oder die Teilnehmer aufforderten, gewaltbereite Gruppierungen gegen den Zugriff der Polizei zu schützen. Da von einem Versammlungsveranstalter und -leiter weder tatsächlich noch rechtlich Unmögliches verlangt werden könne, erschöpften sich deren Pflichten regelmäßig in bloßen Appellen, wie aus den Regelbeispielen des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BayVersG ersichtlich sei. Diese Inpflichtnahme, die letztlich aus dem Friedlichkeitsgebot des Art. 8 GG folge, schränke die Versammlungsfreiheit des Veranstalters und des Leiters nicht unverhältnismäßig ein. Die Voraussetzungen für deren Inpflichtnahme nach Art. 4 Abs. 1 und 3 BayVersG seien so hoch, dass sie nur selten erfüllt sein dürften. Denn aufgrund der Schutzpflicht des Staates gegenüber Versammlungen könnten Veranstalter und Leiter zu Maßnahmen nach Art. 4 Abs. 1 und 3 BayVersG nur und erst dann verpflichtet sein, wenn auch ein - stets vorrangiges - polizeiliches Einschreiten gegen einzelne Störer die Friedlichkeit der Versammlung nicht wiederherzustellen vermöge. Hinzu komme, dass selbst in einem solchen Fall den Veranstaltern und Leitern nur das abverlangt werden dürfe, was ihnen nach den Umständen des Einzelfalls tatsächlich und rechtlich möglich sei.
Nach den bisherigen Erfahrungen der bayerischen Versammlungsbehörden habe sich die von den Beschwerdeführern befürchtete abschreckende Wirkung nicht eingestellt. Die Gesamtabwägung ergebe daher, dass das Bayerische Versammlungsgesetz für die von ihm Betroffenen keine schweren und irreparablen Nachteile zur Folge habe.
B. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist teilweise stattzugeben.
I. 1. Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als insgesamt unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 112, 284 (291)).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein insgesamt unzulässig.
a) Die Beschwerdeführer können sich als Personenvereinigungen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf Art. 8 Abs. 1 GG berufen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Grundrecht seinem Wesen nach auf Personenvereinigungen anwendbar ist, ist in erster Linie darauf abzustellen, ob es nur individuell oder auch korporativ betätigt werden kann (vgl. BVerfGE 42, 212 (219)). Kennzeichnend für die in Art. 8 GG gewährleistete Versammlungsfreiheit ist das kollektive Element der Grundrechtsausübung, da sie Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung ist (vgl. BVerfGE 69, 315 (342 f.)). Daher treten häufig Personenvereinigungen als Veranstalter von Versammlungen auf und sind insoweit hinsichtlich des Art. 8 Abs. 1 GG beschwerdefähig. Das gilt auch für Personenvereinigungen, die keine juristischen Personen sind, sofern sie eine festgefügte Struktur haben und auf gewisse Dauer angelegt sind (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 11. Januar 1984 - 21 B 28 A 2250 -, NJW 1984, S. 2116; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Bei den Beschwerdeführern ist dies der Fall.
b) Die Beschwerdeführer sind zumindest hinsichtlich eines Teils der angegriffenen Vorschriften auch beschwerdebefugt.
aa) Den Beschwerdeführern fehlt es nicht insgesamt an der unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit.
Grundsätzlich muss ein Beschwerdeführer, der sich gegen Rechtsvorschriften wendet, welche rechtsnotwendig oder auch nur der tatsächlichen Verwaltungspraxis nach einen besonderen Vollzugsakt voraussetzen, zunächst diesen Akt angreifen und den hiergegen eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er Verfassungsbeschwerde erheben kann (vgl. BVerfGE 1, 97 (102 f.); stRspr, zuletzt 101, 54 (74); 109, 279 (306)). Nicht verlangt werden kann das jedoch dann, wenn die angegriffenen Rechtsvorschriften den Beschwerdeführer unmittelbar betreffen, das heißt, wenn sie ohne das Dazwischentreten eines weiteren Vollzugsakts bereits in den Rechtskreis des Beschwerdeführers einwirken und es ihm nicht möglich oder zuzumuten ist, hiergegen zunächst Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Beschwerdeführer von der Maßnahme keine Kenntnis erlangt, weil sie heimlich erfolgt (vgl. BVerfGE 30, 1 (16 f.); 67, 157 (169 f.); 100, 313 (355); 109, 279 (306 f.)), oder wenn Vorschriften eine Verpflichtung begründen, die unmittelbar als solche mit einer Geldbuße oder Strafe bewehrt ist (vgl. BVerfGE 20, 283 (290); 46, 246 (256); 81, 70 (82 f.); 97, 157 (165)).
(1) Danach unterliegen jedenfalls die Rügen bezüglich Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 und 2 (hierüber mittelbar auch Art. 2 Abs. 1, Art. 10 Abs. 3) BayVersG unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit der Grundrechtsbetroffenheit keinen Bedenken. Die Vorschriften begründen unmittelbare Rechtspflichten, die ohne das Erfordernis eines dazwischen tretenden Verwaltungsakts nach Art. 21 Nr. 1, 2, 7, 13 und 14 BayVersG bußgeldbewehrt sind. Nach § 30 OWiG können dabei auch Personenvereinigungen mit einer Geldbuße belegt werden. Dies gilt gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG jedenfalls für die Beschwerdeführer zu 1) bis 11), die als juristische Personen beziehungsweise nicht eingetragene Vereine organisiert sind. Ob das auch auf die über untypische Organisationsstrukturen verfügenden Beschwerdeführer zu 12) und 13) zutrifft oder ob diese von dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht mehr erfasst sind und damit das Analogieverbot greift, ist nicht eindeutig, braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn zumindest ist nicht ausgeschlossen, dass auch ihnen gegenüber in der Praxis entsprechende Sanktionen verhängt werden. Die Begründung zum Gesetzesentwurf für das Bayerische Versammlungsgesetz jedenfalls geht ganz generell davon aus, dass Personenverbände Veranstalter sein können, ohne zwischen verschiedenen Typen von Personenmehrheiten zu differenzieren (vgl. LTDrucks 15/10181, S. 13). Daher müssen auch die Beschwerdeführer zu 12) und 13) damit rechnen, sich bei Nichtbefolgung der Vorschriften unter Umständen gegen den Vorwurf der Begehung einer Ordnungswidrigkeit zur Wehr setzen zu müssen.
Auch die Rüge bezüglich des Art. 9 Abs. 1 bis 4 BayVersG ist nicht wegen fehlender Unmittelbarkeit der Grundrechtsbetroffenheit unzulässig. Die dort geregelten Maßnahmen können gemäß Art. 9 Abs. 3 BayVersG in Verbindung mit Art. 30 Abs. 3 Satz 2 BayPAG unter Umständen heimlich erfolgen, so dass fachgerichtlicher Rechtsschutz nicht in allen Fällen gewährleistet ist.
(2) Von vornherein unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde hingegen in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 BayVersG, da die betreffenden Pflichten nicht bußgeldbewehrt sind. Den Beschwerdeführern ist insoweit zuzumuten, zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch hinsichtlich Art. 4 Abs. 5 BayVersG. Die Beschwerdeführer können sich gegen die konkrete Entsendung von Polizeibeamten, die nach Art. 4 Abs. 5 BayVersG dem Versammlungsleiter gegenüber zu offenbaren ist, zur Wehr setzen. Hierbei kann auch geklärt werden, ob, wie die Beschwerdeführer meinen, die Vorschrift tatsächlich auch einen teilweise verdeckten Einsatz von Polizeibeamten erlaubt und ob sie - entgegen der herrschenden Auffassung zur entsprechenden Vorläufervorschrift des § 12 VersG (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 10 BV 07.2143 -, DÖV 2008, S. 1006 f.; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, J Rn. 385) - so verstanden werden muss, dass sie der Polizei ein anlassloses Zutrittsrecht verschafft. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offen gelassen werden kann hingegen, ob - auch unter Berücksichtigung von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG - hinsichtlich Art. 10 Abs. 3 und 4, Art. 13 Abs. 5 und 6 BayVersG auf den Vorrang fachgerichtlichen Rechtsschutzes zu verweisen ist. Da auch diese Vorschriften zunächst einen konkretisierenden Verwaltungsakt voraussetzen, der fachgerichtlich angegriffen werden kann, fehlt es jedenfalls an einer hinreichenden Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
bb) Die Beschwerdeführer sind auch selbst grundrechtsbetroffen.
Selbst betroffen sind die Beschwerdeführer ohne weiteres, soweit sie sich gegen veranstalterbezogene Vorschriften wenden, das heißt gegen Art. 3 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 1 und 2 (hierüber mittelbar auch gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 3) BayVersG. Die Beschwerdeführer sind weiterhin aber auch durch die hier in Frage stehenden leiter- und teilnehmerbezogenen Vorschriften als selbst grundrechtsbetroffen anzusehen. Allerdings ist im Hinblick auf die Frage der Selbstbetroffenheit grundsätzlich zwischen den Rechten einer Vereinigung und den Rechten ihrer Mitglieder zu trennen. Die Rechte ihrer Mitglieder wachsen einer Vereinigung in der Regel nicht auch als eigene zu. Für das Versammlungsrecht sind hier indes Besonderheiten anzuerkennen. Die Rechte von Veranstalter, Leiter und Teilnehmern einer Versammlung sind in spezifischer Weise miteinander verschränkt. So ist einerseits die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit seitens der einzelnen Bürger von vornherein nur mit anderen zusammen möglich und dabei regelmäßig auf eine Koordination angewiesen. Hierbei kommt dem Veranstalter der Versammlung eine hervorgehobene Bedeutung zu, weil dieser die Versammlung initiiert, ihren Rahmen absteckt und die personellen (Leiter, Ordner, Redner) sowie sachlichen (etwa Bühne, Mikrofon) Voraussetzungen für ihre Durchführung schafft. Umgekehrt sind die Rechte des Veranstalters durch die Rechte und Pflichten des Versammlungsleiters und der Teilnehmer bestimmt. Für das Verhältnis von Veranstalter und Leiter wird dieser enge Zusammenhang schon darin deutlich, dass der Gesetzgeber für den Regelfall den Veranstalter selbst oder, sofern es sich um eine Vereinigung handelt, dessen Vorsitzenden als Versammlungsleiter bestimmt (Art. 3 Abs. 2 BayVersG). Wechselseitige Einflüsse bestehen auch zwischen den Rechten und Pflichten von Veranstalter und Teilnehmern, etwa wenn das an die Teilnehmer gerichtete Militanz- oder Vermummungsverbot (Art. 7 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 BayVersG) dazu führt und führen soll, dass hierdurch bestimmte Ausgestaltungen von Versammlungen wegen ihrer einschüchternden Wirkung verhindert werden, oder wenn Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen in Form von Übersichtsaufzeichnungen die Gesamtveranstaltung in den Blick nehmen und hierbei Teilnehmer an einer unbefangenen Mitwirkung in der vom Veranstalter vorgesehenen Weise hindern. Von daher ist den Beschwerdeführern als Veranstaltern nicht versagt, sich auch gegen die an den Leiter und die Versammlungsteilnehmer gerichteten Vorschriften zu wenden (vgl. ebenso Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 8 Rn. 10). Durch die in Frage stehenden Vorschriften des Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 bis 4 und Art. 16 BayVersG sind die Beschwerdeführer damit selbst in ihrer Versammlungsfreiheit betroffen.
cc) Die Beschwerdeführer haben auch sachlich eine mögliche Grundrechtsverletzung hinreichend substantiiert geltend gemacht. Sie legen eingehend dar, durch Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 1, Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 2, Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 7, Art. 13 Abs. 1 und 2 (hierüber mittelbar auch durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 3) in Verbindung mit Art. 21 Nr. 13 und 14 BayVersG sowie Art. 9 Abs. 2 bis 4 BayVersG in ihrer Versammlungsfreiheit verletzt zu sein.
Dahinstehen kann, ob sich die Beschwerdeführer hier auch auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG berufen können (vgl. BVerfGE 118, 168 (202 ff.)). Die insoweit erhobenen Rügen betreffen sämtlich die spezifischen Auswirkungen der angegriffenen Vorschriften auf die Versammlungsfreiheit. In dieser Hinsicht ergeben sich vorliegend aus Art. 2 Abs. 1 GG keine weitergehenden Anforderungen als aus Art. 8 Abs. 1 GG.
c) Hinsichtlich der übrigen Vorschriften ist die Verfassungsbeschwerde demgegenüber unzulässig. Zwar erstreckt sich der Antrag der Beschwerdeführer auf grundsätzlich das gesamte Bayerische Versammlungsgesetz, jedoch fehlt es hinsichtlich weiterer Vorschriften an einem substantiierten Vorbringen. Nicht Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens sind weiterhin Art. 15 Abs. 2 Nr. 1a und 2 sowie - hierauf bezogen - Art. 15 Abs. 3 BayVersG, die die Beschwerdeführer in ihrem Antrag ausdrücklich von ihren Angriffen ausnehmen.
3. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften werfen Rechtsfragen auf, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung nicht ohne weiteres beantworten lassen.
Das Bayerische Versammlungsgesetz versteht sich als Verwirklichung eines eigenständigen rechts- und ordnungspolitischen Konzepts, das gezielt dem Versammlungsrecht eigene Akzente verleihen will. Es knüpft zwar vielfach an bestehende Regelungen an, sucht hierbei aber mit den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Normen bewusst, diese weiterbildend zu konkretisieren und bisher offene Streitfragen zu klären. Dabei stellt es in verschiedenen Regelungen erhöhte Anforderungen an die Veranstaltung von Versammlungen. So sind die Bekanntmachungs- und Anzeigepflichten ausführlicher und formalisierter gestaltet als nach bisher geltendem Recht, die Anforderungen an die Versammlungsleitung erhöht, ein allgemeines Militanzverbot eingeführt, der Katalog für polizeiliche Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen erweitert sowie daran anknüpfend zahlreiche neue Ordnungswidrigkeitentatbestände unmittelbar für Verstöße gegen gesetzliche Ge- und Verbote in das Versammlungsrecht aufgenommen worden. All diese Regelungen betreffen unmittelbar die Ausübung des durch Art. 8 Abs. 1 GG gewährleisteten Versammlungsrechts und werfen verfassungsrechtliche Fragen auf, die noch nicht abschließend geklärt sind. Für die Erfolgsaussichten wird es darauf ankommen, ob und gegebenenfalls mit welchen Maßgaben diese Begrenzungen, in denen die Beschwerdeführer einen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zu einem Präventionskonzept sehen, mit der Versammlungsfreiheit vereinbar sind. Es wird hierbei auf die Bedeutung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Anmelde- und Erlaubnisfreiheit von Versammlungen einzugehen sein und auf die Frage, ob derartige Pflichten für alle Arten von Versammlungen, unabhängig von ihrem Gefahrenpotential und ihrer Größe, gleich zu beurteilen sind. Zu klären ist weiter, welche Bestimmtheitsanforderungen an versammlungsbezogene Pflichten zu stellen sind und welche Bedeutung hierbei deren Konkretisierung durch Verwaltungsakt beziehungsweise deren Sanktionierung durch Bußgeldvorschriften zukommt. Auch werfen die angegriffenen Vorschriften ungeklärte Fragen zu den Anforderungen an die Erhebung und Nutzung von Daten im Zusammenhang mit Versammlungen auf wie insbesondere die Anfertigung, Speicherung und Nutzung von Übersichtsaufzeichnungen, mit welchen insbesondere auch nichtstörende Versammlungsteilnehmer erfasst werden, sowie die Heimlichkeit von Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen. All diese Fragen bedürfen näherer Prüfung und sind dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
II. 1. Kann, wie hier, nicht festgestellt werden, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist und muss der Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens folglich als offen angesehen werden, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfGE 117, 126 (135)).
Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, ist bei der Folgenabwägung ein besonders strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 3, 41 (44); 104, 51 (55); 112, 284 (292); 117, 126 (135)). Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, das Inkrafttreten eines Gesetzes zu verzögern oder ein in Kraft getretenes Gesetz wieder außer Kraft zu setzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, da der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist. Ein Gesetz darf deshalb nur dann vorläufig außer Kraft gesetzt werden, wenn die Nachteile, die mit seiner Geltung nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, ganz besonderes Gewicht haben und in Ausmaß und Schwere deutlich die Nachteile überwiegen, die im Falle der vorläufigen Außerkraftsetzung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten (vgl. BVerfGE 104, 23 (27 f.); 112, 284 (292); 117, 126 (135)). Bei dieser Folgenabwägung sind die Auswirkungen auf alle von dem Gesetz Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur Folgen, die sich für die Beschwerdeführer ergeben (vgl. BVerfGE 112, 284 (292)).
2. Nach diesen Maßstäben ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise stattzugeben. Die Folgenabwägung ergibt, dass die Bußgeldvorschriften des Art. 21 Nr. 1, 2, 7, 13 und 14 BayVersG einstweilen außer Kraft zu setzen sind (a). Demgegenüber ist eine einstweilige Außerkraftsetzung der mit diesen Vorschriften korrespondierenden verwaltungsrechtlichen Pflichten gemäß Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG nicht geboten (b). Mit einschränkenden Maßgaben zu versehen ist hingegen weiterhin die Anwendung des Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG (c), nicht aber des Art. 9 Abs. 3 BayVersG (d).
a) Von besonderem Gewicht sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung der Bußgeldvorschriften des Art. 21 Nr. 1, 2, 7, 13 und 14 BayVersG ergeben. Sie sind so erheblich, dass sie auch die strengen Voraussetzungen für eine vorläufige Außerkraftsetzung eines Gesetzes erfüllen.
Die genannten Vorschriften erheben den Verstoß gegen weitreichende versammlungsrechtliche Mitwirkungspflichten und Verbote zu einer Ordnungswidrigkeit. Erfasst sind hiervon die Anforderungen an die Bekanntgabe und Einladung zu Versammlungen nach Art. 3 Abs. 3 BayVersG und an die Anzeige von Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG einschließlich ihrer gesetzlichen Detaillierungen, die Pflichten des Versammlungsleiters nach Art. 4 Abs. 3 BayVersG und die Verhaltenspflichten von Teilnehmern nach Art. 7 Abs. 2 BayVersG. Durch die Sanktionierung ihrer Verletzung als Ordnungswidrigkeiten werden diese Pflichten zu einer unmittelbar aus sich heraus bewehrten Rechtspflicht. Unabhängig von der Bedeutung des jeweiligen Verstoßes für die Durchführung der konkreten Versammlung kann jeder Verstoß gegen diese Pflichten staatliche Sanktionen auslösen. Zwar setzt die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 10 OWiG grundsätzlich Vorsatz voraus. Dies lässt jedoch unberührt, dass die sanktionsbewehrten Rechtspflichten nach strafrechtlichen Grundsätzen als solche grundsätzlich von jedermann erkannt werden müssen und ein Verbotsirrtum in der Regel als vermeidbar und damit unbeachtlich gilt. Damit liegt die Verantwortung für die vollständige Kenntnis dieser Pflichten, die Erfassung ihrer Bedeutung im Einzelfall und die Ableitung der sich aus ihnen ergebenden Folgen ohne jeden Vorbehalt bei dem Bürger. Fehlentscheidungen werden ohne weitere Mahnung oder Warnung unmittelbar sanktioniert. Mit der Veranstaltung, Leitung oder Teilnahme an einer Versammlung verbindet sich so das Risiko, wegen Fehler und Fehleinschätzungen ex post mit einer Geldbuße belegt zu werden.
Die Verhängung einer Geldbuße bedeutet dabei die Verhängung einer repressiven Sanktion, verbunden mit dem staatlichen Tadel rechtswidrigen vorwerfbaren Fehlverhaltens (vgl. § 1 Abs. 1 OWiG). Zwar bleibt der mit einer Ordnungswidrigkeit erhobene Schuldvorwurf gegenüber Sanktionen, die als Strafe ausgestaltet sind, deutlich zurück (vgl. BVerfGE 27, 18 (33)). Jedoch liegt auch in der Belegung mit einer Geldbuße eine nachdrückliche Pflichtenmahnung und eine förmliche Missbilligung des Betroffenen als der Rechtsgemeinschaft verantwortlicher Person, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Ahndung grundsätzlich nur im Rahmen der verfahrensrechtlichen Garantien des Strafrechts und unter Beachtung der damit gewährleisteten rechtsstaatlichen Verbürgungen erlaubt ist. Dabei kann eine Geldbuße in Höhe von bis zu 3.000 gemäß Art. 21 BayVersG eine empfindliche Belastung darstellen. Überdies wird die Belegung mit einer Geldbuße für ein Verhalten bei einer früheren Versammlung in der Praxis zur Stützung verwaltungsrechtlicher Gefahrenprognosen herangezogen, so dass sich hieraus auch für die künftige Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit weitreichende Folgen ergeben können.
Die Wirkung der Bußgeldbewehrung unterscheidet sich damit grundlegend von der Statuierung allein verwaltungsrechtlicher Pflichten und Verbote. Diese werden gegenüber dem Bürger grundsätzlich auf der Grundlage eines Verwaltungsakts durchgesetzt. Was in der jeweiligen Situation für den Einzelnen verbindlich ist, wird damit zunächst einzelfallbezogen festgestellt und dem Bürger, Rechtsklarheit schaffend und mit Rechtsmitteln überprüfbar, vor Augen gehalten. Die jeweiligen Rechtspflichten werden so durch die Verwaltung für den Einzelnen konkretisiert, ohne dass ein Schuldvorwurf erhoben wird. Das Risiko der Unkenntnis oder der Fehleinschätzung von Rechtspflichten angesichts der jeweiligen Umstände wird dem Bürger damit weitgehend genommen.
Diese rechtsstaatliche Funktion des Verwaltungsakts ist gerade in Bezug auf die hier in Rede stehenden Pflichten - unbeschadet der erst im Hauptsacheverfahren zu entscheidenden Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit - von Bedeutung. Denn diese sind vom Gesetzgeber teils detailgenau ausdifferenziert, teils konkretisierungsbedürftig offen ausgestaltet und setzen damit fachliche Kenntnisse oder adäquate Situationseinschätzungen voraus. Dass sich darüber Unsicherheiten und Fehleinschätzungen hinsichtlich der im Einzelfall geltenden Anforderungen auch für Bürger ergeben können, die sich rechtstreu verhalten wollen, liegt nicht fern. So bezieht sich die Pflicht zur Angabe von Ort, Zeit, Thema sowie Namen des Veranstalters bei einer Einladung oder Bekanntgabe auf jede öffentliche Versammlung ab zwei Personen, unabhängig davon, ob sie klein oder groß ist, im Freien oder in geschlossenen Räumen stattfindet, spontan oder geplant abgehalten wird (Art. 3 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 BayVersG). Jede offene Einladung zu einem politischen Stammtisch seitens einer Studentengruppe oder zu einer öffentlichen Diskussion in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen kann hiervon betroffen sein. Auch wenn die erforderlichen Angaben für sich gesehen einfach sind, kann die Frage, was als Einladung oder Bekanntmachung zu qualifizieren ist, welche Genauigkeit erforderlich ist oder wie die Angaben bei zeitgemäßen Formen der elektronischen Kommunikation - wie SMS - zu gewährleisten sind, ernsthaft fraglich sein. Vielfach werden sich Veranstalter - bei denen keine Verwaltungsrechtskenntnisse vorausgesetzt werden können - solche Fragen überhaupt nicht stellen. Entsprechendes gilt für die Anzeigepflichten des Art. 13 Abs. 1 BayVersG und die in Bezug genommenen Anforderungen des Absatzes 2. Wann Angaben etwa zum beabsichtigten Ablauf der Versammlung vollständig sind (Abs. 2 Satz 1 Nr. 6) oder wann unverzüglich mitzuteilende Änderungen rechtzeitig übermittelt werden (Abs. 2 Satz 3), ist wertungsabhängig und konkretisierungsbedürftig. Erst recht beruhen die Pflichten des Versammlungsleiters nach Art. 4 Abs. 3 BayVersG auf unsicheren Einschätzungen. Was "geeignete Maßnahmen" sind, um "Gewalttätigkeiten" "aus der Versammlung heraus" zu "verhindern", und wann eine Versammlung mangels Durchsetzungsfähigkeit aufzulösen ist, ist von schwierigen Bewertungen in oftmals unübersichtlichen, volatilen und emotionsgeladenen Situationen abhängig. Nichts anderes gilt für die an den einzelnen Teilnehmer adressierte Pflicht, an Versammlungen nicht in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beiträgt, dass die Versammlung ein bestimmtes Erscheinungsbild mit einschüchternder Wirkung erhält. Dabei wird die Konkretisierungsbedürftigkeit dieser Pflichten nicht dadurch gemindert, dass das Gesetz seiner Begründung nach vor allem auf die extremistischen Spektren abzielt (vgl. Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung, LTDrucks 15/10181, S. 1 f.). Eine Anknüpfung daran, ob Versammlungen links- oder rechtsradikales Gedankengut verbreiten, ist sowohl für die Schaffung als auch für die Auslegung von die Versammlungsfreiheit einschränkenden Vorschriften verfassungsrechtlich ausgeschlossen.
Die Anwendbarkeit von Bußgeldvorschriften, die den Verstoß gegen diese Pflichten zur Ordnungswidrigkeit erheben, wäre ein Nachteil von ganz besonderem Gewicht. Verbindet sich die Wahrnehmung des Versammlungsrechts in dieser Weise mit einem schwer kalkulierbaren Risiko persönlicher Sanktionen, drohte dies der Inanspruchnahme eines elementaren demokratischen Kommunikationsgrundrechts die Unbefangenheit zu nehmen. Damit verbundene Einschüchterungseffekte wiegen auch für die Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung schwer.
Demgegenüber sind die Nachteile einer vorläufigen Außerkraftsetzung der fraglichen Bußgeldbestimmungen nicht von vergleichbarem Gewicht. Zwar entfällt mit ihrer Nichtanwendbarkeit für die Übergangszeit ihre abschreckende Funktion. Die versammlungsrechtlichen Pflichten selbst bleiben durch die Außerkraftsetzung allein der Bußgeldbewehrung jedoch unberührt. Ebenso wenig wie nach alter Rechtslage drohen diese deshalb in faktischer Hinsicht leerzulaufen. Falls erforderlich sind sie vielmehr weiterhin nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchsetzbar. Im Übrigen kann ihre Verletzung vor allem Bedeutung im Rahmen von Entscheidungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG, gegebenenfalls in Verbindung auch mit Art. 14 Abs. 1 und 2 BayVersG gewinnen. Die versammlungsrechtliche Grundkonzeption des Gesetzgebers zur Gewährleistung eines den Sicherheitsanforderungen genügenden Versammlungsrechts wird durch eine Außerkraftsetzung allein der Bußgeldnormen nicht berührt.
b) Eine vorläufige Außerkraftsetzung auch der den Bußgeldvorschriften zugrunde liegenden verwaltungsrechtlichen Ge- und Verbote selbst ist demgegenüber nicht geboten. Die strengen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung unmittelbar gegen Gesetze liegen insoweit nicht vor.
Allerdings sind die Nachteile, die eine vorläufige Anwendbarkeit zur Folge hat, auch insoweit noch erheblich: So wird den Veranstaltern die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit durch die Erweiterung und Formalisierung der Bekanntmachungs- und Anzeigepflichten, die nicht nach Größe und Gefahrenpotential der Versammlung unterscheiden, erheblich erschwert. Das gilt insbesondere für den Katalog des Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG. Den Bürger trifft danach nicht nur eine Anzeigepflicht hinsichtlich der äußeren Kerninformationen der Versammlung, sondern auch eine Pflicht zur Mitteilung ihres genauen Ablaufs und möglicherweise auch ihres Inhalts. Der Veranstalter kann damit auch inhaltlich hinsichtlich seiner Freiheitswahrnehmung detailliert erklärungspflichtig werden. Weiterhin steht er in der Pflicht, sich zum Zwecke einer behördlichen Geeignetheitsprüfung bereits frühzeitig auf den genauen Ablauf und den organisatorischen Rahmen festzulegen und hierbei zahlreiche personenbezogene Daten der Ordner und des Versammlungsleiters mitzuteilen. Auch sind an die von situationsbezogenen Einschätzungen abhängigen Pflichten nach Art. 4 Abs. 3 BayVersG, der für den Leiter nicht nur Obliegenheiten, sondern eine echte Ordnungsverantwortung begründet, und nach Art. 7 Abs. 2 BayVersG Nachteile geknüpft, die auch unabhängig von der Bußgeldbewehrung erheblich sind. Sollten sich diese Pflichten ganz oder zum Teil als verfassungswidrig erweisen, wäre deren vorläufige Anwendung ein Nachteil, der die persönliche Wahrnehmung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit erheblich behinderte und auch eine Beeinträchtigung der demokratischen Funktion des Versammlungsrechts zur Folge hätte.
Diese Nachteile haben jedoch nicht ein solches Gewicht, dass sie gegenüber den Nachteilen, die mit einer Außerkraftsetzung dieser Vorschriften verbunden wären, überwiegen. Denn mit einer Außerkraftsetzung dieser Normen wäre nicht nur ein vorläufiger Verlust an routinemäßiger Vereinfachung und Effizienzsteigerung durch frühzeitige wie vollständige Vorabinformation der Verwaltungsbehörden verbunden, sondern würden zentrale Grundlagen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sowie der Friedlichkeit von Versammlungen betroffen. Da das Versammlungsgesetz des Bundes durch eine vorläufige Aussetzung nicht wieder aufleben würde, fehlte es dem Bayerischen Versammlungsrecht bis zur Entscheidung über die Hauptsache an zentralen Vorschriften, wie etwa schon generell an einer Anzeigepflicht. Damit wäre eine sichere Wahrnehmung des Versammlungsrechts zumindest erheblich gefährdet. Das Bundesverfassungsgericht müsste wenigstens einige der angegriffenen Vorschriften durch eine gerichtliche Anordnung ersetzen. Das aber kann allenfalls in Sonderkonstellationen gerechtfertigt sein, die hier nicht gegeben sind. Durch die vorläufige Außerkraftsetzung der Bußgeldbewehrung sind die Nachteile der angegriffenen Vorschriften vielmehr so weit aufgefangen, dass in Respekt vor der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eine weitergehende einstweilige Anordnung in Bezug auf Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG nicht geboten ist.
c) Teilweise Erfolg muss der Antrag hingegen haben, soweit er sich auf Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG erstreckt. Eine Folgenabwägung ergibt hier, dass die Nachteile einer vorläufigen Anwendbarkeit die Nachteile einer - sachlich beschränkten - vorläufigen Außerkraftsetzung überwiegen.
aa) Die Nachteile der uneingeschränkten vorläufigen Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG sind gravierend: Bei jeder Versammlung muss jeder Teilnehmer damit rechnen, dass das gesamte Geschehen an eine Leitstelle übermittelt und zugleich aufgezeichnet wird. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayVersG erlaubt zunächst Übersichtsaufnahmen (Kamera-Monitor-Übertragungen) von jeder Versammlung unabhängig von deren Größe und Gefahrenpotential, auch in geschlossenen Räumen, soweit dies nur dem Ziel der "Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes" dient. Dass aus dieser Zielsetzung irgendeine tatbestandliche Begrenzung folgt oder folgen soll, ist nicht ersichtlich. Auch die Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG ist der Polizei praktisch immer erlaubt. Die gesetzliche Maßgabe, nach der die Übersichtsaufzeichnung zur "Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens" erforderlich sein muss, begrenzt diese Befugnis nicht, da eine Auswertung des Polizeieinsatzes als solche rechtlich immer zulässig und auf eine Fixierung der Aufnahmen notwendigerweise auch angewiesen ist. Der Sache nach ermächtigt Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG zu einer anlasslosen Bildaufzeichnung des gesamten Versammlungsgeschehens.
Dabei ist die Anfertigung solcher Übersichtsaufzeichnungen nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Grundrechtseingriff, da auch in Übersichtsaufzeichnungen die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind (vgl. Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 3. Aufl. 2007, S. 236; Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 15. Aufl. 2008, S. 245 f., 252; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, J Rn. 372; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2001, § 12a Rn. 3, 8). Sie können, ohne dass technisch weitere Bearbeitungsschritte erforderlich sind, durch schlichte Fokussierung erkennbar gemacht werden, so dass einzelne Personen identifizierbar sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufzeichnungen und personenbezogenen Aufzeichnungen besteht diesbezüglich, jedenfalls nach dem Stand der heutigen Technik, nicht.
Eine so weite Befugnis zur Erstellung von Übersichtsaufzeichnungen führt zu gewichtigen Nachteilen. Sie begründet für Teilnehmer an einer Versammlung das Bewusstsein, dass ihre Teilnahme und die Form ihrer Beiträge unabhängig von einem zu verantwortenden Anlass festgehalten werden können und die so gewonnenen Daten über die konkrete Versammlung hinaus verfügbar bleiben. Dabei handelt es sich überdies um sensible Daten. In Frage stehen Aufzeichnungen, die die gesamte - möglicherweise emotionsbehaftete - Interaktion der Teilnehmer optisch fixieren und geeignet sind, Aufschluss über politische Auffassungen sowie weltanschauliche Haltungen zu geben. Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken. Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 (43)).
Die Schwere des Grundrechtseingriffs einer anlasslosen Datenerhebung nimmt dabei mit der Möglichkeit der Nutzung der Daten für Folgeeingriffe in Grundrechte der Betroffenen zu (vgl. BVerfGE 120, 378 (403)). Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG hegen die sich insoweit ergebenden Nachteile nur begrenzt ein. Zwar ist eine Identifikation einzelner Personen nur zulässig, wenn die strengeren Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 BayVersG vorliegen (Art. 9 Abs. 2 Satz 4 BayVersG), so dass, soweit es um die Auswertung der Aufzeichnungen zu Zwecken des polizeitaktischen Vorgehens im direkten Zusammenhang mit der aufgenommenen Versammlung geht, die Nutzung der Daten und damit der Nachteil für den Einzelnen begrenzt gehalten wird. Die maßgebliche Belastung der Übersichtsaufzeichnungen liegt jedoch darin, dass die gesamten Versammlungsdaten gemäß Art. 9 Abs. 4 BayVersG auch über die konkrete Versammlung hinaus verfügbar gehalten werden, unter Umständen sogar zeitlich unbegrenzt. Die Übersichtsaufzeichnungen werden damit zu einem Datenvorratsspeicher, auf den über die Aufarbeitung des aufgezeichneten Versammlungsgeschehens hinaus allgemein zur Verfolgung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr bei künftigen Versammlungen zurückgegriffen werden kann. Auch nachträglich kann damit eine zunächst unauffällige Teilnahme an einer Versammlung aufgegriffen, neu interpretiert und zum Anknüpfungspunkt weiterer Maßnahmen gemacht werden, ohne dass dieses gesetzlich klar und sachhaltig begrenzt würde. Sachlich werden die Nutzungsmöglichkeiten der Daten in Art. 9 Abs. 4 Satz 1 BayVersG nur indirekt im Rahmen der Löschungspflicht bezüglich dieser Daten aufgeführt, nicht aber eigens näher geregelt. Sie erstrecken sich dabei insbesondere auf die Strafverfolgung ganz allgemein. Zeitlich erlaubt das Gesetz die Speicherung und den Rückgriff auf Übersichtsaufzeichnungen zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens und zu Zwecken der Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren bis zu einem Jahr ab Entstehung, zu Zwecken der Strafverfolgung sogar noch darüber hinaus (Art. 9 Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayVersG; siehe auch §§ 483 ff. StPO). Unbegrenzt gespeichert werden können Übersichtsaufzeichnungen überdies zu Zwecken der polizeilichen Aus- und Fortbildung und damit nach freiem Ermessen der Behörde. Die Identifizierung einer abgebildeten Person ist insoweit zwar auf ein Jahr beschränkt. Eine solche allein auf die Datennutzung bezogene Befristung hebt die durch die unbefristete Speicherung begründete Beeinträchtigung des Betroffenen jedoch nicht auf. Denn technisch bleiben die Daten verfügbar, und trotz der hindernisfreien Identifizierbarkeit von Einzelpersonen in Übersichtsaufzeichnungen sieht das Gesetz hiergegen eine nachvollziehbare und strukturelle Sicherung nicht vor. Angesichts der Streubreite der erhobenen Daten trägt dies dazu bei, dass sich hierdurch das Risiko des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens verfestigen kann (vgl. BVerfGE 107, 299 (328); 115, 320 (354 f.); 120, 378 (402)).
Eine solche anlasslose Datenbevorratung, die allein an die Wahrnehmung des Versammlungsrechts und damit an das Gebrauchmachen von einem für die demokratische Meinungsbildung elementaren Grundrecht anknüpft, führt zu durchgreifenden Nachteilen. Die vorläufige Hinnahme hierdurch begründeter Einschüchterungseffekte hat im Rahmen der Folgenabwägung auch bei Anlegung besonders strenger Maßstäbe höheres Gewicht als die Nachteile einer einstweiligen Außerkraftsetzung dieser Vorschriften. So sind die Nachteile eines teilweisen Verzichts auf Übersichtsaufzeichnungen für die Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens jedenfalls dann von geringerem Gewicht, wenn von einer Versammlung keine erheblichen Gefahren ausgegangen sind. Auch der vorläufige Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Aufzeichnungen für die polizeiliche Aus- und Fortbildung, für die auch auf viele andere Mittel zurückgegriffen werden kann, wiegt die Nachteile der anlasslosen Datenbevorratung nicht auf. Dasselbe gilt aber auch für den - vom Gesetzgeber selbst nicht als Ziel, sondern nur als Anschlussnutzungseffekt vorgesehenen - Rückgriff auf die Übersichtsaufzeichnungen für die Strafverfolgung und die Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren. Diese Aufgaben haben nicht schon allgemein ein solches Gewicht, dass deshalb über Art. 9 Abs. 1 BayVersG hinaus mit Hilfe von Übersichtsaufzeichnungen vorsorglich alle Versammlungen aufgezeichnet werden können und damit die Daten auch all derer vorrätig gehalten werden dürfen, deren Verhalten hierzu keinerlei Anlass gegeben hat. Im Übrigen lässt ein Verzicht auf anlasslose Übersichtsaufzeichnungen die allgemeinen Befugnisse der zuständigen Behörden unberührt.
bb) Angesichts der besonders strengen Anforderungen an die vorläufige Außerkraftsetzung von Gesetzen ist allerdings nicht eine vollständige Außerkraftsetzung des Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG geboten. Für eine vorläufige Regelung reicht es - in Anknüpfung an die herrschende Auffassung zu § 12a VersG (vgl. Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 3. Aufl. 2007, S. 237; Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 15. Aufl. 2008, S. 246; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2001, § 12a Rn. 3, 8; Hase, in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, 1992, § 12a Rn. 21; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, J Rn. 372) - aus, die Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG unter die Bedingungen des Art. 9 Abs. 1 BayVersG zu stellen. Übersichtsaufzeichnungen sind danach nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von der Versammlung erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Im Ergebnis können bei Versammlungen, von denen nach diesen Maßstäben eine Gefahr ausgeht, mittels Übersichtsaufzeichnungen auch die Bilddaten von rechtstreuen Versammlungsteilnehmern erhoben werden. Dies bleibt ein gewichtiger Nachteil, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch im Respekt vor dem Gesetzgeber hinzunehmen. Durch die einstweilige Anordnung ist jedoch sicherzustellen, dass Teilnehmer nicht fürchten müssen, ihre Teilnahme werde über die konkrete Versammlung hinaus anlasslos festgehalten, und dass die Daten nicht für Zwecke genutzt werden, die mit der Versammlung in keinem Zusammenhang stehen. Es ist deshalb anzuordnen, dass eine Auswertung der Daten unverzüglich zu erfolgen hat. Soweit die Daten nach dieser Auswertung nicht in Bezug auf einzelne Personen zur Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der aufgezeichneten Versammlung oder zur Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayVersG benötigt werden, müssen sie spätestens innerhalb von zwei Monaten gelöscht oder zumindest irreversibel anonymisiert werden.
Von deutlich geringerem Gewicht sind demgegenüber die Nachteile von Übersichtsaufnahmen in Echtzeitübertragung, die nicht gespeichert werden und damit nur flüchtiger Natur sind. Möglichen Einschüchterungseffekten durch die Präsenz einer Kamera, die das Geschehen an eine andere, nicht übersehbare Stelle überträgt, kommt hier nur dann Durchschlagskraft zu, wenn eine durch Übersichtsaufnahmen zentralisierte Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes den jeweiligen Umständen nach von vornherein nicht erforderlich ist wie in der Regel in geschlossenen Räumen. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ist deshalb auf Fälle zu beschränken, in denen Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich sind.
d) Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht außer Kraft zu setzen ist schließlich Art. 9 Abs. 3 BayVersG. Zwar erlaubt dieser, wie der Verweis auf Art. 30 Abs. 3 BayPAG zeigt, unter Umständen auch verdeckte Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen, wodurch die Einschüchterungswirkung solcher Befugnisse nochmals verstärkt wird. Denn wenn der Staat verdeckte Maßnahmen gerade dann einsetzt, wenn Bürger von ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit Gebrauch machen und sich mit eigenen Überzeugungen in die demokratische Öffentlichkeit begeben - zugleich unter der Verpflichtung, sich nicht zu vermummen -, ist dies in besonderer Weise geeignet, vom Gebrauch dieses Grundrechts abzuschrecken. Das gilt umso mehr, wenn mangels Benachrichtigungspflichten oder Einsichtsmöglichkeiten Rechtsschutz hiergegen praktisch ausgeschlossen ist. Im Hauptsacheverfahren wird diese Frage materiell verfassungsrechtlich näherer Prüfung bedürfen. Nach den besonders strengen Anforderungen an die Aussetzung eines Gesetzes ist eine vorläufige Außerkraftsetzung dieser Vorschrift jedoch nicht geboten. Der durch Art. 9 Abs. 3 BayVersG in Bezug genommene Art. 30 Abs. 3 Satz 1 BayPAG verpflichtet die Behörden, Datenerhebungen grundsätzlich offen zu gestalten. Die Möglichkeit verdeckter Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen ist damit gesetzlich als enge Ausnahme gefasst. Ihre Handhabung muss dabei der grundlegenden Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG Rechnung tragen und auf eng begrenzte Sondersituationen beschränkt bleiben. Für den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist diese Rechtslage, nicht zuletzt angesichts der insoweit unklaren bisherigen Rechtspraxis unter Geltung des Bundesversammlungsgesetzes, hinzunehmen. ..." ( BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 17.02.2009 - 1 BvR 2492/08)
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Zur Videobeobachtung einer Versammlung von etwa 40 bis 70 Teilnehmern (OVG NRW, Beschluss vom 23.11.2010 - 5 A 2288/09):
... Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Videobeobachtung der Versammlung am 4. Juni 2008 in N. zum Thema: "Urantransporte stoppen" rechtswidrig war. Es ist zutreffend davon ausgegangen, das Richten einer aufnahmebereiten Kamera auf die Demonstrationsteilnehmer und das Übertragen der Bilder auf einen Monitor habe den Kläger in seinem Versammlungsgrundrecht (Art. 8 Abs. 1 GG) und in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt.
Auch wenn die Bilder lediglich in Echtzeit übertragen und nicht gespeichert worden sind und dies dem Versammlungsleiter mitgeteilt worden ist, war die aufnahmebereite Kamera über die gesamte Dauer der Veranstaltung von einem ausgefahrenen Kameraarm eines unmittelbar vorausfahrenden Beweissicherungsfahrzeugs der Polizei auf die nur etwa 40 bis 70 Versammlungsteilnehmer gerichtet. Bei dieser Ausgangslage ist die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, die Videobeobachtung habe die grundrechtlich relevante Eingriffsschwelle überschritten und die innere Versammlungsfreiheit der Teilnehmer beeinträchtigt. Bürger hätten aus Sorge vor staatlicher Überwachung von der Teilnahme an der Versammlung abgeschreckt werden können. Durch die Kameraübertragung war auch ohne Speicherung eine intensive, länger andauernde und nicht nur flüchtige Beobachtung selbst einzelner Versammlungsteilnehmer auf einem Monitor im Fahrzeuginnenraum möglich. Zudem war bei der aufnahmebereiten Kamera aus Sicht eines (verständigen) Versammlungsteilnehmers zu befürchten, die Aufnahme könne beabsichtigt oder versehentlich jederzeit ausgelöst werden.
Unter diesen Gesichtspunkten war der konkrete Einsatz der Kameraübertragung geeignet, bei den Versammlungsteilnehmern das Gefühl des Überwachtwerdens mit den damit verbundenen Unsicherheiten und Einschüchterungseffekten zu erzeugen. So unterschied sich der Einsatz signifikant sowohl von bloßen Übersichtsaufnahmen, die erkennbar der Lenkung eines Polizeieinsatzes namentlich von Großdemonstrationen dienen und hierfür erforderlich sind, als auch von einer reinen Beobachtung durch begleitende Beamte oder sonstige Dritte. Anders als solche Maßnahmen ohne Eingriffsqualität wäre der in Rede stehende Kameraeinsatz mit Blick auf den grundrechtlich geschützten staatsfreien Charakter von Versammlungen allenfalls auf der Grundlage einer auf das notwendige Maß beschränkten gesetzlichen Ermächtigung zulässig gewesen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315, 349; so ist wohl auch BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 372 f. zu verstehen; siehe ferner Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, 15. Aufl. 2008, § 12 a Rn. 14, und Söllner, Anmerkung zum Urteil des VG Berlin vom 5. Juli 2010 - 1 K 905.09 -, DVBl. 2010, 1248, 1249 f.
Einer gesetzlichen Ermächtigung hätte es ferner deshalb bedurft, weil die Videobeobachtung der Versammlung zugleich in das Recht der Teilnehmer auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG. i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingriff. Diesbezüglich war die Eingriffsschwelle unabhängig von einer Speicherung der Bilder überschritten, weil die die Versammlung begleitende Beobachtung eine Individualisierung von Versammlungsteilnehmern ermöglichte, von großer Streubreite war und der Beklagte mit ihr zudem eine gewisse Beeinflussung der inneren Versammlungsfreiheit beabsichtigt hatte. Hiervon waren zahlreiche Personen betroffen, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten standen.
Vgl. zu diesen Kriterien für einen Eingriff BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05, 1254/07 -, BVerfGE 120, 378, 397 ff., 402 f. sowie Beschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBl. 2007, 497, 501; siehe ferner BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 -, juris, Rn. 16 f.; OVG NRW, Urteil vom 8. Mai 2009 - 16 A 3375/07 -, OVGE 52, 122 = juris, Rn. 39 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 - 1 S 377/02 -, NVwZ 2004, 498, 500.
Für die allein an den Grundrechten auszurichtende Bewertung der Eingriffsqualität ist es im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, welche Gründe dafür maßgeblich waren, dass der Gesetzgeber mit Geltung für Nordrhein-Westfalen (anders z. B. in Bayern nach Art. 9 BayVersG) neben den §§ 19 a, 12 a VersG keine weiteren Ermächtigungen mit niedrigeren Eingriffsvoraussetzungen geschaffen hat. Entscheidend ist nur, dass die Voraussetzungen dieser als Ermächtigungsgrundlage allein in Betracht kommenden Vorschriften nicht vorlagen. Hiernach wären Bild- und Tonaufnahmen von Versammlungsteilnehmern nur zulässig gewesen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme gerechtfertigt hätten, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Diese qualifizierten Voraussetzungen waren aus den vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend genannten Gründen (S. 8, dritter Absatz bis S. 10, erster Absatz) nicht gegeben. Hierfür genügte entgegen der Auffassung des Beklagten insbesondere nicht, dass nach Erfahrungen von früheren Urantransporten Restrisiken und Störungen des Transports am 4. Juni 2008 nicht von vornherein mit Sicherheit auszuschließen waren. Auch wenn sich die Rechtmäßigkeit der Gefahrenprognose des Beklagten nach der maßgeblichen ex-ante-Sicht der eingesetzten Beamten richtet, ergibt sich daraus kein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Beurteilungsspielraum, der allein auf Grund der Unberechenbarkeit von Versammlungsverläufen eine andere Einschätzung rechtfertigen könnte.
Vgl. zu den ähnlichen Anforderungen an beschränkende Verfügungen nach § 15 Abs. 1 VersG BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, 671, 672.
Der in Rede stehende Kameraeinsatz stellt sich auch nicht gegenüber zulässigen Maßnahmen nach §§ 19 a, 12 a VersG als reine Vorbereitungshandlung dar. Insbesondere greift der Einwand des Beklagten nicht durch, das Aufzeichnungssystem habe lediglich in einen jederzeit arbeitsfähigen Zustand versetzt werden sollen. Zum einen sind Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf die Ermächtigung in §§ 19 a, 12 a VersG erst dann veranlasst, wenn einzelne Versammlungsteilnehmer ein Verhalten erkennen lassen, das den Eintritt erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung konkret erwarten lässt. Hierzu ist es unstrittig im gesamten Versammlungsverlauf nicht gekommen. Zum anderen hätte sich der Eingriff in Grundrechte von Versammlungsteilnehmern ohne wesentliche Einschränkung des polizeilichen Vorsorgekonzepts vermeiden lassen, indem eine im Stand-by-Modus geschaltete Kamera erkennbar von der Versammlung abgewendet worden wäre. Bereits hierdurch wären die eingesetzten Beamten innerhalb weniger Sekunden in der Lage gewesen, etwaige von ihnen wahrgenommene Gefahrenlagen im Bild einzufangen, ohne dass hierfür anlasslos durchgehend Bilder der Versammlung auf einen Monitor hätten übertragen werden müssen. Um einen Grundrechtseingriff zu vermeiden, hätte der Beklagte insbesondere nicht auf veraltete Systeme zurückgreifen oder den Kamerawagen im Bedarfsfall erst herbeiholen müssen.
Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachte grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob schon eine reine Videobeobachtung unmittelbar am Ort des Geschehens - ohne Aufzeichnung und ohne Weiterleitung an eine Zentralstelle - bei einer Versammlung unter Anwesenheit bzw. Begleitung von Polizeivollzugsbeamten einen Grundrechtseingriff begründen kann,
lässt sich bereits ohne Weiteres auf der Grundlage der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts im bejahenden Sinne beantworten. Danach ist jeweils durch eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob eine Videobeobachtung ein Betroffensein in einer den Grundrechtsschutz auslösenden Qualität zur Folge hat. Dabei ist maßgeblich auch zu berücksichtigen, ob die Videobeobachtung in ihrer konkreten Ausgestaltung geeignet ist, einzelne Bürger von der rechtmäßigen Ausübung ihrer Grundrechte wie z. B. der Versammlungsfreiheit abzuhalten, weil sie nicht übersehen können, ob ihnen daraus Risiken entstehen können.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 -, juris, Rn. 16; Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u. a. -, BVerfGE 65, 1, 43. ..."
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... Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtsgerichts Leipzig vom 8.10.2009 zuzulassen, hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Beklagten, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 sowie Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, lässt nicht erkennen, dass der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gegeben ist.
Grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage, deren Beantwortung sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder höchstrichterlich geklärt ist. Etwas anderes könnte ausnahmsweise dann gelten, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung erheblicher Kritik ausgesetzt ist oder neue erhebliche Gesichtspunkte vorgetragen werden, die in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht berücksichtigt wer- den konnten und geeignet sind, ein anderes Ergebnis herbeizuführen (vgl. zu allem Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 124 Rn. 10 m. w. N.).
Hieran gemessen ist die vom Beklagten sinngemäß aufgeworfene Frage, ob eine Klagefrist für eine Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 74 VwGO gilt, wenn aufgrund der die Vernichtung von Bild- und Tonaufnahmen nach zwei Monaten bzw. unverzüglich anordnenden Vorschriften der § 12a Abs. 2 Satz 1 VersammlG, § 38 Abs. 3 SächsPolG kein Nachweis mehr darüber geführt werden kann, ob eine auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes oder des Sächsischen Polizeigesetzes erlassene polizeiliche Maßnahme rechtmäßig war, nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist nämlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt; das Vorbringen des Beklagten ergibt vorliegend auch keine Gesichtspunkte, die bislang noch nicht berücksichtigt wurden und geeignet sind, ein anderes Ergebnis herbeizuführen.
Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte der Feststellungsklage des Klägers, mit der sich dieser nachträglich gegen seine Identitätsfeststellung und seinen Platzverweis im Zusammenhang mit einer Kundgebung in Leipzig gewandt hatte, stattgegeben, weil nicht ersichtlich und auch vom Beklagten nicht vorgetragen worden sei, inwiefern vom Kläger eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen sei oder welche Umstände dessen Störereigenschaft hätten begründen können. Der Platzverweis sei überdies schon deshalb formell rechtswidrig, weil ein solcher nur für einen eng begrenzten Ort ausgesprochen werden könne. Gegenüber dem Kläger sei aber ein Gebietsverweis" mit Geltung für einen Umkreis von 500 m erteilt worden, so dass nicht mehr von einem eng begrenzten Ort ausgegangen werden könne; zudem sei er zu unbestimmt gewesen. Der Beklagte hatte sich gegen die Klage mit dem Hinweis verteidigt, dass die Klagefrist des § 74 VwGO, der vorliegend entsprechend herangezogen werden müsse, nicht eingehalten sei; jedenfalls sei aber das Klagerecht verwirkt. Im Übrigen hätte noch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden müssen. Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte das Verteidigungsvorbringen mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es im Fall eines sich vor Ablauf der Widerspruchsfrist erledigenden Verwaltungsakts nicht der Einhaltung einer Klagefrist bedarf (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urt. v. 14.7.1999, BVerwGE 109, 203; std. Rspr.), zurückgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass weder die Voraussetzungen einer Verwirkung vorlägen noch ein nachträgliches Widerspruchsverfahren einzuleiten gewesen wäre.
Es besteht kein Anlass, von der vom Verwaltungsgericht Leipzig zutreffend herangezogenen Rechtsprechung im vorliegenden Fall abzuweichen. Der Hinweis des Beklagten, die nach Ablauf der von § 12a Abs. 2 Satz 1 VersammlG, § 38 Abs. 3 SächsPolG vorgegebenen unverzüglich bzw. binnen einer Frist von spätestens zwei Monaten vorzunehmende Löschung von Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei bewirke faktisch, dass nach Ablauf der Löschungsfristen die Dokumentation und Rekonstruktion der gegenüber bestimmten Personen getroffenen polizeilichen Maßnahmen erschwert bzw. unmöglich gemacht würden, betrifft nämlich keine Frage im Hinblick auf die Zulässigkeit des gegen solche Maßnahmen ergriffenen Rechtsbehelfs. Der Hinweis richtet sich vielmehr auf das materiell-rechtliche Problem, wem die Beweis- bzw. Darlegungslast im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen obliegt, wenn der Polizei einzelne Erkenntnismittel aufgrund gesetzlicher Löschungsverpflichtungen nicht mehr zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte auch in der von ihm beschriebenen Situation durchaus weitere Möglichkeiten hat, um die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme zu belegen. So könnte etwa ein polizeilicher Einsatzbericht vorgelegt werden, aus dem sich ergibt, aufgrund welcher Vorfälle bzw. unter welchen Umständen an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt Identitätskontrollen vorgenommen bzw. Platzverweise ausgesprochen worden sind. Darüber hinaus könnten einzelne Polizeibeamte zu einer Zeugenaussage oder zur Abgabe einer dienstlichen Stellungnahme herangezogen werden. Schließlich könnte es sich in geeigneten Fällen auch anbieten, polizeiliche Erkenntnisse über den von einer polizeilichen Maßnahme Betroffenen vorzulegen, die schon bei einer damals durchgeführten Datenabfrage etwa zu einem Platzverweis geführt haben konnten, etwa weil der Betroffene als Störer bei vorangegangenen Demonstrationen registriert gewesen war. Hieraus ergibt sich zusammenfassend, dass der Nachweis der Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns auch nach Ablauf gesetzlicher Löschungsfristen nicht immer tatsächlich unmöglich geworden sein muss, sondern von den Umständen der jeweiligen Fallgestaltung abhängt. Nachdem im vorliegenden Fall solche Darlegungen gänzlich unterblieben sind, ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig nicht zu beanstanden; im Übrigen hätte selbst die Vorlage entsprechender Bild- bzw. Tonaufnahmen vorliegend wohl nur die durch die Einvernahme eines Zeugen bewiesene Tatsache belegen können, dass sich der Kläger tatsächlich der von ihm angegriffenen Maßnahmen unterziehen musste. ..." (OVG Sachsen, Beschluss vom 30.08.2010 - 3 A 687/09 zu §§ 74, 154 II VwGO, 20 VersammlG, 38 III PolG SN).
§ 15a Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung
(1) Die Polizeibehörden können von einem Dienstanbieter, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, verlangen, dass er die Kenntnisnahme des Inhalts der Telekommunikation ermöglicht und die näheren Umstände der Telekommunikation einschließlich des Standorts aktiv geschalteter nicht ortsfester Telekommunikationsanlagen übermittelt, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist.
(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 können die Polizeibehörden auch Auskunft über die Telekommunikation in einem zurückliegenden oder einem zukünftigen Zeitraum sowie über Inhalte verlangen, die innerhalb des Telekommunikationsnetzes in Speichereinrichtungen abgelegt sind.
(3) Die Polizeibehörden können technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräte- und Kartennummern einsetzen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist.
(4) Die Maßnahmen bedürfen außer bei Gefahr im Verzug der richterlichen Anordnung. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Die Anordnung muss Namen und Anschrift der Person, gegen die sie sich richtet, oder die Rufnummer oder eine andere Kennung ihres Telekommunikationsanschlusses oder ihres Telekommunikationsgeräts enthalten. § 15 Abs. 5 Satz 3 und 5 bis 9 gilt entsprechend.
(5) Soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Tatsachen ergeben, die einen anderen Sachverhalt betreffen, dürfen die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten nur verarbeitet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. Bundesrechtliche Übermittlungspflichten bleiben unberührt.
(6) § 17 Abs. 1 und 3 des Artikel 10- Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2836), gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Bei der Telekommunikationsüberwachung nach § 15a HSOG sind mehr als drei Verlängerungen nicht zulässig. Die vor einer kurzfristigen Unterbringung des Betroffenen angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen zählen bei der Zahl der Verlängerungen für weitere Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen mit. § 15a HSOG dient nicht zur Bekämpfung von Straftaten im Vorfeld einer konkreten Gefahr(OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.11.2009 - 20 W 330/09):
... Die Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet. § 15a HSOG gestattet die Telekommunikationsüberwachung durch richterliche Anordnung, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. Diese Maßnahme ist nach § 15a Abs. 4 S. 3 HSOG i.V.m. § 15 Abs. 5 S. 6 HSOG auf höchstens drei Monate zu befristen, wobei eine dreimalige Verlängerung um jeweils höchstens drei Monate zulässig ist, soweit die Voraussetzungen fortbestehen.
Diese Verlängerungsmöglichkeiten hat der Antragsteller bereits ausgeschöpft, wie schon das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, denn der Antragsteller hat folgende gerichtlichen Überwachungsanordnungen nach dem HSOG hinsichtlich des Betroffenen erwirkt:
Zuerst hat das Amtsgericht Hanau durch Beschluss vom 05.12.2008 (52 Gs 97/08) eine Telekommunikationsüberwachungsanordnung gem. § 15a HSOG bis zum 04.01.2009 erlassen. Als Grund ist im Beschluss angeführt, der Betroffene werde am 10.oder 12.12.2008 aus der Strafhaft nach der Endzeitverbüßung seiner Strafe wegen Vergewaltigung entlassen. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sei vom Landgericht in Hanau durch Urteil vom 13.11.2008 aus Rechtsgründen abgelehnt worden, die Entscheidung sei aber noch nicht rechtskräftig. Aus dem Urteil in Verbindung mit den Darlegungen der vor Gericht angehörten Gutachter bestehe jedoch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Betroffene nach seiner Entlassung ein Verbrechen der Vergewaltigung oder der sexuellen Nötigung begehen werde. Die Anordnung sei zum Schutz der etwa betroffenen Frauen unerlässlich.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 11.12.2008 (52 Gs 97/08) ist die Telekommunikationsanordnung auf einen Mobilfunkanschluss, der der Kriminalpolizei nachträglich bekannt geworden ist, für den nämlichen Zeitraum erweitert worden. Mit Beschluss vom 15.12.2008 hat das Amtsgericht Hanau für die Dauer von drei Wochen zusätzlich die Sicherstellung von Postsendungen angeordnet, die der Betroffene an weibliche Personen adressiert hat.
Wiederum durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 22.12.2008 (52 Gs 97/08) ist die Telekommunikationsüberwachungsanordnung bis zum 31.01.2009 verlängert und darüber hinaus die Sicherstellung von Postsendungen angeordnet worden, die der Betroffene an weibliche Personen adressiert hat bzw. von weiblichen Personen erhält.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 20.01.2009 (52 Gs 97/08) sind diese Maßnahmen bis zum 15.02.2009 verlängert worden.
Am 03.02.2009 hat der entscheidende Richter beim Amtsgericht Hanau dem Antragsteller auf dessen Antrag vom 28.01.2009, mit dem er u. a. die Sicherstellung von Adressbüchern des Betroffenen beantragt hatte, mitgeteilt, dass er mit der Einlieferung des Betroffenen in das PKH das unter 52 Gs 97/09 geführte Verfahren als beendet angesehen habe. Die vorausgegangenen Entscheidungen habe er nur wegen der zeitlichen Nähe zum landgerichtlichen Urteil erlassen. Weitere Anträge seien an das örtlich zuständige Amtsgericht in Offenbach zu richten.
Durch Beschluss vom 04.05.2009 des Amtsgerichts Offenbach (20 Gs 34/09) wurde die Telekommunikationsüberwachung für den Festnetzanschluss bis zum 18.05.2009 angeordnet. Dabei hat der Richter unter Verweisung auf das in einem psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 28.10.2008 festgestellte hohe Rückfallrisiko des Betroffenen und den Umstand, dass der Betroffene bis zum 29.04. 2009 untergebracht war, ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass sich beim Betroffenen ein Triebstau" entwickelt habe und er sich in unmittelbar bevorstehender Zeit besonders intensiv um Sexualkontakte bemühen werde, die sexuelle Gewalttaten als wahrscheinlich erscheinen ließen.
Den Verlängerungsantrag des Antragstellers vom 13.05.2009, nunmehr wieder den Festanschluss und einen Mobilfunkanschluss betreffend, hat das Amtsgericht Offenbach mit Beschluss vom 13.05.2009 (20 Gs 93/09) zurückgewiesen. Auf die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht Darmstadt durch Beschluss vom 19.05.2009 (5 T 246/09) die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die Telekommunikationsüberwachungsanordnung befristet bis zum 03.08.2009 erlassen.
Durch Beschluss vom 30.07.2009 hat das Amtsgericht Offenbach (20 Gs 128/09) den erneuten Verlängerungsantrag des Antragstellers vom 29.07.2009 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte wiederum Erfolg. Das Landgericht Darmstadt hat durch Beschluss vom 06.08.2009 (5 T 396/09) den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und die beantragte Überwachungsmaßnahme bis zum 02.11.2009 angeordnet.
Mit diesen Anordnungen sind alle Verlängerungsmöglichkeiten verbraucht. Eine weitere Verlängerung ist nach § 15a HSOG nicht möglich und zwar ganz unabhängig davon, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist oder nicht, bzw. wie man die Gefährdungssituation im Übrigen beurteilt. Die seit Dezember 2008 angeordneten Überwachungsmaßnahmen haben mit der Unterbringung des Betroffenen in der Zeit vom 22.01.2009 bis 28.04.2009 in der A- Klinik in O2 aufgrund eines Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Gelnhausen kein Ende gefunden. Die Unterbringung hat lediglich die Telekommunikationsüberwachung durch einen noch intensiveren staatlichen Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen überflüssig gemacht und zwar aufgrund von Verdachtsmomenten, die überdies nicht zu einer Verurteilung, sondern zu einem Freispruch geführt haben.
Die Verlängerungsmöglichkeiten für Überwachungsmaßnahmen sind Eingriffe in die grundgesetzlich geschützten Freiheitsrechte. § 15a HSOG stellt eine Regelung zur Abwendung ganz konkreter Gefahren dar. Als Ausnahmeregelung verbietet sich auch für die Verlängerungsmöglichkeiten jede ausweitende Interpretation. Der Gesetzgeber hat die Verlängerungsmöglichkeiten auf drei beschränkt, was in Verbindung mit der Dreimonatshöchstfrist einem Rahmen von einem Jahr gleichkommt und zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Höchstzeitraum von drei Monaten ausgeschöpft ist oder nicht. Selbst wenn in einem Fall dieser Zeitraum jeweils ausgeschöpft worden und ein Ende der Gefahrenlage binnen Jahresfrist nicht eingetreten wäre, könnten weitere Überwachungsanordnungen auf diese Regelung nicht gestützt werden. Ebenso wäre es, wenn nur kurzfristige Anordnungen erlassen worden wären, die Dreimonatsfrist also jeweils nicht ausgeschöpft worden wäre und die Gefahrenlage sich nachträglich weiter zugespitzt hätte. Das Gesetz sieht auch keine Möglichkeit für die Polizei vor, den Zeitrahmen bzw. die Zahl der Verlängerungsmöglichkeiten durch zeitweisen Verzicht auf die Stellung eines Antrags zu erweitern. Im Gegenteil: Wäre der Verzicht auf die Überwachungsmaßnahme bei gleicher Gefahrenlage zeitweise möglich, so müsste dies denknotwendig zu Zweifeln wenigstens an der Unerlässlichkeit der Maßnahme führen.
Die Frage, wie viele Verlängerungen vorliegen, kann daher nur unter Berücksichtigung des natürlichen Sachzusammenhangs beantwortet werden. Abzustellen ist auf den konkreten Anlass, der zu den beantragten Maßnahmen geführt hat. Dies ist hier in mehrfacher Folge die Gefährlichkeit des Betroffenen aufgrund seiner sexuellen Neigungen in Verbindung mit seiner Persönlichkeitsstruktur gewesen und zwar vor dem Hintergrund, dass eine Sicherungsverwahrung aus Rechtsgründen nicht (mehr) möglich war, was auch vom Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 22.04.2009 (2 StR 21/09) bestätigt worden ist.
Die Unterbringungsanordnung des Amtsgerichts Gelnhausen vom 21.01.2009 (1101 Js 1027/09) und den diese bestätigenden Beschluss des Landgerichts Hanau vom 19.02.2009 (2 KLs 1101 Js 1027/09) hat das Oberlandesgericht - 1. Strafsenat - durch Beschluss vom 28.04.2009 (3 Ws 24/09) mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 63 StGB, 126a StPO aufgehoben. Anlass für die Unterbringung war nach Aktenlage ein körperlicher Übergriff des Betroffenen auf seinen Vater. Das entsprechende Strafverfahren endete mit einem freisprechenden Urteil vom 11.05.2009. Diese Unterbringung des Betroffenen ist nicht geeignet, den Sachzusammenhang zu den früheren Anordnungen zu unterbrechen mit der Folge, dass die volle Anzahl von Verlängerungsmöglichkeiten wie bei einer Erstanordnung wieder zur Verfügung steht. Deswegen war der die weitere Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung ablehnende amtsgerichtliche Beschluss zu bestätigen.
Das Amtsgericht hat darüber hinaus auch verneint, dass eine gegenwärtige Gefahr vorliegt, wie sie § 15a HSOG für eine Telekommunikationsüberwachung voraussetzt. Diese Frage braucht hier nicht mehr abschließend geprüft und entschieden werden, da die Anordnung schon aus den genannten formalen Gründen nicht mehr möglich ist. Wegen der Beschwerderügen des Antragstellers bemerkt der Senat lediglich, dass Zweifel bestehen, ob vorliegend von einer gegenwärtigen Gefahr i. S. der Eingriffsvoraussetzung des § 15a HSOG gesprochen werden kann. Der Gesetzgeber hat die Eingriffsvoraussetzungen im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 113, 348 ff) bewusst eng gefasst. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass mit § 15a HSOG nicht die Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten geregelt werde, sondern es handele sich um Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben bei akuten Gefahren, z.B. in Fällen der Entführung, der Geiselnahme sowie bei Gefahr der Selbsttötung, die nicht auf einen freien Entschluss zurückzuführen sei. Die Telekommunikationsüberwachung solle lediglich der Abwehr unmittelbar bevorstehender Gefahren für bestimmte hochwertige Rechtsgüter dienen, wobei die Maßnahme unerlässlich sein müsse. Eine Überwachung zur Bekämpfung von Straftaten im Vorfeld einer konkreten Gefahr solle es in Hessen nicht geben (Landtagsdrucksache 16/2352, S. 118). ..."
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Bei einer Überwachungsanordnung nach § 15 a HSOG kann sich das beteiligte Telekommunikationsunternehmen nur gegen fehlerhafte Überwachungsanweisungen zur Wehr setzen, soweit es um die technische Umsetzung der Überwachungsanordnung geht. Für Beanstandungen hinsichtlich der materiellrechtlichen Richtigkeit der Überwachungsanordnung ist im Beschwerdeverfahren des Telekommunikationsunternehmens kein Raum (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2006 - 20 W 128/05).
§ 16 Datenerhebung durch Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist, und durch verdeckt ermittelnde Personen
(1) Die Polizeibehörden können durch Personen, deren Zusammenarbeit mit ihnen Dritten nicht bekannt ist (V-Personen), personenbezogene Daten erheben. § 15 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(2) Die Polizeibehörden können durch Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, die unter einer Legende eingesetzt werden (verdeckt ermittelnde Personen - VE-Personen -), personenbezogene Daten auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen erheben, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass in § 15 Abs. 2 Satz 1 genannte Straftaten begangen werden sollen und dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist.
(3) Die Datenerhebung durch den Einsatz von V-Personen oder VE-Personen ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen mit Ausnahme der in den §§ 15, 15a und 17 genannten erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. Im Rahmen der Aufgabenerfüllung können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Abs. 1 und 2 durchführen zu können. Soweit es für den Aufbau oder zur Aufrechterhaltung der Legende unerlässlich ist, dürfen für den Einsatz von VE-Personen entsprechende Urkunden hergestellt oder verändert werden. VE-Personen dürfen unter der Legende zur Erfüllung ihres Auftrags am Rechtsverkehr teilnehmen.
(4) VE-Personen dürfen unter ihrer Legende mit Einwilligung der berechtigten Person deren Wohnung betreten. Die Einwilligung darf nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden. Eine heimliche Durchsuchung ist unzulässig. Im Übrigen richten sich die Befugnisse von VE-Personen nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften.
(5) Die Anordnung über den Einsatz von V-Personen und VE-Personen erfolgt außer bei Gefahr im Verzug durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten. Der Einsatz von VE-Personen mit einer auf Dauer angelegten Legende bedarf außer bei Gefahr im Verzug der richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten getroffen werden. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Die Anordnung durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten ergeht schriftlich. Sie muss die Personen, gegen die sich der Einsatz richten soll, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. Die Dauer des Einsatzes ist festzulegen. Eine Verlängerung ist zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. Ist eine Anordnung nach Satz 3 ergangen, so ist unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung zu beantragen. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn nicht binnen drei Tagen eine richterliche Bestätigung erfolgt. Über die Anordnung des Einsatzes von V-Personen und VE-Personen im Sinne des Satz 2 ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.
§ 17 Polizeiliche Beobachtung
(1) Die Polizeibehörden können die Personalien einer Person sowie das amtliche Kennzeichen und sonstige Merkmale des von ihr benutzten oder eingesetzten Kraftfahrzeugs im polizeilichen Fahndungsbestand automatisiert zur polizeilichen Beobachtung speichern (Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung), damit andere Polizeibehörden des Landes, Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes und der anderen Länder sowie, soweit sie Aufgaben der Grenzkontrolle wahrnehmen, die Zollbehörden das Antreffen der Person oder des Fahrzeugs melden können, wenn dies bei Gelegenheit einer Überprüfung aus anderem Anlass festgestellt wird.
(2) Die Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung ist zulässig, wenn
1. die Gesamtwürdigung der Person und ihre bisherigen Straftaten erwarten lassen, dass sie auch künftig Straftaten mit erheblicher Bedeutung begehen wird, oder
2. die Voraussetzungen für die Anordnung einer Observation (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2) gegeben sind
und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die aufgrund der Ausschreibung gemeldeten Erkenntnisse über Ort und Zeit des Antreffens der Person, etwaiger Begleitpersonen, des Kraftfahrzeugs und der Führerin oder des Führers des Kraftfahrzeugs sowie über mitgeführte Sachen, Verhalten, Vorhaben und sonstige Umstände des Antreffens für die Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich sind.
(3) Gegen eine Person, die unter Polizeilicher Beobachtung steht oder ein nach Abs. 1 ausgeschriebenes Kraftfahrzeug führt, sind beim Antreffen andere Maßnahmen nur zulässig, wenn jeweils die besonderen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahmen erfüllt sind.
(4) Die Ausschreibung darf nur durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten angeordnet werden. Die Anordnung ergeht schriftlich und ist auf höchstens zwölf Monate zu befristen. Sie muss die Person, die ausgeschrieben werden soll, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. Spätestens nach Ablauf von jeweils drei Monaten ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung noch bestehen; das Ergebnis dieser Prüfung ist aktenkundig zu machen.
(5) Zur Verlängerung der Laufzeit über zwölf Monate hinaus bedarf es einer richterlichen Anordnung. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die ausschreibende Polizeibehörde ihren Sitz hat.
(6) Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung nicht mehr vor, ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, dass er nicht erreicht werden kann, ist die Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung unverzüglich zu löschen.
§ 18 Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können die Identität einer Person feststellen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr, zur Erfüllung der ihnen durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen weiteren Aufgaben (§ 1 Abs. 2) oder zum Schutz privater Rechte (§ 1 Abs. 3) erforderlich ist.
(2) Die Polizeibehörden können die Identität einer Person feststellen, wenn
1. die Person sich an einem Ort aufhält,
a) von dem aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort
aa) Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben,
bb) sich Personen ohne erforderlichen Aufenthaltstitel treffen oder
cc) sich Straftäterinnen oder Straftäter verbergen, oder
b) an dem Personen der Prostitution nachgehen,
2. dies zur Leistung von Vollzugshilfe (§ 1 Abs. 5) erforderlich ist,
3. die Person sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass in oder an diesen Objekten Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und dies aufgrund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist,
4. die Person sich im räumlichen Umfeld einer Person aufhält, die in besonderem Maße als gefährdet erscheint, und tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme zum Schutz der Person rechtfertigen,
5. die Person an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Polizeibehörde auf öffentlichen Straßen oder Plätzen oder an anderen öffentlich zugänglichen Orten eingerichtet worden ist, um eine der in § 100a der Strafprozessordnung bezeichneten Straftaten oder eine Straftat nach § 27 des Versammlungsgesetzes zu verhüten. Die Einrichtung von Kontrollstellen ist nur mit Zustimmung des für die Polizei zuständigen Ministeriums oder von ihm benannter Stellen zulässig, es sei denn, dass Gefahr im Verzug vorliegt, oder
6. die Person in Einrichtungen des internationalen Verkehrs, auf Straßen oder auf Bundeswasserstraßen, soweit aufgrund von Lageerkenntnissen oder polizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass diese von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität sind, angetroffen wird zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.
(3) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie können insbesondere die Person anhalten, den Ort der Kontrolle absperren, die Person nach ihren Personalien befragen, verlangen, dass die Person mitgeführte Ausweispapiere aushändigt, und erkennungsdienstliche Maßnahmen anordnen.
(4) Die Polizeibehörden können die Person festhalten, sie und die von ihr mitgeführten Sachen nach Gegenständen durchsuchen, die zur Identitätsfeststellung dienen, sowie die Person zur Dienststelle bringen.
(5) Erkennungsdienstliche Maßnahmen können nur angeordnet und Maßnahmen nach Abs. 4 können nur durchgeführt werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Gegen eine Person, die nicht nach den §§ 6 oder 7 verantwortlich ist, können erkennungsdienstliche Maßnahmen gegen ihren Willen nicht durchgeführt werden, es sei denn, dass sie Angaben über die Identität verweigert oder bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Täuschung über die Identität begründen.
(6) Werden die Personalien bei der betroffenen Person erhoben, ist diese auf den Grund für die Identitätsfeststellung hinzuweisen, sofern der Zweck der Maßnahme hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
(7) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können verlangen, dass Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn die betroffene Person aufgrund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Verletzung von Art 2 Abs 2 S 2 GG und Art 104 Abs 2 GG durch gerichtlichen Beschluss, durch den eine mehrstündige Ingewahrsamnahme durch die Polizei zur Identitätsfeststellung für rechtmäßig erklärt wurde (BVerfG, Beschluss vom 08.03.2011 - 1 BvR 47/05 - LG Hamburg):
... II. Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.
1. In Bezug auf die angegriffenen Prozesskostenhilfeentscheidungen ist die Verfassungsbeschwerde allerdings unzulässig und ist deshalb insoweit nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Der Beschwerdeführer hat insoweit den Grundsatz der materiellen Subsidiarität, der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 77, 275 (282); 85, 80 (86)), nicht eingehalten. Dieser verlangt über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Zumutbaren die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 84, 203 (208); 85, 80 (86); 112, 50 (60)). Diesen Anforderungen wird der Beschwerdeführer nicht gerecht, denn er legt nicht dar, dass - abgesehen von der Beantragung von Prozesskostenhilfe - keine weitere Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der öffentlichen Hand bestand. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers analog § 140 Abs. 2, § 141 StPO stellen können (vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 27. April 2001 - 6 Qs 18/01 -, StV 2001, S. 390; Laufhütte, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 141 Rn 11; Lüderssen/Jahn, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 140 Rn 117 ff. (131c)).
2. Im Übrigen, also in Bezug auf den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt für die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG einschließlich der besonderen Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 10, 302 (322); 29, 312 (316); 94, 166 (198); 105, 239 (249 f.)).
a) Die Verfassungsbeschwerde, die sich bei verständiger Würdigung nur gegen den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts und nicht auch unmittelbar gegen die polizeilichen Maßnahmen selbst richtet, ist insoweit zulässig. Dem Beschwerdeführer fehlt es insbesondere nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzinteresse, weil der Freiheitseingriff beendet ist. Es würde der Bedeutung des Schutzes der persönlichen Freiheit in der im Grundgesetz garantierten Form nicht entsprechen, wenn das Recht auf eine verfassungsgerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Freiheitsrecht bei Wiedergewährung der Freiheit ohne Weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 9, 89 (93 f.); 10, 302 (308); stRspr).
b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch offensichtlich begründet.
aa) Der Beschluss des Landgerichts verletzt, insoweit er die gegen den Beschwerdeführer gerichteten polizeilichen Maßnahmen bestätigt, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
(1) Der Schutzbereich des Grundrechts umfasst sowohl freiheitsbeschränkende als auch freiheitsentziehende Maßnahmen. Eine Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Eine Freiheitsentziehung als schwerste Form der Freiheitsbeschränkung ist nur dann gegeben, wenn die tatsächlich und rechtlich an sich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)).
Eingriffe in die Freiheit der Person bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 2, 118 (119); 29, 183 (195)), wobei die Formvorschriften dieser Gesetze von den Gerichten so auszulegen sind, dass ihnen eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97)). Bei der Beschränkung im Einzelfall muss die Stellung des Grundrechts auch im Rahmen des Abwägungsprozesses angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere ist sorgfältig abzuwägen, ob ein Eingriff in den Grenzen bleibt, die ihm durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden, mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen werden (vgl. BVerfGE 29, 312 (316)). Diesen zu beachten, ist bei allen Eingriffen durch die öffentliche Gewalt ein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot (vgl. BVerfGE 30, 173 (199)). Ein Eingriff ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn er nicht zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist. Dies wiederum ist nicht der Fall, wenn ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks ausreichend ist (vgl. BVerfGE 67, 157 (173); 81, 156 (192) m.w.N.).
(2) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss des Landgerichts nicht, der das Festhalten des Beschwerdeführers und die Aufrechterhaltung der Ingewahrsamnahme bis zur Entlassung durch die Polizei gegen 1.30 Uhr für rechtmäßig erklärt. Es kann im Ergebnis dahin stehen, ob die Polizei den Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO oder aufgrund von § 81b StPO festgehalten hat, denn die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls nicht als erforderlich.
Die Vorschrift des § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO lässt ein Festhalten zur Identitätsfeststellung nur zu, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift stellt insofern eine gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots dar und soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. § 163b Abs. 1 Satz 1 StPO ermächtigt Polizeibeamte, gegenüber einem Verdächtigen die notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu treffen, also den Betreffenden nach seinen Personalien zu befragen und diesen aufzufordern, mitgeführte Ausweisdokumente auszuhändigen. Nur dann, wenn die Identität des Betreffenden auch unter Ausschöpfung dieser Maßnahmen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden kann oder dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, kommt ein weiteres Festhalten nach Satz 2 in Betracht. Ein weiterer Eingriff in das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf also nur dann erfolgen, wenn die Polizei auf der Basis der bereits bekannten Daten berechtigte Zweifel an der Identität der Person hat. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat sich gegenüber der Polizei vor Ort mit einem Bundespersonalausweis ausgewiesen. Der Bundespersonalausweis ist dabei in besonderer Weise als Dokument zur Feststellung der Identität geeignet, da er gemäß § 1 PAuswG die erforderlichen Daten für eine Identifikation und strafrechtlich relevante Erfassung der Person enthält und darüber hinaus mit besonderen Fälschungssicherungen versehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweis des Beschwerdeführers gefälscht war oder seine Person nicht mit dem Ausweisinhaber übereinstimmte, etwa, weil das Foto keine oder nur geringe Ähnlichkeit mit ihm aufwies, sind weder von der Polizei noch vom Landgericht benannt worden noch sind sie ansonsten ersichtlich. Daher ist - insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich fundierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen bloßer Identitätsfeststellung und weiterem Festhalten - davon auszugehen, dass es den Polizeibeamten möglich war, die Identität aufgrund des vorgelegten Bundespersonalausweises vor Ort hinreichend sicher festzustellen. Ein Festhalten aus reinen Praktikabilitätserwägungen vermag schon die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht zu begründen und dürfte im Übrigen auch auf die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme keinen Einfluss haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1992 - 2 BvR 658/90 -, NVwZ 1992, S. 767 (768)).
Auch ein Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 81b Alt. 2 StPO war jedenfalls unverhältnismäßig, denn es verkannte die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Insoweit ist zwischen der Anordnung der Maßnahme und der Durchführung zu unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, S. 381 (382)). Selbst wenn man in Bezug auf die Anordnung der Maßnahme mit dem Landgericht davon ausgeht, dass trotz eindeutig festgestellter Identität des Beschwerdeführers und aller anderen Personen die Erinnerung der einzelnen Polizisten als Zeugen vor Gericht aufgrund der Vielzahl an Personen ohne weitere Fotos möglicherweise nicht hinreichend gewährleistet gewesen wäre und es als Erinnerungsstütze noch ein Bedürfnis an weiteren im Strafprozess zu verwertenden Beweismitteln gab, rechtfertigt dies für die Durchführung jedenfalls nicht ein stundenlanges Festhalten und Einsperren des Beschwerdeführers auf verschiedenen Polizeiwachen. Das Landgericht verkennt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass in der Formulierung "soweit ( ) notwendig" in § 81b StPO seinen Niederschlag auch in der einfachgesetzlichen Regelung gefunden hat. Es hat insoweit nicht ausgeführt, dass ein stundenlanges Festhalten des Beschwerdeführers für das Anfertigen der Lichtbilder des Beschwerdeführers notwendig war. Zwar kann die Masse der zu bearbeitenden Fälle eine zeitliche Verzögerung rechtfertigen, jedoch hat das Landgericht keine Ausführungen zum Vorliegen von Erschwernissen gemacht, die die Dauer in dem hier festgestellten Umfang rechtfertigten. Allerdings ist die Polizei als Strafverfolgungsbehörde - soweit nicht ein genereller entsprechender Bedarf besteht - nicht gezwungen, Personal und Material für erkennungsdienstliche Maßnahmen in solchem Maß vorzuhalten, dass eine Bearbeitung in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe erfolgen kann. Vielmehr kann es durchaus verhältnismäßig sein, derartige spezielle Ressourcen insbesondere räumlich zusammenzufassen. Eine Verbringung an diesen Ort und eine organisatorisch nicht zu vermeidende und gemäßigte Wartefrist können jedenfalls bei hinreichend gewichtigen Straftaten angemessene Eingriffe im Verhältnis zur Bedeutung des staatlichen Strafanspruches sein. Ein solcher Fall liegt aber auf der Basis des festgestellten Sachverhalts nicht vor. Der Beschwerdeführer ist im Polizeipräsidium nach mehreren Stunden ausschließlich in der Art erkennungsdienstlich behandelt worden, dass von ihm drei einfache Fotos angefertigt wurden. Weitere Aufnahmen insbesondere solche, die besondere fotografische oder kriminalistische Erfahrung oder Ausrüstung erforderten, sind vom Landgericht weder festgestellt noch Teil seiner Verhältnismäßigkeitserwägungen geworden. Insofern stellt sich die erkennungsdienstliche Behandlung als die Anfertigung von einfachen, alltäglichen Fotoaufnahmen dar. Für die Annahme der Erforderlichkeit in diesem Fall hätte es einer genaueren Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten bedurft, zeitlich früher Aufnahmen des Beschwerdeführers in der gleichen Qualität und Machart anzufertigen, die den Zweck des § 81b StPO nicht schlechter erfüllt hätten. Hierbei hätte das Landgericht insbesondere prüfen müssen, ob die Beamten entsprechende Aufnahmen nicht mit einer verfügbaren oder kurzfristig herbeizuschaffenden Kamera auch vor Ort, als die Personen einzeln aus dem Kessel zur Identitätsfeststellung herausgeführt wurden, hätten machen können oder sonst spätestens auf den einzelnen Polizeiwachen.
bb) Der das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Polizeiwache sowie dem Polizeipräsidium einschließlich der Verbringung dorthin bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 2 GG.
(1) Das Einsperren des Beschwerdeführers in eine Gewahrsamszelle auf der Polizeiwache beziehungsweise auf dem Polizeipräsidium sowie als Verbindungsglied zwischen beiden das Verbringen dorthin mittels Polizeifahrzeugen stellen eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG und nicht lediglich eine Freiheitsbeschränkung dar. Während eine Freiheitsbeschränkung schon dann anzunehmen ist, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist, liegt eine Freiheitsentziehung erst dann vor, wenn die tatsächlich und rechtlich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit nach allen Seiten hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)). Die Freiheitsentziehung ist der schwerste Fall der Freiheitsbeschränkung (vgl. BVerfGE 10, 302 (323)). Beide Begriffe sind entsprechend ihrer Intensität abzugrenzen (vgl. BVerfGE 105, 239 (248)). Jedenfalls muss die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen in einem Haftraum als Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG angesehen werden (vgl. BGHZ 82, 261 (264) und BVerwGE 62, 317 (318)). Nur kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen dagegen keine Freiheitsentziehung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Mai 2004 - 2 BvR 715/04 -, NJW 2004, S. 3697).
Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2, 3 GG ist die Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung allein dem Richter vorbehalten, wobei bei nicht vorgelagerter richterlicher Entscheidung diese unverzüglich nach Beginn der Freiheitsentziehung zu bewirken ist.
(2) Die Polizei hat den Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls von 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr festgehalten und von dem Ort der Festsetzung zunächst zur Polizeiwache und dann zum Polizeipräsidium verbracht, wobei er zweimal für jeweils zumindest eine Stunde in eine Gewahrsamszelle eingesperrt und einmal circa eine Stunde lang in einem Polizeifahrzeug untergebracht wurde. Das Festhalten des Beschwerdeführers in Gewahrsamszellen auf der Polizeiwache und im Polizeipräsidium sowie die jeweilige Verbringung dahin stellen eine vollständige Aufhebung seiner Bewegungsfreiheit dar. Dabei stellt der Einschluss in Zellen den typischen Fall der hoheitlichen Freiheitsentziehung dar, den das Grundgesetz unter die besonderen Voraussetzungen des Art. 104 Abs. 2 GG stellen wollte (vgl. BVerwGE 62, 317 (318)). Anders als im Regelfall von § 81b StPO wurde der Beschwerdeführer nicht allein zur Dienststelle verbracht und im Weiteren umgehend erkennungsdienstlich behandelt, sondern über eine Dauer von mehreren Stunden allein verwahrt für eine nachfolgende erkennungsdienstliche Behandlung. Dies hat aber - umso mehr im Vergleich zu dem verfolgten Ziel, nämlich der Anfertigung von drei Fotos - eigenes Gewicht. Insbesondere ist die Gesamtdauer der Freiheitsentziehung nicht nur als kurzfristig anzusehen, denn sie umfasst jedenfalls einen Zeitraum, der nicht mehr unbedeutend ist.
Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass das Festhalten des Beschwerdeführers weder eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO dargestellt habe, sondern allein eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs. Damit hat es die Auswirkungen des Festhaltens des Beschwerdeführers in tatsächlicher und in der Folge auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht verkannt und sich nicht mit den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auseinandergesetzt. Bei der gebotenen Qualifikation der Maßnahme als Freiheitsentziehung hätte sich das Landgericht mit der Frage der Notwendigkeit der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung sowie den hierzu getroffenen organisatorischen Voraussetzungen sowie den Maßnahmen im Einzelfall befassen müssen.
c) Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, ist die Sache zur erneuten Rechtsprüfung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
d) Ob die angegriffene Entscheidung zugleich gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verstößt, kann dahinstehen. ..."
*** (OVG; OLG)
Zu den Voraussetzungen einer Identitätsfeststellung und Durchsuchung bei Verdacht des Ausspähens polizeilicher Maßnahmen durch gewaltbereite Demonstranten vor einer Versammlung mit entsprechender Gefahrenprognose (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.06.2012 - OVG 1 N 28.11):
... I. Der Kläger wendet sich im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Feststellung seiner Identität und die Durchsuchung seiner Person und seiner Tasche im Vorfeld einer am Potsdamer Platz beginnenden und endenden Versammlung am 12. September 2009 zum Thema Stopp den Überwachungswahn - Gegen zunehmende Überwachungsmaßnahmen und Zensurbestrebungen in Staat und Wirtschaft", bei der mit der Teilnahme einer größeren Anzahl gewaltbereiter Personen aus dem sog. schwarzen Block gerechnet wurde. Der Kläger und sein Begleiter waren vom Veranstalter der Demonstration als eines von fünf mit Funkgeräten ausgestatteten Beobachterteams eingesetzt und beobachteten die polizeiliche Vorkontrolle potentieller Versammlungsteilnehmer im Bereich E straße. Dies nahmen Beamte einer in der V straße positionierten Einsatzhundertschaft in Unkenntnis von dem Einsatz der Beobachter durch den Veranstalter der Versammlung zum Anlass für die streitgegenständlichen Maßnahmen. Nach Durchführung der Maßnahmen und Klärung des Sachverhalts konnten der Kläger und sein Begleiter ihre Tätigkeit fortsetzen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Tatbestandsvoraussetzungen der beanstandeten Standardmaßnahmen nach § 21 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 Nr. 1, § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 38 Nr. 1 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) seien erfüllt. Die Identitätsfeststellung sei zur Abwehr einer konkreten Gefahr erforderlich gewesen; die Durchsuchung sei in diesem Zusammenhang zulässig gewesen, weil danach die Annahme des Mitführens von Gegenständen berechtigt gewesen sei, die zur Gefahrenabwehr sicherzustellen gewesen wären. Wegen des auffälligen Verhaltens des Klägers und seines Begleiters, die für die Polizei nicht als von dem Veranstalter eingesetztes Beobachterteam erkennbar gewesen seien, sowie wegen des Mitführens eines Funkgeräts habe die auf Tatsachen beruhende Anscheinsgefahr bzw. zumindest ein ausreichender Gefahrenverdacht bestanden, dass es sich um dem schwarzen Block" zuzurechnende gewaltbereite Personen gehandelt habe, die das Einsatzverhalten der Polizei ausspähen wollten.
Hiergegen wendet der Kläger ein, es habe keine für ein Eingreifen der Polizei erforderliche Gefahr vorgelegen. Die Polizei hätte ohne die beanstandeten Eingriffe durch Nachfrage beim Veranstalter leicht aufklären können und müssen, dass er und sein Begleiter als Beobachter eingesetzt gewesen seien. Ein bloßer Gefahrenverdacht reiche für eine Identitätsfeststellung und Durchsuchung insbesondere vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht aus; diese Maßnahmen der Gefahrenabwehr seien zur Gefahrerforschung nicht zulässig, jedenfalls hier nicht erforderlich gewesen.
II. 1. Mit diesem Vorbringen ist der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt. Der Kläger hat die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass aus der maßgeblichen Sicht der Polizeibeamten vor Ort (sog. ex-ante-Beurteilung, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36, juris Rn. 32) unter Berücksichtigung des Polizeieinsatzes im Vorfeld der Versammlung die Maßnahmen zur Abwehr einer Gefahr erforderlich waren, nicht durch eine auf ein anderes Entscheidungsergebnis führende schlüssige Gegenargumentation erschüttert. Das Verhalten des Klägers und seines Begleiters, der sichtbar den Schallschlauch eines Funkgeräts trug, ist von den Beamten objektiv zutreffend als Beobachtung der polizeilichen Vorkontrolle potentieller Versammlungsteilnehmer gedeutet worden. Der anzunehmende Einsatz eines Funkgerätes sprach dafür, dass sie Informationen über das Geschehen an Dritte weitergaben. Das ließ die Schlussfolgerung zu, dass auf diese Weise ein Umgehen der Vorkontrollen ermöglicht und der Standort eingesetzter Polizeikräfte weitergegeben werden sollte, um gewaltbereiten Personen Ausschreitungen im Verlauf der Versammlung zu ermöglichen, was wiederum den Rückschluss auf die Zugehörigkeit des Klägers und seines Begleiters zu diesem Personenkreis zuließ. Die Weitergabe in solcher Weise erlangter Informationen über den Polizeieinsatz an gewaltbereite Versammlungsteilnehmer beeinträchtigt mit der Funktionsfähigkeit des Staates - hier die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben im Zusammenhang mit der angemeldeten Versammlung - ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Juni 1978 - IV A 330/77 - NJW 1980, 138 und nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 1980 - 1 B 327/78 - juris). Diese konkrete Gefahrenlage entfällt nicht dadurch, dass sich mit dem Hinzutreten weiterer Informationen, u.a. infolge der Identitätsfeststellung und der Durchsuchung, herausstellte, dass tatsächlich keine Weitergabe von Informationen an potentielle Störer erfolgte, letztlich also eine - für die in Rede stehenden Maßnahmen tatbestandlich ausreichende - Anscheinsgefahr gegeben war (vgl. zur Anscheinsgefahr als konkreter Gefahr: BVerwG, a.a.O., juris Rn. 33 f.).
In diesem Zusammenhang führt es nicht weiter, wenn der Kläger sich auf das Vorliegen eines auch vom Verwaltungsgericht gesehenen konkreten Gefahrenverdachts" berufen möchte und die Auffassung vertritt, dass ein solcher für die Maßnahmen nach dem Gesetz nicht ausreiche. Das übersieht zunächst in tatsächlicher Hinsicht, dass die Polizei von einer Sprechfunkverbindung und damit einer laufenden Weitergabe von Informationen und deshalb nicht mehr nur von einer Gefahr im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - I C 31.72 - BVerwGE 45, 51, juris Rn. 32 m.w.Nachw.), sondern bereits von einer Störung auszugehen hatte und deshalb auch nicht zuwarten konnte, bis etwa eine über die Einsatzleitung zu stellende Anfrage beim Veranstalter den Kläger entlastende Umstände ergeben hätte. Im Übrigen verkennt das Vorbringen, dass die Identitätsfeststellung und die Durchsuchung ihrer Natur nach Maßnahmen sind, die der weiteren Aufklärung der Gefahrenlage dienen, indem am Geschehen beteiligte Personen namhaft gemacht werden und ihr Gefährdungspotential näher festgestellt wird, also nicht immer als Maßnahme der unmittelbaren Gefahrenabwehr, sondern auch als dieser vorgelagerte, oftmals und typischerweise miteinander einhergehende Gefahrerforschungseingriffe zu verstehen sind (vgl. auch Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2010, § 18 Rn. 9). Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bln werden die Ordnungsbehörden und die Polizei zur Feststellung der Identität einer Person ermächtigt, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur Erfüllung der ihnen durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Das bedeutet nicht zwingend, dass die Gefahr bereits durch die Identitätsfeststellung abgewehrt werden muss; die Maßnahme kann auch der Vorbereitung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr dienen.
Auf die vom Kläger anstelle dieser Maßnahmen präferierte Befragung seiner Person bzw. eine telefonische Rückfrage beim Veranstalter hätte - ohne die vorherige Feststellung der Identität - bei objektiver Betrachtung keinen vergleichbar verlässlichen Informationswert gehabt, um die zu besorgende Gefahr sicher entkräften zu können. Schließlich war auch bei einer Beauftragung durch den Veranstalter denkbar, dass die Beobachtungs- und Meldetätigkeit nicht auf diesen Auftrag beschränkt war. Allerdings konnte aufgrund der Kennziffer des bei der Durchsuchung gefundenen Funkgeräts sicher festgestellt werden, dass die Angabe des Klägers, vom Veranstalter beauftragt zu sein, zutraf. Die Bewertung des Klägers könnte nur greifen, wenn seine Tätigkeit im Dienste des Veranstalters nach außen erkennbar gewesen wäre, etwa, wenn er sich - wie dies in § 9 Abs. 1 Satz 2 Versammlungsgesetz für Ordner vorgeschrieben ist - entsprechend kenntlich gemacht hätte. Durch sein insoweit verdecktes Auftreten hat der Kläger selbst dazu beigetragen, dass die beanstandeten Maßnahmen vorgenommen wurden.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne auch angesichts der hohen Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob unter den hier obwaltenden Umständen das Versammlungsrecht das allgemeine Polizeirecht verdrängt und hat diese Frage zutreffend verneint (Urteilsabdruck S. 5). Der Kläger war zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen noch nicht Teilnehmer der Versammlung, sondern konnte sich im Vorfeld der Versammlung nur auf Vorwirkungen des Versammlungsgrundrechts berufen. Dass die Maßnahmen der Identitätsfeststellung und Durchsuchung auf ihn oder andere Versammlungsteilnehmer einschüchternd oder diskriminierend gewirkt haben könnten, ist nicht hinreichend dargetan. Er und sein Begleiter konnten nach Klärung des Sachverhalts ihre Tätigkeit unbehelligt fortsetzen. Im Übrigen waren die Maßnahmen - wie ausgeführt - durch eine konkrete Gefahrenlage veranlasst, so dass sie in ihrer Wirkung schon nicht mit Identitätskontrollen von potentiellen Versammlungsteilnehmern im Vorfeld einer Versammlung gleichgesetzt werden können.
2. Der Kläger zeigt auch keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn in der Rechtssache eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage aufgeworfen wird, deren Beantwortung in einem künftigen Berufungsverfahren zur Wahrung der Einheitlichkeit oder zur Fortentwicklung des Rechts geboten ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Frage, ob nach § 21 und §§ 34 f. ASOG Bln - auch im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 GG - der Verdacht des Bestehens einer Gefahr ausreicht, ist allgemein zu bejahen und bedarf daher keiner obergerichtlichen Klärung. Ob ein solcher Verdacht allein darauf gestützt werden kann, dass sich die betroffene Person in der Nähe einer polizeilichen Vorkontrolle unter Mitführen eines Funkgerätes aufhält, wäre - abgesehen davon, dass dies vom Verwaltungsgericht so nicht festgestellt worden ist - eine Frage des Einzelfalls und schon deswegen einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Sofern die Zulassungsbegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit dem Fehlen von obergerichtlicher Judikatur jedenfalls in Bezug auf Durchsuchungen bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts begründen will, so greift auch dieser Ansatz nicht durch. Die in diesem Zusammenhang als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob es für die Feststellung der Identität von Versammlungsteilnehmern, deren Durchsuchung und der von ihnen mitgeführten Sachen, ohne dass eine konkrete personenbezogene Gefahr vorliegt, eine dem sächsischen Polizeirecht (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 4, § 24 Nr. 7 SächsPolG) vergleichbare Ermächtigungsgrundlage bedarf, würde sich in dem beantragten Berufungsverfahren nicht stellen, weil die Polizeibeamten nach den unstreitigen Umständen des vorliegenden Falles vom Vorliegen einer konkreten Gefahr ausgehen konnten. Insofern kann auch die Richtigkeit der zum Beleg einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aufgestellten Behauptung des Klägers dahinstehen, dass sich in Berlin eine polizeiliche Praxis eingebürgert habe, nach der unabhängig von konkreten, die Annahme eine Gefahr begründenden Tatsachen Versammlungsteilnehmer auf dem Weg zu einer Versammlung durchsucht und deren Identität festgestellt werde. Denn die den Gegenstand des Verfahrens bildenden Maßnahmen hatten einen konkreten Anlass und können deshalb schon nicht als Anwendungsfall einer solchen, vom Kläger behaupteten Praxis anerkannt werden, so dass es auf die Rechtmäßigkeit einer solchen Praxis in einem Berufungsverfahren auch nicht entscheidungserheblich ankommen würde. ..."
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Zum Rechtsweg bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei (Freiheitsentziehung u.a.; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2012 - 5 E 251/11 - Volltext siehe § 32 HSOG).
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Wer sich in engem zeitlichem Zusammenhang mit vorherigen Ausschreitungen an einem widerrechtlich auf einer öffentlichen Straße entzündeten Feuer aufhält, kann unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen werden. Die Personenfeststellung kann ein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr sein, weil sie potentielle Störer aus ihrer Anonymität reißen und so von der Begehung von (weiteren) Störungen abhalten kann. Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen. Die Personenfeststellung nach § 26 PolG (juris: PolG BW) erfordert bei Vorlage eines gültigen Ausweispapiers regelmäßig keinen Datenabgleich mit polizeilichen Dateien (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10):
... I. Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. (32); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 (165) und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 (206 ff.); Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 (331)). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen ( nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten") decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich. ..."
*** (VG)
Es wird festgestellt, dass die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen, die anlässlich früherer Aufzüge des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in Berlin durch den Beklagten erfolgt ist, rechtswidrig war (VG Berlin, Urteil vom 26.04.2012 - VG 1 K 818.09):
... Der Kläger begehrt die Unterlassung von polizeilichen Maßnahmen der Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnung im Zusammenhang mit Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung bzw. die Feststellung deren Rechtswidrigkeit.
Der Kläger ist Mitglied des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, der sich mit Fragen der Innen- und Rechtspolitik befasst und zu diesem Zweck u.a. jährlich in den Monaten September oder Oktober eine Versammlung mit bundesweiter Mobilisierung unter dem Motto Freiheit statt Angst' in Berlin organisiert. Die Versammlungen fanden bisher am 22. September 2007, am 11. Oktober 2008, am 12. September 2009, am 11. September 2010 und zuletzt am 10. September 2011 statt, wobei der Kläger nach seinen Angaben an allen diesen Aufzügen teilnahm.
Bei den Aufzügen 2009 und 2010 fertigte der Beklagte von einem an der Spitze der Versammlungen fahrenden Fahrzeug Übersichtsaufnahmen der Demonstrationszüge an. Im Vorfeld des Aufzugs 2009 hatte der Beklagte eine Gefahrenprognose erstellt, wonach bei der Versammlung mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu rechnen sei. So hätten an den Versammlungen in den Jahren 2007 und 2008 Personen aus der linksradikalen und linksextremistischen Szene teilgenommen, die mit Polizeikräften und anderen Versammlungsteilnehmern zusammengestoßen seien. Zudem hätte die Erkenntnis vorgelegen, dass Mitglieder des Antikapitalistischen Blocks' an der Versammlung teilnehmen wollten, die zuvor im März 2009 bei einem anderen Aufzug durch massive Gewalttätigkeiten aufgefallen seien. Nach Polizeiangaben nahmen im September 2009 am Aufzug etwa 700 Angehörige des Antifaschistischen Blocks' teil, aus deren Bereich es zu Flaschenwürfen in Richtung eingesetzter Polizeibeamter kam.
Vom Kläger gestellte Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen zur Verhinderung von polizeilichen Film- und Fotoaufnahmen bei den Aufzügen in den Jahren 2010 und 2011 blieben erfolglos (Beschlüsse der Kammer vom 8. September 2010 - VG 1 L 226.10 - und vom 7. September 2011 - VG 1 262.11 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. September 2011 - OVG 1 S 157.11 -).
Mit seiner am 24. September 2009 erhobenen Klage begehrt der Kläger vom Beklagten, es künftig zu unterlassen, im Zusammenhang mit diesen Versammlungen Bild- und Tonaufnahmen von ihm zu fertigen oder fertigen zu lassen oder entsprechende Aufnahmegeräte auf ihn zu richten oder richten zu lassen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 12a VersammlG vorliegen.
Zur Begründung seiner Klage führt er aus, er sei auf diesen Versammlungen von der Polizei wiederholt, pauschal und ohne äußeren Anlass gefilmt und fotografiert worden. Er sei dabei sowohl von auf Fahrzeugen montierten Kameras als auch von tragbaren Geräten erfasst worden. Dies zeige z.B. eine von ihm gefertigte Filmaufnahme des Aufzugs vom 12. September 2009, welche einen friedlichen Versammlungsverlauf belege, bei der er aber dennoch von einer Kamera auf einem Polizeifahrzeug gefilmt worden sei. Zudem habe er zeitweise das Transparent an der Spitze des Aufzugs getragen und sei daher der Aufnahme durch das voranfahrende Polizeifahrzeug ausgesetzt gewesen. Auch beim Aufzug vom 11. September 2010 sei er wiederholt - nach seiner Beobachtung viermal - z.T. auch verdeckt anlasslos gefilmt worden. Außerdem habe er erneut das Fronttransparent getragen. Er sei hiernach betroffen gewesen. Da der Beklagte im Übrigen im Bezug auf den Aufzug vom 12. September 2009 einräume, seine Kamerawagen an strategischen Stellen entlang der Wegstrecke des Aufzugs aufgestellt zu haben, sei es für ihn schlechterdings nicht möglich gewesen, nicht von einer Filmaufnahme betroffen zu sein.
Die anlassunabhängige Überwachung von Versammlungen durch Bild- und Tonaufnahmen greife in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ein. Wer bei der Ausübung dieses Grundrechts mit einer staatlichen Überwachung rechnen müsse, verzichte möglicherweise aufgrund der Einschüchterungswirkung auf seine Teilnahme. Zudem sei das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Ferner entstünden für die Versammlungsteilnehmer weitere Risiken (z.B. das einer ungerechtfertigten Strafverfolgung) durch die Möglichkeit einer automatischen Gesichtserkennung oder einem etwaigen missbräuchlichen oder fahrlässigen Umgang mit den Aufzeichnungen bei den Polizeibehörden. Ein solcher Grundrechtseingriff sei nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei § 19a VersammlG i. V. m. § 12a VersammlG nicht einschlägig, da hierfür eine gesicherte Gefahrenprognose erforderlich sei, die es in seinem Falle nicht gegeben habe. Für § 12a VersammlG sei gerade erforderlich, dass die erhebliche Gefahr von der Versammlung ausginge. Dies sei bei der Versammlung von 2009 nicht der Fall gewesen. Dem Vorbringen des Beklagten, es sei in 2009 zu Straftaten gekommen, könne nicht gefolgt werden, da eine derartige Feststellung einer strafgerichtlichen Entscheidung bedürfe. In jedem Falle habe sich der Kläger weder an Störungen beteiligt noch habe es in seiner Umgebung derartige Vorfälle gegeben. Außerdem stehe er nicht in Verbindung mit radikalen oder extremistischen Gruppen. Gleichfalls könne die Gefahrenprognose des Beklagten die Voraussetzungen nicht stützen. Geschehnisse aus der Vergangenheit könnten keine Anhaltspunkte für eine Gefahr darstellen. Der Kläger bestreitet zudem eine nennenswerte Teilnahme von Anhängern des antikapitalistischen Blocks bei der Versammlung. Es könne in diesem Zusammenhang auch nicht angehen, dass die Teilnahme einer Minderheit Eingriffe in die Grundrechte der Mehrheit der Versammlungsteilnehmer bedinge. In Bezug auf den Aufzug von 2010 habe der Beklagte sogar gegenüber der Presse erklärt, dieser sei ohne Zwischenfälle verlaufen. Ein Rückgriff auf die Normen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts sei wegen der Spezialität des Versammlungsrechts nicht möglich.
Auch seien bloße Übersichtsaufnahmen nicht zulässig, da damit § 12a VersammlG umgangen werde, zumal der Aufnahmezweck für den einzelnen Versammlungsteilnehmer nicht erkennbar sei und gleichfalls eine abschreckende Wirkung eintrete. Im Übrigen seien Übersichtsaufnahmen auch unnötig, da eine Abstimmung der Polizeikräfte auch mit Polizei- oder Mobilfunk möglich sei. Eine Notwendigkeit, die Aufnahmen zur Beweissicherung zu verwenden, sei nicht gegeben, da es jedenfalls in der Person des Klägers an entsprechenden Vorfällen fehle. Auch der Verweis auf die erwartete hohe Teilnehmerzahl sei untauglich. Würde man ab einer bestimmten Teilnehmerzahl stets eine abstrakte Gefahr annehmen, würden die strengen Voraussetzungen des § 12a VersammlG fast immer vorliegen. Außerdem seien auch im Rahmen von Übersichtsaufnahmen Einzelpersonen individualisierbar, sodass hierin auch ein Grundrechtseingriff liege. Dieser entfalle im Übrigen auch nicht deshalb, weil sich der Betroffene im öffentlichen Raum bewege oder von der Maßnahme wisse. Es sei auch unerheblich, dass die gemachten Aufnahmen nicht dauerhaft gespeichert würden, sondern nur nach dem Kamera-Monitor-Prinzip übertragen worden seien. Es trete der gleiche Einschüchterungseffekt ein, zumal ein Versammlungsteilnehmer die Art der Aufnahme von außen nicht erkennen könne. Auch bei Echtzeitübertragungen ohne dauerhafte Aufzeichnung bestehe eine Missbrauchsgefahr, da diese mit Funksignalen übertragen würden, die ohne Verschlüsselung mit geringem technischen Aufwand von Unbefugten eingesehen und mitgeschnitten werden könnten. Schließlich würde aus ähnlichen Erwägungen bereits vom Richten einer ausgeschalteten Kamera auf Versammlungsteilnehmer eine einschüchternde Wirkung und damit ein Grundrechtseingriff ausgehen. Der Kläger bezweifelt, dass eine generelle Weisung des Polizeipräsidenten in der Einsatzrealität wirklich umgesetzt werde.
Nachdem der Kläger verschiedene Klageanträge angekündigt hat, beantragt er nunmehr,
1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kläger auf rechtmäßigen Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, die anlassunabhängige Überwachung durch Staat und Wirtschaft zum Thema haben, unter freiem Himmel in Berlin zu filmen, zu fotografieren, akustisch aufzuzeichnen oder eine Kamera auf diesen zu richten, solange nicht tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger oder in dessen unmittelbarem räumlichen Umfeld befindliche Personen, Tiere oder Sachen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in erheblicher Weise gefährden,
2. hilfsweise festzustellen, dass Übersichtsaufnahmen anlässlich früherer Aufzüge des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in Berlin rechtswidrig gewesen sind.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, die Klage sei bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Der Kläger habe schon nicht schlüssig dargelegt, dass er von einer Übersichtsaufnahme betroffen gewesen sei oder es alsbald und beliebig sein könne. Auch habe es Bild- und Tonaufnahmen zu den vom Kläger angegebenen Orten und Zeiten nicht gegeben. Übersichtsaufnahmen habe es nur an der Spitze des Aufzugs gegeben, wovon der Kläger bereits nach seinem eigenen Vortrag gar nicht hätte betroffen sein können. Es sei auch sonst nicht festzustellen, dass er durch die Bilddokumentation tatsächlich betroffen wäre. Der Kläger habe vielmehr nicht substantiiert vorgetragen, dass er bei der Versammlung am 12. September 2009 aufgenommen worden sei. Er müsse die fraglichen, seine Grundrechte beeinträchtigenden Maßnahmen nach Art, Zusammenhang, Zeitpunkt und Ort konkret benennen. Allein die Tatsache der Teilnahme an der Versammlung rechtfertige die Annahme einer Grundrechtsbeeinträchtigung noch nicht. Aus dem gleichen Grunde fehle dem Kläger auch im Falle einer etwaigen Umstellung auf eine Feststellungsklage dahin, dass die Maßnahmen des Beklagten beim Aufzug am 12. September 2009 rechtswidrig gewesen seien, das erforderliche Feststellungsinteresse.
Da dem Kläger durch die Anfertigung von Bildaufnahmen nicht von vornherein eine Beeinträchtigung seiner Grundrechte drohe, sei die Klage überdies auch unbegründet. Würde man dennoch von einer Grundrechtsbetroffenheit des Klägers ausgehen, so wäre dieser Eingriff in jedem Falle gerechtfertigt, denn er könne wegen der gesicherten Gefahrenprognose auf § 12a VersammlG gestützt werden. Der tatsächliche Verlauf des Aufzugs im September 2009 habe die getroffene Prognose bestätigt. Daher seien bei der Versammlung sowohl situativ, etwa im Zusammenhang mit Einzelmaßnahmen zur Aufklärung von Straftaten, als auch in Form von Überblicksaufnahmen Videoaufnahmen gefertigt worden. Der Anfertigung von Übersichtsaufnahmen komme dabei eine weniger einschneidende Wirkung zu. Zudem komme dem Einschüchterungseffekt durch die Präsenz einer Kamera nur dann durchschlagende Kraft zu, wenn eine durch die Übersichtsaufnahmen zentralisierte Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nach den Umständen nicht erforderlich sei. Umgekehrt seien Übersichtsmaßnahmen zur Durchführung des Polizeieinsatzes bei einer entsprechenden Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung erforderlich, wovon man bei einer erwarteten Teilnehmerzahl von 20.000 Personen ausgehen müsse. Die Übersichtsaufnahmen seien daher - auch im Sinne einer versammlungsfreundlichen Einsatzbewältigung - rechtmäßig. Zudem mache es objektiv keinen Unterschied, ob ein Polizeibeamter die Versammlung durch eine Sehhilfe beobachte oder ob die Bilder in Echtzeit und ohne Aufzeichnung in eine Befehlsstelle übertragen würden.
Der Beklagte verweist abschließend darauf, dass nach aktueller Weisungslage des Polizeipräsidenten in Berlin, basierend auf dem Urteil der Kammer vom 5. Juli 2010, derzeit durch die Polizei keine Filmaufnahmen, auch keine Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen angefertigt würden. Diese generelle Weisung werde in jeden einzelnen Einsatzbefehl bei Versammlungen aufgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten VG 1 L 226.10 und VG 1 L 262.11 sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen. ...
Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1. unzulässig. Für die Verurteilung zur vorbeugenden Unterlassung der benannten Film- und Fotoaufnahmen fehlt es an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der für den Erfolg einer Unterlassungsklage erforderlichen Wiederholungsgefahr. Aufgrund der im Blick auf das Urteil der Kammer vom 5. Juli 2010 (VG 1 K 905.09, juris) aktuell bestehenden Anordnungslage des Polizeipräsidenten in Berlin durch dessen generelle Weisung vom 3. August 2010 ist nicht davon auszugehen, dass derzeit bei Versammlungen in Berlin durch die Polizei Film- und Fotoaufnahmen gefertigt werden, sofern nicht die Voraussetzungen der §§ 19a, 12a VersammlG vorliegen. Der Polizeipräsident hat in seiner generellen Weisung klargestellt, dass Übersichtsaufnahmen, die nicht an tatsächliche Anhaltspunkte hinsichtlich einer bevorstehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gebunden sind, bei der gegebenen Rechtslage nicht mehr angefertigt werden' können und deshalb unzulässig sind. Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte dürfen zwar nach wie vor mitgeführt werden, weil ein Einsatz im Rahmen der §§ 19a, 12a VersammlG erforderlich sein könnte, allerdings sei darauf zu achten, dass dieses Mitführen/Begleiten der Versammlung so geschieht, dass nicht der Eindruck entstehen kann, es werde bereits aufgezeichnet.'
Die Kammer hat keine Veranlassung anzunehmen, diese Weisung des Polizeipräsidenten werde bei konkreten Versammlungen, so auch des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, nicht beachtet. Bei der durch eine klare Befehlsstruktur gekennzeichneten Polizeibehörde muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass eine solche generelle Weisung des Behördenleiters von allen nachgeordneten Einsatzkräften beachtet wird, noch dazu wird nach Darstellung des Beklagten diese Weisung auch zum Bestandteil der jeweils konkreten Einsatzbefehle gemacht. Dass eventuell einzelne Beamte weisungswidrig doch Film- und Fotoaufnahmen fertigen und dadurch ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten zeigen, rechtfertigt nicht die Annahme einer Wiederholungsgefahr, denn hierfür muss vom rechtmäßigen Handeln der Polizeibeamten, also aufgrund der Weisungslage, ausgegangen werden.
Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Klageantrags zu 2. ist die Klage zulässig und begründet.
Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO zulässig. Die Beobachtung des Klägers und anderer Teilnehmer der Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung durch Einsatzkräfte der Polizei stellte einen Realakt dar. Da dieser sich bereits erledigt hat, kann das diesbezügliche staatliche Handeln zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden. Das feststellungsfähige und konkrete Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO ergibt sich aus der durchgeführten polizeilichen Beobachtung des Klägers und anderer Teilnehmer der Versammlung. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Kläger, der an den Versammlungen des Arbeitskreises teilgenommen und nach seinen Darlegungen mehrfach in den vorderen Reihen der jeweiligen Aufzüge gelaufen ist, der unstreitig erfolgten polizeilichen Beobachtung ausgesetzt war. Das berechtigte Interesse des Klägers nach § 43 Abs. 1 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der durchgeführten polizeilichen Maßnahmen ist bereits durch die Möglichkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG begründet. Die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis folgt ebenfalls aus der Möglichkeit eines Eingriffs in die Grundrechte des Klägers. Nach Vortrag des Klägers hat dieser auch an den Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung teilgenommen; Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegung sind weder ersichtlich noch konkret dargetan.
Die Klage ist mit dem Hilfsantrag auch begründet. Die Überwachung der bisherigen Aufzüge des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in den Jahren 2010 und früher durch den Beklagten mittels Bild- und Tonaufnahmegeräten war rechtswidrig.
In ihrem Urteil vom 5. Juli 2010 hat die Kammer zu einem vergleichbaren Sachverhalt folgendes ausgeführt:
Die Beobachtung der Versammlung am 5. September 2009 mittels eines Video-Wagens der Polizei und die Übertragung der so gewonnen Bilder in Echtzeit im sog. Kamera-Monitor-Prinzip - ohne Einverständnis der Teilnehmer - stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) dar und bedurfte somit einer Rechtsgrundlage. Ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts ist jedes staatliche Handeln, dass die Ausübung bzw. Wahrnehmung des Grundrechts zumindest erschwert. Zwar wird nach dem klassischen Eingriffsbegriff unter einem Grundrechtseingriff im Allgemeinen ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279, 300). Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend, ist jedoch ein moderner Eingriffsbegriff zu Grunde zu legen. Dieser moderne Eingriffsbegriff, der sich jedenfalls für die speziellen Grundrechte durchgesetzt hat, lässt für einen Eingriff jedes staatliche Handeln genügen, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279, 299 - 301).
Daran gemessen stellt die Beobachtung der Versammlung im Kamera-Monitor-Verfahren einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Denn wenn der einzelne Teilnehmer der Versammlung damit rechnen muss, dass seine Anwesenheit oder sein Verhalten bei einer Veranstaltung durch Behörden registriert wird, könnte ihn dies von einer Teilnahme abschrecken oder ihn zu ungewollten Verhaltensweisen zwingen, um den beobachtenden Polizeibeamten möglicherweise gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBl 2007, 497 - 502). Durch diese Einschüchterung der Teilnehmer könnte mittelbar auf den Prozess der Meinungsbildung und demokratischen Auseinandersetzung eingewirkt werden (VG Münster, Urteil vom 21. August 2009 - 1 K 1403/08 - juris Rn. 13). Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, 43 - Volkszählung; BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 369).
Es macht hier keinen Unterschied, ob die durch die Polizei gefertigten Aufnahmen auch gespeichert wurden, denn das Beobachten der Teilnehmer stellt bereits einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Das polizeiliche Handeln knüpft einzig und allein an die Wahrnehmung des Versammlungsrechts durch die Teilnehmer an. Demnach ist die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen nach dem Kamera-Monitor-Prinzip auch geeignet, bei den Teilnehmern ein Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen und diese - wenn auch ungewollt - in ihrem Verhalten zu beeinflussen oder von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten. Ob die Aufnahmen tatsächlich auch gespeichert wurden, kann der einzelne Versammlungsteilnehmer nicht wissen.
Die Tatsache, dass die Einsatzkräfte der Polizei in dem Übertragungswagen dem Kläger zu 2.) erklärten, es fände keine Aufzeichnung der Bilder statt, ändert nichts an der Beurteilung der Sachlage. Zum einen wurde dies nicht allen Versammlungsteilnehmern kundgetan. Zum anderen bleibt die einschüchternde Wirkung des für alle Teilnehmer deutlich sichtbaren und ständig vorausfahrenden Übertragungswagens erhalten. Der einzelne Versammlungsteilnehmer muss ständig damit rechnen, durch eine Vergrößerung des ihn betreffenden Bildausschnittes (Heranzoomen) individuell und besonders beobachtet zu werden. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist dies generell möglich, so dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufnahmen nicht mehr besteht (BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 368 - 369; VG Münster, Urteil vom 21. August 2009 - 1 K 1403/08 - juris Rn. 16). Hinzu kommt, dass die technische Möglichkeit, die Übersichtsaufnahmen auch zu speichern, dem Grunde nach besteht und jederzeit mittels Knopfdruck erfolgen kann - auch versehentlich. Insofern verweist der Beklagte zu Unrecht darauf, dass hier kein Unterschied zu einem die Sachlage beobachtenden Polizeibeamten vor Ort vorliege. Dieser würde die Versammlungsteilnehmer - in der Regel abseits stehend - wohl kaum in derselben Weise irritieren, wie ein nur wenige Meter vor ihnen herfahrender Übertragungswagen, der fortlaufend mehrere Kameras auf sie gerichtet hat.
Das Beobachten der Versammlungsteilnehmer stellt ferner einen Eingriff in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) dar. Dieses Grundrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, 41 - 42 - Volkszählung). Ob sich die Klägerin zu 1.) als juristische Person auf die informationelle Selbstbestimmung als Grundrecht berufen kann (Art. 19 Abs. 3 GG), kann dahingestellt bleiben, da zumindest der Kläger zu 2.) die Verletzung dieses Grundrechts erfolgreich rügen kann. Bereits die Beobachtung der Versammlungsteilnehmer im Kamera-Monitor-Verfahren, ohne eine Speicherung der Daten, stellt einen Eingriff dar, denn die Beobachtung, Auswertung und Speicherung der Daten stellt aus der Sicht der betroffenen Versammlungsteilnehmer einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Mai 2009 - 16 A 3375/07 - juris Rn. 39 - Videoüberwachung einer Universitätsbibliothek). Es besteht jederzeit die Möglichkeit, ohne weiteres von der Übersichtsaufnahme in die Nahaufnahme überzugehen und somit den Einzelnen individuell zu erfassen. Durch die so aufwandslose Möglichkeit der Erhebung personenbezogener Daten liegt eine faktische Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzgegenstandes vor, die einer Grundrechtsgefährdung als Eingriff gleichkommt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2003 - 1 S 377/02 -, NVwZ 2004, 498 - 507 (500) - Videoüberwachung im öffentlichen Verkehrsraum; VG Sigmaringen, Beschluss vom 2. April 2004 - 3 K 1344/04 - juris Rn. 27 - Videoüberwachung eines Volksfestes; Roggan, Die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen - Oder: Immer mehr gefährliche Orte für Freiheitsrechte, NVwZ 2001, 134, 136; zur Grundrechtsgefährdung als Eingriff vgl. Sachs in: ders., GG, 5. Aufl. 2009, Vor Art. 1 RdNr. 95 m.w.N.).
Da die Beobachtung der Versammlung vom 5. September 2009 sowohl einen Eingriff in den Schutzbereichs der vorrangigen Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG als auch in den der informationellen Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darstellt, bedurfte es zu dessen Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage, aus der nachvollziehbar und klar der Umfang der Beschränkungen erkennbar ist. Eine solche Rechtsgrundlage ist nicht vorhanden.
Von der im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder übergegangenen Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht (vgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034) hat das Land Berlin bisher keinen Gebrauch gemacht. Als Rechtsgrundlage für die Videobeobachtung der Versammlung am 5. September 2009 kommt somit lediglich § 12a Abs. 1 S. 1 des Versammlungsgesetzes (VersG) i.V.m. § 19a VersG in Betracht. Danach darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Nach § 12a Abs. 1 S. 2 VersG dürfen die Maßnahmen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da zum Zeitpunkt des Aufzuges keine tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar waren, dass von den Versammlungsteilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgingen. Eine Gefahrenprognose im Vorfeld des Aufzuges am 5. September 2009 in Berlin, welche ein polizeiliches Eingreifen erforderlich gemacht hätte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte selbst trägt vor, der Aufzug sei friedlich und störungsfrei verlaufen. Dass es im Voraus zu einigen Zusammenstößen mit der Polizei am Schacht Asse oder in Morsleben kam, ändert hieran nichts. Ob dies der Klägerin zu 1.) zugerechnet werden kann, mag dahingestellt bleiben. Diese Zusammenstöße mit der Polizei betrafen - wie von dem Beklagten zutreffend formuliert - Reizobjekte.' Eine derartige Gefährdungslage bestand innerhalb Berlins ohnehin nicht. Der von dem Beklagten dokumentierte und mittels Videokamera aufgezeichnete Vorfall am Sowjetischen Ehrenmal, wo eine unbekannte Person selbiges bestiegen hatte, datierte vom 29. August 2009 und betraf offenbar eine andere Veranstaltung. Ein möglicher Hausfriedensbruch durch eine Einzelperson wäre überdies nicht geeignet, ein polizeiliches Einschreiten gegen die gesamte Versammlung zu rechtfertigen. Auch der Beklagte selbst sieht den Vorfall am Sowjetischen Ehrenmal nicht im Zusammenhang mit dem Aufzug der Klägerin zu 1.). Darüber hinaus war die Beobachtung des Aufzuges durch die Polizei nicht auf Gefahrenabwehr gerichtet. Der Beklagte selbst trägt vor, keine Gefahrenlage erkannt zu haben, sondern lediglich Übersichtsaufnahmen zum Zwecke der Lenkung und Leitung in die Einsatzleitstelle übertragen zu haben. Daran muss er sich messen lassen.
Andere Rechtsgrundlagen für das polizeiliche Handeln sind nicht ersichtlich. Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht des Landes Berlin zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist nicht möglich (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 - 81; BVerwG, Urteil vom 21. April 1989 - 7 C 50.88 -, BVerwGE 82, 34, 38; VGH Mannheim, Urteil vom 26. Januar 1998 - 1 S 3280/96 -, DVBl 1998, 837, 839). Ein Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht wäre lediglich zum Schutz der Versammlung oder als milderes Mittel gegenüber einer tatbestandlich zulässigen Auflösung möglich. Diese Fälle liegen indes nicht vor.
Aufgrund des Eingriffscharakters des polizeilichen Handelns bedurfte dieses gemäß Art. 8 Abs. 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Die durch den Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung des § 12a VersG geäußerte Auffassung, die bloße Videobeobachtung einer Versammlung - ohne eine Speicherung der Aufnahmen - sei wohl kein Grundrechtseingriff, da der Einzelne aufgrund mangelnder technischer Möglichkeiten nicht individualisierbar gemacht werden könne (BT-Drs. 11/4359, S. 17), ist mittlerweile überholt (BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 368 - 369). Die gegenteilige Ansicht des Beklagten ist nicht zutreffend. Sein Hinweis, das polizeiliche Handeln habe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestanden, da die vorliegende Versammlung aufgrund ihrer Größe und Unübersichtlichkeit zur Lenkung und Leitung habe überwacht werden können (BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 372 - 373), geht fehl. Denn der maßgebliche Unterschied zu dem dort entschiedenen Fall ist der, dass das betroffene Land Bayern eine eigens die Übersichtsaufnahmen einer Versammlung gestattende gesetzliche Rechtsgrundlage im Versammlungsgesetz des Landes Bayern geschaffen hatte. Dessen Anwendbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht sodann einstweilen auf die Fälle unübersichtlicher Großdemonstrationen beschränkt. An einer derartigen Rechtsgrundlage fehlt es jedoch im Land Berlin. Das Bundesverfassungsgericht selbst scheint die grundsätzliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ebenfalls vorauszusetzen.'
An diesen Ausführungen hält die Kammer auch im hier zur Entscheidung stehenden Verfahren fest. Es fehlt weiterhin an einer Rechtsgrundlage für die bis zum Jahr 2010 erfolgten anlassunabhängigen Beobachtungen der vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veranstalteten Versammlungen in Berlin. Nach dem im Land Berlin weiterhin geltenden Versammlungsgesetz des Bundes sind die §§ 19 a und 12 a VersammlG die einzigen Normen, aufgrund derer Bild- und Tonaufnahmen angefertigt werden dürfen. Deren Voraussetzungen lagen bei den hier streitigen Aufnahmen aber offensichtlich nicht vor. Ein gesondertes Versammlungsgesetz nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen hat das Land Berlin noch nicht erlassen. ..."
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... Es wird festgestellt, dass die Identitätsfeststellung am 19.09.2008 sowie das an den Kläger an diesem Tag ausgesprochene Aufenthalts- und Betretungsverbot für den Innenstadtbereich am 20.09.2008 rechtswidrig waren, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach und wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts sowie wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung die Identitätsfeststellung am 20.09.2008 die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten rechtswidrig waren. ...
Vom 19.09.2008 bis zum 21.09.2008 fand in Köln der von der Bürgerbewegung "pro Köln" organisierte sogenannte erste Anti-Islamisierungskongress (AIK) statt. Im Umfeld dieser Veranstaltung gab es vielfältige Protest- und Gegenveranstaltungen.
Der Kläger wollte nach eigenen Angaben am 20.09.2008 am Heumarkt an einer Protestkundgebung gegen die ebenfalls auf dem Heumarkt geplante und angemeldete Versammlung des AIK teilnehmen.
Am 19.09.2008 verhängte der Beklagte gegen den Kläger nach Feststellung seiner Personalien ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot, mit welchem dem Kläger untersagt wurde, bis zum 20.09.2008, 20.00 Uhr, ein mittels Stadtplanauszug und schriftlicher Benennung der Grenzen bezeichnetes Gebiet der Kölner Innenstadt (den Heumarkt und seine Umgebung umfassend) zu betreten bzw. sich dort aufzuhalten.
Der Kläger befand sich am 20.09.2008 mit zunächst etwa 400 - 500 weiteren Personen im rechtsrheinischen Stadtgebiet an der Deutzer Brücke. Nach Angaben einer Sprecherin wollte die Gruppe einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen, um dort gegen die Veranstaltung von "pro Köln" zu protestieren. Nachdem der Beklagte zunächst nach dem Verbot der Veranstaltung von "pro Köln" gegen Mittag die Aufhebung der Sperrung der Deutzer Brücke in Aussicht gestellt hatte, wurde den bis dahin an der Deutzer Brücke noch anwesenden ca. 250 Personen kurz vor 16.00 Uhr mitgeteilt, dass die Brücke doch nicht freigegeben werde. In der Folge wollte sich die Personengruppe, zu der auch der Kläger gehörte, über die Siegburger Straße zur Severinsbrücke begeben, um ins linksrheinische Stadtgebiet zu gelangen.
Auf der Siegburger Straße kam es zu einer Einkesselung der Personengruppe. Der Kläger wurde gegen 20.00 Uhr zur Gefangenensammelstelle (Gesa) nach Brühl gebracht. Dort wurden seine Personalien aufgenommen und ein Lichtbild gefertigt. Des Weiteren wurden die Taschen des Klägers durchsucht.
Hintergrund für diese Maßnahmen war der Verlauf der Ereignisse auf der Siegburger Straße, welcher zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 125 StGB gegen den Kläger und eine Vielzahl weiterer Personen (ca. 242) führte (StA Köln 121 Js 48/09). Nach dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen sog. Mastersachverhalt setzte sich gegen 15.50 Uhr die noch an der Deutzer Brücke verbliebene Personengruppe im Laufschritt in Richtung Süden in Bewegung. Aus der Menschenmenge heraus wurde der Inhalt eines umgeworfenen Müllcontainers in Brand gesetzt. Der Müllcontainer sei mit Kunststoffabsperrgittern zu einer Barrikade zusammengefügt gewesen. Des Weiteren sei es aus der Menschenmenge zu Stein- und Eierwürfen auch auf Polizisten gekommen, wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Ein Teil der Gruppe habe eine Vermummung aus aufgezogener Kapuze und vor das Gesicht gezogenem Schal angelegt.
In der im Mastersachverhalt enthaltenen polizeilichen Bewertung ist ausgeführt, in der Gruppierung seien an verschiedenen Stellen Tathandlungen von unterschiedlichen Personen vorgenommen worden, wobei die Gruppe insgesamt den Eindruck vermittelt habe, als Ganzes zu agieren.
Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde am 16.01.2009 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Ausweislich des Aufnahmezettels der Gesa wurde die Freiheitsentziehung des Klägers als Festnahme und nicht als Ingewahrsamnahme eingestuft. Als Entlassungszeit ist 5.37 Uhr des 21.09.2008 angegeben. Die Kennfelder für Vernehmung und Vorführung sind jeweils mit einem "Nein" gekennzeichnet. Bezüglich des gefertigten Lichtbildes ist ausgeführt, dies solle nach § 81 b 1. Alt. StPO nicht gelöscht werden.
Der Kläger hat am 18.11.2008 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren) gestellt.
Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss der Kammer vom 24.03.2010 hat der Kläger am 27.03.2010 Klage erhoben, mit welcher er die Feststellung begehrt, dass die gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.
Zunächst legt er dar, bezüglich der am 19.09.2008 vorgenommenen Maßnahmen bestehe im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Er sei für die Personalienfeststellung zusammen mit anderen Personen in der belebten Innenstadt von Köln von einer großen Gruppe von Polizisten umstellt worden. Die Feststellung selbst sei in einem Polizeiwagen durchgeführt worden und habe nahezu eine Stunde in Anspruch genommen. Bei einem unbeteiligten Beobachter habe der Eindruck entstehen können, er habe gegen die Rechtsordnung verstoßen.
Nach Ansicht des Klägers ist die Personalienfeststellung auch materiell rechtswidrig gewesen. Insoweit sei der zeitliche Bezug zu der am Folgetag stattfinden Protestveranstaltung zu würdigen: die rechtswidrige Erfassung seiner Daten beeinträchtige ihn nicht nur in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht, sondern auch in seiner Versammlungsfreiheit.
Rechtswidrig sei auch das verhängte Aufenthaltsverbot, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 PolG NRW nicht vorgelegen hätten. Zudem sei die Maßnahme wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheits- und Versammlungsrecht rechtswidrig.
Auch die vom 20. bis 21.09.2008 gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen hält der Kläger für rechtswidrig. In Bezug auf die Freiheitsentziehung legt er seine Auffassung dar, wonach diese bereits dem Grunde nach sowie wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Insoweit erläutert der Kläger, die Einkesselung habe sich auf eine nicht aufgelöste Spontan-Versammlung bezogen. Über eine Lautsprecherdurchsage sei den eingeschlossenen Personen mitgeteilt worden, dass sie in Gewahrsam genommen seien, wobei die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW seiner Auffassung nach nicht vorgelegen hätten. Dem Beklagten könne nicht gefolgt werden, soweit er angebe, es habe sich vorrangig um eine strafprozessuale Maßnahme gehandelt. Hiergegen spreche bereits, dass ihm zu keinem Zeitpunkt ein Tatvorwurf eröffnet bzw. er vernommen worden sei. Der Kläger verweist darauf, dass es möglich gewesen sei, seine Personalien bereits vor Ort aufzunehmen und dort auch Lichtbilder zu fertigen. Zu den Abläufen in der Gesa in Brühl erläutert der Kläger, er habe trotz seiner Äußerung, er sei hungrig und durstig, zunächst nichts zu essen oder trinken bekommen, sondern sei zu der mit Nr. 9 bezeichneten Gewahrsamseinrichtung gebracht worden. Erst gegen 22.30 Uhr habe er einen Becher Wasser erhalten und sei auf seinen Wunsch hin zur Toilette begleitet worden. In der Gewahrsamseinrichtung habe sich kein Mobiliar befunden. Erst auf Nachfrage seien ihm lediglich eine Isomatte und später ein dünnes Laken ausgehändigt worden. Dies erachte er als unzureichend, zumal in der Nacht die Temperatur auf 6 ° Celsius gefallen und die Halle stündlich belüftet worden sei. Erst gegen 23.30 Uhr habe er eine halbe Birne und eine halbe Scheibe Brot mit Käse sowie weitere Becher Wasser und Apfelsaft erhalten. Zusammen mit 31 weiteren Personen habe er sich in den nächsten Stunden in der Gewahrsamseinrichtung Nr. 9 befunden. Erst gegen 5.30 Uhr am 21.09.2008 sei er hinausgeführt und die ihm abgenommenen Gegenstände seien ihm ausgehändigt worden. Sodann sei er in einen Gefangentransporter verbracht worden, welcher zum Bahnhof in Brühl gefahren sei. Dort sei er um 6.30 Uhr in die Freiheit entlassen worden.
Der Kläger macht geltend, dass er spätestens nach der Identitätsfeststellung um 21.00 Uhr habe entlassen werden müssen. Zudem habe der Beklagte den Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG und § 36 PolG NRW nicht beachtet, wenn er die Festgenommenen nicht einem Richter vorgeführt habe und bei einer Auslegung der Gesa auf 200 Gefangene nur eine Richterin vor Ort gewesen sei.
Materiell rechtswidrig sei überdies die Identitätsfeststellung. Die Voraussetzungen des § 12 PolG NRW seien nicht erfüllt gewesen, da er keiner Straftat verdächtig gewesen sei. Gleiches gelte für die Anfertigung von Lichtbildern. Insoweit seien weder die Voraussetzungen des § 14 PolG NRW noch des § 81 b 2. Alt StPO gegeben. Die Rechtswidrigkeit des Gewahrsams schlage schließlich auf die durchgeführte Durchsuchung durch. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Identitätsfeststellung und das ihm erteilte Aufenthalts- und Betretungsverbot durch den Beklagten am 19.09.2008, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis 21.09.2008 dem Grunde nach, wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung, die Identitätsfeststellung, die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten am 20.09.2008 rechtswidrig waren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte legt dar, zu dem am 19.09.2008 ausgesprochenen Betretungs- und Aufenthaltsverbot könne in der Sache nicht Stellung genommen werden, da keine Unterlagen mehr vorlägen. Aus diesem Grund könne nicht mehr nachvollzogen werden, zu welchem genauen Zeitpunkt, wo und aus welchem Grunde die Verfügung gegen den Kläger erlassen worden sei.
In Bezug auf die Maßnahmen vom 20.09.2008 legt der Beklagte dar, im Hinblick auf erwartete gewalttätige Ausschreitungen und der Erfahrungen aus vorangegangenen Veranstaltungen von "pro Köln" sei in Brühl die sogenannte Gesa 200, welche auf die Aufnahme von ca. 200 Personen ausgerichtet gewesen sei, geschaffen worden. Tatsächlich habe sich die Polizei mit der Situation konfrontiert gesehen, dass an allen Sicherheitssperren, die zum Schutz der Versammlung des rechten politischen Spektrums eingerichtet worden seien, sich große Menschenansammlungen gebildet hätten, die teilweise in 20er Reihen vor den Sperren gestanden hätten und immer wieder dazu aufgerufen hätten , keine "Rechten" auf das Kundgebungsgelände zu lassen. Daneben seien Personen, die "bürgerlich normal" gekleidet gewesen seien und sich so dem "Verdacht" ausgesetzt hätten an dem Anti-Islamisierungskongress teilzunehmen, in Form von Sprechchören aufgefordert worden "abzuhauen". Die Personen seien gezielt körperlich angegangen, teilweise sogar geschlagen und getreten und somit faktisch aus dem Bereich um das Kundgebungsgelände vertrieben worden. Maßnahmen der Polizei zum Schutz der Betroffenen seien durch das Blockadeverhalten vielfach unmöglich gemacht worden. Mit dieser Intensität und der Aggressivität des Störerverhaltens habe im Vorfeld nicht gerechnet werden können, weshalb die Gesa 200 nicht ausreichend groß ausgelegt gewesen sei.
Bezüglich der Einkesselung legt der Beklagte dar, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sie habe um 16.02 Uhr mit der Einschließung der Personengruppe in der Siegburger Straße durch die Bereitschaftspolizeiabteilung Bochum begonnen. Der Kläger sei in der Gesa Brühl um 19.50 Uhr aufgenommen worden. Um 20.51 Uhr habe man ein Lichtbild von ihm gefertigt. Rechtsgrundlage sei § 8 PolG NRW gewesen. Am Folgetag (21.09.2008) sei der Kläger um 5.37 Uhr entlassen worden. Dabei sei das gefertigte Lichtbild zunächst nicht gelöscht worden, da es für die Beweisführung im Strafverfahren von Bedeutung sei. Die Zeitspanne zwischen der formellen Entlassung und der tatsächlichen Entlassung (Verlassen der Liegenschaft in Brühl) erkläre sich daraus, dass aus personellen Gründen nicht jeder Entlassene durch die Liegenschaft zum Tor habe begleitet werden können.
In der Binnenorganisation hätten ab 19.00 Uhr alle Personalkapazitäten auf die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen sowie die vorrangige Abwicklung der Freiheitsentziehungen mit dem Ziel der Übergabe an die Sorgeberechtigten oder das Jugendamt konzentriert werden müssen. Nach 21.45 Uhr sei eine deutliche Entspannung der Situation eingetreten, so dass generelle Vorkehrungen zur Entlassung aller festgehaltenen Personen getroffen worden seien. Gleichwohl hätten zu diesem Zeitpunkt auch noch parallel Identitätsfeststellungen aus strafprozessualen Gründen nach § 163 b StPO vorgenommen werden müssen. Ein darüber hinaus gehendes Festhalten aus polizeirechtlichen Gründen sei nicht erforderlich gewesen, da eine Gefahrenprognose nicht bestanden habe.
Die Tatsache, dass in der Gesa 200 letztlich mehr als 800 Personen eingeliefert worden seien und die sich hieraus ergebenden Folgen seien für den Kläger zwar unangenehm gewesen. Dies führt nach Auffassung des Beklagten jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Ferner wird auf das Parallelverfahren 20 K 6004/09 und die dort beigezogenen Unterlagen verwiesen. ...
Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO ist bezüglich sämtlicher Streitgegenstände eröffnet, weil der Kläger geltend macht, der Beklagte habe die vorgenommenen Maßnahmen teilweise zwar auf die Strafprozessordnung gestützt, faktisch habe es sich jedoch um eine polizeirechtliche Ingewahrsamnahme gehandelt.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
vgl. Beschluss vom 07.07.2006 - 5 E 584/06 -,
kommt es bei einem "doppelfunktionalen" Tätigwerden der Polizei nicht auf das Schwergewicht der streitigen polizeilichen Tätigkeit an. Vielmehr komme eine Verweisung an das Amtsgericht allein dann in Betracht, wenn der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht schlechthin, d.h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen unzulässig sei. Dies sei auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht den vom Kläger als Ingewahrsamnahme angesehenen Sachverhalt unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.
Des Weiteren besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse:
Dies ergibt sich im Hinblick auf das Aufenthaltsverbot bereits aus der Einschränkung der Grundrechte des Klägers aus Art. 2 und Art. 8 GG. Aber auch bezüglich der in ihrer Eingriffsintensität im unteren Bereich anzusiedelnden Personalienfeststellung folgt hier ein Feststellungsinteresse aus der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme, welche nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers hier diskriminierende Wirkung hatte,
vgl. zum Feststellungsinteresse insoweit BVerwG, Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, S. 2534; VGH BaWü, Urteil vom 16.11.1999 - 1 S 1315/98 -, Juris.
Bezüglich der am 20.09.2008 vorgenommenen Festnahme ergibt sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits daraus, dass der Eingriff in die Freiheit einer Person einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt, der regelmäßig dem Richter vorbehalten ist (Art. 104 Abs. 2 GG). Wegen der übrigen Maßnahmen folgt das Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, da nach dem typischen Verfahrensablauf sich die belastende Wirkung auf eine Zeitdauer beschränkt, in der Rechtsschutz in der Instanz regelmäßig nicht zu erlangen sein wird,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.02.1999 - 2 BvR 804/97 -, NJW 99, S. 3773.
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf die am 19.09.2008 vorgenommenen polizeilichen Maßnahmen: Insoweit sind in der Akte keine Tatsachen dokumentiert, die eine rechtliche Bewertung des polizeilichen Vorgehens ermöglichen würden. In Bezug auf die Personalienfeststellung kann somit weder festgestellt werden, dass die Maßnahme durch § 12 PolG NRW, noch dass sie durch § 163 b StPO getragen wird.
Gleiches gilt für das Aufenthalts- und Betretungsverbot. Ein solches kann nach § 34 Abs. 2 PolG NRW nur verhängt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Tatsachen hat der Beklagte nicht vortragen können.
Die Klage ist auch bezüglich der am 20.09.2008 verhängten Maßnahmen begründet. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach rechtswidrig war. Als Freiheitsentziehung ist zunächst die Einkesselung des Klägers mit anderen Personen auf der Siegburger Straße zu bewerten, ebenso wie die in der Folgezeit veranlasste Verbringung des Klägers zur Gefangenensammelstelle in Brühl sowie das dortige Festhalten bis zum nächsten Morgen.
Als Rechtsgrundlage für diese Einschließung kommt allein § 163 b StPO in Frage, da der Beklagte die Maßnahme ausdrücklich auf diese Rechtsgrundlage gestützt hat. Zwar ist in einer Presseerklärung der Polizei die Rede davon, dass in der Rheingasse ca. 150, an der Malzmühle/Filzengraben ebenfalls ca. 150 und in der Siegburger Straße ca. 200 Personen zur Verhinderung weiterer Straftaten und wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in Gewahrsam genommen worden seien. Auch wird im Parallelverfahren 20 K 6004/09 in einem Auskunftsschreiben an den dortigen Prozessbevollmächtigten erläutert, bei den Vorfällen, die zur Einschließung der dortigen Klägerin geführt hätten, seien sowohl Aspekte der Gefahrenabwehr mit den rechtlichen Bedingungen aus dem Polizeigesetz NRW als auch der Strafverfolgungsanspruch des Staates mit den entsprechenden Normen der Strafprozessordnung (StPO) zu berücksichtigen. Im weiteren Verlauf wird dann allerdings ausgeführt, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sowohl in der Klageerwiderung des Parallelverfahrens als auch im Schriftsatz des Beklagten im hiesigen Verfahren vom 24.07.2009 wird die Maßnahme ausdrücklich auf § 163 b StPO gestützt. Ausgehend von dieser Erklärung des Beklagten, welche eine Konkretisierung der in seinem Ermessen stehenden Handlungen darstellt, war das Gericht gehalten, den Sachverhalt unter diesem als ausschlaggebend erachteten Gesichtspunkt rechtlich zu würdigen. Ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage durch das Gericht kommt bei Ermessensentscheidungen nicht in Betracht,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, Juris.
Die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO liegen nicht vor:
Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes nach § 163 b StPO die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Ferner darf der Verdächtige festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Bei der Auslegung dieser Ermächtigungsnorm ist vorliegend die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 dieser Norm haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG liegt vor bei einer örtlichen Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 f.
Vorliegend kann eine Bewertung, ob die auf dem Weg zur Severinsbrücke befindliche Personengruppe als Spontanversammlung einzustufen ist, nur anhand von Indizien vorgenommen werden, zumal eine nähere Aufklärung des Charakters der Zusammenkunft in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war.
Hier ist davon auszugehen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt seiner Einkesselung in einer nicht aufgelösten Spontanversammlung befunden hat.
Für eine Spontanversammlung spricht der Akteninhalt: So ist im Schlussvermerk der polizeilichen Ermittlungen die Rede davon, dass die an der Deutzer Brücke befindlichen Personen einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen wollten. Um einen Aufzug dürfte es sich auch gehandelt haben, als sich die noch anwesenden Gegendemonstranten in Richtung Severinsbrücke in Bewegung setzten, nachdem ihnen mitgeteilt worden war, dass die Deutzer Brücke weiterhin gesperrt bleiben werde. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die Gruppe im Frontbereich ein Plakat mit sich führte mit der Aufschrift: "Gegen Rassismus vorgehen www.antifa.kok.de". Auch wurden dem Mastersachverhalt zufolge "Antifa, Antifa" und ähnliche, dem linken Spektrum zuzuordnende Gesänge skandiert.
Die Bewertung, dass es sich um eine Spontanversammlung gehandelt hat, wird im Übrigen gestützt durch die Einschätzung von zwei im Dienst befindlichen Polizeibeamten, welche als Zeugen im Strafverfahren StA Köln 121 Js 48/09 vernommen worden waren. Die Zeugen haben dargelegt, die restlichen Personen hätten beschlossen "einen spontanen Aufzug zu machen und zwar die Siegburger Str. in Rtg. Süden" entlang. bzw. die 100 - 120 (verbliebenen) Personen hätten sich gegen 15.50 Uhr "in Form eines Aufzuges" in Bewegung gesetzt. Aus dem "Demozug" seien Gegenstände geworfen worden. Der Polizeiführer habe den "Demozug" stoppen und umschließen lassen.
Handelt es sich somit um eine Spontanversammlung, so genießt die Teilnahme des Klägers den erhöhten Schutz des Art. 8 GG.
Dies bedeutet, dass polizeirechtliche Maßnahmen grundsätzlich nicht ergriffen werden dürfen, solange die Versammlung nicht aufgelöst ist (sog. Polizeifestigkeit der Versammlung),
vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.01.197 - 1 B 219/86 -, NVwZ 1988 250; OVG NRW Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, NVwZ 2001, 1315 f.
Demgegenüber schützt die Versammlungsfreiheit grundsätzlich nicht vor der Einleitung berechtigter Strafverfolgungsmaßnahmen, denn die Teilnahme an einer Versammlung ist nur geschützt, wenn sie friedlich und ohne Waffen erfolgt,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07 -; OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 - Juris.
Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage der Friedlichkeit einer Versammlung ausgeführt, dass es auf den einzelnen Demonstrationsteilnehmer ankommt und diesem der Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten bleibt, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder eine Minderheit zu rechnen ist. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Eine Notwendigkeit zu freiheitsbeschränkenden Eingriffen kann sich im Bereich der Versammlungsfreiheit daraus ergeben, dass der Demonstrant bei deren Ausübung Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt. Auch bei solchen Eingriffen haben die staatlichen Organe die grundrechtsbeschränkenden Gesetze stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat auszulegen und sich bei ihren Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 (Brokdorf II), - 1 BvR 233/81; 1 BvR 341/81, Juris
Bei dem hier in Rede stehenden Vorwurf des Landfriedensbruchs nach § 125 StGB gilt nach der maßgeblichen Rechtsprechung der Strafgerichte Folgendes:
Für eine Beteiligung an einem Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB genügt es nicht, bloßer Teil der "Menschenmenge" gewesen zu sein, aus der heraus die Gewalttätigkeiten begangen wurden. Vielmehr gelten die allgemeinen Teilnahmegrundsätze der §§ 25 ff StGB,
vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2008, - 4 StR 368/08, Juris
Danach stellt das bloß inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren weder eine psychische Beihilfe noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise unterstützendes Verhalten dar. Dies gilt auch dann, wenn der einzelnen Demonstrant, wie es die Regel sein wird, mit der Gewalttätigkeit einzelner oder ganzer Gruppen rechnet und weiß, dass er allein schon mit seiner Anwesenheit den Gewalttätern mindestens durch Gewährung von Anonymität Förderung und Schutz geben kann. Erforderlich für eine strafrechtlich relevante Teilnahmehandlung ist vielmehr die Feststellung, dass die Gewährung von Anonymität und die Äußerung von Sympathie darauf ausgerichtet und geeignet sind, Gewalttäter in ihren Entschlüssen und Taten zu fördern und zu bestärken, etwa durch Anfeuerung oder ostentatives Zugesellen zu einer Gruppe, aus der heraus Gewalt geübt wird,
vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1984 - VI ZR 37/82 -, BGHZ 89, 383 ff.
Für die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen ist nicht entscheidend, ob sich der Strafverdacht letztlich bestätigt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Verdacht eines strafbaren Verhaltens von einer hinreichenden objektiven Tatsachengrundlage getragen war,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07-.
Allerdings darf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht dadurch unterlaufen werden, dass an die Bejahung der Teilnahme an Gewaltakten zu geringe Anforderungen gestellt werden. Da sich Gewalttätigkeiten kaum jemals ganz ausschließen lassen, liefe der einzelne Versammlungsteilnehmer ansonsten Gefahr, allein wegen des Gebrauchmachens von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Strafverfolgungsmaßnahmen überzogen zu werden,
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 - Juris.
Des Weiteren würden Unfriedlichkeiten einzelner Versammlungsteilnehmer ansonsten dazu führen, die Demonstration "umzufunktionieren" und gegen den Willen der anderen Teilnehmer rechtswidrig werden zu lassen,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985, a.a.O..
Aus diesem Grunde ist die Polizei gehalten, gegen die störende Minderheit vorzugehen. Nur wenn dies keinen Erfolg verspricht, kann unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die Versammlung aufgelöst werden und so auch den friedlichen Teilnehmern der Schutz des Art. 8 GG entzogen werden.
Im vorliegenden Fall sind aus der Menge heraus Straftaten verübt worden (Stein- und Eierwürfe auf Polizisten, Inbrandsetzung von Müllcontainern, Bildung von Barrikaden, Vermummung), wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Gegen drei Personen, denen Straftaten gegen das Versammlungsgesetz durch Vermummung oder Bewaffnung zur Last gelegt wurden, wurden gesonderte Verfahren angelegt ebenso gegen zwei Personen wegen Beleidigung. Des Weiteren gab es einen konkret zuzuordnenden Tatvorwurf gegen ein Kind sowie Strafvorwürfe aufgrund der Videoauswertung gegen sieben weitere Tatverdächtige, die nicht identifiziert werden konnten.
Ausgehend davon, dass in Bezug auf den Kläger keine konkreten Tatsachen vorliegen, dass dieser sich einer Teilnahmehandlung an einem Landfriedensbruch schuldig gemacht haben könnte, liegt ein Straftatverdacht, welcher nach § 163 b StPO eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung rechtfertigen könnte, nicht vor. Insofern kann auch ein gemeinschaftliches Handeln nicht daraus abgeleitet werden, dass sich die gesamte Gruppe "plötzlich" im Laufschritt in Bewegung gesetzt habe. Dass auch der Beklagte selbst den Schwerpunkt seines Vorgehens nicht auf Strafverfolgung gelegt hat, wird indiziell dadurch belegt, dass dem Kläger kein Strafvorwurf eröffnet und er hierzu auch nicht vernommen worden ist. Auch nach seiner Entlassung am Folgetag ist der Kläger, dessen Identität ja bekannt war, nicht zwecks Durchführung weiterer Ermittlungen vorgeladen worden.
Insofern hält das Gericht die Einschätzung des Beklagten, für die gesamte Gruppe habe der Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs bestanden, vgl. Bericht des PD Kaiser vom 21.09.2008 (Bl. 29 f des Verwaltungsvorgangs im Parallelverfahren 20 K 6004/09), bzw. die Feststellungen im Mastersachverhalt, Tathandlungen seien an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen Personen durchgeführt worden, aber die Gruppe habe insgesamt den Eindruck vermittelt, als Ganzes zu agieren, angesichts der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht für tragfähig. Die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen gegen sämtliche Teilnehmer einer Versammlung kommt im Ergebnis deren Auflösung gleich und hindert auch die friedlichen Versammlungsteilnehmer an der Ausübung ihres Grundrechts. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der damit rechnen muss, dass er nach seiner Teilnahme an einer nicht verbotenen und auch nicht ausdrücklich aufgelösten Versammlung einer Identitätsfeststellung unterzogen, fotografiert und zum Polizeipräsidium bzw. einer Gefangenensammelstelle gebracht wird, es sich künftig genau überlegen wird, ob er von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen will,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010, a.a.O.
Lagen die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO mangels Anfangsverdachtes gegen den Kläger nicht vor, so stellt sich die hierauf gestützte Einkesselung zum Zwecke der Ermöglichung der Identitätsfeststellung als rechtswidrig dar.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die nach § 163 b S. 1 2. Alt. StPO i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 1 StPO gebotene Belehrung über den Strafvorwurf - soweit ersichtlich - nicht erfolgt ist,
vgl. hierzu: KG Berlin, Urteil vom 12.06.2002 - (5) 1 Ss 424/00 86/01) - , Juris.
War bereits die Freiheitsentziehung durch die Einkesselung nicht durch § 163 b StPO gerechtfertigt, so gilt dies wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst Recht bezüglich der Verbringung zur Gefangenensammelstelle nach Brühl. Insoweit drängt sich die Frage auf, warum die Identität des Klägers nicht bereits vor Ort festgestellt werden konnte. Der Kläger hat hierzu - ohne dass dies vom Beklagten bestritten worden wäre - erklärt, er habe seinen Ausweis mit sich geführt und sei bereit gewesen, sich vor Ort auszuweisen. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, es habe nicht genügend Personal für eine Identitätsfeststellung vor Ort zur Verfügung gestanden, sind die Angaben des Beklagten für das Gericht mangels konkreter Zahlen nicht überprüfbar. Allerdings ist zu bedenken, dass mit der Verbringung der eingeschlossenen Personen nach Brühl ebenfalls ein erheblicher logistischer Aufwand verbunden war. Des Weiteren berücksichtigt das Vorgehen des Beklagten nicht in genügendem Maße das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit: Mit der Verbringung nach Brühl wurde der Kläger an der weiteren Ausübung seines Versammlungsrechts gehindert. Allein dieser Umstand rechtfertigt die Durchführung eines mit einer Identitätsfeststellung vor Ort eventuell verbundenen erhöhten logistischen Aufwandes. Hinzu kommt, dass der Beklagte sich in Parallelfällen offenbar auf die Durchführung einer Identitätsfeststellung vor Ort beschränkt hat: So ist es nach den Presseerklärungen des Beklagten an insgesamt drei Orten zu Einschließungen gekommen, wobei 469 Personen vor Ort entlassen wurden und 410 Personen nach Brühl gebracht wurden. Die Freilassungen betrafen auch nicht ausschließlich Jugendliche, denn bei den insgesamt betroffenen 879 Personen waren 3 Kinder und 232 Jugendliche, von denen 168 vor Ort entlassen und 64 nach Brühl gebracht wurden. Dies bedeutet, dass bei den drei genannten Einschließungen von insgesamt 644 Erwachsenen 301 vor Ort entlassen wurden. Für den hier relevanten Bereich der Siegburger Straße soll nach dem Vorbringen der Klägerin des Verfahrens 20 K 6004/09 sieben Personen die Möglichkeit eröffnet worden sein, nach Personalienfeststellung den Ort zu verlassen. Ein Grund dafür, warum ein Teil der erwachsenen eingeschlossenen Personen zur Gesa nach Brühl gebracht wurde, ein anderer Teil jedoch vor Ort entlassen wurde, ist nicht erkennbar geworden.
Eine Rechtsgrundlage für das Festhalten des Klägers nach Feststellung seiner Personalien bis zum nächsten Morgen ist nicht ersichtlich. Selbst für den Fall, dass die Personalienfeststellung um 21.00 Uhr nach § 163 b StPO gerechtfertigt gewesen sein sollte, ist das weitere Festhalten über einen Zeitraum von 8 - 9 Stunden (Gesamtdauer der Freiheitsentziehung 14 Stunden) unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt. Nach § 163 c Abs. 1 Satz 1 StPO in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung darf eine von einer Maßnahme nach § 163 b StPO betroffene Person in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerlässlich festgehalten werden.
Die Freiheitsentziehung war des Weiteren rechtswidrig, weil der Richtervorbehalt nicht eingehalten wurde.
Nach Art. 104 Abs. 2 GG hat nur der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Diese verfassungsrechtliche Anforderung findet ihre einfachgesetzliche Konkretisierung in § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, der eine unverzügliche Vorführung vor einen Richter vorsieht. Zu beanstanden ist in diesem Kontext die Vorgehensweise des Beklagten, der diensthabenden Richterin des Amtsgerichts Köln, welche in der Gefangenensammelstelle in Brühl zugegen war, jedenfalls ab den Abendstunden keine Gefangenen mehr vorzuführen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Richterin nach dem unwidersprochenen Vortrag im Parallelverfahren 20 K 6004/09 zwischenzeitlich mitgeteilt worden war, sämtliche Festgenommenen würden entweder in Köln oder vor Ort entlassen. Der Verstoß gegen den Richtervorbehalt kann auch nicht durch die ins Feld geführten logistischen Probleme und der vorrangigen Betreuung von Jugendlichen gerechtfertigt werden.
Letztlich überschritt die Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung auch die in § 163 c Abs. 3 StPO a.F. vorgesehene Höchstdauer von 12 Stunden.
Überdies war die Freiheitsentziehung ihrer Art und Weise wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig. Es mag dahin stehen, welche Anforderungen an die Unterbringung im Hinblick auf die Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nord-Rhein-Westfalen in der zur Zeit der Inhaftierung maßgeblichen Fassung im einzelnen gebieten, da die Gewahrsamsordnung auch länger andauernde Gewahrsame im Blick hat wie etwa die Vorschriften über den Postverkehr und die Besuche zeigen. Die Rechtswidrigkeit der den Kläger betreffenden Unterbringung liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Vorkehrungen des Beklagten auf einen kurzfristigen Gewahrsam von wenigen Stunden zugeschnitten gewesen sein mögen, den Erfordernissen bei einem Festhalten über einen Zeitraum von insgesamt 14 Stunden (davon 9 Stunden in der Gesa) nicht gerecht werden. Angesichts dieser Zeitdauer teilt das Gericht auch nicht die Sichtweise, wonach es sich um bloße Unannehmlichkeiten gehandelt habe, welche sich auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht auswirken.
Aus den vorstehenden Darlegungen zur Freiheitsentziehung folgt zugleich, dass die Klage hinsichtlich der gesondert beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung begründet ist. Wie oben dargelegt, waren die Voraussetzungen des § 163 b StPO nicht erfüllt.
Die Klage ist des Weiteren begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Aufnahme von Lichtbildern rechtswidrig war.
Die Aufnahme von Lichtbildern hat der Beklagte nach eigenem Vorbringen auf der Grundlage des § 8 PolG NRW vorgenommen. Diese Ermächtigungsgrundlage trägt die Maßnahme nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf das Vorliegen spezieller Ermächtigungsnormen (§ 14 PolG NRW und § 81 b StPO) nicht. Im Übrigen ist auch eine polizeiliche Gefahr nicht ersichtlich.
Schließlich ist die Klage begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine Durchsuchung rechtswidrig war. Die Durchsuchung als Annexmaßnahme zur Festnahme war infolge deren Rechtswidrigkeit ebenfalls rechtswidrig. Dass daneben die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW vorliegen, ist nicht ersichtlich, wobei der Beklagte die Durchsuchung auch nicht auf diese Norm gestützt hat. ..." (VG Köln, Urteil vom 12.08.2010 - 20 K 7418/08 - Art 2, 8, 104 II GG, §§ 25,125 StGB u.a.).
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Eine Gesellschaft, die gewerblich Zimmer an selbstständig erwerbstätige Prostituierte vermietet, ist klage- und prozessführungsbefugt gegen einen Polizeieinsatz in ihrer Liegenschaft, dessen rechtliche Qualität als Wohnungsdurchsuchung i. S. des §§ 38, 39 HessSOG oder als Identitätsfeststellung i. S. des § 18 HessSOG zwischen den Beteiligten streitig ist. Eine Gesellschaft, die gewerblich Zimmer an selbstständig erwerbstätige Prostituierte vermietet, ist nicht aktivlegitimiert zur Klage gegen eine in ihrer Liegenschaft vorgenommene Identitätsfeststellung i. S. des § 18 II lit. a HessSOG, wenn diese sich ausschließlich gegen Prostituierte und deren Kunden richtete. Zur Frage, ob Verstöße von selbstständig erwerbstätigen ausländischen Prostituierten gegen § 92 I AuslG das Tatbestandsmerkmal des Verabredens, Vorbereitens oder Verübens von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i. S. des § 18 II Nr. 1 lit. a HessSOG erfüllen (hier verneint; VG Frankfurt, Urteil vom 18.05.2004 - 5 E 1910/03).
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§ 19 Erkennungsdienstliche Maßnahmen, DNA-Analyse
(1) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind
1. die Abnahme von Fingerabdrücken und Abdrücken anderer Körperpartien,
2. die Aufnahme von Abbildungen,
3. Messungen und Feststellungen äußerer körperlicher Merkmale.
(2) Die Polizeibehörden können erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn dies
1. nach § 18 Abs. 3 zur Feststellung der Identität angeordnet ist oder
2. zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil die betroffene Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht.
(3) Ist eine noch nicht vierzehn Jahre alte Person verdächtig, eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begangen zu haben, und besteht wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr, dass sie künftig eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen wird, können die Polizeibehörden zu Zwecken der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten Körperzellen entnehmen. § 36 Abs. 5 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters können die entnommenen Körperzellen molekulargenetisch untersucht werden. § 81f der Strafprozessordnung und § 36 Abs. 5 Satz 3 gelten entsprechend. Die entnommenen Körperzellen sind unverzüglich nach der Analyse zu vernichten, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach anderen Rechtsvorschriften zulässig.
(4) Ist die Identität festgestellt und die weitere Aufbewahrung der angefallenen Unterlagen auch nach Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 nicht erforderlich, oder sind die Voraussetzungen nach Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 entfallen, sind die angefallenen Unterlagen zu vernichten, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach anderen Rechtsvorschriften zulässig. Sind die Unterlagen an andere Stellen übermittelt worden, so sind diese über die erforderliche Vernichtung zu unterrichten.
(5) Die betroffene Person ist bei Vornahme der erkennungsdienstlichen Maßnahmen oder bei der Entnahme von Körperzellen zur DNA-Analyse über die Vernichtungspflicht nach Abs. 4 Satz 1 zu belehren. Sind die Unterlagen ohne Wissen der betroffenen Person angefertigt worden, so ist ihr mitzuteilen, welche Unterlagen aufbewahrt werden, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zum Rechtsweg bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei (Freiheitsentziehung u.a.; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2012 - 5 E 251/11 - Volltext siehe § 32 HSOG).
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Dem Amtsgericht kommt hinsichtlich der Frage, ob ein Landesgesetz verfassungsgemäß ist, keine eigene Verwerfungskompetenz zu. Die Entnahme einer Speichelprobe zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters bei einem strafunmündigen Kind setzt jedenfalls voraus, dass staatliche Hilfsmaßnahmen, die weniger in die Rechte des betroffenen Kindes eingreifen, keinen hinreichenden Erfolg versprechen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.06.2010 - 20 W 132/10 zu Art 100 I GG, § 19 III HSOG):
... Nach § 19 Abs. 3 HSOG können die Polizeibehörden zu Zwecken der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten Körperzellen entnehmen, wenn eine noch nicht vierzehn Jahre alte Person verdächtig ist, eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begangen zu haben und wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr besteht, dass sie künftig eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen wird. Die Vorschrift sieht weiter vor, dass für das Verfahren § 36 Abs. 5 S. 2 bis 5 HSOG entsprechend gilt. Dies bedeutet, dass die Maßnahme außer bei Gefahr im Verzuge der richterlichen Anordnung bedarf, dafür das Amtsgericht am Sitz der Polizeibehörde zuständig ist und sich das Verfahren nach dem FamFG richtet (Verweisung in § 36 Abs. 5 HSOG auf § 39 Abs. 1 HSOG).
Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm sind Zweifel erhoben worden (LG Darmstadt, Beschluss vom 10.04.2008, 5 T 88/08, zitiert nach juris; Hornmann, HSOG, 2. Aufl.2008, § 19 Rn 55). Einer abschließenden Auseinandersetzung mit den Zweifeln bedarf es für diese Entscheidung nicht. Die vom Amtsgericht erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken rechtfertigen die Ablehnung des Antrags des Antragstellers durch das Amtsgericht jedenfalls nicht. Wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, so kann es die Verfassungswidrigkeit nicht feststellen und das Gesetz nicht anwenden, sondern es hat nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
Der Weg für eine Richtervorlage ist vorliegend aber entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht umstandslos frei. Zur Zulässigkeit einer Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG gehört nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen der von Verfassungs wegen zu beachtenden Unterschiede zur abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG) die sorgfältige Prüfung der Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften sowie ihrer Verfassungsmäßigkeit durch das vorlegende Gericht, wobei es zudem zur Darlegung der Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm einer eingehenden, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darstellung der Rechtslage bedarf. Der Vorlagebeschluss muss danach mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (vgl. § 80 BVerfGG, (BVerfG, Beschluss vom 14.10.2009, Az. 2 BvL 13/08 u. a., zitiert nach juris m.w.N.; BVerfGE 97, 49 ff).
Das Amtsgericht wird deswegen in jedem Fall zunächst zu prüfen haben, ob vorliegend die Anwendungsvoraussetzungen des § 19 Abs. 3 HSOG vorliegen, das heißt, ob nach der Sozialprognose des betroffenen Kindes die Entnahme der Speichelprobe zur DNA-Analyse im Allgemeininteresse auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich ist.
Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greifen in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. Art 1 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und gewährt seinen Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten. Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerGE 103, 21 ff).
Bei der verfassungskonformen Beurteilung der Erforderlichkeit in § 19 Abs. 3 HSOG wird das Amtsgericht diesen Rahmen bei der anzustellenden Interessenabwägung zwischen Individualinteresse und Allgemeininteresse zu beachten haben. Ein Aspekt der Erforderlichkeit ist deshalb auch, ob der Staat durch den Einsatz anderer Mittel, insbesondere Mittel zum Schutz und zur Förderung der Entwicklung des Kindes, die Möglichkeit hat, dem betroffenen Kind den Weg in ein straffreies Leben zu weisen. Zu den tatsächlichen Verhältnissen hat das Amtsgericht bisher keinerlei Feststellungen getroffen. Die bisherigen Ausführungen des Antragstellers, die dieser im Hinblick auf die in der Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 06.05.2010 zur Betreuung des betroffenen Kindes nachgereicht hat, sind nicht ausreichend, um dessen persönliche Situation, die etwa von ihm (noch) ausgehende Gefahr und die bisherigen Versuche staatlicher Stellen, dem betroffenen Kind Hilfe für ein straffreies Leben zukommen zu lassen, beurteilen zu können. Es ist unklar, warum nur die Mutter als gesetzliche Vertreterin angesehen worden ist. Es ist noch nicht einmal geklärt, was mit dem Kind angesichts der Verurteilung der Mutter zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung wohl derzeit wegen Haftunfähigkeit aufgeschoben ist, wird und welche Einsichtsfähigkeit es hat. Ungeklärt ist auch, ob der Umstand, dass sich der Kindesvater inzwischen im Strafvollzug befindet, nicht zu einer besseren Sozialprognose für das betroffene Kind führt, da vom Vater nach dem Inhalt des Strafurteils die erheblich größere kriminelle Energie ausgegangen sein dürfte. Letztlich wird eine Einschätzung des betroffenen Kindes nur unter Einbeziehung der Erfahrungen des Jugendamts und dessen Aktivitäten möglich sein. Bevor das Amtsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 HSOG bejahen kann, wird es zudem unausweichlich sein, dass sich das Amtsgericht einen persönlichen Eindruck von dem betroffenen Kind verschafft, auch um festzustellen, was die Entnahme der Speichelprobe für das Kind und seine Entwicklung bedeuten würde. Dabei wird auch zu bedenken sein, dass die beantragte erkennungsdienstliche Maßnahme eine (weitere) Stigmatisierung des Mädchens bedeutet und das Mädchen nach Durchführung der Maßnahme einem Generalverdacht ausgesetzt ist, sobald sich sein genetischer Fingerabdruck, aus welchen Gründen auch immer, an einem Tatort befindet. Nur wenn staatliche Hilfsmaßnahmen, die weniger in die Rechte des betroffenen Kindes eingreifen, keinen hinreichenden Erfolg versprechen, dürfte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Erforderlichkeit der beantragten erkennungsdienstliche Maßnahme bejaht werden können und erst dann kann es darauf ankommen, ob das Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle anzurufen ist. ..."
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Zu den Voraussetzungen einer ausschließlich auf § 81b Alt. 2 StPO gestützten Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen durch Polizeibehörden (Bestätigung und Fortführung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 9.3.1993 - 11 UE 2613/89, NVwZ-RR 1994, 652; VGH Kassel, Entscheidung vom 20.07.1993 - 11 UE 2285/89).
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Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen, die zu Zwecken der Strafverfolgung gegenüber dem Beschuldigten eines konkreten Ermittlungsverfahrens angefertigt worden sind, später aber außerhalb dieses Ermittlungsverfahrens in kriminalpolizeilicher Sammlungen für den Zweck der Strafverfolgung im Falle einer künftigen Straftat aufbewahrt werden, ist § 81b Alt. 2 StPO. § 81b Alt. 2 StPO genügt den Anforderungend es rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit an die gesetzliche Grundlage für Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. § 19 II Nr. 2 HessSOG 1990 ermächtigt die Polizeibehörden nur zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen für präventivpolizeiliche Zwecke und nicht zum Zweck der Vorhaltung von Hilfsmitteln für die zukünftige Strafverfolgung (VGH Kassel, Entscheidung vom 09.03.1993 - 11 UE 2613/89).
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§ 20 Datenspeicherung und sonstige Datenverarbeitung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können erhobene personenbezogene Daten speichern oder sonst verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt auch für personenbezogene Daten, die die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden unaufgefordert durch Dritte erlangt haben.
(2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen von den Gefahrenabwehr- und den Polizeibehörden nicht für andere Zwecke verarbeitet werden, es sei denn, dies ist zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich oder es liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass ohne ihre Verarbeitung die Verhütung oder die Verfolgung einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten über andere als die in § 13 Abs. 2 Nr. 1 genannten Personen nur zu den Zwecken speichern und sonst verarbeiten, zu denen sie die Daten erlangt haben. Die Verarbeitung zu einem anderen gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Zweck ist zulässig, soweit die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden die Daten auch zu diesem Zweck hätten erheben und noch verarbeiten können.
(4) Die Polizeibehörden können, soweit Bestimmungen der Strafprozessordnung oder andere gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen, personenbezogene Daten, die sie im Rahmen der Verfolgung von Straftaten gewonnen haben, zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten speichern oder sonst verarbeiten. Die Speicherung oder sonstige Verarbeitung in automatisierten Verfahren ist nur zulässig, wenn es sich um Daten von Personen handelt, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben; entfällt der Verdacht, sind die Daten zu löschen.
(5) Die Polizeibehörden können zur Verhütung von Straftaten personenbezogene Daten über die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 genannten Personen sowie über Zeuginnen und Zeugen, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen automatisiert nur speichern und sonst verarbeiten, soweit dies zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung unerlässlich ist. Die Speicherungsdauer darf drei Jahre nicht überschreiten. Nach jeweils einem Jahr, gerechnet vom Zeitpunkt der letzten Speicherung, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach Satz 1 noch vorliegen; die Entscheidung, dass eine weitere Speicherung erforderlich ist, trifft die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter.
(6) Werden Bewertungen automatisiert gespeichert, muss mindestens aus der Akte feststellbar sein, bei welcher Stelle die Unterlagen geführt werden, die der Bewertung zugrunde liegen. Personenbezogene Daten, die dem Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis (Art. 10 des Grundgesetzes, Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen) unterliegen oder nach § 15 Abs. 4 oder Abs. 6 Satz 2 erhoben worden sind, sind mindestens in den Akten entsprechend zu kennzeichnen.
(7) Die Polizeibehörden, die Polizeieinrichtung und die Verwaltungsfachhochschule können gespeicherte personenbezogene Daten zur polizeilichen Aus- oder Fortbildung oder zu statistischen Zwecken verarbeiten. Die Daten sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu anonymisieren. Abs. 1 bis 6 finden insoweit keine Anwendung.
(8) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können zur Vorgangsverwaltung oder zur befristeten Dokumentation behördlichen Handelns personenbezogene Daten speichern und ausschließlich zu diesem Zweck sonst verarbeiten. Abs. 1 bis 6 finden insoweit keine Anwendung.
(9) Werden personenbezogene Daten von Kindern, die ohne Kenntnis der Sorgeberechtigten erhoben worden sind, gespeichert, sind die Sorgeberechtigten zu unterrichten, sobald die Aufgabenerfüllung dadurch nicht mehr erheblich gefährdet wird. Von der Unterrichtung kann abgesehen werden, solange zu besorgen ist, dass die Unterrichtung zu erheblichen Nachteilen für das Kind führt.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die von hessischen Polizeibehörden unternommene Speicherung von personenbezogenen Daten, die für Zwecke des Erkennungsdienstes von einem Beschuldigten erhoben wurden, hat gemäß §§ 81b Alt. 2, 481 Abs. 1 Satz 1, 484 Abs. 4 StPO den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 HSOG zu genügen. Es bleibt dahingestellt, ob die polizeiliche Speicherungspraxis, nach der sich das Aussonderungsprüfdatum eines Personendatensatzes im Kriminalakten-Nachweis des polizeilichen Informationssystems bei mehreren Deliktseintragungen nach dem weiter in der Zukunft liegenden Prüfdatum der zuletzt hinzugestellten Eintragung richtet, mit der Regelung des § 27 Abs. 4 Satz 3 HSOG im Einklang steht. Die Begründung, die fortgesetzte Speicherung einer Deliktseintragung im polizeilichen Informationssystem sei im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 2 HSOG erforderlich, um den Polizeibehörden das mit dieser Eintragung verbundene erkennungsdienstliche Material zu einer Person im Hinblick auf eine andere, diese Person betreffende Eintragung verfügbar zu halten, missachtet das datenschutzrechtliche Zweckbindungsgebot (VGH Hessen, Urteil vom 16.12.2004, 11 UE 2982/02).
*** (VG)
Die StPO beinhaltet in § 81b Alt. 2 StPO lediglich eine Erhebungsnorm, ohne den weiteren Umgang mit den danach erhobenen erkennungsdienstlichen Daten zu regeln oder gar eine Verwendung dieser Daten in eigener Kompetenz und Zuständigkeit nach Landespolizeirecht oder Bundeskriminalamtgesetz zuzulassen. In den §§ 479 ff. StPO ist nur der Datenumgang mit den personenbezogenen Daten geregelt, welche anlässlich eines konkoreten Strafverfahren zum Zwecke der Strafverfolgung in diesem konkreten Verfahren erhoben worden sind. Die bisherige ständige Rechtsprechung zu § 81b Alt. 2 StPO ist im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 15.12.1983 zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unter der Berücksichtigung der Novellierung der StPO mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 im Jahr 2000 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dem Gesetzgeber ist zur - weiteren - Verwendung ohne die erforderliche Rechtsgrundlage erhobener Daten keine Übergangsfrist einzuräumen, denn er wollte die Materie der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 abschließend regeln; eine durch die Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke ist wegen des dadurch erklärten Willens des Gesetzgebers nicht (mehr) gegeben. Eine Erhebung von Daten, welche anschließend weder verarbeitet noch genutzt werden dürfen ist wegen des Eingriffes in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i. V. mit Art. 2 I GG ohne normative Rechtsgrundlage nicht nur unverhältnismäßig, sondern rechtswidrig. Ein Verfahrensverzeichnis muss vor dem Einsatz des automatisierten Verfahrens (hier: POLAS Hessen) erstellt werden. Fehlt dieses, liegen bereits die formalen Voraussetzungen für die Verwendung personenbezogener Daten nicht vor. Bei der Prüffrist und Löschung gem. § 27 IV HessSOG ist auf jeden einzelnen Fall der Speicherung gesondert abzustellen. Anlass der Speicherung sind die jeweiligen Delikt- und Tatvorwürfe für sich getrennt, sie sind bei der Fristenberechnung jeder für sich zu betrachten. Für die automatisierten Dateien "KAN" und "Erkennungsdienst" beim Bundeskriminalamt fehlt es an der entsprechenden Errichtungsanordnung. Die Errichtungsanordnung ist gem. § 34 BKAG grundsätzlich vor der Einführung einer automatisierten Datei zu erfassen. Die Speicherung personenbezogener Daten in den Dateien des Bundeskriminalamtes ist unzulässig, weil es an der Rechtsverordnung gem. § 7 VI BKAG fehlt, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach §§ 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen. Die Richtlinien über die kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlung (KPS-Richtlinien) oder die Erkennungsdienstliche Richtlinie (ED-Richtlinie) sind keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Anwendung personenbezogener Daten beim Bundeskriminalamt (VG Gießen, Urteil vom 29.04.2002 - 10 E 141/01).
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Es ist verfassungsrechtlich geboten, die Umstände, die dazu geführt haben, ein gegen eine bestimmte Person gerichtetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzustellen, in die Prognoseentscheidung über die weitere Notwendigkeit, personenbezogene Daten im Hessischen Polizeiformationssystem (Hepolis) zu speichern, einzubeziehen. Es begegnet - zumindest dem Grundsatz nach - keinen rechtlichen Bedenken, personenbezogene Daten wegen eines gem. § 153a StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens zu speichern, sofern die Besorgnis besteht, daß die betroffene Person in Zukunft weitere Straftaten begehen wird. Personenbezogene Daten aus einem gem. § 153 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren dürfen nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls dann gespeichert werden, wenn die begangene Straftat nicht ein einmaliges Fehlverhalten war und eine Besorgnis, daß künftig weitere Straftaten begangen werden, fortbesteht. Eine Speicherung personenbezogener Daten aus einem gem. § 170 II StPO eingestellten Ermittlungsverfahren darf allenfalls ausnahmsweise und dann auch nur unter strengen Vorausetzungen erfolgen (VG Frankfurt, Urteil vom 28.11.1996 - 5 E 1632/96, NJW 1997, 3185).
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Es kann einer Polizeibehörde im Einzelfall durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung aufgegeben werden, in automatisierten Dateien gespeicherte personenbezogene Daten bis zu eienr Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzugänglich zu machen, sofern Zweifel an der Zulässigkeit der Speicherung bestehen (VG Frankfurt, Beschluss vom 27.08.1996 - 5 G 1630/96).
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§ 21 Allgemeine Regeln der Datenübermittlung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck übermitteln, zu dem sie die Daten erlangt haben. Empfängerinnen oder Empfänger, Tag und wesentlicher Inhalt der Übermittlung sind festzuhalten; dies gilt nicht für das automatisierte Abrufverfahren (§ 24).
(2) Unterliegen die personenbezogenen Daten einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis und sind sie der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde von der zur Verschwiegenheit verpflichteten Person oder Stelle in Ausübung ihrer Berufs- oder Amtspflicht übermittelt worden, so ist die Übermittlung durch diese Behörden nur zulässig, wenn die Empfängerin oder der Empfänger die Daten zur Erfüllung des gleichen Zwecks benötigt, zu dem sie die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde erhoben hat oder hätte erheben können. In die Übermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs muss die zur Verschwiegenheit verpflichtete Person oder Stelle einwilligen.
(3) Bewertungen (§ 20 Abs. 6 Satz 1) dürfen anderen als Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden nicht übermittelt werden. Dies gilt nicht, soweit Fahndungsaufrufe mit einer Warnung verbunden sind. Personenbezogene Daten, die nach § 20 Abs. 6 Satz 2 zu kennzeichnen sind, dürfen nur übermittelt werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.
(4) Die Übermittlung darf nicht zu einer Erweiterung des Kreises der Stellen nach § 41 des Bundeszentralregistergesetzes führen, die von Eintragungen, die in ein Führungszeugnis nicht aufgenommen werden, Kenntnis erhalten, und muss das Verwertungsverbot im Bundeszentralregister getilgter oder zu tilgender Eintragungen nach §§ 51 und 52 des Bundeszentralregistergesetzes berücksichtigen.
(5) Die übermittelnde Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörde prüft die Zulässigkeit der Übermittlung. Erfolgt die Übermittlung aufgrund eines Ersuchens der Empfängerin oder des Empfängers, hat die übermittelnde Stelle nur zu prüfen, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben der Empfängerin oder des Empfängers liegt. Die Zulässigkeit der Übermittlung im Übrigen prüft sie nur, wenn hierfür im Einzelfall besonderer Anlass besteht. Die Empfängerin oder der Empfänger hat der übermittelnden Stelle die erforderlichen Angaben zu machen.
(6) Die Empfängerin oder der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dem sie ihr oder ihm übermittelt worden sind.
(7) Anderweitige besondere Rechtsvorschriften über die Datenübermittlung bleiben unberührt.
§ 22 Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs
(1) Zwischen den Polizeibehörden können personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit sie diese in Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 1 erlangt haben und die Datenübermittlung zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt auch für die Übermittlung personenbezogener Daten an Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes und der anderen Länder. Zwischen den Gefahrenabwehrbehörden, anderen für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden oder öffentlichen Stellen und den Polizeibehörden können personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit die Kenntnis dieser Daten zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich erscheint. § 20 Abs. 3 gilt entsprechend. Liegen die Voraussetzungen nach Satz 1 bis 4 nicht vor, ist Abs. 2 anzuwenden.
(2) Im Übrigen können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden personenbezogene Daten an Behörden oder öffentliche Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist
1. zur Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben,
2. zur Abwehr einer Gefahr für die empfangende Stelle,
3. aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Wahrnehmung einer sonstigen Gefahrenabwehraufgabe durch die empfangende Stelle,
4. zur Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder
5. zur Verhütung oder Beseitigung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person.
In den Fällen des Satz 1 Nr. 5 ist die Person, deren Daten übermittelt worden sind, zu unterrichten, sobald der Zweck der Übermittlung dem nicht mehr entgegensteht.
(3) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit dies zur
1. Erfüllung einer Aufgabe der übermittelnden Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörde oder
2. Abwehr einer erheblichen Gefahr durch die empfangende Stelle
erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, soweit Grund zu der Annahme besteht, dass dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde oder schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt wurden. Die Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung obliegt der übermittelnden Behörde.
(4) Abweichend von § 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden personenbezogene Daten nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 übermitteln, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr unerlässlich ist und die empfangende Stelle die Daten auf andere Weise, obwohl berechtigt, nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erlangen kann.
(5) Andere Behörden und sonstige öffentliche Stellen können personenbezogene Daten an die Gefahrenabwehrund die Polizeibehörden übermitteln, soweit dies zur Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben erforderlich erscheint und die von der übermittelnden Stelle zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Sie sind zur Übermittlung verpflichtet, wenn es für die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Einführung von Listen mit Rassen so genannter gefährlicher Hunde muss der Gesetzgeber selbst verantworten. Dagegen darf er die Festlegung der einzelnen in die Liste aufzunehmenden Hunderassen dem Verordnungsgeber überlassen (wie Urteil vom 3. Juli 2002 - BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 [BVerwG 03.07.2002 - 6 CN 8/01]; BVerwG, Beschluss vom - 10.11.2004, 6 BN 3/04).
*** (VG)
Die Bewertung einer Person durch das BKA im Rahmen eines journalistischen Akkreditierungsverfahrens ist ein personenbezogenes Datum, da es sich um eine Einzelangabe über persönliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) handelt. Die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers und damit auch ihre Nutzung zum Zwecke der Bewertung war zum Zeitpunkt der Weitergabe an die NATO allein deshalb unzulässig, weil es zu diesem Zeitpunkt an der Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 6 BKAG fehlte, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach § 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen. Eine Rechtsgrundlage, die eine Datenübermittlung an eine exterritoriale Organisation, hier die NATO, erlaubt, fehlt im BKA-Gesetz. Eine Einwilligung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der freien Entscheidung des Betroffenen und der Schriftform. Dabei ist der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung hinzuweisen. Soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich oder auf Verlangen, ist auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen ( VG Wiesbaden, Urteil vom 06.10.2010 - 6 K 280/10.WI zu §§ 3, 4, 4a, 7, 8 BDSG u.a.).
***
§ 23 Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit dies zur
1. Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben,
2. Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder
3. Verhütung oder Beseitigung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person
erforderlich ist.
(2) § 22 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 gilt entsprechend.
(3) Die Empfängerin oder der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dessen Erfüllung sie ihr oder ihm übermittelt wurden. Die Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung obliegt der übermittelnden Behörde.
(4) Über die Übermittlungen ist ein besonderes Verzeichnis zu führen, aus dem der Zweck der Übermittlung, die Empfängerin oder der Empfänger und die Aktenfundstelle hervorgehen. Es ist am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten.
§ 24 Automatisiertes Abrufverfahren
(1) Die Einrichtung eines Verfahrens, das die automatisierte Übermittlung personenbezogener Daten der Polizeibehörden und der Gefahrenabwehrbehörden durch Abruf ermöglicht, ist zulässig, soweit diese Form der Datenübermittlung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der betroffenen Person und der Erfüllung von Aufgaben der beteiligten Stellen angemessen ist. Zum Abruf können zugelassen werden:
1. Polizeibehörden,
2. die Polizeieinrichtung und die Verwaltungsfachhochschule,
3. Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes und der anderen Länder,
4. Gefahrenabwehrbehörden in Verfahren, die Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Gegenstand haben,
5. Ausländerbehörden in Verfahren, die die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen und Aufenthaltsbeendigungen zum Gegenstand haben,
6. Einbürgerungsbehörden in Verfahren, die die Ermittlungen von Einbürgerungsvoraussetzungen zum Gegenstand haben,
7. die Allgemeinheit, soweit es sich um personenbezogene Daten handelt, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind.
In den Fällen des Satz 2 Nr. 4 bis 6 darf nur Auskunft erteilt werden, wenn über die betroffene Person keine Daten gespeichert sind (Negativauskunft).
(2) Die nach § 10 des Hessischen Datenschutzgesetzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen sind schriftlich festzulegen.
(3) Die speichernde Stelle hat in den Fällen von Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 zu gewährleisten, dass die Übermittlung zumindest durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden kann.
§ 25 Datenabgleich
(1) Die Polizeibehörden können personenbezogene Daten der in den §§ 6 und 7 sowie § 13 Abs. 2 Nr. 1 genannten Personen mit automatisiert gespeicherten Daten der Polizeibehörden und Polizeidienststellen des Bundes und der anderen Länder abgleichen. Personenbezogene Daten anderer Personen kann die Polizeibehörde nur abgleichen, wenn dies aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich erscheint. Die Polizeibehörden können ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Die betroffene Person kann angehalten und für die Dauer des Datenabgleichs festgehalten werden. § 18 bleibt unberührt.
(2) Die Gefahrenabwehrbehörden können personenbezogene Daten mit ihren automatisiert gespeicherten Daten unter den Voraussetzungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 20) abgleichen.
(3) Besondere Rechtsvorschriften über den Datenabgleich bleiben unberührt.
§ 26 Besondere Formen des Datenabgleichs
(1) Die Polizeibehörden können von öffentlichen Stellen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zur Verhütung von Straftaten erheblicher Bedeutung
1. gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder
2. bei denen Schäden für Leben, Gesundheit oder Freiheit oder gleichgewichtige Schäden für die Umwelt zu erwarten sind,
die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und dies auf andere Weise nicht möglich ist. Rechtsvorschriften über ein Berufs- oder besonderes Amtsgeheimnis bleiben unberührt.
(2) Das Übermittlungsersuchen ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt sowie auf im einzelnen Falle festzulegende Merkmale zu beschränken. Werden wegen technischer Schwierigkeiten, die mit angemessenem Zeit- oder Kostenaufwand nicht beseitigt werden können, weitere Daten übermittelt, dürfen diese nicht verwertet werden.
(3) Ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, dass er nicht erreicht werden kann, sind die übermittelten und im Zusammenhang mit der Maßnahme zusätzlich angefallenen Daten auf dem Datenträger zu löschen und die Unterlagen, soweit sie nicht für ein mit dem Sachverhalt zusammenhängendes Verfahren erforderlich sind, unverzüglich zu vernichten. Über die getroffenen Maßnahmen ist eine Niederschrift anzufertigen. Diese Niederschrift ist gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Vernichtung der Unterlagen nach Satz 1 folgt, zu vernichten.
(4) Die Maßnahme nach Abs. 1 bedarf der schriftlich begründeten Anordnung durch die Behördenleitung und der Zustimmung des Landespolizeipräsidiums. Von der Maßnahme ist die oder der Hessische Datenschutzbeauftragte unverzüglich zu unterrichten.
(5) Personen, gegen die nach Abschluss einer Maßnahme nach Abs. 1 weitere Maßnahmen durchgeführt werden, sind hierüber durch die Polizei zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zweckes der weiteren Datennutzung erfolgen kann. § 29 Abs. 6 Satz 4 und 5 und Abs. 7 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Bei Grundrechtsklagen unmittelbar gegen ein Gesetz ist die Antragsbefugnis auf die Fälle beschränkt, in denen eine eigene, gegenwärtige und unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit durch die gesetzliche Bestimmung, deren Verfassungswidrigkeit behauptet wird, substanziiert und innerhalb der geltenden Jahresfrist dargelegt ist. Die danach erforderliche eigene Betroffenheit ist nur gegeben, wenn gerade der Antragsteller selbst mit einiger Wahrscheinlichkeit durch den (drohenden) Vollzugsakt in seinen Grundrechten betroffen ist. Der Kreis der Antragsberechtigten ist in den Fällen der unmittelbar gegen ein Gesetz gerichteten Grundrechtsklage auf diejenigen beschränkt, die zum Anwendungsbereich der angegriffenen Rechtsnorm in einer spezifischen Nähe stehen. Das Merkmal der gegenwärtigen Betroffenheit stellt sicher, dass ein konkreter zeitlicher Kontext zwischen Grundrechtsklage und möglicher Grundrechtsbetroffenheit besteht. Durch die gesetzliche Ermächtigung zur Rasterfahndung (§ 26 HSOG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 06.09.2002, GVBl. I S. 546) ist ein in Deutschland geborener männlicher Student deutscher Staatsangehörigkeit nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit selbst in seinen durch die Verfassung des Landes Hessen gewährten Grundrechten betroffen (StGH Hessen, Urteil vom 12.12.2005, P St 1914).
*** (VGH/OLG)
Wenn eine Polizeibehörde unter Bezugnahme auf § 26 HessSOG eine Hochschule ersucht, im Rahmen der Amtshilfe bestimmte persönliche Daten von Studierenden zu übermitteln, hat die Hochschule nach § 14 II 3 HessDSG lediglich zu prüfen, ob die Polizeibehörde zuständig ist und sie ihr Ersuchen schlüssig begründet hat. Da die ersuchte Behörde nach § 7 II HessVwVfG nur eingeschränkt verantwortlich ist, hat sie auch nach § 5 HessVwVfG keine weitergehenden Prüfungspflichten als nach dem Datenschutzgesetz. Wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die ersuchende Behörde zuständig ist und ihr Ersuchen schlüssig begründet hat, ist die Übermittlung der Daten nicht "unbefugt" i.S. von § 30 HessVwVfG (VGH Kassel, Beschluss vom 04.02.2003 - 10 TG 3112/02).
***
Die Möglichkeit terroristischer Anschläge in Deutschland nach den Terroranschlägen vom 11.9.2001 in den USA begründet keine "gegenwärtige" Gefahr i. S. des § 26 I 1 HSOG (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.02.2002 - 20 W 55/02).
***
Zu den gesetzlichen Voraussetzungen für die Anforderung und den Abgleich personenbezogener Daten (Rasterfahndung) in Hessen (§ 26 Abs. 4 S. 1 HSOG; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.02.2002 - 20 W 55/02 und OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.01.2002 - 20 W 479/01):
... m 24. September 2001 beantragte das . . . Landeskriminalamt, der Beteiligte zu 1), bei dem Amtsgericht Wiesbaden nach § 26 Abs. 1 und 4 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) anzuordnen, dass die Meldebehörden des Landes . . . , die . . . Universitäten und Hochschulen sowie das Luftfahrtbundesamt verpflichtet sind, ihm von näher bestimmten Personengruppen automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten, nämlich Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen (Rasterfahndung) zu übermitteln.
Der Beteiligte zu 1) begründete seinen Antrag im wesentlichen mit einer nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 anzunehmenden Gefährdungssituation im Falle eines Militärschlages gegen Ziele in Afghanistan und/oder Unterstützerstaaten.
Mit Beschluss vom 25. September 2001 gab das Amtsgericht Wiesbaden dem Antrag in vollem Umfang statt. Über die Entscheidung wurde in der Presse berichtet (vgl. juris - Pressemitteilungen Justiz/dpa, Stichwort: Rasterfahndung).
Am 15. Oktober 2001 legte der Beteiligte zu 2) gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde ein. Er sieht in der Übermittlung von Daten an den Beteiligten zu 1), die seine Person betreffen, einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das Landgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 14. November 2001 die nach den §§ 26 Abs. 4 Satz 2, 39 Abs. 1 Satz 3 HSOG, 19 FGG an sich statthafte Beschwerde mangels Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 2) als unzulässig angesehen und zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat der Senat den landgerichtlichen Beschluss am 8. Januar 2002 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zur neuen Prüfung und Entscheidung zurückverwiesen (20 W 479/01).
Durch Beschluss vom 6. Februar 2002 hat das Landgericht die amtsgerichtliche Anordnung aufgehoben.
Mit der am 8. Februar 2002 eingegangenen weiteren Beschwerde wendet sich der Beteiligte zu 1) gegen die landgerichtliche Entscheidung.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg; denn der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 8. Januar 2002 u. a. darauf hingewiesen, dass seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 (BVerfGE 65, 1, 41 ff) geklärt ist, dass der Einzelne das Recht hat, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraussetzt, dass dieser Schutz daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst ist und dass das Grundrecht insoweit die Befugnis gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE aaO S. 43).
In den Polizeigesetzen der Länder sind bestimmte staatliche Eingriffe in Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte unter einen Richtervorbehalt gestellt. Dies ist auch in Hessen der Fall, z. B. in den §§ 15 Abs. 4 und 5, 16 Abs. 1 und 5, 26 Abs. 1 und 4, 33 HSOG. Für das Verfahren verweist § 39 Abs. 1 Satz 2 HSOG auf das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG). Mit dieser Verweisung hat der Gesetzgeber die Verantwortung für die staatlichen Eingriffe auf die ordentlichen Gerichte übertragen und zugleich besondere Verfahrensregeln vorgegeben. So sieht das FGG für das gerichtliche Verfahren nicht nur drei Instanzen vor, sondern verpflichtet die Tatsacheninstanzen (Amtsgericht und Landgericht) u. a. zu Amtsermittlungen (§ 12 FGG). Die Tatsachengerichte dürfen sich nicht auf Plausibilitätsprüfungen beschränken, sondern müssen selbst die Tatsachen feststellen, die eine richterliche Anordnung rechtfertigen (vgl. zu dem Prüfungsumfang bei einer richterlichen Anordnung polizeilichen Gewahrsams nach dem HSOG: BVerfGE 83, 24 = NJW 1991, 1283 [BVerfG 30.10.1990 - 2 BvR 562/88] ).
Mit der Übertragung der Entscheidungskompetenz und Verantwortung auf die Gerichte ist zugleich die Erwartung verbunden, dass sich die zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richter - auch in Krisenzeiten - nicht von eigenen Emotionen oder Emotionen anderer, sondern ausschließlich vom Gesetz leiten lassen (Art. 20 Abs. 3, 92, 97 Abs. 1 GG, §§ 25, 38 DRiG).
Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG können die Polizeibehörden nach richterlicher Anordnung (§ 26 Abs. 4 Satz 1 HSOG) von öffentlichen Stellen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person die Übermittlung von automatisiert gespeicherten personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Abwehr der beschriebenen Gefahren erforderlich ist.
Im Mittelpunkt der gerichtlichen Prüfung steht die Frage, ob von einer gegenwärtigen' Gefahr im Sinne des Gesetzes auszugehen ist. Dies hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 2002 in der Sache 84 T 278/01 (Bl. 157 ff d. A) zu Recht verneint.
Im polizeilichen Gefahrenabwehrrecht wird der Gefahrenbegriff differenziert gebraucht. Allgemein liegt eine Gefahr vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird (BVerwG 45, 51, 57; vgl. dazu auch Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts 3. Aufl. 2001 E Rn. 29 = S. 214; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 13. Aufl. 2001 Rn. 140; Hornmann, HSOG 1997 § 1 Rn. 11; Meyer/Stolleis, Staats- und Verwaltungsrecht in Hessen 4. Aufl. 1996 S. 250; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht 3. Aufl. 1989 Rn. 61).
Das hessische Gefahrenabwehrrecht kennt u. a. die latente/potentielle, abstrakte und konkrete Gefahr (vgl. dazu Meixner, HSOG 9. Aufl. 2001 § 1 Rn. 10 ff) und verwendet im HSOG die Begriffe der dringenden' Gefahr (§ 38 Abs. 6), der erheblichen' Gefahr (§ 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2), der gegenwärtigen' Gefahr (§§ 15 Abs. 4, 26 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 2 Nr. 2, 40 Nr. 1, 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 und 4, 61 Abs. 1 Nr. 1 und 88 Abs. 1) und der gegenwärtigen erheblichen' Gefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 1).
Von einer gegenwärtigen' Gefahr ist auszugehen, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht (vgl. BVerwGE 45, 51, 58 [BVerwG 26.02.1974 - I C 31/72] m. v. N ; Lisken/Denninger aaO E Rn. 43 = S. 220; Meixner aaO § 1 Rn. 14; Götz aaO Rn. 147; Hornmann aaO § 11 Rn. 32; Meyer/Stolleis aaO S. 253; Knemeyer aaO Rn. 68; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr 9. Aufl. 1985 S. 332; von Brauchitsch/Ule/Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 2. Aufl. 1982 Rn. 14). Das besondere Gewicht, das der zeitlichen Nähe und der Steigerung des Wahrscheinlichkeitsgrades bei der Beurteilung der gegenwärtigen' Gefahr im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG zukommt, lässt sich auch daran erkennen, dass die Datenübermittlung als Gefahrenabwehr auch für den Fall der gegenwärtigen' Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person vorgesehen ist.
Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, das es sich bei der gegenwärtigen' Gefahr um die höchste Steigerungsform des Gefahrenbegriffs handelt (vgl. dazu auch Lisken/Denninger aaO E Rn. 50 = S. 223). Die Polizeigesetze verwenden diesen Gefahrenbegriff als Eingriffschwelle nicht nur, wenn das bedrohte Rechtsgut oder das Rechtsgut, in das eingegriffen werden soll, einen besonders hohen Rang besitzt, sondern auch dann, wenn - wie bei der Rasterfahndung - Nichtstörer in Anspruch genommen werden sollen (vgl. dazu Lisken/Denninger aaO E Rn. 44 = S. 220).
Der Begriff der gegenwärtigen' Gefahr wird auch in anderen Gesetzen verwendet, wenn es um Gefahrenabwehr im Notstandsfall oder notstandsähnlichen Fall geht, z. B. in § 904 BGB und in § 31 EGGVG. Im Strafrecht wird ähnlich wie im polizeilichen Gefahrenabwehrrecht unter dem gegenwärtigen' Angriff (der gegenwärtigen' Gefahr) nicht nur der bereits begonnene, sondern auch der unmittelbar bevorstehende Angriff verstanden ( BGH 2 StR 535/91 vom 11. Dezember 1991 dok. bei juris; Spendel LK StGB 10. Aufl. § 32 Rn. 115 ff; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 32 Rn. 8 f. ).
Nach der Aktenlage fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen für die Anordnung der Datenübermittlung nach § 26 Abs. 1 HSOG zur Abwehr von Terroranschlägen in Deutschland gegeben waren.
Der Senat vermag der Argumentation des Oberlandgerichts Düsseldorf in der Entscheidung vom 8. Februar 2002 in der Sache 3 Wx 351/01 (Bl. 245 ff d. A. ), nicht zu folgen. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf für seine Meinung herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts betreffen die konkrete' Gefahr (BVerwG DÖV 1970, 713) und die dringende Gefahr' ( BVerwGE 47, 31), nicht aber die gegenwärtige' Gefahr.
Eine konkrete' Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall irgendwann, freilich in überschaubarer Zukunft, mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden muss' (BVerwG DÖV 1970, 713, 715; vgl. auch Lisken/Denninger aaO E Rn. 32 = S. 215, 216). Eine dringende' Gefahr liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein wichtiges Rechtsgut schädigen wird (BVerwGE 47, 31, 40 [BVerwG 06.09.1974 - I C 17/73] ; vgl. dazu auch Lisken/Denninger/Rachor aaO F Rn. 626 ff = S. 485, 486).
Im Gegensatz zur konkreten' und zur dringenden' Gefahr erfordert die gegenwärtige' Gefahr die besondere Zeitnähe und einen besonders hohen Grad an Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, d. h. der Schaden muss sofort und fast mit Gewissheit (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit)' (so BVerwGE 45, 51, 58) [BVerwG 26.02.1974 - I C 31/72] eintreten. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf als ausreichend angesehene Möglichkeit terroristischer Anschläge in Deutschland reicht nach Meinung des Senats zur Annahme einer gegenwärtigen' Gefahr nicht aus.
Der Senat vermag auch der am 18. Februar 2002 bekannt gewordenen auf der Beratung vom 1. Februar 2002 beruhenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Mainz 1 L 1106/01. MZ (Bl. 300 ff) nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht Mainz hatte nicht über die Anordnung der Datenübermittlung, sondern über den Antrag zu befinden, dem Präsidenten des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamts zu untersagen, übermittelte Daten zu speichern und zu verarbeiten. Es kann hier offen bleiben, ob die Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rasterfahndung umfasst oder sich nur auf die Einhaltung der Speicherungs-, Bearbeitungs- und Löschungsvorschriften bezieht. Das Verwaltungsgericht Mainz stellt nach Auffassung des Senats zu Unrecht die Dauergefahr, die sich in den erfolgten Attentaten bereits konkretisiert hat und die nach Lage der Dinge weitere Terroranschläge befürchten lässt. . . der gegenwärtigen' Gefahr gleich. Ungeachtet der Frage, ob eine Dauergefahr eine gegenwärtige' Gefahr im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG ist, reicht die Befürchtung weiterer Terroranschläge nicht für die Annahme des vom Gesetz geforderten hohen Wahrscheinlichkeitsgrades aus.
Die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf und von dem Verwaltungsgericht Mainz angewandte aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitete Faustregel, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden und je höher das Schutzgut sind (vgl. zur Anwendung der Faustregel bei der konkreten' Gefahr: BVerwG DÖV 1970, 713, 715; bei der dringenden' Gefahr: BVerwGE 47, 31, 40 [BVerwG 06.09.1974 - I C 17/73] ; bei der Gefährdung' der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a. F: BVerwGE 62, 36, 38 [BVerwG 17.03.1981 - 1 C 74/76] ; bei der unmittelbar bevorstehenden' oder gegenwärtigen' Gefahr: BVerwGE 45, 51, 61 [BVerwG 26.02.1974 - I C 31/72] ; vgl. zu der Faustregel auch Lisken/Denninger aaO E Rn. 42 = S. 220; Meyer/Stolleis aaO S. 252), gestattet es dem Senat auch in Anbetracht der tragischen Ereignisse des 11. Septembers 2001 nicht, den gesetzlich vorgegebenen Gefahrenbegriff der gegenwärtigen' Gefahr durch einen geringeren Gefahrenbegriff - wie der dringenden' oder konkreten' Gefahr - oder durch den Begriff der Gefährdung' mit jeweils deutlich geringerer Zeitnähe des Schadenseintritts und deutlich geringerem Wahrscheinlichkeitsgrad zu ersetzen. Dies ist allein dem Gesetzgeber vorbehalten.
Danach bedarf es hier keiner endgültigen Entscheidung der Frage, ob die Datenübermittlung zum Zwecke der Rasterfahndung zur Abwehr einer gegenwärtigen' Gefahr erforderlich ist. Daran bestehen allerdings erhebliche Zweifel, zumal bereits die Eignung der Rasterfahndung zur Abwehr einer gegenwärtigen' Gefahr sehr fraglich ist und die praktische Bedeutung der Rasterfahndung als gering eingeschätzt wird (Lisken/Denninger/Bäumler aaO J 199, 200 = S. 780, 781 und J Rn. 717 = S. 894).
Da es hier um die Anwendung von landesgesetzlichen Vorschriften geht, kommt eine Vorlage der weiteren Beschwerde an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG wegen einer möglichen Abweichung von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht in Betracht ..."
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§ 27 Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten
(1) Automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten sind zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird festgestellt, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten.
(2) Automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten sind zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen sind zu vernichten, wenn
1. ihre Speicherung unzulässig ist,
2. bei der nach bestimmten Fristen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist, oder
3. die durch eine verdeckte Datenerhebung gewonnenen Daten für den der Anordnung zugrunde liegenden Zweck, zur Strafverfolgung oder zur Strafvollstreckung nicht mehr erforderlich sind; die Löschung, über die eine Niederschrift anzufertigen ist, bedarf der Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wenn die Daten zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verarbeitet worden sind.
Ist eine Löschung in den Fällen des Satz 1 Nr. 1 und 2 wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich, kann an die Stelle der Löschung die Sperrung treten.
(3) Sind personenbezogene Daten in Akten gespeichert, sind sie im Falle des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 durch Anbringung eines entsprechenden Vermerks zu sperren. Im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 sind die Akten spätestens zu vernichten, wenn die gesamte Akte zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist. In Akten gespeicherte personenbezogene Daten über eine verdeckte Datenerhebung sind nach Maßgabe des Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 zu löschen.
(4) Die Ministerin oder der Minister des Innern wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Fristen zu regeln, nach deren Ablauf zu prüfen ist, ob die weitere Speicherung der Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Bei Daten, die nach § 20 Abs. 4 automatisiert oder in personenbezogen geführten Akten gespeichert sind, dürfen die Fristen
a) bei Erwachsenen zehn Jahre,
b) bei Jugendlichen fünf Jahre und
c) bei Kindern zwei Jahre
nicht überschreiten, wobei nach Art und Zweck der Speicherung sowie Art und Bedeutung des Anlasses zu unterscheiden ist. Die Frist beginnt regelmäßig mit dem letzten Anlass der Speicherung, jedoch nicht vor Entlassung der betroffenen Person aus einer Justizvollzugsanstalt oder Beendigung einer mit Freiheitsentzug verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung. Werden innerhalb der Frist nach Satz 2 und 3 weitere personenbezogene Daten über dieselbe Person gespeichert, gilt für alle Speicherungen gemeinsam die Frist, die als letzte abläuft.
(5) Stellt die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde fest, dass unrichtige oder nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zu löschende oder nach Abs. 3 Satz 1 zu sperrende personenbezogene Daten übermittelt worden sind, ist der Empfängerin oder dem Empfänger die Berichtigung, Löschung oder Sperrung mitzuteilen. Die Mitteilung kann unterbleiben, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte bestehen, dass dadurch schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt werden können.
(6) Löschung und Vernichtung unterbleiben, wenn
1. Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt würden,
2. die betroffene Person über eine verdeckte Datenerhebung noch nicht unterrichtet worden ist, es sei denn, dass die Datenerhebung den Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen hat,
3. die Daten zur Behebung einer bestehenden Beweisnot unerlässlich sind oder
4. die Verarbeitung der Daten, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu anonymisieren sind, zu wissenschaftlichen Zwecken erforderlich ist.
In diesen Fällen sind die Daten zu sperren und mit einem Sperrvermerk zu versehen.
(7) Gesperrte Daten dürfen nur zu den in Abs. 6 Satz 1 genannten Zwecken oder sonst mit Einwilligung der betroffenen Person verarbeitet werden. In den Fällen des Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 dürfen die Daten nur zur Unterrichtung der betroffenen Person und zur gerichtlichen Kontrolle verarbeitet werden.
(8) Anstelle der Löschung und Vernichtung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Abs. 3 Satz 2 können die Datenträger an ein öffentliches Archiv abgegeben werden, soweit besondere archivrechtliche Regelungen dies vorsehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die von hessischen Polizeibehörden unternommene Speicherung von personenbezogenen Daten, die für Zwecke des Erkennungsdienstes von einem Beschuldigten erhoben wurden, hat gemäß §§ 81b Alt. 2, 481 Abs. 1 Satz 1, 484 Abs. 4 StPO den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 HSOG zu genügen. Es bleibt dahingestellt, ob die polizeiliche Speicherungspraxis, nach der sich das Aussonderungsprüfdatum eines Personendatensatzes im Kriminalakten-Nachweis des polizeilichen Informationssystems bei mehreren Deliktseintragungen nach dem weiter in der Zukunft liegenden Prüfdatum der zuletzt hinzugestellten Eintragung richtet, mit der Regelung des § 27 Abs. 4 Satz 3 HSOG im Einklang steht. Die Begründung, die fortgesetzte Speicherung einer Deliktseintragung im polizeilichen Informationssystem sei im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 2 HSOG erforderlich, um den Polizeibehörden das mit dieser Eintragung verbundene erkennungsdienstliche Material zu einer Person im Hinblick auf eine andere, diese Person betreffende Eintragung verfügbar zu halten, missachtet das datenschutzrechtliche Zweckbindungsgebot (VGH Hessen, Urteil vom 16.12.2004, 11 UE 2982/02).
*** (VG)
Zur Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz bei vermuteter Einbindung des Betroffenen in die linksextremistische Szene (VG Kassel, Urteil vom 01.03.2012 - 1 K 234/11.KS zu §§ 19 I, III, IV DSG HE, 19 I VerfSchutzG HE):
... Am 19. Januar 2008 fand in D-Stadt eine Demonstration mit dem Thema Kein ruhiges Hinterland - gegen NPD Niedersachsen und Kameradschaft Northeim" statt. Zu dieser Demonstration hatten die Partei DIE LINKE und andere linksgerichtete politische Gruppierungen aufgerufen, u. a. der Ortsverband B-Stadt sowie die Kreisverbände B-Stadt und F-Stadt Bündnis 90/Die Grünen, die Grüne Jugend B-Stadt, die ver.di Jugend im Landesbezirk Niedersachsen/Bremen, die ver.di Jugend und der ver.di Ortsvorstand B-Stadt sowie verschiedene dem "antifaschistischen" Spektrum zuzurechnende Organisationen. Die Anmeldung der Demonstration war seinerzeit durch eine Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE erfolgt. Im Vorfeld dieser Demonstration wurde der Kläger auf einer zum Startpunkt der Veranstaltung führenden Straße einer Fahrzeugkontrolle unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass er in seinem Wagen ein schwarzes Dreieckstuch mit sich führte. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 2010 beantragte der Kläger beim Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, ihm Auskunft über alle zu seiner Person in den geführten Systemen der elektronischen Datenerfassung und -bearbeitung gespeicherten Daten zu erteilen. Das Auskunftsersuchen beantwortete das Landesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 30. August 2010 dahingehend, dass seit Erteilung einer Auskunft an den Kläger im Jahr 2008 weitere Daten über ihn angefallen seien. So sei die am 19. Januar 2008 getroffene polizeiliche Feststellung bekannt, dass der Kläger auf seinem Weg zu der Demonstration in D-Stadt ein Tuch mit sich geführt habe, das geeignet und offensichtlich auch dazu bestimmt gewesen sei, seine Identität zu verschleiern. Die Speicherung der Daten sei auf der Grundlage des § 6 HVerfSchG erfolgt. Die Daten seien zur Aufgabenerfüllung des Landesamtes gem. § 2 Abs. 1 HVerfSchG erforderlich. Die Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz bestehe darin, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen. Mit Schreiben vom 1. September 2010 beantragte der Kläger daraufhin die Löschung des betreffenden Eintrags. Hierauf teilte das Landesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 8. September 2010 mit, dass personenbezogene Daten bereits dann gespeichert werden dürften, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen vorlägen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien. Insoweit seien Bußgeld-, Strafverfahren oder Verurteilungen nicht maßgeblich. Die Löschung solcher Daten richte sich nach § 6 Abs. 5 HVerfSchG. Die Löschungsvoraussetzungen für die Vorkommnisse am 19. Januar 2008 in D-Stadt seien derzeit noch nicht gegeben. Daraufhin erhob der Kläger mit am 2. März 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom gleichen Tage Klage, mit der er sein Löschungsbegehren weiterverfolgt. Er macht geltend, die Datenspeicherung durch das Landesamt für Verfassungsschutz bezogen auf das hier in Rede stehende Vorkommnis sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 8 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Speicherung von Daten gem. § 6 Abs. 4 HVerfSchG, namentlich das Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 2 Abs. 2 HVerfSchG, seien nicht gegeben. Nach Nummer 1 der vorgenannten Bestimmung sei das Landesamt für Verfassungsschutz befugt, Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet seien oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele hätten, zu beobachten. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in diesem Sinne seien dabei politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet sei, einen der in § 2 Abs. 4 HVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzten. Inwieweit die streitbefangene Eintragung einen tatsächlichen Anhaltspunkt für Bestrebungen in diesem Sinne darstellen solle, sei nicht ersichtlich. Der Antrag gebe zunächst keinen Aufschluss darüber, ob er - der Kläger - tatsächlich an der Demonstration am 19. Januar 2008 teilgenommen habe. Die Feststellung, dass er sich bei der Kontrolle durch einen Polizeibeamten auf dem Weg dorthin befunden habe, stelle eine bloße Mutmaßung der kontrollierenden Beamten dar. Unter Berücksichtigung der Organisationen, die seinerzeit zur Demonstrationsteilnahme aufgerufen hätten, könne die damalige Versammlung im Übrigen auch nicht als eine solche von linksextremistischen oder teilweise linksextremistischen Gruppen eingestuft werden. Es habe sich vielmehr um eine breite, von vielen Gruppen unterschiedlicher politischer Ausrichtung getragene und ordnungsgemäß angemeldete Bündnisdemonstration gehandelt. Allein aus der Demonstrationsteilnahme könne daher nicht auf eine politische Gesinnung im Hinblick auf verfassungsfeindliche Aktivitäten geschlossen werden. Was den Besitz des mitgeführten Tuches anbetreffe, so ließen sich hieraus Schlüsse über politische Bestrebungen nicht ableiten. Die Demonstration habe bei einer Tageshöchsttemperatur von etwa 5 Grad Celsius und im Regen stattgefunden. Es sei nicht ungewöhnlich, bei solchen Wetterbedingungen weitere Bekleidung zum Schutz vor winterlicher Witterung bei sich zu führen, um sich vor Kälte und Nässe zu schützen. Ausgehend davon stelle die Datenspeicherung eine Verletzung seiner - des Klägers - Rechten aus den einleitend bereits benannten Verfassungsbestimmungen dar (wird in der Klagebegründung weiter ausgeführt).
Der Kläger beantragt, das beklagte Land zu verpflichten, den Eintrag bezüglich des Klägers, welcher sich auf die Vorkommnisse in D-Stadt am 19. Januar 2008 bezieht, zu löschen. Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat zunächst die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bezweifelt und auf die aus seiner Sicht bestehende örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wiesbaden verwiesen. In der Sache wurde ausgeführt, dass der Kläger die Löschung der sich auf den 19. Januar 2008 beziehenden Daten nicht beanspruchen könne. In seinem Fall lägen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass er linksextremistische Bestrebungen verfolge. Diese ergäben sich aus einer Gesamtschau der zu seiner Person gespeicherten Erkenntnisse. Soweit der Kläger darauf verweise, dass die Demonstration am 19. Januar 2008 von einem breiten Spektrum unterschiedlichster politischer Gruppierungen getragen worden sei, verharmlose er die Rolle von Linksextremisten, die an der Planung, Anmeldung und Durchführung der Veranstaltung maßgeblich beteiligt gewesen seien. Die Demonstration sei von Linksextremisten initiiert worden und von einer Vertreterin der extremistischen Partei DIE LINKE angemeldet worden. Zu ihren Unterstützern hätten ebenfalls eine Reihe linksextremistischer Organisationen gehört, darunter die DKP B-Stadt und verschiedene Kreisverbände der Partei DIE LINKE in Niedersachsen. Zwar hätten neben diesen extremistischen Organisationen auch nichtextremistische - etwa der Partei Bündnis 90/Die Grünen oder Gewerkschaftsverbänden zuzurechnende - Organisationen die Versammlung unterstützt. Dies sei jedoch im Kontext mit der von Linksextremisten insbesondere im Aktionsfeld Antifaschismus" mit großen Nachdruck und Erfolg verfolgten Bündnispolitik" zu sehen, in deren Rahmen Linksextremisten bewusst versuchten, nichtextremistische Organisationen in die eigene antifaschistische" Mobilisierung einzubinden. Hierbei werde die Tatsache ausgenutzt, dass zentrale Elemente rechtsextremistischer Ideologie - Nationalismus und Rassismus - im überwiegenden Teil der Bevölkerung keine Akzeptanz fänden. Dadurch erreichten antifaschistisch" ausgerichtete Proteste ein weit über die linksextremistische Szene hinausgehendes Mobilisierungspotential. Zur Teilnahme an der Demonstration am 19. Januar 2008 hätten zahlreiche Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums aufgerufen (wird in der Klageschrift unter Benennung entsprechender Internetquellen weiter ausgeführt). Auch der tatsächliche Verlauf der damaligen Demonstration belege, dass Linksextremisten seinerzeit eine bedeutende Rolle gespielt hätten. Nach einem Bericht der X-Zeitung" vom 20. Januar 2008 sei an der Spitze des Demonstrationszuges ein Block von etwa 70 schwarzgekleideten Autonomen gelaufen. Dieser Block habe bei Bürgern, die durch Reporter der Zeitung befragt worden seien, für Angst und Unbehagen gesorgt und eine einheitliche Aggressivität ausgestrahlt. Auch habe es nach der Zeitungsberichterstattung Verstöße gegen das Vermummungsverbot gegeben und es seien bei polizeilichen Vorkontrollen Feuerwerkskörper, ein Baseballschläger, ein Elektroschocker, ein Tschakko, Pfefferspray und Sturmhauben gefunden worden. Während der Demonstration sei versucht worden, die genehmigte Route zu verlassen, was jedoch durch Polizeikräfte unterbunden worden sei. Insgesamt bleibe danach festzuhalten, dass die entscheidenden Akteure bei der Demonstration Linksextremisten gewesen seien, was nach der Berichterstattung im X-Zeitung vom Vortrag der Demonstration im Übrigen zu einer Distanzierung einzelner aufrufender Verbände geführt habe.
Was den Kläger anbetreffe, so sei dieser nach polizeilichen Feststellungen bei einer Vorkontrolle auf einer zum Startpunkt der Demonstration führenden Straße überprüft worden. Die Polizei sei bei ihren Feststellungen eindeutig von einem Zusammenhang mit der Demonstration ausgegangen. Beim Kläger sei im Rahmen der Überprüfung ein von ihm mitgeführtes Tuch festgestellt worden. Wie sich aus der Presseberichterstattung zum Demonstrationsverlauf ergebe, seien im Verlauf der Demonstration mehrere Verstöße gegen das Vermummungsverbot polizeilich festgestellt worden. Bei Angehörigen des undogmatischen linksextremistischen Spektrums bzw. insbesondere bei Autonomen sei es gängige Praxis, zu Demonstrationen Gegenstände mitzuführen, die zur Vermummung dienen könnten. Hierzu zählten insbesondere Kapuzenjacken, Sonnenbrillen und Sturmhauben. Anstelle von Sturmhauben würden häufig auch Tücher oder Schals genutzt. Diese wiesen für den linksextremistischen Demonstranten den Vorteil auf, dass sie bei polizeilichen Kontrollen weniger eindeutig als Vermummungsgegenstände identifizierbar seien. Sämtliche der angeführten Vermummungsgegenstände dienten dem Zweck, im Falle eines unfriedlichen Demonstrationsverlaufs Identitätsfeststellungen und damit Strafverfolgung durch die Polizei zu erschweren. Vor diesem Hintergrund sei das vom Kläger mitgeführte Tuch keineswegs nur als Schutz vor der jahreszeitbedingten Kälte und Nässe zu bewerten.
Schließlich achte der Verfassungsschutz bei Demonstrationen, an denen neben Linksextremisten auch Nichtextremisten teilnehmen, jeweils sehr genau darauf, diese Teilnehmerspektren voneinander zu unterscheiden. Dementsprechend würden zu nichtextremistischen Demonstrationsteilnehmern auch keine Daten gespeichert. Der Kläger sei dem Landesamt für Verfassungsschutz jedoch als Linksextremist bekannt und daher dem extremistischen Teil der Demonstrationsteilnehmer zugerechnet worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht um eine Erstspeicherung von Daten zum Kläger handele. Die gespeicherte Einzelerkenntnis dürfe insoweit nicht isoliert betrachtet werden. Dem Kläger sei bereits mit Schreiben vom 26. Juni 2008 mitgeteilt worden, dass zu seiner Person Daten im Bereich des Linksextremismus gespeichert seien. Die insoweit mitgeteilten Erkenntnisse habe der Kläger nicht angegriffen, insbesondere auch nicht deren Löschung beantragt. Im Rahmen der wertenden Gesamtschau der zum Kläger gespeicherten Erkenntnisse seien daher neben der Demonstration vom 19. Januar 2008 auch weitere Sachverhalte zu berücksichtigen. Im August 1997 sei er als Teilnehmer einer Sitzblockade vor der JVA A-Stadt festgestellt worden, die durch die linksextremistische autonome Szene durchgeführt worden sei. Im Mai 2002 habe er an einer Protestaktion der linksextremistischen Szene gegen eine Gedenkveranstaltung des Kameradenkreises der Gebirgsjäger in E-Stadt teilgenommen, die alljährlich Gegenstand linksextremistischer Proteste sei. Der Kläger sei seinerzeit in Gewahrsam genommen und erst nach Beendigung der Gedenkfeier hieraus wieder entlassen worden. Im Oktober 2002 sei der Kläger bei einer nicht angemeldeten Kundgebung der autonomen Szene vor einem Anwesen eines Rechtsextremisten in F-Stadt polizeilich festgestellt worden, die nach ihrem Verlauf als sog. Home-Visit" bzw. Outing" und somit als Aktion der Autonomen Szene gegen einen Rechtsextremisten zu bewerten sei. Typische autonome Vorgehensweise sei es insoweit, Rechtsextremisten gezielt an deren Wohnorten aufzusuchen und sie vor ihren Nachbarn bloß zu stellen. Wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sei der Kläger in G-Stadt im März 2003 vorübergehend in Gewahrsam genommen worden, wo er an einer Protestveranstaltung der linksextremistischen Szene gegen eine Demonstration der NPD teilgenommen habe. Im Mai 2004 sei der Kläger wiederum in E-Stadt im Zusammenhang mit einer Aktion der linksextremistischen Szene gegen eine Kameradschaftsveranstaltung festgestellt worden. Im Februar 2005 habe er an einer demonstrativen Aktion von Abschiebegegnern am Frankfurter Flughafen teilgenommen und sei dort wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen Hausfriedensbruchs vorübergehend festgenommen worden. Da der Kläger damit aus linksextremistischen Zusammenhängen bekannt sei, sei seine Teilnahme an der Demonstration vom 19. Januar 2008 anders zu bewerten, als die Teilnahme einer Person, die dem Landesamt für Verfassungsschutz bis dahin in diesem Zusammenhang nicht bekannt geworden sei.
Auf die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts durch das beklagte Land hat sich das Verwaltungsgericht Kassel mit Beschluss vom 9. Mai 2011 als für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig erklärt. Auf die dazu abgegebene Begründung wird Bezug genommen.
Mit weiterem Beschluss vom 23. Januar 2012 hat die Kammer den Rechtstreit gem. § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 1. März 2012 hat sich der Kläger zum Ablauf der Ereignisse, die zu der streitbefangenen Erfassung in den Datenregisters des Landesamtes geführt haben, nochmals ins Detail gehend geäußert. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tage Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen verwiesen. Diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. ...
Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 2. Alternative VwGO statthaft. Zwar erstrebt der Kläger letztlich die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolges, namentlich die Löschung bestimmter zu seiner Person und zu einem bestimmten Vorkommnis beim Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz gespeicherter Daten. Die Entscheidung hierüber hat jedoch durch vorgeschalteten Verwaltungsakt zu erfolgen, so dass für die gerichtliche Durchsetzung des Löschungsbegehrens, das das Landesamt mit Schreiben vom 8. September 2010 abgelehnt hat, die Verpflichtungsklage statthafte Klageart ist (vgl. dazu auch VG Wiesbaden, Urteil vom 14. September 2005 - 6 E 2129/04 -, Juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juni 1990 - 10 S 343/90 -, ebenfalls Juris; Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 106).
Die auch im Übrigen zulässige Klage erweist sich zudem als begründet. Der Kläger kann beanspruchen, dass die Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz seine Person betreffend über die Vorkommnisse am 19. Januar 2008 in D-Stadt in ihrem Datenerfassungssystem gespeichert hat, gelöscht werden.
Die Behandlung eines Löschungsbegehrens, das - wie das des Klägers - die Löschung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat, richtet sich nach § 19 Abs. 1 Satz 1 HVerfSchG i. V. m. § 19 Abs. 3 und 4 HDSG (vgl. dazu auch § 2 Abs. 1 HDSG).
Gemäß § 19 Abs. 3 HDSG sind personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sobald feststeht, dass ihre Speicherung nicht mehr erforderlich ist, um die Zwecke zu erfüllen, für die sie erhoben worden sind oder für die sie nach § 13 Abs. 2 und 4 dieses Gesetzes weiterverarbeitet werden dürfen. Nach § 19 Abs. 4 HDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Verarbeitung unzulässig ist. Datenverarbeitung im Sinne dieser Bestimmung ist jede Verwendung gespeicherter oder zur Speicherung vorgesehener personenbezogener Daten. Der Begriff der Speicherung beinhaltet das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 HDSG). Ist das Gericht mit einem Löschungsbegehrens befasst, dem behördlicherseits nicht entsprochen worden ist, so ist für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Dies gilt - wie aus der Formulierung von § 19 Abs. 3 und 4 HDSG folgt ( ...erforderlich ist" bzw. unzulässig ist") - im Anwendungsbereich beider Bestimmungen. Im Rahmen der Anwendung des § 19 Abs. 4 HDSG sind personenbezogene Daten danach nicht nur dann zu löschen, wenn die Speicherung von vornherein unzulässig war, sondern auch dann, wenn die Speicherung ursprünglich zulässig gewesen ist, aber später die Rechtsgrundlage für die weitere Speicherung auf diese Weise erfasster Daten entfallen ist (vgl. dazu Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 39).
Die (weitere) Verarbeitung personenbezogener Daten ist im Sinne des § 19 Abs. 3 HDSG unzulässig, wenn sie nicht durch eine Rechtsvorschrift erlaubt oder angeordnet ist. Die diesbezügliche Befugnis des Landesamtes für Verfassungsschutz ist in den einschlägigen Bestimmungen des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes - HVerfSchG - geregelt. Hieraus kann Folgendes entnommen werden:
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HVerfSchG ist es Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz Bestrebungen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 HVerfSchG und sammelt zu diesem Zweck Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche Bestrebungen oder Tätigkeiten und wertet sie aus (§ 2 Abs. 2 Satz 2 HDSG). In Bezug auf die vorliegend streitbefangene Datenerfassung und -speicherung hat das Landesamt für Verfassungsschutz § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVerfSchG für einschlägig erachtet, wonach der verfassungsschutzrechtliche Schutzauftrag u. a. Bestrebungen erfasst, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVerfSchG). Bestrebungen im Sinne dieser Bestimmung sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c HVerfSchG politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 4 genannten Verfassungsgrundsätze (vgl. dazu die dort unter Buchstaben a bis g aufgeführten Schutzgüter) zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Das dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieser Vorschriften eingeräumte Recht, personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten im vorstehend dargelegten Sinne in seinen Datenregistern zu erfassen und zu speichern, besteht indes nicht uneingeschränkt. Erforderlich ist hierfür vielmehr, dass im Einzelfall objektive Anhaltspunkte vorliegen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Entfaltung verfassungsfeindlicher Aktivitäten durch den Betroffenen hindeuten (vgl. dazu auch VG Wiesbaden, Urteil vom 14. September 2005 - 6 E 2129/04 -, Juris).
Den streitbefangenen Dateneintrag hat das Landesamt für Verfassungsschutz vor dem Hintergrund einer aus behördlicher Sicht hinreichend dokumentierten Einbindung des Klägers in linksextremistische Kreise und Betätigung innerhalb dieser Szene vorgenommen.
Linksextremismus steht im Allgemeinen als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Anhänger linksextremistischer Gruppen stellen regelmäßig zumindest einzelne der verfassungsrechtlichen Schutzgüter in Frage, die in § 2 Abs. 4 Buchstaben a bis g HVerfSchG umschrieben sind. Solche Personen richten sich damit gegen Grundbestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Teile der betreffenden Szene verfolgen ihre Ziele im Übrigen auch unter Anwendung von Gewalt (vgl. dazu im Einzelnen auch VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 26. November 2010 - 3 K 1993/06 -, Juris). Vor diesem Hintergrund geht der Einzelrichter davon aus, dass die Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung oder linksextremistische Aktivitäten von Einzelpersonen grundsätzlich als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c HVerfSchG anzusehen sind und die hieran anknüpfende Sammlung von Informationen und personenbezogenen Daten sowie deren Speicherung für verfassungsschutzrechtliche Zwecke rechtfertigen können (siehe dazu auch BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 - BVerwG 6 C 22/09 -, Juris).
Dies rechtfertigt im vorliegenden Fall aber zunächst nicht die Schlussfolgerung, dass die Informationen, die dem Landesamt für Verfassungsschutz von der Einsatzpolizei in D-Stadt über die den Kläger betreffenden Vorkommnisse am 19. Januar 2008 zur Verarbeitung weitergeleitet worden sind, bereits für sich genommen eine Speicherung - ggf. auch Erstspeicherung - gerechtfertigt hätten. Der objektive Aussagegehalt der den Kläger betreffenden polizeilichen Feststellung am Demonstrationstag beschränkt sich im Kern darauf, dass seinerzeit bei einer polizeilichen Fahrzeugkontrolle, die im Vorfeld der damaligen Demonstration in der Nähe des Startpunkts der Veranstaltung durchgeführt worden ist, in seinem mit vier Personen besetzten Fahrzeug ein schwarzes Halstuch vorgefunden wurde. Dieser Umstand allein weist den Kläger unter Einbeziehung der ansonsten zu Art und Verlauf der Demonstration zu Tage getretenen Umstände nicht als aktiven Unterstützer linksextremistischer Kreise aus. Ebenso wenig kann hieraus mit der insoweit notwendigen Gewissheit entnommen werden, dass der Kläger seinerzeit beabsichtigt hat, bei der Demonstration - möglicherweise unter Verstoß gegen das Vermummungsverbot - in dem sogenannten schwarzen Block" mit zu marschieren oder aber auf sonstige Weise als Verfechter linksextremistischer Zielsetzungen auf sich aufmerksam zu machen. Das bloße Auffinden eines Halstuchs im Fahrzeug, das der Kläger zum Zeitpunkt der polizeilichen Feststellung weder umgebunden noch am Körper getragen hat, stellt insoweit kein hinreichendes Indiz dar, zumal der Kläger für das Mitführen dieses Kleidungsutensils unter Verweis auf die damaligen Witterungsbedingungen eine durchaus nachvollziehbare - und außerhalb jeglichen politischen Engagements liegende - Erklärung geliefert hat. Letztlich kann damit aus der polizeilichen Feststellung, die zu dem Dateneintrag geführt hat, mit Gewissheit lediglich die Erkenntnis entnommen werden, dass der Kläger - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung ohne Umschweife eingeräumt - am 19. Januar 2008 an einer öffentlichen Kundgebung gegen rechtsextremistische Bestrebungen im südlichen Niedersachsen teilnehmen wollte, wozu es aus den von ihm im Verhandlungstermin im Einzelnen dargestellten Gründen nicht gekommen ist. Die betreffende Demonstration, die unstreitig im Vorfeld ordnungsgemäß zur Anmeldung gebracht worden ist, mag von linksextremistischen Kräften unterstützt oder gar mit initiiert worden sein, war jedoch unstreitig nicht allein von Kräften dieser politischen Ausrichtung, sondern auch von Organisationen des bürgerlichen Spektrums getragen. Aus der Berichterstattung in der örtlichen Presse über den Verlauf der damaligen Veranstaltung, die dem Gericht vorgelegt wurde, kann entnommen werden, dass an der Demonstration etwa 600 bis 650 - nach Angaben des Veranstalters sogar 800 - Personen teilgenommen haben, von denen nur etwa 70 dem sog. schwarzen Block" und damit eindeutig dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen waren. Nicht jedem (potentiellen) Teilnehmer der Veranstaltung kann deshalb ohne weiteres eine verfassungsschutzrechtlich relevante Nähe zum linksextremen Spektrum unterstellt werden, soweit nicht handgreifliche Anhaltspunkte - etwa szenetypische Verhaltensweisen im Rahmen der Demonstrationsteilnahme - in diese Richtung weisen. Die Feststellungen, die in Bezug auf den Kläger vor der Demonstration getroffen worden sind, sind nicht ausreichend, um ihn in seiner damaligen Situation als linksextremistischen Demonstrationsteilnehmer zu qualifizieren. Insoweit hat das Landesamt für Verfassungsschutz selbst hervorgehoben, dass im Rahmen der Beobachtung von Versammlungen wie derjenigen am 19. Januar 2008 auf diese Unterscheidung genau geachtet werde, weil die Notwendigkeit der Speicherung von Erkenntnissen sich hiernach bestimme.
Allerdings ist das Landesamt für Verfassungsschutz bei einer isolierten Betrachtung der den Gegenstand des streitbefangenen Dateneintrags darstellenden Feststellung auch nicht stehengeblieben. Es hat vielmehr im Ansatz durchaus zutreffend in den Blick genommen, dass die verfassungsschutzrechtliche Relevanz einer personenbezogenen Einzelerkenntnis anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Daten mit entsprechendem Erkenntniswert zu ermitteln ist, die über die Person in den geführten Datenregistern bereits erfasst sind. Insoweit hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz auf insgesamt sechs gespeicherte Eintragungen bezogen, die Feststellungen im Zusammenhang mit der Mitwirkung des Klägers an Veranstaltungen mit augenscheinlich linksextremistischem Hintergrund in der Zeitspanne zwischen August 1997 und Februar 2005 betreffen (vgl. dazu die im Tatbestand dieses Urteils wiedergegebene Darstellung in der schriftsätzlichen Klageerwiderung).
Dass die Verarbeitung dieser Erkenntnisse zum Zeitpunkt ihrer Einspeisung in die behördlichen Datenerfassungssysteme zulässig war, weil diese den Kläger augenscheinlich in die Nähe des linksextremistischen Spektrums rücken, steht für das Gericht außer Zweifel. Bezogen auf die etwa drei Jahre nach der letzten einschlägigen Erfassung des Klägers vorgenommene Speicherung der Information über die polizeiliche Feststellung am 19. Januar 2008 hat das Landesamt für Verfassungsschutz jedoch nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt, dass die Speicherungsbefugnis in Bezug auf personenbezogene Daten in sachlicher Hinsicht durch § 6 Abs. 1 HVerfSchG beschränkt ist, wonach Umfang und Dauer der Speicherung solcher Daten auf das für die Aufgabenerfüllung des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderliche Maß zu beschränken ist. Diese Einschränkung korrespondiert mit der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 2 HVerfSchG, die den Verfassungsschutzrechtlichen Sammlungsauftrag auf personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche - d. h. verfassungsfeindliche - Bestrebungen oder Tätigkeiten beschränkt.
Aus Sicht des Einzelrichters ist der streitbefangene Dateneintrag seinem objektiven Aussagegehalt nach auch bei Einbeziehung der Informationen, die sich zur Person des Klägers aus früheren Eintragungen in den beim Landesamt für Verfassungsschutz geführten Datenregistern ergeben, nicht geeignet, Aufschluss über seine nach wie vor bestehende Einbindung in linksextremistische Kreise oder der betreffenden Szene zuzurechnende Aktivitäten zu geben. Dass die den 19. Januar 2008 betreffenden Erkenntnisse über den Kläger hierüber letztlich nichts aussagen, wurde oben bereits in anderem Zusammenhang erläutert. Hinzu tritt, dass der Kläger bis zu seiner erneuten verfassungsschutzrechtlichen Erfassung im Jahr 2008 für eine Zeitspanne von etwa drei Jahren nicht durch einschlägiges Wirken auf sich aufmerksam gemacht hat, woran sich offensichtlich auch bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Gerichts nichts geändert hat. Dies kann angesichts der zuvor offensichtlich mehr oder weniger lückenlosen Beobachtung des Klägers und Weitergabe polizeilicher Erkenntnisse an das Landesamt für Verfassungsschutz durchaus als Indiz dafür gewertet werden, dass der Kläger seit etlichen Jahren zu einer politisch gemäßigteren Haltung gefunden hat. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eher den Eindruck hinterlassen, mit seiner Klage vor allem der verfassungsschutzrechtlichen Erfassung einer aus seiner Sicht durch die Einsatzpolizei willkürlich und zudem falsch interpretierten Situation entgegenwirken zu wollen. Von Seiten des Landesamtes für Verfassungsschutz wurden demgegenüber keine neuen personenbezogenen Erkenntnisse vorgetragen, die einer solchen Wertung entgegenstehen könnten.
Ob der Kläger die Löschung des streitbefangenen Eintrages auch deshalb beanspruchen kann, weil feststeht, dass die Speicherung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten nicht mehr erforderlich ist, um die Zwecke zu erfüllen, für die sie erhoben worden sind (§ 19 Abs. 3 HDSG), mag vor diesem Hintergrund letztlich dahinstehen. In diese Richtung könnte aber ebenfalls der Umstand weisen, dass über den Kläger seit Februar 2005 - mit Ausnahme der wie oben dargelegt über den Vorfall am 19. Januar 2008 unzulässig gespeicherten Erkenntnis - keine verfassungsschutzrechtlich relevanten Erkenntnisse mehr festgehalten worden sind. ..."
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Für die Aufnahme ungeeigneter Lehrkräfte in die sog. "Schwarze Liste" (Informationsliste der Schulverwaltung zur Vermeidung der Wiedereinstellung ungeeigneter Lehrkräfte in den hessischen Schuldienst) besteht eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 HDSG i.V.m. §§ 107 Abs. 1 und 4, 107 g Abs. 1, 107 d HGB). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Lehrkraft sich nicht durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennt, können sich aus der Gesamtschau einer Vielzahl von Mosaiksteinen ergeben:
a) Dazu gehört herausragendes Engagement für die "Republikaner" ebenso wie Mitgliedschaft und Kandidatur für ein Bürgerbündnis, dem nachweislich Neonazis und Rechtsextreme angehören.
b) Auch Auftritte bei Kundgebungen national-konservativer Organisationen, Interviews für die NPD-Zeitschrift und private Bindungen zu bekannten NPD-Funktionären dürfen mit berücksichtigt werden.
Ein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit ist mit dieser Speicherung nicht verbunden (VG Darmstadt, Urteil vom 24.08.2011 - 5 K 1685/10.DA zu Art 12 GG, § 34 I DSG HE, §§ 107 I, IV, 107 d BG HE u.a.).
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... Die Beteiligten streiten um die Löschung von Daten, die der Beklagte in Durchführung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (Brandenburgisches Verfassungsschutzgesetz - BbgVerfSchG) über den Kläger gespeichert hat. ...
Die Klage ist nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Schriftsätzen vom 20. Januar 2009 und vom 03. März 2009 hinsichtlich des ursprünglichen Begehrens auf Löschung und Änderung der Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage als solche zulässig (1.), hat aber in der Sache weder im Hauptantrag (2.) noch im Hilfsantrag (3.) Erfolg.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO), ob der Beklagte mit dem Bescheid vom 02. August 2006 die Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten zu Recht abgelehnt hat. Die Klägervertreter haben insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass sich dem Schriftsatz des Beklagten vom 13. September 2010 schlüssig entnehmen lässt, dass er die Daten über den Kläger nicht nur gespeichert, sondern auch an Dritte übermittelt hat.
Denn der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. September 2010 auf die entsprechende Aufforderung des Einzelrichters erklärt, die zum Kläger gespeicherten Daten weder an eine Polizeidienststelle, auch nicht an das Bundeskriminalamt, noch an einen ausländischen Nachrichtendienst übermittelt zu haben. Eine weitergehende Auskunft sei nicht möglich, da diese Daten Teil der geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen seien, die dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Sperrerklärung vorgelegen hätten.
Dieser Äußerung lässt sich schlüssig entnehmen, dass der Beklagte eine Übermittlung an inländische Nachrichtendienste nicht ausdrücklich verneint. Die entsprechende Schlussfolgerung des Klägers in dessen Schriftsatz vom 27. September 2010, der Beklagte habe die Daten an inländische Nachrichtendienste weitergegeben, hat der Beklagte bis heute nicht in Zweifel gezogen. Die Annahme des Klägers, inländische Nachrichtendienste (etwa das Bundesamt für Verfassungsschutz) verfügten über die vom Beklagten über den Kläger gespeicherten Daten und hätten diese z.B. an das Bundeskriminalamt weitergegeben, das daraus für den Kläger nachteilige Folgen abgeleitet habe oder die Daten seien (jedenfalls zum Teil) ins nachrichtendienstliche Informationssystem des Bundes und der Länder (NADIS) eingestellt worden und deshalb allen Nutzern dieses Systems zugänglich, ist nicht von der Hand zu weisen. Dies könnte auch die Probleme des Klägers mit den Schweizer Behörden und dem Bundeskriminalamt erklären. Aufgrund der Weitergabe würden die Informationen trotz der Löschung durch den Beklagten weiterhin durch (dem Kläger und dem Gericht unbekannte) Dritte nutzbar sein.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht mit der - für die Annahme einer Unzulässigkeit der Klage - erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren die Rechtsposition des Klägers in anderer Sache erheblich verbessern würde. Denn der Kläger hat insoweit zu Recht auf die Verfahren verwiesen, die er gegen die Speicherung und Verwendung von personenbezogenen Daten durch das Bundeskriminalamt und Schweizer Behörden angestrengt hat. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Speicherung durch den Beklagten könnte angesichts einer möglichen Übermittlung von Daten durch den Beklagten an das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Weitergabe dieser Daten an das Bundeskriminalamt unmittelbare Folgen für das gerichtliche Verfahren gegen das Bundeskriminalamt haben. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und/oder andere inländische Verfassungsschutzbehörden die ihnen vom Beklagten übermittelten Daten möglicherweise auch an Schweizer Behörden weitergegeben haben. Insofern könnte der Ausgang des vorliegenden Verfahrens auch für eine mögliche Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Schweizerischen Bundesverwaltungsgericht von Bedeutung sein (vgl. das Schreiben des Abteilungspräsidenten des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 2009). Darin hatte der Abteilungspräsident des schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts darauf hingewiesen, dass dem Kläger die Möglichkeit offen stehe, erneut ein Gesuch beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten einzureichen und die Löschung der in der Schweiz über ihn gespeicherten Daten zu beantragen, wenn gerichtlich festgestellt werden sollte, dass der Kläger zu Unrecht von deutschen Behörden registriert worden sei.
Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ablehnung der Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten mit dem ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 02. August 2006 rechtswidrig gewesen ist (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO).
Das ursprüngliche, mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnte Begehren des Klägers auf Löschung der über ihn gespeicherten Daten stützte sich auf § 8 Abs. 3 Satz 1 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes (BbgVerfSchG). Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten (u. a. dann) zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Dass die Speicherung der vom Beklagten in der Sperrerklärung vom 26. September 2007 bezeichneten Daten über den Kläger unzulässig gewesen wäre, kann der Einzelrichter nicht zu seiner Überzeugung feststellen.
Der Beklagte hat die Speicherung der Daten seinerseits auf § 8 Abs. 1 S. 1 BbgVerfSchG gestützt. Danach darf die Verfassungsschutzbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, speichern, verändern und nutzen, wenn
1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 vorliegen oder
2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 erforderlich ist.
Mit der Speicherung und Nutzung verbundene Eingriffe in den Schutzbereich des Grundrechtes der informationellen Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil 1 BvR 209/83 vom 15. Dezember 1983) sind durch die verfassungsgemäße Schrankenregelung des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes im überwiegenden Allgemeininteresse (Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung) gerechtfertigt, wenn deren Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt werden.
Der Beklagte hat behauptet, dass die Voraussetzungen für die Speicherung vorlägen, weil sich aus den Daten, deren Löschung er mit dem ursprünglich angefochtenen Bescheid abgelehnt hat, bezogen auf den Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG ergäben (vgl. die entsprechende Feststellung in der Sperrerklärung des Beklagten vom 26. September 2007, Seite 3, Bl. 57 der Gerichtsakte).
Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG sind solche, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BbgVerfSchG sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die in Abs. 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Nach § 4 Abs. 3 BbgVerfSchG zählen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes:
1. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte,
2. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
3. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
4. das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
5. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
6. die Unabhängigkeit der Gerichte und
7. der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.
Gemäß § 4 Abs. 4 BbgVerfSchG handelt für einen Personenzusammenschluss, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise sonst geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen.
Der Beklagte hat die Ablehnung des Löschungsantrags auf die Zulässigkeit der Datenspeicherung gestützt und diese damit begründet, dass sich aus den vom Kläger gespeicherten Informationen dessen Einbindung in die linksextremistische Szene Brandenburgs nachzeichnen lasse (Sperrerklärung des Beklagten vom 26. September 2007, Seite 1, Bl. 55 der Gerichtsakte).
Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Anhänger linksextremistischer Gruppen stellen
deshalb u.a. in Frage:
- die gegenwärtige Rechts- und Eigentumsordnung (Art. 14 des Grundgesetzes)
- die Ausübung der Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung und das Prinzip der repräsentativen Demokratie, also der Vertretung des Volkes durch ein in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl bestimmtes Parlament.
Sie richten sich damit gegen Grundbestandteile der (oben beschriebenen) freiheitlichen demokratischen Grundordnung und verfolgen diese Ziele auch unter Anwendung von Gewalt. Bekannt geworden sind etwa die Brandanschläge gegen Pkws in Berlin und regelmäßige gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei, in die sich die Vorgänge um den Schwarzen Block' bei der Demonstration gegen die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung am 02. Oktober 2004 nahtlos einreihen.
Vor diesem Hintergrund hat der Einzelrichter keine Zweifel daran, dass eine Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung oder linksextremistische Aktivitäten von Einzelpersonen als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG die - hierauf bezogene - Sammlung von Informationen und personenbezogenen Daten sowie deren Speicherung gemäß § 8 Abs. 1 BbgVerfSchG rechtfertigen können (vgl. hierzu auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil 6 C 22/09 vom 21. Juli 2010).
Voraussetzung hierfür ist jedoch gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 und § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgVerfSchG, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung oder für linksextremistische Aktivitäten von Einzelpersonen vorliegen.
Der Beklagte hat insoweit erklärt, tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung hätten sich zunächst aus dem Ausschnitt der über den Kläger gespeicherten Daten ergeben, der dessen Festnahme bei der Demonstration gegen die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung am 02. Oktober 2004 betraf. Die Annahme des tatsächlichen Vorliegens für Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG werde untermauert durch weitere beim Beklagten vorliegende ausschließlich sachbezogene Erkenntnisse. Danach hätten nämlich an der Protestaktion gegen die Arbeitsmarktreform auch rund 150 Anhänger der militanten linksextremistischen Szene teilgenommen. Ausschließlich aus einem dieser Szene zugeordneten Block, der das Ende der Bescheidenheit forderte', seien Farbeier geworfen worden. Nur in diesem Demonstrationsteil hätten sich auch die Demonstrationsteilnehmer vermummt. Es spreche daher eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch der Kläger aus dem Block der militanten linksextremistischen Demonstrationsteilnehmer stammte.Schließlich sei das Vorliegen von Bestrebungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG in der Person des Klägers auch durch weitere zum Kläger vorliegende personenbezogene Erkenntnisse untermauert, die jedoch geheimhaltungsbedürftig seien.
Nicht zu folgen ist dem Beklagten zunächst in dessen Auffassung, bereits die bei ihm vorliegenden Informationen über die Vorkommnisse am 02. Oktober 2004 rechtfertigten für sich genommen eine Erstspeicherung. Denn allein aus den Unterlagen des Polizeipräsidenten in Berlin (Beiakte II zur Gerichtsakte) lassen sich bei isolierter Betrachtung keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Zusammenhang des Klägers mit Gruppierungen der linksextremistischen Szene entnehmen. Weder wird darin festgestellt, dass der Kläger in dem so genannten Schwarzen Block' mitmarschiert wäre noch werden Äußerungen oder Handlungen des Klägers geschildert, die allein den Schluss auf linksextremistische Aktivitäten tragen könnten. Die Polizeibeamten haben vielmehr zunächst das Geschehen rings um die Farbeiwürfe protokolliert, um sodann - ohne sprachlich oder sonst einen Zusammenhang herzustellen - quasi separat die Festnahme des Klägers zu schildern. Der Kläger hat seinerseits substantiiert eine Version der Geschehnisse gegeben, die (ohne logische Widersprüche) eine Erklärung der Vorkommnisse auch ohne einen Bezug zum Schwarzen Block' erlauben würde (vgl. den Schriftsatz seiner Bevollmächtigten im Strafverfahren 81 Js 3413/04 vom 20. Juni 2005, Blatt 169 ff. der vorliegenden Gerichtsakte).
Das ursprüngliche Begehren des Klägers auf Löschung wäre allerdings unbegründet, wenn die Speicherung deshalb zulässig gewesen wäre, weil sich in den anderen, vom Beklagten in Bezug genommenen geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen Anhaltspunkte für Aktivitäten des Klägers in der linksextremistischen Szene befinden. Der Beklagte hat in der Sperrerklärung vom 26. September 2007 ausdrücklich behauptet, dass sich aus den nicht mitgeteilten Informationen die Einbindung des Klägers in die linksextremistische Szene Brandenburgs nachzeichnen lasse'.
Ob dies zutrifft, kann der Einzelrichter nicht feststellen.
Grund hierfür ist die Weigerung des Ministeriums des Innern als der für die Verfassungsschutzbehörde zuständigen obersten Aufsichtsbehörde, diese Informationen im gerichtlichen Verfahren vorzulegen. Die Weigerung hat der Staatssekretär im Ministerium des Innern u.a. damit begründet, dass die Bekanntgabe der Informationen Personen gefährden und die Aufgabenwahrnehmung des Verfassungsschutzes erschweren würde (Sperrerklärung vom 26. September 2007, Seite 1, Blatt 55 der Gerichtsakte). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und das Bundesverwaltungsgericht haben die Weigerung im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO für rechtmäßig erklärt.
Ist infolge einer Weigerung der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Urkunden oder Akten vorzulegen, im gerichtlichen Verfahren nicht feststellbar, ob in Akten des Landesamtes gespeicherte personenbezogene Daten tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG geben, so kann der Betroffene nicht die Löschung der gespeicherten Daten verlangen. Der Einzelrichter folgt insoweit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 34/05 vom 27. September 2006.
Darin hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Betroffener die Beifügung eines Unrichtigkeitsvermerks' nach § 13 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) nicht verlangen kann, wenn infolge einer Weigerung der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO, Urkunden oder Akten vorzulegen, im gerichtlichen Verfahren nicht feststellbar ist, ob in Akten des Bundesamtes gespeicherte personenbezogene Daten richtig oder unrichtig sind (vgl. BVerwG, Urteil 3 C 34/05 vom 27. September 2006, Rn. 19, zitiert nach juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Auffassung damit begründet, dass der Anspruch auf Vermerk der Unrichtigkeit in Akten gespeicherter personenbezogener Daten nach § 13 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz voraussetze, dass die Unrichtigkeit festgestellt werden. Lasse sich hingegen weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen, so könne der Betroffene lediglich die Beifügung eines Bestreitensvermerks verlangen.
Nach Auffassung des Einzelrichters kann für die Löschung von gespeicherten Daten nach § 12 Abs. 2 BVerfSchG bzw. (wie im vorliegenden Fall) nach § 8 Abs. 3 BbgVerfSchG nichts anderes gelten. Denn auch die Löschung von personenbezogenen Daten wird vom Gesetz nur dann verbindlich vorgeschrieben, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Lässt sich hingegen weder die Zulässigkeit noch die Unzulässigkeit der Speicherung feststellen, so kann der Betroffene ebenfalls nicht die Löschung der Daten, sondern allenfalls die Beifügung eines Bestreitensvermerks (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BbgVerfSchG) verlangen. Insofern ist die rechtliche Situation bei der Löschung keine andere als bei der Berichtigung von Daten nach § 12 Abs. 1 BVerfSchG. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass noch nicht einmal das allgemeine Datenschutzrecht eine Verpflichtung zur Berichtigung von Daten in non-liquet-Situationen' vorschreibe und dass nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die Tätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz stärker beschränken wollte als die Tätigkeit von Verwaltungsbehörden im allgemeinen. Der Einzelrichter macht sich die ausführliche Begründung des Bundesverwaltungsgerichts zu eigen (BVerwG, Urteil 3 C 34/05 vom 27. September 2006, Rn. 21 ff., zitiert nach juris).
Dem Bundesverwaltungsgericht ist auch darin zu folgen, dass mit dieser gesetzlichen Regelung zugleich auch über die Verteilung der Beweislast entschieden ist: Verlangt der Betroffene die Löschung von in Akten enthaltenen personenbezogenen Daten (oder wie im vorliegenden Fall die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung eines Löschungsantrags), so trägt er die Beweislast, wenn sich im Prozess weder die Zulässigkeit noch die Unzulässigkeit der Speicherung feststellen lässt.
Im vorliegenden Fall sind die Bemühungen um eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Einholung von Informationen außerhalb der Verfassungsschutzakten gescheitert; insbesondere konnten die Akten der Staatsanwaltschaft, die das Gericht nach dem Erörterungstermin angefordert hatte, nicht vorgelegt werden, weil diese bereits vernichtet worden waren (vgl. das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 19. April 2010, Blatt 148 der Gerichtsakte). Weitere Ermittlungsansätze hat weder der Kläger benannt noch sind diese sonst ersichtlich. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, allgemein zu bestreiten, dass er an linksextremistischen Zusammenkünften oder Zusammenkünften von linksextremistischen Personenzusammenhängen teilgenommen habe und dass er sich in oder für einen Personenzusammenschluss nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BbgVerfSchG beteiligt oder betätigt habe (vgl. den Schriftsatz der Klägervertreter vom 23. März 2010, Blatt 123 der Gerichtsakte). Zeugen oder andere Beweismittel für diese Behauptung hat er nicht benannt, sie sind auch sonst nicht ersichtlich (Zeugen hat der Kläger lediglich hinsichtlich der Vorfälle am 02. Oktober 2004 angeboten, vgl. den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 31. August 2010, Blatt 164 der Gerichtsakte).
Der Einzelrichter verkennt nicht, dass der Beweis des Nichtvorliegens von Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgVerfSchG als sogenannter Negativbeweis' im Einzelfall schwer zu führen sein kann. Allerdings ist auch insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu folgen, wonach auch die Schwierigkeit eines Negativbeweises grundsätzlich nicht die Verteilung der Beweislast ändert (vgl. Urteil 2 C 10.96 vom 30. Januar 1997, BVerwGE 104, 55 [58] und die weiteren Nachweise in dem oben zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts). Angesichts der beschriebenen gesetzlichen Regelung besteht auch für den vorliegenden Zusammenhang des Datenschutzrechts kein Anlass, von diesen Grundsätzen abzugehen.
Dies gilt schließlich auch, wenn man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berücksichtigt, wonach den besonderen Schwierigkeiten, denen die beweisbelastete Partei bei sog. negativen Tatsachen regelmäßig ausgesetzt ist, bei der Art und Weise der Beweisführung dadurch Rechnung zu tragen ist, dass der nicht Darlegungspflichtige näher vorträgt, was für das Positive spricht, und die darlegungspflichtige Partei alsdann dem entgegenstehende Tatsachen vorzutragen hat (BGH, Urteil III ZR 20/83 vom 13. Dezember 1984, NJW 1985, 1774). Hintergrund dieser sog. sekundären Darlegungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei sind Erwägungen der prozessualen Zumutbarkeit: Die zivilrechtliche Rechtsprechung erlegt dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei eine sekundäre Behauptungslast vor allem dann auf, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urteil I ZR 220/90 vom 08. Oktober 1992, NJW-RR 1993, 746).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in der bereits zitierten Entscheidung 3 C 34/05 vom 27. September 2006 zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Rechtsprechung vor dem Hintergrund der sog. Verhandlungsmaxime ergangen ist, die den Zivilprozess beherrscht, während der Verwaltungsprozess vom Grundsatz der Amtsermittlung geprägt wird. Schon deshalb schlägt sich die materielle Beweislast im Verwaltungsprozess nicht in einer prozessualen Darlegungslast nieder. Vielmehr sind die Beteiligten hier grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Verteilung der materiellen Beweislast zur Mitwirkung bei der Sachaufklärung verpflichtet (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO). Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass einem Beteiligten eine besondere Mitwirkungspflicht hinsichtlich solcher Umstände obliegt, die allein in seiner Sphäre liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1997 a.a.O. S. 58 f. bzw. S. 8 f.).
Der Beklagte aber war zu einer näheren Darlegung widerlegbarer Umstände' nicht verpflichtet, ja rechtlich gar nicht imstande. In der Diktion der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war ihm die nähere Darlegung rechtlich nicht möglich oder zumutbar'. Dem stand nämlich die Sperrerklärung des Innenministeriums nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO entgegen. Macht die oberste Aufsichtsbehörde von dieser Möglichkeit der Geheimhaltung rechtmäßig Gebrauch, so ist der im Prozess beteiligten Behörde insoweit eine nähere Darlegung aus Rechtsgründen nicht möglich. Dass die Sperrerklärung im vorliegenden Fall aber rechtmäßig war, steht nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO bindend fest.
Aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt nichts anderes. Auch insoweit kann auf die oben bereits zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen werden, das hierzu ausgeführt hat:
Dieses Grundrecht gewährleistet dem Betroffenen effektiven Rechtsschutz bei der Durchsetzung eines behaupteten Datenberichtigungsanspruchs. Die Rechtsschutzgarantie schließt ein, dass die Verwaltungsvorgänge, welche der behördlichen Weigerung, die Daten zu berichtigen, zugrunde liegen, dem Gericht zur Verfügung stehen, soweit sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Verhaltens von Bedeutung sein können (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 (122)). Art. 19 Abs. 4 GG schließt allerdings, obwohl er vorbehaltlos formuliert ist, Einschränkungen nicht von vornherein aus. Es ist anerkannt, dass Ansprüche auf Aktenvorlage, die sich dem Grunde nach aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben, eingeschränkt werden können, wenn das Bekanntwerden der Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Hierzu gehört auch der Schutz nachrichtendienstlicher Informationen, Informationsquellen und Arbeitsweisen sowie die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen an Informanten (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 a.a.O. S. 127 f.). Die Ansprüche aus Art. 19 Abs. 4 GG dürfen aber auch dann nur unter Wahrung derjenigen Anforderungen eingeschränkt werden, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 a.a.O. S. 124 f.).
§ 99 VwGO stellt eine verfassungsrechtlich einwandfreie Gesetzesgrundlage für die Einschränkung von Verfahrensansprüchen auf Aktenvorlage, Auskunft usw. dar. Namentlich lässt sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden, dass nach § 99 Abs. 2 VwGO die erforderliche Abwägung zwischen dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung im Prozess auf der einen und den öffentlichen Geheimschutzbelangen auf der anderen Seite nicht in dem Rechtsschutzverfahren selbst, sondern abschließend in einem gesonderten Zwischenverfahren erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 und 2111/03 - DVBl 2006, 694). Daraus folgt im Gegenschluss, dass dem Gericht im Hauptsacheverfahren eine eigenständige - ggf. abweichende - Bewertung der öffentlichen Geheimschutzbelange und deren Abwägung mit dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen verwehrt ist. Dies ist dem Hauptsachegericht auch gar nicht möglich, schon weil die oberste Aufsichtsbehörde nicht verpflichtet ist, die Gründe für ihre Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch im Hauptsacheverfahren mitzuteilen.
Wird im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtmäßig ist, so steht damit für das Hauptsacheverfahren bindend fest, dass die Aktenvorlage oder Auskunftserteilung aus Rechtsgründen nicht möglich ist, ohne dass es auf die Gründe hierfür noch ankäme. Gleichwohl gebieten Art. 19 Abs. 4 GG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass das Hauptsachegericht die ihm verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung vollständig ausschöpft und dass es die ihm zugänglichen Tatsachen sämtlich in seine Sachwürdigung einbezieht. Führt die Sperrerklärung dazu, dass bestimmte Umstände nicht aufklärbar bleiben oder dass die Aussagekraft festgestellter Tatsachen vermindert ist, so hat es auch dies angemessen zu würdigen. Dabei hat es sich im Zweifel an der gesetzlichen Verteilung der materiellen Beweislast zu orientieren (vgl. Beschlüsse vom 21. Juni 1993 - BVerwG 1 B 62.92 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 22 S. 13 und vom 1. Februar 1996 - BVerwG 1 B 37.95 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 24 S. 8 f.). Das gilt auch dann, wenn der Betroffene - wie hier - die materielle Beweislast trägt (vgl. Beschluss vom 15. August 2003 - BVerwG 20 F 8.03 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 34 S. 20 f. und dazu BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 und 2111/03 - Rn. 100 = DVBl 2006, 694 (697)). Art. 19 Abs. 4 GG gebietet nicht - lässt nicht einmal zu -, die jeweilige gesetzliche Verteilung der Beweislast zu verändern.'
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kann danach nicht davon ausgegangen werden, dass eine Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten deshalb geboten war, weil tatsächliche Anhaltspunkte für eine Einbindung des Klägers in die linksextremistische Szene und damit für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht bestünden, betrifft dies nicht nur die geheim gehaltenen Daten, die nach den Angaben des Beklagte diese tatsächlichen Anhaltspunkte enthalten, sondern auch die Angaben zu den Vorkommnissen am 02. Oktober 2004. Denn wenn aus Sicht des Beklagten zuvor bereits Informationen über eine Einbindung des Klägers in die linksextremistische Szene vorlagen, deren Löschung der Kläger nach dem vorstehenden nicht verlangen konnte, musste er auch das vermummte' Auftreten des Klägers auf einer Demonstration, bei der es auch zu Gewaltdelikten linksextremistischer Personen gekommen war, anders bewerten als bei einer (von ihm im gerichtlichen Verfahren angestellten) isolierten Betrachtung. Es handelt sich insoweit dann nämlich nicht um eine Erstspeicherung', die nur zulässig ist, wenn gerade die gespeicherten Daten tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen enthalten, sondern um Speicherung von zusätzlichen Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BbgVerfSchG. Danach darf die Verfassungsschutzbehörde auch Informationen speichern, die für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 BbgVerfSchG erforderlich sind (§ 8 Abs, 1 Satz 1 Nr. 2 BbgVerfSchG). Hierzu gehören jedenfalls Handlungen, die einen Anfangsverdacht für (möglicherweise politisch motivierte) Delikte nach dem Versammlungsgesetz oder entsprechende Gewaltdelikte (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) begründen. Denn § 4 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 1 BbgVerfSchG verpflichten die Verfassungsschutzbehörde insbesondere zur Sammlung von Informationen über gewalttätige (politische) Aktivitäten. Dass die Angaben der Polizeibeamten in den gespeicherten Protokollen jedenfalls einen solchen Anfangsverdacht rechtfertigten, zeigt auch die Tatsache, dass das Strafverfahren nicht wegen mangelnden Tatverdachts, sondern nach § 153a StPO eingestellt wurde. Ob sich der Anfangsverdacht im Rahmen eines Strafverfahrens hätte erhärten lassen, ist für den vorliegend streitbefangenen Anspruch auf Löschung der Daten ohne Belang. ..." (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 26.11.2010 - 3 K 1993/06)
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Die StPO beinhaltet in § 81b Alt. 2 StPO lediglich eine Erhebungsnorm, ohne den weiteren Umgang mit den danach erhobenen erkennungsdienstlichen Daten zu regeln oder gar eine Verwendung dieser Daten in eigener Kompetenz und Zuständigkeit nach Landespolizeirecht oder Bundeskriminalamtgesetz zuzulassen. In den §§ 479 ff. StPO ist nur der Datenumgang mit den personenbezogenen Daten geregelt, welche anlässlich eines konkoreten Strafverfahren zum Zwecke der Strafverfolgung in diesem konkreten Verfahren erhoben worden sind. Die bisherige ständige Rechtsprechung zu § 81b Alt. 2 StPO ist im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 15.12.1983 zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unter der Berücksichtigung der Novellierung der StPO mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 im Jahr 2000 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dem Gesetzgeber ist zur - weiteren - Verwendung ohne die erforderliche Rechtsgrundlage erhobener Daten keine Übergangsfrist einzuräumen, denn er wollte die Materie der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 abschließend regeln; eine durch die Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke ist wegen des dadurch erklärten Willens des Gesetzgebers nicht (mehr) gegeben. Eine Erhebung von Daten, welche anschließend weder verarbeitet noch genutzt werden dürfen ist wegen des Eingriffes in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i. V. mit Art. 2 I GG ohne normative Rechtsgrundlage nicht nur unverhältnismäßig, sondern rechtswidrig. Ein Verfahrensverzeichnis muss vor dem Einsatz des automatisierten Verfahrens (hier: POLAS Hessen) erstellt werden. Fehlt dieses, liegen bereits die formalen Voraussetzungen für die Verwendung personenbezogener Daten nicht vor. Bei der Prüffrist und Löschung gem. § 27 IV HessSOG ist auf jeden einzelnen Fall der Speicherung gesondert abzustellen. Anlass der Speicherung sind die jeweiligen Delikt- und Tatvorwürfe für sich getrennt, sie sind bei der Fristenberechnung jeder für sich zu betrachten. Für die automatisierten Dateien "KAN" und "Erkennungsdienst" beim Bundeskriminalamt fehlt es an der entsprechenden Errichtungsanordnung. Die Errichtungsanordnung ist gem. § 34 BKAG grundsätzlich vor der Einführung einer automatisierten Datei zu erfassen. Die Speicherung personenbezogener Daten in den Dateien des Bundeskriminalamtes ist unzulässig, weil es an der Rechtsverordnung gem. § 7 VI BKAG fehlt, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach §§ 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen. Die Richtlinien über die kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlung (KPS-Richtlinien) oder die Erkennungsdienstliche Richtlinie (ED-Richtlinie) sind keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Anwendung personenbezogener Daten beim Bundeskriminalamt (VG Gießen, Urteil vom 29.04.2002 - 10 E 141/01).
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Ein Anspruch auf Herausgabe einer über einen Betroffenenen geführten Akte besteht weder nach den allgemeinen noch den bereichsspezifischen Datenschutzgesetzen, noch handelt es sich hierbei um einen Ausfluss aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG. Die Selbstbestimmung über die Preisgabe von Daten fordert nicht zwingend auch die Rückgabe von Daten, welche Dritte einmal erlangt haben. Dem Betroffenen steht vielmehr neben einem Akteneinsichtsrecht grundsätzlich nur die Löschung und Sperrung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu. Für die Löschung von Aktenteilen findet § 27 HSOG Anwendung, wenn eine Behörde als Gefahrenabwehrbehörde (Verwaltungsbehörde) im Rahmen von Maßnahmen nach dem Hessischen Freiheitsentziehungsgesetz tätig wird. § 27 HSOG ist als bereichsspezifische Norm gegenüber dem Hessischen Datenschutzgesetz vorgreiflich. Mangels anderweitiger Regelung ist jedoch davon auszugehen, dass die Prüffristenverordnung abschließend und damit der Auffangtatbestand "sonstige Personen" gegeben ist - auch wenn § 4 PrüffristVO nur auf Daten in anderen Dateien abstellt. Auskunft nach § 29 HSOG kann insoweit nicht verlangt werden, als die Abwägung ergibt, dass die Rechte des Betroffenen hinter dem öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung oder dem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse Dritter zurücktreten müssen. Die Entscheidung trifft die Behördenleitung oder ein von dieser beauftragter Bediensteter. Eine pauschale Verweigerung einer Auskunft über den Akteninhalt darf nicht erfolgen. Das Widerspruchsrecht gegen weitere Nutzung personenbezogener Daten nach § 7 V HDSG wurde im Bereich des Polizeirechts nicht ausgeschlossen (VG Gießen, Urteil vom 14.02.2000 - 10 E 2505/99).
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§ 28 Verfahrensverzeichnis
(1) Wer für den Einsatz eines Verfahrens zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten zuständig ist, hat ein für den behördlichen Datenschutzbeauftragten bestimmtes Verfahrensverzeichnis zu erstellen. Sein Inhalt bestimmt sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 des Hessischen Datenschutzgesetzes. Es hat außerdem Prüffristen nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zu enthalten.
(2) Die Angaben des Verfahrensverzeichnisses können bei der datenverarbeitenden Stelle von jeder Person eingesehen werden, soweit dadurch die Sicherheit des Verfahrens nicht beeinträchtigt wird oder die datenverarbeitende Stelle eine Einsichtnahme im Einzelfall mit der Erfüllung ihrer Aufgaben für unvereinbar erklärt. § 29 Abs. 5 Satz 1 gilt entsprechend.
(3) Sind nach besonderen Rechtsvorschriften Verfahrensverzeichnisse oder Errichtungsanordnungen zu erstellen, treten diese an die Stelle des Verfahrensverzeichnisses nach Abs. 1.
§ 29 Auskunft und Unterrichtung
(1) Der betroffenen Person ist auf Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über
1. die zu ihrer Person gespeicherten Daten,
2. die Herkunft der Daten und die Empfängerinnen oder die Empfänger von Übermittlungen, soweit dies festgehalten ist,
3. den Zweck und die Rechtsgrundlage der Speicherung und sonstigen Verarbeitung.
In dem Antrag soll die Art der Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden. Bei einem Antrag auf Auskunft aus Akten kann erforderlichenfalls verlangt werden, dass Angaben gemacht werden, die das Auffinden der Daten ohne einen Aufwand ermöglichen, der außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person geltend gemachten Informationsinteresse steht. Kommt die betroffene Person dem Verlangen nicht nach, kann der Antrag abgelehnt werden. Statt einer Auskunft über Daten in Akten können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden der betroffenen Person Akteneinsicht gewähren.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden.
(3) Abs. 1 gilt außerdem nicht, soweit eine Abwägung ergibt, dass die dort gewährten Rechte der betroffenen Person hinter dem öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung oder einem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse Dritter zurücktreten müssen. Die Entscheidung trifft die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter.
(4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf einer Begründung insoweit nicht, als durch die Mitteilung der Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde.
(5) Wird Auskunft nicht gewährt, ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Datenschutzbeauftragte oder den Datenschutzbeauftragten wenden kann. Dies gilt nicht in den Fällen des Abs. 1 Satz 4. Die Mitteilung der Datenschutzbeauftragten oder des Datenschutzbeauftragten an die betroffene Person darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der speichernden Stelle zulassen, sofern sie nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt.
(6) Wurden personenbezogene Daten durch eine verdeckte Datenerhebung erlangt, sind die betroffenen Personen hierüber nach Abschluss der Maßnahme auch ohne Antrag zu unterrichten. Betroffen sind die Person, gegen die sich die Maßnahme gerichtet hat, deren Gesprächspartner sowie der Inhaber einer Wohnung in den Fällen des § 15 Abs. 4. Die Unterrichtung unterbleibt, soweit dies im überwiegenden Interesse der Person liegt, gegen die sich die Maßnahme gerichtet hat, oder wenn die Ermittlung der betroffenen Person oder deren Anschrift einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordern würde. Eine Unterrichtung unterbleibt ferner, solange sie den Zweck der Maßnahme, ein sich an den auslösenden Sachverhalt anschließendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder Leib, Leben oder Freiheit einer Person gefährden würde. Die Entscheidungen nach Satz 3 und 4 trifft die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter. Über die Zurückstellung der Unterrichtung ist der Hessische Datenschutzbeauftragte spätestens sechs Monate nach Abschluss der Maßnahme und danach in halbjährlichen Abständen in Kenntnis zu setzen.
(7) Sind die personenbezogenen Daten in ein anhängiges Strafverfahren eingeführt, so ist vor Erteilung der Auskunft oder vor der Unterrichtung die Zustimmung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Anspruch auf Herausgabe einer über einen Betroffenenen geführten Akte besteht weder nach den allgemeinen noch den bereichsspezifischen Datenschutzgesetzen, noch handelt es sich hierbei um einen Ausfluss aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG. Die Selbstbestimmung über die Preisgabe von Daten fordert nicht zwingend auch die Rückgabe von Daten, welche Dritte einmal erlangt haben. Dem Betroffenen steht vielmehr neben einem Akteneinsichtsrecht grundsätzlich nur die Löschung und Sperrung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu. Für die Löschung von Aktenteilen findet § 27 HSOG Anwendung, wenn eine Behörde als Gefahrenabwehrbehörde (Verwaltungsbehörde) im Rahmen von Maßnahmen nach dem Hessischen Freiheitsentziehungsgesetz tätig wird. § 27 HSOG ist als bereichsspezifische Norm gegenüber dem Hessischen Datenschutzgesetz vorgreiflich. Mangels anderweitiger Regelung ist jedoch davon auszugehen, dass die Prüffristenverordnung abschließend und damit der Auffangtatbestand "sonstige Personen" gegeben ist - auch wenn § 4 PrüffristVO nur auf Daten in anderen Dateien abstellt. Auskunft nach § 29 HSOG kann insoweit nicht verlangt werden, als die Abwägung ergibt, dass die Rechte des Betroffenen hinter dem öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung oder dem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse Dritter zurücktreten müssen. Die Entscheidung trifft die Behördenleitung oder ein von dieser beauftragter Bediensteter. Eine pauschale Verweigerung einer Auskunft über den Akteninhalt darf nicht erfolgen. Das Widerspruchsrecht gegen weitere Nutzung personenbezogener Daten nach § 7 V HDSG wurde im Bereich des Polizeirechts nicht ausgeschlossen (VG Gießen, Urteil vom 14.02.2000 - 10 E 2505/99).
§ 30 Vorladung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Person schriftlich oder mündlich vorladen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Die Polizeibehörden können eine Person ferner schriftlich oder mündlich vorladen, wenn dies zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.
(2) Bei der Vorladung soll deren Grund angegeben werden. Bei der Festsetzung des Zeitpunkts soll auf den Beruf und die sonstigen Lebensverhältnisse der betroffenen Person Rücksicht genommen werden.
(3) Leistet eine betroffene Person der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden,
1. wenn die Angaben der betroffenen Person zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind oder
2. zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.
(4) Die zwangsweise Vorführung bedarf außer bei Gefahr im Verzug der richterlichen Anordnung. Für das Verfahren gilt § 33 Abs. 2 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde ihren Sitz hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine "Meldeauflage" für einen angeblich gewaltbereiten Fußballfan für die Zeit eines Fußballspiels, in dessen Zusammenhang gewalttätige Auseinandersetzungen erwartet werden dürfen, setzt regelmäßig die Anhörung des Betroffenen voraus ( VG Oldenburg, Urteil vom 26.06.2012 - 7 A 3177/12).
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Die Anordnung einer polizeilichen Vorführung zur Erfüllung der Meldepflicht nach dem Hessischen Meldegesetz richtet sich nach § 30 IV i. V. mit § 33 II 1 HessSOG, nicht nach § 79 HessVwVG. Zuständig ist das AG. Eine polizeiliche Vorführung kommt unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann in Betracht, wenn die Meldebehörde zur Fortschreibung des Melderegisters noch Informationen benötigt und diese nicht auf andere Weise leichter beschaffen kann (VG Gießen, Beschluss vom 28.08.1998 - 10 G 1342/98).
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§ 31 Platzverweisung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Die Platzverweisung kann ferner gegen eine Person angeordnet werden, die den Einsatz der Feuerwehr oder andere Hilfs- oder Rettungsmaßnahmen behindert.
(2) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Person bis zu einer richterlichen Entscheidung über zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten ihrer Wohnung und des unmittelbar angrenzenden Bereichs verweisen, wenn dies erforderlich ist, um eine von ihr ausgehende gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnern derselben Wohnung abzuwehren. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ein Betretungsverbot angeordnet werden. Eine solche Maßnahme darf die Dauer von vierzehn Tagen nicht überschreiten. Die Maßnahme kann um weitere vierzehn Tage verlängert werden, wenn bis zu diesem Zeitpunkt eine wirksame richterliche Entscheidung über den zivilrechtlichen Schutz nicht getroffen worden ist. Das Gericht hat der zuständigen Gefahrenabwehrbehörde oder der Polizeibehörde die Beantragung des zivilrechtlichen Schutzes sowie den Tag und den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.
(3) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich innerhalb einer Gemeinde eine Straftat begehen wird, so können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörde ihr für eine bestimmte Zeit verbieten, diesen Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten, es sei denn, sie hat dort ihre Wohnung oder sie ist aus einem vergleichbar wichtigen Grund auf das Betreten des Bereichs angewiesen (Aufenthaltsverbot). Das Aufenthaltsverbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken. Das Verbot darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten. Die Vorschriften des Versammlungsrechts bleiben unberührt.
Leitsätze/Entscheidungen:
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist eine "Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" nicht zulässig. Es erscheint zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützte Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird (VGH Hessen, Beschluss vom 30.09.2011 - 8 B 1329/11 zu § 80 Abs 5 VwGO, §§ 31, 11 HSOG, Art 19 Abs 4 GG):
... Der Antragsteller wehrt sich gegen die sofortige Vollziehung einer polizeilichen Verfügung. Er ist mit seiner Ehefrau Miteigentümer des Einfamilienhausgrundstücks A-Straße in A-Stadt, das die Eheleute in getrennten Bereichen bewohnten. Aufgrund der Anzeige seiner Ehefrau über eine dort am Vortrag gegen sie begangene Tätlichkeit des Antragstellers wurden diesem am 23. Mai 2011 an seiner Arbeitsstelle durch eine Polizeistreife mündlich und mit schriftlicher Bestätigung in Form eines ausgefüllten und ausgehändigten Vordrucks eine für sofort vollziehbar erklärte und bis 6. Juni 2011 befristete Wegweisungsverfügung und Betretungs-, Aufenthalts-, Kontakt- und Annäherungsverbote erteilt. ...
Es erscheint zwar auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützt Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird, da sich § 31 HSOG auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person an einem bestimmten Ort bezieht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 11 TG 2548/02 - NVwZ 2003 S. 1400 ff. = juris Rdnrn. 4 ff.), während sich das Kontakt- und Annäherungsverbot auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person in der Nähe einer anderen Person, an welchem Ort diese sich auch immer aufhält, und damit auf eine unterschiedliche Gefahrenlage bezieht. Diese Frage kann aber wegen des von vornherein fehlenden Rechtsschutzinteresses für die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde auch nicht einer nur vorübergehenden Klärung zugeführt werden. ..."
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Für Aufenthaltsverbote gibt es im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung keine Rechtsgrundlage. Die polizeiliche Generalklausel des § 11 HessSOG kann nicht herangezogen werden, da § 31 HessSOG die Möglichkeiten einer Aufenthaltsbeschränkung speziell und abschließend regelt (VGH Kassel, Beschluss vom 28.01.2003 - 11 TG 2548/02, NJW 2004, 1546).
*** (VG)
Weder aus Bundesrecht (§ 1 BORA, § 3 BRAO, Art. 2, 12 GG) noch aus Landesrecht (Nds. SOG) ergibt sich ein genereller Anspruch des Rechtsanwaltes, bei der Durchsetzung eines Platzverweises gegenüber seinem Mandanten unmittelbar vor Ort anwesend zu sein. Ein solches Beistandsrecht besteht ausnahmsweise dann, wenn die Anwesenheit des Rechtsanwaltes die polizeiliche Arbeit nicht behindert, sie zum Schutz besonderer Gefahren für den Mandanten geboten ist oder sein Rechtsschutz sonst faktisch leerliefe (hier verneint; OVG Lüneburg. Urteil vom 30.08.2012 - 11 LB 372/10):
... III. Die demnach zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
Soweit die Klage hinsichtlich des ersten und dritten Teilkomplexes begründet ist, ergibt sich dies zwar weder unmittelbar aus dem Schreiben der Beklagten vom 12. Oktober 2006 (1) noch aus der Berufsordnung der Rechtsanwälte (= BORA), der Bundesrechtsanwaltsordnung (= BRAO) oder Art. 12 Abs. 1 GG (2), dafür aber aus dem Fehlen der insoweit erforderlichen Voraussetzungen des Nds. SOG (3 a und c). Der im zweiten Teilkomplex streitige Verweis der Kläger aus dem inneren Ring um die Pyramide stellt sich hingegen als Durchsetzung eines rechtmäßigen Platzverweises nach § 17 Nds. SOG dar, so dass die Klage insoweit unbegründet ist (3 b).
1. Dem Schreiben der Beklagten vom 12. Oktober 2006 kommt für die Beurteilung der streitigen Maßnahmen keine selbstständige Bedeutung zu.
Es lässt sich insbesondere mangels konkreten Bezuges nicht als Zusicherung i. S. d. § 1 NVwVfG i. V. m. § 38 VwVfG, d.h. auf den Erlass oder Nichterlass eines Verwaltungsaktes, etwa (k)eines Platzverweises, gerichtet, verstehen.
Aus dem gleichen Grund scheidet auch ein Verständnis als sonstige Zusage aus, die auf die Vornahme oder Nichtvornahme eines polizeilichen Realaktes, etwa das Unterbleiben einer Kontrolle oder die exakte Begrenzung ihres Inhaltes, gerichtet ist.
Zudem kann schon wegen der Vielzahl möglicher Konfliktfälle im Rahmen der Castorstöraktionen nicht angenommen werden, die Beklagte habe sich mit ihrem offenbar bewusst offen gehaltenen Schreiben vom 12. Oktober 2006 im Sinne einer allgemeinen Begünstigung der Kläger binden wollen.
Ist also über die Rechtmäßigkeit der streitigen Maßnahmen gegenüber Rechtsanwälten von der Beklagten nicht vorab einzelfallbezogen durch ihr Schreiben vom 12. Oktober 2006 verbindlich entschieden worden, so kommt es auf die allgemeine Rechtslage an. Insoweit gilt:
2. a) Aus der BORA (§ 1) können sich schon wegen ihrer Rechtsnatur als Satzung und der nach § 59b BRAO entsprechend begrenzten Satzungskompetenz (vgl. nur Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., BerufsO Einf., Rn. 62) keine konstitutiven Ansprüche gegenüber Dritten - hier gerichtet auf ein Zugangs- und Anwesenheitsrecht bei präventiv-polizeilichen Maßnahmen - ergeben. Im Übrigen spricht ohnehin Überwiegendes dafür, dass in dem von den Klägern in Anspruch genommenen § 1 BORA nicht nur anwaltliche Berufspflichten, sondern auch lediglich unverbindliche Leitbilder für die anwaltliche Tätigkeit formuliert sind (vgl. Hartung, a. a. O, BerufsO, § 1, Rn. 69), soweit der Rechtsanwalt etwa nach § 1 Abs. 3 BORA "als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern" hat.
2. b) Wie sich aus der bereits von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 28.4.1981 - 2 C 51/78 -, BVerwGE 62, 169 ff; ergänzend Beschl. v. 19.3.1976 - II WDB 1/76 -, NJW 1976, 2032, 2034) ergibt, lässt sich ein eigenständiges anwaltliches Zugangs- und Anwesenheitsrecht auch nicht aus § 3 Abs. 2 BRAO ableiten. Danach kann zwar das Recht des Anwaltes, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden. Unabhängig davon, ob es sich bei den hier streitigen polizeilichen Maßnahmen zur Beseitigung der von der Pyramide ausgehenden Störungen überhaupt um "Rechtsangelegenheiten" handelte und ob das streitige Beistandsrecht der Kläger als Form des "Auftretens" anzusehen ist, steht das in § 3 Abs. 2 BRAO enthaltene anwaltliche Recht zum Auftreten in Rechtsangelegenheiten nach der Systematik des § 3 BRAO und bei verfassungskonformer Auslegung der BRAO, d. h. unter Berücksichtigung der dem Bund nicht zustehenden Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens beim Vollzug von Landesrecht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1973 - 1 C 70/67 - juris, Leitsatz 3), jedenfalls unter dem Vorbehalt, dass dem Mandanten nach dem jeweiligen Fachrecht überhaupt die Möglichkeit eröffnet ist, sich anwaltlich vertreten zu lassen, oder genauer - wie hier konkret streitig -, sich anwaltlichen Beistandes unmittelbar vor Ort zu bedienen.
Jedenfalls diese konkrete, hier streitige Form des anwaltlichen Beistandes lässt sich jedoch für den Mandanten allgemein weder aus § 3 Abs. 3 BRAO unmittelbar (aa) noch aus dieser Bestimmung i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG (bb) oder Art. 2 Abs. 2 GG (cc) oder dem Nds. SOG (dd) ableiten.
aa) Denn § 3 Abs. 3 BRAO stellt das "jedermann" zustehende Recht, "sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen", gerade unter einen entsprechenden Gesetzesvorbehalt, verweist insoweit also auf das jeweils maßgebliche (Landes-)Fachrecht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1973 - 1 C 70/67 -, juris, Leitsatz 2; unklar Pestke, BRAK-Mitt. 1998, 241, 243 f.).
bb) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet zwar über den Wortlaut hinaus nicht nur überhaupt Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, sondern auch, dass dieser möglichst lückenlos und effektiv ist (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 20.6.2012 - 2 BvR 865/11 -, juris, Rn. 19, m. w. N.). Er bezieht sich aber grundsätzlich auf den Rechtsschutz durch Gerichte, d. h. auf das gerichtliche Verfahren, und im Wege der Vorwirkung auf vorgelagerte Verwaltungsverfahren nur insoweit, als ihre Ausgestaltung gerichtlichen Rechtsschutz nicht unzumutbar erschweren oder unmöglich machen darf (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.4.1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 -, BVerfGE 69, 1, 49). Aus der so verstandenen Vorwirkung können sich deshalb etwa behördliche Dokumentationspflichten ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 -, juris, Rn. 67), aber keine generelle Pflicht der Behörde, bei (präventiv-)polizeilichen Verfahrenshandlungen stets einen anwaltlichen Beistand des Betroffenen zum Schutz der Verfahrensrechte des Mandanten oder zur Verhinderung behördlicher Übergriffe zuzulassen (vgl. zum Strafverfahren BVerfG, Beschl. v. 5.7.2006 - 2 BvR 1317/05 -, NVwZ 2007, 204 f., m. w. N.).
cc) Aus dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht auf körperliche Unversehrtheit können sich darüber hinaus ebenfalls spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen besondere situationsbedingte Grundrechtsgefährdungen ergeben, wenn sich der Betroffene etwa in einer Situation außerordentlicher (behördlicher) Abhängigkeit befindet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 -, juris, Rn. 68 f.). Eine solche Situation liegt bei polizeilichen Maßnahmen im öffentlichen Verkehrsraum - wie hier - jedoch weder allgemein vor noch war sie - entgegen des Vorbringens der Kläger - in der Nacht zum 12. und 13. November 2006 in Langendorf gegeben. Denn bis zum Erlass des Platzverweises war der Zugang zu der Pyramide und den dort angeketteten Personen allgemein möglich. Danach bestand außerhalb des inneren Ringes für eine Mehrzahl von Personen grundsätzlich eine, wenn auch zeitweilig eingeschränkte, Beobachtungsmöglichkeit. Zudem wurde der Polizeieinsatz von mehreren Kamerateams dokumentiert. Ein Zustand der Abgeschlossenheit und einer dadurch bedingten außerordentlichen Abhängigkeit, wie er etwa bei einer Inhaftierung oder Unterbringung zu bejahen sein kann, war daher für die angeketteten Personen nicht gegeben und konnte daher ein anwaltliches Beistandsrecht als spezielle verfahrensmäßige Sicherung nicht begründen. Im Übrigen wird dem Betroffenen ein solches Recht - soweit ersichtlich - nicht einmal in den zuvor angeführten Situationen während der Haft oder der Unterbringung eingeräumt; dem Rechtsanwalt stehen insoweit vielmehr nur zeitlich befristete Besuchsrechte zu, vgl. etwa § 27 NJVollzG und § 20 Abs. 1 Satz 2 MVollzG.
dd) Kann sich somit ein Recht eines von einer präventiv-polizeilichen Maßnahme Betroffenen auf unmittelbaren anwaltlichen Beistand vor Ort nur aus dem Nds. SOG als Fachrecht ergeben, so lässt sich diesem ein solches jedenfalls allgemein, d.h. losgelöst von der Art der jeweiligen polizeilichen Maßnahme, weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen. Das Nds. SOG enthält dazu keine ausdrückliche Regelung. In dem bereits zuvor angeführten § 12 Abs. 5 Satz 2 Nds. SOG sowie etwa auch in den §§ 30 Abs. 7, 35a Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG jeweils i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO wird der berufsbedingten Sondersituation eines Rechtsanwaltes teilweise Rechnung getragen. Daneben besteht gemäß § 20 Abs. 2 Nds. SOG bei einer Ingewahrsamsnahme ein Recht des Betroffenen auf Hinzuziehung einer Person des Vertrauens, also auch eines Rechtsanwaltes, sowie nach §§ 23 Abs. 2 Satz 2, 25 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG bei Durchsuchungen von Sachen und Wohnungen ebenfalls ein Recht auf Hinzuziehung einer anderen Person. Soweit das Nds. SOG im Übrigen zu einem anwaltlichen Beistandsrecht schweigt, mag dieses Schweigen einen solchen anderweitig, insbesondere aus höherrangigem Recht, abgeleiteten Anspruch im Einzelfall nicht ausschließen, das Beistandsrecht besteht danach aber jedenfalls nicht eigenständig auf Grund des Nds. SOG allgemein oder für eine Vielzahl von polizeilichen Standardmaßnahmen.
2. c) Schließlich lässt sich ein allgemeines anwaltliches Beistandsrecht unmittelbar vor Ort bei (präventiv-)polizeilichen Maßnahmen gegenüber einem Mandanten auch nicht unmittelbar auf Art. 12 Abs. 1 GG stützen.
Zwar fällt auch ein solches Recht nach der vom Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.7.1987 - 1 BvR 537/81 und 195/87 -, NJW 1988, 191, 193) eingeführten und in § 1 Abs. 3 BORA mit geringfügigen sprachlichen Modifikationen aufgegriffenen Beschreibung der anwaltlichen Tätigkeit, wonach der Rechtsanwalt
"als unabhängiges Organ der Rechtspflege und als der berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden die Aufgabe hat, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen, das Gericht - und ebenso Staatsanwaltschaft oder Behörden - vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren und diesen vor verfassungswidriger Beeinträchtigung oder staatlicher Machtüberschreitung zu sichern; insbesondere soll er die rechtsunkundige Partei vor der Gefahr des Rechtsverlustes schützen";
grundsätzlich sachlich in den Schutzbereich der anwaltlichen Berufsfreiheit. Dies gilt allerdings nicht unabhängig vom Aufenthaltsort des (potentiellen) Mandanten und von der Art der polizeilichen Maßnahme.
Soweit sich der (potentielle) Mandant nämlich an Orten mit allgemein beschränktem Zugang, insbesondere etwa bei Sachen im Verwaltungsgebrauch oder an sonstigen grundsätzlich der Allgemeinheit nicht zugänglichen Orten, etwa in einem Sicherheitsbereich i. S. d. § 2 Abs. 2 UZwGBW oder - wie hier aus den folgenden Gründen - in einem der Allgemeinheit rechtmäßig nicht zugänglichen Polizeieinsatzgebiet, befindet, ist nicht die grundrechtliche Abwehrfunktion, sondern die Teilhabefunktion in Form der Gewährung eines Zugangsrechts angesprochen (vgl. zum Unterschied allgemein etwa Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 11. Aufl., Vorb. vor Art. 1, Rn. 5 ff., 8, sowie für die Versammlungsfreiheit BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 65). Hierüber hat der jeweilige Normgeber unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 12 GG zu entscheiden bzw. hilfsweise ist hierüber im Einzelfall bei der Normanwendung zu befinden. Dieser Rechtsgedanke einer Trennung zwischen dem Recht auf allgemeine anwaltliche Vertretung und einem gesondert zu beurteilenden, engeren Voraussetzungen unterliegenden Recht auf unmittelbaren anwaltlichen Beistand bei einzelnen Maßnahmen liegt auch den jeweils als Vergleich in Betracht kommenden anwaltlichen Zugangs- und Anwesenheitsrechten etwa in Haft- (vgl. § 27 NJVollzG) oder Maßregelvollzugsanstalten (§ 20 Abs. 1 Satz 2 MVollzG) oder bei Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren zu Grunde (vgl. etwa §§ 168 c und d StPO zum Anwesenheitsrecht (nur) bei richterlichen Vernehmungen und richterlichem Augenschein neben dem in § 137 StPO normierten allgemeinen Recht auf Wahl eines Verteidigers "in jeder Lage des Verfahrens"). In den bezeichneten Normen wird von Besuchsrechten bzw. Rechten zur Anwesenheit des Rechtsanwaltes (Verteidigers), nicht aber von der besonders legitimationsbedürftigen Begrenzung eines ihm ohnehin bereits grundsätzlich zustehenden Rechts ausgegangen. Soweit nach ausdrücklicher Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG insbesondere in Prüfungsverfahren, aber etwa auch beim Vorstellungsgespräch mit einem Beamtenbewerber (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1981 - 2 C 51/78 -, BVerwGE 62, 169 ff.) der die anwaltliche Vertretung regelnde § 14 VwVfG (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 14, Rn. 4 f., m. w. N.) nicht gilt, schließt dies jeweils auch nur die Teilnahme eines Rechtsanwaltes als Beistand an dem Vorstellungs- bzw. Prüfungsgespräch, nicht aber die anwaltliche Vertretung in den übrigen, nicht "prüfungsspezifischen" Teilen des Verwaltungsverfahrens aus (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 2, Rn. 46). Bei einem abweichenden Verständnis, d.h. bei der Annahme, das Recht auf anwaltliche Vertretung beinhalte stets auch den Anspruch auf unmittelbaren Beistand des Rechtsanwaltes "vor Ort", gäbe es grundsätzlich auch ein Recht eines Beamten, Richters oder Soldaten auf anwaltlichen Beistand bei jeder Form der Berufsausübung bzw. von Schülern oder Studenten an öffentlichen Einrichtungen auf Begleitung in allen Angelegenheiten ihrer Ausbildung, was kaum angenommen werden kann.
Zusätzlich ist ein anwaltliches Beistandsrecht vom jeweiligen Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abhängig. Während es - wie für den Normalfall in § 3 Abs. 2 BRAO geregelt - in einem gerichtlichen oder förmlichen Verwaltungsverfahren naheliegt, ist ein Anspruch auf anwaltlichen Beistand im Gefahrenabwehrrecht bei einer Störung oder gar bei der Ausübung einer Straftat - eine Vertretung im Wortsinn scheidet hier schon aus tatsächlichen Gründen aus - fernliegend. Denn der Rechtsanwalt ist nach § 3 Abs. 1 BRAO der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, nach § 1 BRAO ist er aber zugleich ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Eine Beratung des Mandanten im Sinne der Unterstützung bei einer Störung oder gar einer Straftat wäre damit unvereinbar. Die geschützte anwaltliche Beratungstätigkeit kann sich dann vielmehr nur auf die möglichst umgehende und für seinen Mandanten schonende Beendigung der Störung bzw. Straftat beziehen.
3. Kommt es somit für ein anwaltliches Zugangs- und Anwesenheitsrecht, d.h. ein Beistandsrecht zu Gunsten (potentieller) Mandanten auf die Art der jeweiligen Polizeimaßnahme nach dem Nds. SOG bzw. ggf. auch nach dem Versammlungsrecht an, so gilt hinsichtlich der vorgenannten drei Teilkomplexe Folgendes:
a) Die Maßnahmen im ersten Teilkomplex, nämlich das länger andauernde Aufhalten der Kläger an den äußeren Sperrlinien und ihre weitergehende Kontrolle, waren rechtswidrig (bezogen auf die Anträge zu 1 bis 3).
Es ist trotz mehrfacher Nachfragen schon nicht hinreichend deutlich geworden, auf welcher Rechtsgrundlage die Sperrlinien um bzw. in Langendorf überhaupt eingerichtet und mit welchem genauen Ziel die Kläger dort aufgehalten und kontrolliert worden sind. Dies brauchte letztlich aber nicht näher geklärt zu werden, da die Beklagte aus den folgenden Gründen nach keiner der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu diesen Maßnahmen legitimiert war.
aa) Soweit sie in der mündlichen Verhandlung § 12 Nds. SOG als Rechtsgrundlage benannt hat, ergibt sich daraus gemäß Absatz 4 Satz 1 nur die Befugnis, eine zur Auskunft verpflichtete Person zum Zweck der Befragung "kurzzeitig anzuhalten".
(aaa) Damit ist schon nach dem Wortlaut nur die dazu erforderliche Zeitspanne gemeint; weitergehende Maßnahmen, etwa ein vom "Anhalten" zu unterscheidendes "Festhalten", bedürfen einer anderen Rechtsgrundlage. Die mehr als zwanzig Minuten, die die Kläger an den Sperrlinien zumindest verbracht haben, überschritten jedoch die zur Befragung zu ihrer Person notwendige Zeitspanne erheblich mit der Folge, dass sie nicht nur "angehalten" worden sind. Dass die Kläger entsprechend lange aufgehalten worden sind, ergibt sich aus den polizeilichen Verlaufsberichten, wird von der Beklagten eingeräumt und erforderte deshalb keine Beweisaufnahme.
(bbb) Soweit sich die Kläger in diesem Zusammenhang weiterhin gegen das Verlangen wenden, zusätzlich zum Anwaltsausweis ihre Personalausweise mit ihren von Polizeibeamten notierten Wohnadressen vorzeigen zu müssen, beinhaltet § 12 Abs. 2 Nds. SOG zwar auch eine Pflicht, über die Anschrift der Hauptwohnung, die aus dem Personal-, nicht aber aus dem Anwaltsausweis ersichtlich ist, Auskunft zu erteilen. Auch diese Auskunftspflicht besteht aber nach der hier nur in Betracht kommenden Regelung in § 12 Abs. 2 Nds. SOG nicht voraussetzungslos, sondern nur, "wenn dies zur Erfüllung der polizeilichen Aufgabe", d.h. zur Gefahrenabwehr nach § 1 Nds. SOG erforderlich (gewesen) ist. Dass die Beklagte zur Gefahrenabwehr die Wohnanschriften der Kläger wissen musste, ist vorliegend aber von ihr nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Die Kläger waren auf Grund der Anwaltsausweise als solche erkennbar. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fälschung oder eine missbräuchliche Verwendung dieser Ausweise waren ebenso wenig gegeben wie konkrete Anhaltspunkte für eine sonst von den Klägern ausgehende Gefahr, auf Grund derer zur Gefahrenabwehr etwa eine nur an Hand ihrer Wohnanschriften erfolgversprechende Abfrage polizeilicher Datenbanken erforderlich gewesen wäre. Ob eine solche Abfrage überhaupt auf eine Befragung nach § 12 Abs. 2 Nds. SOG hätte gestützt werden dürfen, muss deshalb nicht geklärt werden.
bb) Geht man davon aus, dass die für die Beklagte tätigen Einsatzkräfte mit den Sperrlinien den Zugang nach Langendorf für den Zeitraum bis zur Entfernung der Pyramide grundsätzlich verhindern wollten, soweit nicht im Einzelfall eine "besondere Zugangsberechtigung" nachgewiesen war, so rechtfertigte diese Zielsetzung das Aufhalten der Kläger gleichfalls nicht.
(aaa) Als "besonders berechtigt" in diesem Sinne werden in der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 16. August 2012 des Polizeibeamten, der den Einsatz der damals in Langendorf tätigen nordrhein-westfälischen Polizeikräfte leitete, etwa Anwohner ausdrücklich genannt. Nach dem Sinn und Zweck des Schreibens vom 12. Oktober 2006 sowie der späteren Entscheidung der Gesamteinsatzleitung, die nach dem polizeilichen Verlaufsbericht am 12. November 2006 gegen 22.00 Uhr entschied, dass die Kläger in den abgesperrten Bereich vorgelassen werden dürfen, sollten zu den "Berechtigten" aber offenbar auch Rechtsanwälte im anwaltlichen Notdienst gehören, ohne zuvor bereits konkrete Mandate nachgewiesen zu haben. Dies wird auch in der Stellungnahme der Beklagten vom 17. März 2011 nicht gefordert, wenn dort von einem "sehr allgemein gehaltenen Mandat" die Rede ist. Bereits nach diesen eigenen Kriterien der Beklagten dürften danach die über die Feststellung der Tätigkeit der Kläger im Rahmen des anwaltlichen Notdienstes hinausgehenden Verzögerungen rechtswidrig gewesen sein.
(bbb) Unabhängig hiervon ist aber ohnehin keine geeignete Rechtsgrundlage für die Absperrung wesentlicher Zugänge zu einer Ortschaft über mehrere Stunden erkennbar.
Die im Jahr 2006 erlassene versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung sah keine entsprechenden Absperrlinien vor.
Das in § 17 Abs. 4 Nds. SOG geregelte Aufenthaltsverbot trägt zwar von der Rechtsfolge auch ein Verbot des Aufenthaltes in einem größeren Gebiet (einer Gemeinde) und ggf. auch für längere Zeit, dies allerdings nur, wenn es zur Verhütung einer Straftat erforderlich ist. Eine entsprechend schwerwiegende allgemeine Gefahrenlage bestand hier aber nicht und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.
Ob für die Errichtung der äußeren Sperrlinien neben § 17 Abs. 4 Nds. SOG als Rechtsgrundlage ein Platzverweis i. S. d. § 17 Abs. 1 Nds. SOG in Betracht kam, erscheint fraglich, da er sich nur auf einen konkreten, räumlichen begrenzten Ort und nicht auf einen darüber hinaus gehenden örtlichen Bereich i. S. d. § 17 Abs. 4 Nds. SOG bezieht, die weiträumige Absperrung wesentlicher Zugänge zu einer Ortschaft aber zu einem Betretensverbot für einen örtlichen Bereich führen dürfte. Diese Frage braucht hier aber nicht beantwortet zu werden. Denn selbst wenn man annähme, § 17 Abs. 1 Nds. SOG reiche als Rechtsgrundlage für die Errichtung der äußeren Sperrlinien aus, so hätte doch für eine allgemeine Durchgangssperre grundsätzlich von allen Betroffenen eine konkrete Gefahr i. S. d. §§ 2 Nr. 1a, 17 Abs. 1 Nds. SOG, d.h. insbesondere durch Behinderung des Polizeieinsatzes zur Entfernung der Betonpyramide, ausgehen müssen. Dies war angesichts der Entfernung von bis zu mehreren hundert Metern zwischen den äußeren Sperrlinien und der Betonpyramide sowie der Größe von Langendorf und der Uhrzeit ab ca. 21.30 Uhr jedoch nicht zu erkennen.
Wegen des Vorranges der speziellen Eingriffsbefugnisse in § 17 Abs. 1 und 4 Nds. SOG sowie in § 14 Nds. SOG für sog. Kontrollstellen scheidet auch ein Rückgriff auf die Generalklausel in § 11 Nds. SOG als Rechtsgrundlage aus. Ein solcher Rückgriff kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Beeinträchtigungen insoweit als weniger schwerwiegend als in den ausdrücklich in den §§ 12 ff. Nds. SOG geregelten Fällen darstellen, hier also als weniger schwerwiegend als etwa ein Platzverweis oder ein Aufenthaltsverbot (vgl. Senatsbeschl. v. 26.9.2006 - 11 LA 196/05 -, juris, zur Verhinderung des Verlassens einer Ortschaft, sowie Hess. VGH, Beschl. v. 28.1.2003 - 11 TG 2548/02 -, juris). Dies ist hier aber nicht der Fall, vielmehr wurde in der Sache ein weitreichendes allgemeines Aufenthaltsverbot bewirkt, ohne dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 oder 4 Nds. SOG vorlagen.
Um die Polizeiarbeiten zur Entfernung der Betonpyramide zu sichern, hätte es daher ausreichen müssen, entweder den sog. inneren Ring mit einem größeren Polizeiaufgebot zu sichern, die äußeren Sperrlinien enger zu ziehen oder bei unverändertem Umfang tatsächlich dort nur eine Kontrolle durchzuführen und keine allgemeine Zugangssperre einzurichten.
Die Verzögerungen beim Zugang der Kläger nach Langendorf waren daher mangels erforderlicher Rechtsgrundlage bereits unabhängig von den von ihnen beanspruchten berufsbedingten Sonderrechten rechtswidrig.
b) Die polizeilichen Maßnahmen im zweiten Teilkomplex (Anträge 4 bis 6) waren hingegen rechtmäßig.
aa) Der Verweis der Kläger aus dem inneren Ring ab ca. 23.00 Uhr stellte einen rechtmäßigen Platzverweis i. S. d. § 17 Abs. 1 Nds. SOG dar, um den Polizeieinsatz zur Entfernung der Betonpyramide zu sichern.
Dass einer Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 Nds. SOG der Vorrang des Versammlungsrechts entgegenstand, machen die Kläger selbst nicht geltend und ist nach der (vorsorglich) erfolgten Auflösung einer etwaigen von den angeketteten Personen gebildeten Versammlung auch sonst nicht zu erkennen.
Wegen der engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Begrenzung des inneren Ringes handelte es sich insoweit auch nicht um ein Aufenthaltsverbot nach § 17 Abs. 4 Nds. SOG, sondern "nur" um einen Platzverweis.
Wie sich aus der beispielhaften Aufzählung in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG ergibt, kann sich die den Erlass eines Platzverweises rechtfertigende Gefahr bereits daraus ergeben, dass ein Einsatz zur Gefahrenabwehr - hier der Polizei - objektiv behindert wird. Dies war hier durch die Anwesenheit jeglicher weiterer unbeteiligter Personen der Fall. Dabei ist von der Erkenntnislage zu Beginn der Arbeiten an der Pyramide auszugehen, sog. ex ante-Prognose (vgl. Senatsbeschl. v. 26.9.2006 - 11 LA 196/05 -, a. a. O., Rn. 22). Zu diesem Zeitpunkt waren den Beamten die Bauart der Pyramide, die Art der Ankettung sowie die Dauer und der notwendige Aufwand zur Lösung der angeketteten Personen nicht im Einzelnen bekannt. Der Beklagten ist auch in der Annahme zu folgen, dass sich ihre Beamten insoweit nicht auf die Angaben der angeketteten Personen verlassen konnten, sondern sich eigenständig ein Urteil bilden mussten. Zu Einsatzbeginn musste daher mit dem - später auch erfolgten - Einsatz schweren Geräts u. a. durch einen Presslufthammer sowie nachfolgend zur Beseitigung der Pyramide auch eines Gabelstaplers bzw. Hubwagens ebenso gerechnet wie Vorsorge für eine medizinische Versorgung der angeketteten Personen getroffen werden. Durch den Einsatz insbesondere des Presslufthammers bestand eine Gefahr für alle Umstehenden. Dass sich diese vorliegend später nicht durch ein "Umherfliegen" von Betonbrocken verwirklicht ist, war nicht sicher vorhersehbar und ist daher unerheblich, zumal dies nicht der einzige Grund zur Entfernung Unbeteiligter aus dem inneren Ring war. Sie hätten auf dem engen Raum um die Pyramide schlicht durch ihre körperliche Anwesenheit gestört. Zudem war offen, ob von der Pyramide nicht weitere Gefahren ausgingen. So hat eine der angeketteten Personen ausdrücklich vor Arbeiten mit dem Presslufthammer an der Pyramide gewarnt. Der Kläger zu 1) hat auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es sich dabei nicht um eine substanzlose Drohung gehandelt habe, sondern jedenfalls in später eingesetzten Modellen durchaus wärmeempfindliche Substanzen enthalten gewesen seien, die explodieren konnten. Auch insoweit war es ein Gebot der Gefahrenabwehr, Dritte nicht dieser Gefahr auszusetzen. Wären diese im inneren Ring bei der Pyramide verblieben, hätte zudem die Notwendigkeit bestanden, sie - wie die angeketteten Personen - mit Schutzvorkehrungen wie Brille, Ohr- und Kopfschutz zu versehen; so wäre es zu zusätzlichen Verzögerungen gekommen. Schließlich hätte der unmittelbare Verbleib von Rechtsvertretern der angeketteten Personen vor Ort den ohnehin schon hohen Stress für die eingesetzten Beamten noch erhöht, da sie so nicht nur einer ständigen, nahezu hautnahen Kontrolle weiterer Personen ausgesetzt gewesen wären, sondern auch auf weitere Personen hätten Rücksicht nehmen und mit entsprechenden verbalen Störungen ihrer Arbeit hätten rechnen müssen.
Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 Nds. SOG oder der zuvor bereits angeführten Systematik des Nds. SOG insgesamt lässt sich entnehmen, dass von einem entsprechenden Platzverweis Rechtsanwälte bei der Berufsausübung allgemein bzw. wegen der Beistandsleistung für Mandanten auszunehmen sind, soweit ihre Anwesenheit objektiv den Polizeieinsatz behindert. Wäre ihnen ein solches Recht zu gewähren, müsste zudem - worauf die Beklagte zu Recht verweist - weiteren Personen mit besonders geschützten gleichwertigen Interessen ebenfalls Zutritt gewährt werden, wie Ärzten, Pastoren bzw. Pfarrern, Abgeordneten, Presseangehörigen und Familienangehörigen der angeketteten Personen, was jedenfalls in den hier maßgeblichen Fallgestaltungen, also bei Blockaden des Castortransportes, auch nicht von nur theoretischer Bedeutung ist. Dadurch könnte sich die Zahl der die Polizeiarbeit potentiell erschwerenden Anwesenden nicht unerheblich erhöhen. Zudem ginge ein solches unmittelbares Beistandsrecht in der Wirkung teilweise sogar über die ausdrücklich normierten anwaltlichen Rechte im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren hinaus, die sich nicht auf die hier notwendig vor Ort zu treffende Entscheidungsbildung der Behörde beziehen. Das o. a. höherrangige Verfassungsrecht fordert ein anwaltliches Beistandsrecht unmittelbar vor Ort ebenfalls grundsätzlich nicht, sondern allenfalls dann, wenn der Mandant andernfalls besonderen, nicht anders abwendbaren Gefahren ausgesetzt wäre oder sein Rechtsschutz sonst faktisch leerliefe.
Hieran gemessen war den Klägern auch nicht ausnahmsweise berufsbedingt der Aufenthalt im inneren Ring zu gestatten. Aus den vorgenannten Gründen hätte auch ihre Anwesenheit den Polizeieinsatz objektiv behindert. Dass ihre Anwesenheit - wie von ihnen geltend gemacht wird - im gemeinsamen Interesse ihrer Mandanten und der Beklagten gelegen hätte, war nicht zu erwarten. Die Kläger hatten sich nicht als Vermittler, sondern als Rechtsanwälte der an die Pyramide angeketteten Personen legitimiert, die wiederum durch ihre Aktion den Castortransport gezielt störten und aufhielten. Dass sich das Interesse der Kläger nur auf die möglichst schnelle und schonende Beseitigung der Störung bezog, lag daher nicht nahe und ergab sich, anders als ggf. bei sich über eine Vielzahl von Stunden hinziehenden Aktionen, auch nicht aus den Besonderheiten des Einzelfalles. Diese rechtfertigten auch im Übrigen, d.h. aus den o. a. verfassungsrechtlichen Gründen keine Ausnahme zu Gunsten der Kläger. Rechtsanwälten stehen die von den Klägern insoweit in Anspruch genommenen Sonderrechte im Sinne eines generellen präventiven Schutzes der Mandantenrechte nicht zu. Ein Anwesenheitsrecht kann auch nicht von einer vorherigen Rechtsverletzung des Mandanten abhängig gemacht werden, da in der Regel - wie hier auch - ein vor Ort nicht zu klärender Dissens über die Verletzung bestehen wird und zudem auch nicht allgemein die Annahme gerechtfertigt ist, eine vorhergehende Verletzung indiziere eine zeitnahe weitere Verletzung, zu deren Verhinderung anwaltlicher Beistand geboten ist; erst recht gilt dies, soweit die Kläger ein anwaltliches Anwesenheitsrecht unabhängig vom Einzelfall allein auf einen vorhergehenden Eingriff in Rechte des Mandanten gründen wollen. Die Mandanten waren der Gefahr von rechtswidrigen polizeilichen Eingriffen auch nicht besonders ausgesetzt. Denn den Klägern ist nicht jegliche Überwachungs- und Einflussmöglichkeit genommen worden. So konnten sie jedenfalls zwischen 22.30 und 23.00 Uhr mit den Mandanten vor Ort sprechen, nachfolgend - wenn auch nicht uneingeschränkt - die Arbeiten an der Betonpyramide beobachten und ihre Einwände gegen das polizeiliche Vorgehen den Polizeibeamten, die sich am äußeren Rand des inneren Ringes aufhielten, etwa den Konfliktmanagern, vortragen. Zwischenzeitlich ist zudem die an diesem Verfahren nicht beteiligte Rechtsanwältin F. zu ihrem Mandaten in den inneren Ring gelassen worden. Ob die Kläger auch auf eine Handy-Verbindung zu den Mandanten hätten verwiesen werden können, kann offen bleiben. Schließlich wurden die polizeilichen Arbeiten nicht nur eigenständig durch mehrere in Augenschein genommene Videoaufnahmen dokumentiert, sondern von einer Vielzahl von Polizisten, medizinischem Personal und von weiteren Personen hinter der inneren Absperrung beobachtet. Für die Mandanten der Kläger bestand daher weder eine besondere Gefahr, Opfer übermäßigen unmittelbaren Zwanges bei der Lösung von der Pyramide zu werden, noch die Gefahr, dass insoweit wegen fehlender Einfluss- oder Nachweismöglichkeiten etwaiger Rechtsschutz faktisch ins Leere lief.
Der auch an die Kläger gerichtete Platzverweis war damit dem Grunde nach rechtmäßig.
Sollten die Kläger mit ihrem Zusatz zum Klageantrag zu 4.) den räumlichen Umfang des inneren Ringes und damit die Reichweite des Platzverweises angreifen wollen, so wird dies trotz gerichtlichen Hinweises aus ihrem Klageantrag schon nicht deutlich. Im Übrigen ist für den Senat ohnehin nicht zu erkennen, dass die Ausdehnung des Ringes auf ca. 10 - 15 Meter Radius um die Betonpyramide zur Sicherung der Polizeiarbeit überzogen und damit unverhältnismäßig gewesen
Dass Folgen des Vollzuges eines Verwaltungsaktes - wie hier des Platzverweises - grundsätzlich nicht eigenständig Klagegegenstand sein können, ist bereits zuvor dargelegt worden.
Sollten die Kläger schließlich geltend machen wollen, dass die sie in ihrer Sicht behindernde Anwesenheit von weiteren Polizeibeamten im inneren Ring weder zur Durchsetzung des Platzverweises noch sonst erforderlich und deshalb als Realakt rechtswidrig gewesen sei, so haben sie einen so lautenden Klageantrag nicht gestellt; außerdem wäre der Umfang eines solchen Antrages unklar und seine Zulässigkeit fraglich.
Die wechselseitigen Hilfsbeweisanträge zu der Frage, ob der Ruf- und Sichtkontakt für die Klägerin zu 3) zu ihrem Mandanten durch polizeiliches Verhalten (nicht) mehr als für die Durchführung der polizeilichen Arbeiten zur Befreiung der Demonstranten erforderlich war, verhindert wurde, beziehen sich somit auf eine nicht entscheidungserhebliche Tatsache; ihnen war daher nicht nachzugehen.
Der Platzverweis für die Kläger und das damit verbundene Verbot, sich im inneren Ring der Polizei aufzuhalten, waren demnach rechtmäßig (Anträge zu 4 und 5).
bb) Ebenso rechtmäßig war das Verbringen der Klägerin zu 3) außerhalb des inneren Ringes um die Betonpyramide (Antrag zu 6). Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, richtet sich ihr Antrag insoweit gegen die Zwangsmaßnahmen, die die Polizeibeamten ihr gegenüber um ca. 23.00 Uhr zur erstmaligen zwangsweisen Durchsetzung des Platzverweises ergriffen haben, und nicht gegen deren spätere Maßnahmen, um zu verhindern, dass sie die Absperrung überwindet und sich wieder in den inneren Ring begibt.
Insoweit lagen die Voraussetzungen der §§ 64 ff. Nds. SOG für die Anwendung unmittelbaren Zwanges vor. Eine Anfechtungsklage gegen den zu Grunde liegenden, wirksamen Platzverweis war nicht eingelegt worden und hätte nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO ohnehin keine aufschiebende Wirkung gehabt, so dass der Platzverweis nach § 64 Abs. 1 Nds. SOG mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden konnte. Die Anwendung unmittelbaren Zwanges für den Fall, dass der innere Kreis nicht freiwillig verlassen werde, war zuvor auch mündlich angedroht worden, § 70 Nds. SOG. Gleichwohl hat die Klägerin zu 3) den inneren Ring nicht freiwillig verlassen, die Zwangsanwendung war also erforderlich. Schließlich ist auch die konkrete Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges rechtmäßig gewesen. Die Klägerin zu 3) ist mit einfacher körperlicher Gewalt aus dem inneren Ring gedrängt worden; auf den kurz danach gemachten Videoaufnahmen sind keine Beeinträchtigungen ihrer körperlichen Unversehrtheit zu erkennen und von ihr auch nicht konkret geltend gemacht worden.
c) Rechtswidrig war hingegen die weitere Trennung der Kläger von ihren Mandanten nach deren Loslösung von der Pyramide ab spätestens 0.45 Uhr durch Aufrechterhaltung des Platzverweises bis zu dem gegen 1.15 Uhr erfolgten Abtransport der Störer in das Krankenhaus.
Dass die Kläger auch in diesem Zeitraum, also für eine weitere halbe Stunde, tatsächlich daran gehindert worden sind, sich unmittelbar zu ihren weiterhin an der Pyramide befindlichen Mandanten zu begeben, hat die Beklagte nach dem Abspielen der entsprechenden Videoaufnahmen in der mündlichen Verhandlung zu Recht eingeräumt. Der ausgesprochene Platzverweis ist trotz entsprechender Bitte des Klägers zu 2) weder ausdrücklich noch konkludent aufgehoben worden.
Die Aufrechterhaltung des Platzverweises für diesen weiteren Zeitraum war jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn dies zur Abwendung einer Gefahr i. S. d. § 17 Abs. 1 Nds. SOG erforderlich war. Dies ist für den Senat nicht zu erkennen.
Insoweit lag eine Zäsur vor, da nach der Loslösung der Störer von der Pyramide die polizeilichen Arbeiten an dieser nicht - wie nach dem polizeilichen Verlaufsbericht etwa in Klein-Gusborn - unmittelbar fortgesetzt, sondern bis gegen 1.15 Uhr unterbrochen worden sind. Der Platzverweis diente insoweit also nicht mehr dem Schutz der polizeilichen Arbeiten zur Störungsbeseitigung an der Pyramide bzw. durch sie. Diese Arbeiten sind erst ab 1.15 Uhr fortgesetzt worden; die Pyramide wurde angehoben und abtransportiert. Dass die späteren Arbeiten durch die Aufrechterhaltung des Platzverweises geschützt werden sollten, ist nicht zu erkennen und wäre mutmaßlich auch unverhältnismäßig gewesen. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb die vier Personen nach der Loslösung von der Pyramide unmittelbar dort verblieben sind. Zwar war eine von ihnen offenbar so geschwächt, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnte. Man hätte sie und die anderen Betroffenen aber zumindest auf Tragen von der Pyramide entfernen können, um die Arbeiten zur Entfernung der Pyramide ungestört zu beenden. Auch unter diesem Gesichtspunkt war es also nicht mehr erforderlich, die Kläger von ihren Mandanten zu trennen.
Der Platzverweis kann zwar auch zur Abwehr anderer Gefahren rechtmäßig sein; als solche kamen hier noch zu befürchtende Störungen bei der Identitätsfeststellung der losgelösten Personen oder ihrer medizinischen Behandlung in Betracht. Es fehlen aber die erforderlichen konkreten Anhaltspunkte dafür, dass insoweit Störungen durch die Kläger oder sonstige Dritte zu erwarten waren, denen durch die Aufrechterhaltung des Platzverweises entgegengetreten werden musste. Jedenfalls Störungen der medizinischen Behandlung lagen auch deshalb fern, weil eine solche Behandlung gerade im Interesse der Mandanten der Kläger erfolgte.
Eine weitere Beweisaufnahme war auch zu diesem dritten Teilkomplex nicht erforderlich, da sich die vorherigen erheblichen Feststellungen hinreichend verlässlich bereits aus den eingesehenen Videoaufnahmen sowie den polizeilichen Verlaufsberichten entnehmen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Halbierung der Kosten ist gerechtfertigt, weil die Beklagte hinsichtlich des zentralen Punktes, des Streits um die Anwesenheit der Kläger im inneren Ring während der Fortdauer der Arbeiten an der Pyramide obsiegt, im Übrigen unterliegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat lässt nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision zu, soweit die Klage abgewiesen wird, weil der insoweit streitentscheidenden Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Rechtsanwälten kraft Bundesrechts bei gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen der hier streitigen Art gegenüber Mandanten ein Beistandsrecht unmittelbar vor Ort zusteht. Im Übrigen sind Gründe für die Zulassung der Revision nicht gegeben. ..."
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... Es wird festgestellt, dass die Identitätsfeststellung am 19.09.2008 sowie das an den Kläger an diesem Tag ausgesprochene Aufenthalts- und Betretungsverbot für den Innenstadtbereich am 20.09.2008 rechtswidrig waren, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach und wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts sowie wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung die Identitätsfeststellung am 20.09.2008 die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten rechtswidrig waren. ...
Vom 19.09.2008 bis zum 21.09.2008 fand in Köln der von der Bürgerbewegung "pro Köln" organisierte sogenannte erste Anti-Islamisierungskongress (AIK) statt. Im Umfeld dieser Veranstaltung gab es vielfältige Protest- und Gegenveranstaltungen.
Der Kläger wollte nach eigenen Angaben am 20.09.2008 am Heumarkt an einer Protestkundgebung gegen die ebenfalls auf dem Heumarkt geplante und angemeldete Versammlung des AIK teilnehmen.
Am 19.09.2008 verhängte der Beklagte gegen den Kläger nach Feststellung seiner Personalien ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot, mit welchem dem Kläger untersagt wurde, bis zum 20.09.2008, 20.00 Uhr, ein mittels Stadtplanauszug und schriftlicher Benennung der Grenzen bezeichnetes Gebiet der Kölner Innenstadt (den Heumarkt und seine Umgebung umfassend) zu betreten bzw. sich dort aufzuhalten.
Der Kläger befand sich am 20.09.2008 mit zunächst etwa 400 - 500 weiteren Personen im rechtsrheinischen Stadtgebiet an der Deutzer Brücke. Nach Angaben einer Sprecherin wollte die Gruppe einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen, um dort gegen die Veranstaltung von "pro Köln" zu protestieren. Nachdem der Beklagte zunächst nach dem Verbot der Veranstaltung von "pro Köln" gegen Mittag die Aufhebung der Sperrung der Deutzer Brücke in Aussicht gestellt hatte, wurde den bis dahin an der Deutzer Brücke noch anwesenden ca. 250 Personen kurz vor 16.00 Uhr mitgeteilt, dass die Brücke doch nicht freigegeben werde. In der Folge wollte sich die Personengruppe, zu der auch der Kläger gehörte, über die Siegburger Straße zur Severinsbrücke begeben, um ins linksrheinische Stadtgebiet zu gelangen.
Auf der Siegburger Straße kam es zu einer Einkesselung der Personengruppe. Der Kläger wurde gegen 20.00 Uhr zur Gefangenensammelstelle (Gesa) nach Brühl gebracht. Dort wurden seine Personalien aufgenommen und ein Lichtbild gefertigt. Des Weiteren wurden die Taschen des Klägers durchsucht.
Hintergrund für diese Maßnahmen war der Verlauf der Ereignisse auf der Siegburger Straße, welcher zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 125 StGB gegen den Kläger und eine Vielzahl weiterer Personen (ca. 242) führte (StA Köln 121 Js 48/09). Nach dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen sog. Mastersachverhalt setzte sich gegen 15.50 Uhr die noch an der Deutzer Brücke verbliebene Personengruppe im Laufschritt in Richtung Süden in Bewegung. Aus der Menschenmenge heraus wurde der Inhalt eines umgeworfenen Müllcontainers in Brand gesetzt. Der Müllcontainer sei mit Kunststoffabsperrgittern zu einer Barrikade zusammengefügt gewesen. Des Weiteren sei es aus der Menschenmenge zu Stein- und Eierwürfen auch auf Polizisten gekommen, wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Ein Teil der Gruppe habe eine Vermummung aus aufgezogener Kapuze und vor das Gesicht gezogenem Schal angelegt.
In der im Mastersachverhalt enthaltenen polizeilichen Bewertung ist ausgeführt, in der Gruppierung seien an verschiedenen Stellen Tathandlungen von unterschiedlichen Personen vorgenommen worden, wobei die Gruppe insgesamt den Eindruck vermittelt habe, als Ganzes zu agieren.
Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde am 16.01.2009 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Ausweislich des Aufnahmezettels der Gesa wurde die Freiheitsentziehung des Klägers als Festnahme und nicht als Ingewahrsamnahme eingestuft. Als Entlassungszeit ist 5.37 Uhr des 21.09.2008 angegeben. Die Kennfelder für Vernehmung und Vorführung sind jeweils mit einem "Nein" gekennzeichnet. Bezüglich des gefertigten Lichtbildes ist ausgeführt, dies solle nach § 81 b 1. Alt. StPO nicht gelöscht werden.
Der Kläger hat am 18.11.2008 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren) gestellt.
Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss der Kammer vom 24.03.2010 hat der Kläger am 27.03.2010 Klage erhoben, mit welcher er die Feststellung begehrt, dass die gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.
Zunächst legt er dar, bezüglich der am 19.09.2008 vorgenommenen Maßnahmen bestehe im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Er sei für die Personalienfeststellung zusammen mit anderen Personen in der belebten Innenstadt von Köln von einer großen Gruppe von Polizisten umstellt worden. Die Feststellung selbst sei in einem Polizeiwagen durchgeführt worden und habe nahezu eine Stunde in Anspruch genommen. Bei einem unbeteiligten Beobachter habe der Eindruck entstehen können, er habe gegen die Rechtsordnung verstoßen.
Nach Ansicht des Klägers ist die Personalienfeststellung auch materiell rechtswidrig gewesen. Insoweit sei der zeitliche Bezug zu der am Folgetag stattfinden Protestveranstaltung zu würdigen: die rechtswidrige Erfassung seiner Daten beeinträchtige ihn nicht nur in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht, sondern auch in seiner Versammlungsfreiheit.
Rechtswidrig sei auch das verhängte Aufenthaltsverbot, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 PolG NRW nicht vorgelegen hätten. Zudem sei die Maßnahme wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheits- und Versammlungsrecht rechtswidrig.
Auch die vom 20. bis 21.09.2008 gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen hält der Kläger für rechtswidrig. In Bezug auf die Freiheitsentziehung legt er seine Auffassung dar, wonach diese bereits dem Grunde nach sowie wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Insoweit erläutert der Kläger, die Einkesselung habe sich auf eine nicht aufgelöste Spontan-Versammlung bezogen. Über eine Lautsprecherdurchsage sei den eingeschlossenen Personen mitgeteilt worden, dass sie in Gewahrsam genommen seien, wobei die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW seiner Auffassung nach nicht vorgelegen hätten. Dem Beklagten könne nicht gefolgt werden, soweit er angebe, es habe sich vorrangig um eine strafprozessuale Maßnahme gehandelt. Hiergegen spreche bereits, dass ihm zu keinem Zeitpunkt ein Tatvorwurf eröffnet bzw. er vernommen worden sei. Der Kläger verweist darauf, dass es möglich gewesen sei, seine Personalien bereits vor Ort aufzunehmen und dort auch Lichtbilder zu fertigen. Zu den Abläufen in der Gesa in Brühl erläutert der Kläger, er habe trotz seiner Äußerung, er sei hungrig und durstig, zunächst nichts zu essen oder trinken bekommen, sondern sei zu der mit Nr. 9 bezeichneten Gewahrsamseinrichtung gebracht worden. Erst gegen 22.30 Uhr habe er einen Becher Wasser erhalten und sei auf seinen Wunsch hin zur Toilette begleitet worden. In der Gewahrsamseinrichtung habe sich kein Mobiliar befunden. Erst auf Nachfrage seien ihm lediglich eine Isomatte und später ein dünnes Laken ausgehändigt worden. Dies erachte er als unzureichend, zumal in der Nacht die Temperatur auf 6 ° Celsius gefallen und die Halle stündlich belüftet worden sei. Erst gegen 23.30 Uhr habe er eine halbe Birne und eine halbe Scheibe Brot mit Käse sowie weitere Becher Wasser und Apfelsaft erhalten. Zusammen mit 31 weiteren Personen habe er sich in den nächsten Stunden in der Gewahrsamseinrichtung Nr. 9 befunden. Erst gegen 5.30 Uhr am 21.09.2008 sei er hinausgeführt und die ihm abgenommenen Gegenstände seien ihm ausgehändigt worden. Sodann sei er in einen Gefangentransporter verbracht worden, welcher zum Bahnhof in Brühl gefahren sei. Dort sei er um 6.30 Uhr in die Freiheit entlassen worden.
Der Kläger macht geltend, dass er spätestens nach der Identitätsfeststellung um 21.00 Uhr habe entlassen werden müssen. Zudem habe der Beklagte den Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG und § 36 PolG NRW nicht beachtet, wenn er die Festgenommenen nicht einem Richter vorgeführt habe und bei einer Auslegung der Gesa auf 200 Gefangene nur eine Richterin vor Ort gewesen sei.
Materiell rechtswidrig sei überdies die Identitätsfeststellung. Die Voraussetzungen des § 12 PolG NRW seien nicht erfüllt gewesen, da er keiner Straftat verdächtig gewesen sei. Gleiches gelte für die Anfertigung von Lichtbildern. Insoweit seien weder die Voraussetzungen des § 14 PolG NRW noch des § 81 b 2. Alt StPO gegeben. Die Rechtswidrigkeit des Gewahrsams schlage schließlich auf die durchgeführte Durchsuchung durch. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Identitätsfeststellung und das ihm erteilte Aufenthalts- und Betretungsverbot durch den Beklagten am 19.09.2008, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis 21.09.2008 dem Grunde nach, wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung, die Identitätsfeststellung, die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten am 20.09.2008 rechtswidrig waren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte legt dar, zu dem am 19.09.2008 ausgesprochenen Betretungs- und Aufenthaltsverbot könne in der Sache nicht Stellung genommen werden, da keine Unterlagen mehr vorlägen. Aus diesem Grund könne nicht mehr nachvollzogen werden, zu welchem genauen Zeitpunkt, wo und aus welchem Grunde die Verfügung gegen den Kläger erlassen worden sei.
In Bezug auf die Maßnahmen vom 20.09.2008 legt der Beklagte dar, im Hinblick auf erwartete gewalttätige Ausschreitungen und der Erfahrungen aus vorangegangenen Veranstaltungen von "pro Köln" sei in Brühl die sogenannte Gesa 200, welche auf die Aufnahme von ca. 200 Personen ausgerichtet gewesen sei, geschaffen worden. Tatsächlich habe sich die Polizei mit der Situation konfrontiert gesehen, dass an allen Sicherheitssperren, die zum Schutz der Versammlung des rechten politischen Spektrums eingerichtet worden seien, sich große Menschenansammlungen gebildet hätten, die teilweise in 20er Reihen vor den Sperren gestanden hätten und immer wieder dazu aufgerufen hätten , keine "Rechten" auf das Kundgebungsgelände zu lassen. Daneben seien Personen, die "bürgerlich normal" gekleidet gewesen seien und sich so dem "Verdacht" ausgesetzt hätten an dem Anti-Islamisierungskongress teilzunehmen, in Form von Sprechchören aufgefordert worden "abzuhauen". Die Personen seien gezielt körperlich angegangen, teilweise sogar geschlagen und getreten und somit faktisch aus dem Bereich um das Kundgebungsgelände vertrieben worden. Maßnahmen der Polizei zum Schutz der Betroffenen seien durch das Blockadeverhalten vielfach unmöglich gemacht worden. Mit dieser Intensität und der Aggressivität des Störerverhaltens habe im Vorfeld nicht gerechnet werden können, weshalb die Gesa 200 nicht ausreichend groß ausgelegt gewesen sei.
Bezüglich der Einkesselung legt der Beklagte dar, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sie habe um 16.02 Uhr mit der Einschließung der Personengruppe in der Siegburger Straße durch die Bereitschaftspolizeiabteilung Bochum begonnen. Der Kläger sei in der Gesa Brühl um 19.50 Uhr aufgenommen worden. Um 20.51 Uhr habe man ein Lichtbild von ihm gefertigt. Rechtsgrundlage sei § 8 PolG NRW gewesen. Am Folgetag (21.09.2008) sei der Kläger um 5.37 Uhr entlassen worden. Dabei sei das gefertigte Lichtbild zunächst nicht gelöscht worden, da es für die Beweisführung im Strafverfahren von Bedeutung sei. Die Zeitspanne zwischen der formellen Entlassung und der tatsächlichen Entlassung (Verlassen der Liegenschaft in Brühl) erkläre sich daraus, dass aus personellen Gründen nicht jeder Entlassene durch die Liegenschaft zum Tor habe begleitet werden können.
In der Binnenorganisation hätten ab 19.00 Uhr alle Personalkapazitäten auf die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen sowie die vorrangige Abwicklung der Freiheitsentziehungen mit dem Ziel der Übergabe an die Sorgeberechtigten oder das Jugendamt konzentriert werden müssen. Nach 21.45 Uhr sei eine deutliche Entspannung der Situation eingetreten, so dass generelle Vorkehrungen zur Entlassung aller festgehaltenen Personen getroffen worden seien. Gleichwohl hätten zu diesem Zeitpunkt auch noch parallel Identitätsfeststellungen aus strafprozessualen Gründen nach § 163 b StPO vorgenommen werden müssen. Ein darüber hinaus gehendes Festhalten aus polizeirechtlichen Gründen sei nicht erforderlich gewesen, da eine Gefahrenprognose nicht bestanden habe.
Die Tatsache, dass in der Gesa 200 letztlich mehr als 800 Personen eingeliefert worden seien und die sich hieraus ergebenden Folgen seien für den Kläger zwar unangenehm gewesen. Dies führt nach Auffassung des Beklagten jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Ferner wird auf das Parallelverfahren 20 K 6004/09 und die dort beigezogenen Unterlagen verwiesen. ...
Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO ist bezüglich sämtlicher Streitgegenstände eröffnet, weil der Kläger geltend macht, der Beklagte habe die vorgenommenen Maßnahmen teilweise zwar auf die Strafprozessordnung gestützt, faktisch habe es sich jedoch um eine polizeirechtliche Ingewahrsamnahme gehandelt.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
vgl. Beschluss vom 07.07.2006 - 5 E 584/06 -,
kommt es bei einem "doppelfunktionalen" Tätigwerden der Polizei nicht auf das Schwergewicht der streitigen polizeilichen Tätigkeit an. Vielmehr komme eine Verweisung an das Amtsgericht allein dann in Betracht, wenn der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht schlechthin, d.h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen unzulässig sei. Dies sei auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht den vom Kläger als Ingewahrsamnahme angesehenen Sachverhalt unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.
Des Weiteren besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse:
Dies ergibt sich im Hinblick auf das Aufenthaltsverbot bereits aus der Einschränkung der Grundrechte des Klägers aus Art. 2 und Art. 8 GG. Aber auch bezüglich der in ihrer Eingriffsintensität im unteren Bereich anzusiedelnden Personalienfeststellung folgt hier ein Feststellungsinteresse aus der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme, welche nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers hier diskriminierende Wirkung hatte,
vgl. zum Feststellungsinteresse insoweit BVerwG, Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, S. 2534; VGH BaWü, Urteil vom 16.11.1999 - 1 S 1315/98 -, Juris.
Bezüglich der am 20.09.2008 vorgenommenen Festnahme ergibt sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits daraus, dass der Eingriff in die Freiheit einer Person einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt, der regelmäßig dem Richter vorbehalten ist (Art. 104 Abs. 2 GG). Wegen der übrigen Maßnahmen folgt das Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, da nach dem typischen Verfahrensablauf sich die belastende Wirkung auf eine Zeitdauer beschränkt, in der Rechtsschutz in der Instanz regelmäßig nicht zu erlangen sein wird,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.02.1999 - 2 BvR 804/97 -, NJW 99, S. 3773.
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf die am 19.09.2008 vorgenommenen polizeilichen Maßnahmen: Insoweit sind in der Akte keine Tatsachen dokumentiert, die eine rechtliche Bewertung des polizeilichen Vorgehens ermöglichen würden. In Bezug auf die Personalienfeststellung kann somit weder festgestellt werden, dass die Maßnahme durch § 12 PolG NRW, noch dass sie durch § 163 b StPO getragen wird.
Gleiches gilt für das Aufenthalts- und Betretungsverbot. Ein solches kann nach § 34 Abs. 2 PolG NRW nur verhängt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Tatsachen hat der Beklagte nicht vortragen können.
Die Klage ist auch bezüglich der am 20.09.2008 verhängten Maßnahmen begründet. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach rechtswidrig war. Als Freiheitsentziehung ist zunächst die Einkesselung des Klägers mit anderen Personen auf der Siegburger Straße zu bewerten, ebenso wie die in der Folgezeit veranlasste Verbringung des Klägers zur Gefangenensammelstelle in Brühl sowie das dortige Festhalten bis zum nächsten Morgen.
Als Rechtsgrundlage für diese Einschließung kommt allein § 163 b StPO in Frage, da der Beklagte die Maßnahme ausdrücklich auf diese Rechtsgrundlage gestützt hat. Zwar ist in einer Presseerklärung der Polizei die Rede davon, dass in der Rheingasse ca. 150, an der Malzmühle/Filzengraben ebenfalls ca. 150 und in der Siegburger Straße ca. 200 Personen zur Verhinderung weiterer Straftaten und wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in Gewahrsam genommen worden seien. Auch wird im Parallelverfahren 20 K 6004/09 in einem Auskunftsschreiben an den dortigen Prozessbevollmächtigten erläutert, bei den Vorfällen, die zur Einschließung der dortigen Klägerin geführt hätten, seien sowohl Aspekte der Gefahrenabwehr mit den rechtlichen Bedingungen aus dem Polizeigesetz NRW als auch der Strafverfolgungsanspruch des Staates mit den entsprechenden Normen der Strafprozessordnung (StPO) zu berücksichtigen. Im weiteren Verlauf wird dann allerdings ausgeführt, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sowohl in der Klageerwiderung des Parallelverfahrens als auch im Schriftsatz des Beklagten im hiesigen Verfahren vom 24.07.2009 wird die Maßnahme ausdrücklich auf § 163 b StPO gestützt. Ausgehend von dieser Erklärung des Beklagten, welche eine Konkretisierung der in seinem Ermessen stehenden Handlungen darstellt, war das Gericht gehalten, den Sachverhalt unter diesem als ausschlaggebend erachteten Gesichtspunkt rechtlich zu würdigen. Ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage durch das Gericht kommt bei Ermessensentscheidungen nicht in Betracht,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, Juris.
Die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO liegen nicht vor:
Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes nach § 163 b StPO die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Ferner darf der Verdächtige festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Bei der Auslegung dieser Ermächtigungsnorm ist vorliegend die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 dieser Norm haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG liegt vor bei einer örtlichen Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 f.
Vorliegend kann eine Bewertung, ob die auf dem Weg zur Severinsbrücke befindliche Personengruppe als Spontanversammlung einzustufen ist, nur anhand von Indizien vorgenommen werden, zumal eine nähere Aufklärung des Charakters der Zusammenkunft in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war.
Hier ist davon auszugehen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt seiner Einkesselung in einer nicht aufgelösten Spontanversammlung befunden hat.
Für eine Spontanversammlung spricht der Akteninhalt: So ist im Schlussvermerk der polizeilichen Ermittlungen die Rede davon, dass die an der Deutzer Brücke befindlichen Personen einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen wollten. Um einen Aufzug dürfte es sich auch gehandelt haben, als sich die noch anwesenden Gegendemonstranten in Richtung Severinsbrücke in Bewegung setzten, nachdem ihnen mitgeteilt worden war, dass die Deutzer Brücke weiterhin gesperrt bleiben werde. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die Gruppe im Frontbereich ein Plakat mit sich führte mit der Aufschrift: "Gegen Rassismus vorgehen www.antifa.kok.de". Auch wurden dem Mastersachverhalt zufolge "Antifa, Antifa" und ähnliche, dem linken Spektrum zuzuordnende Gesänge skandiert.
Die Bewertung, dass es sich um eine Spontanversammlung gehandelt hat, wird im Übrigen gestützt durch die Einschätzung von zwei im Dienst befindlichen Polizeibeamten, welche als Zeugen im Strafverfahren StA Köln 121 Js 48/09 vernommen worden waren. Die Zeugen haben dargelegt, die restlichen Personen hätten beschlossen "einen spontanen Aufzug zu machen und zwar die Siegburger Str. in Rtg. Süden" entlang. bzw. die 100 - 120 (verbliebenen) Personen hätten sich gegen 15.50 Uhr "in Form eines Aufzuges" in Bewegung gesetzt. Aus dem "Demozug" seien Gegenstände geworfen worden. Der Polizeiführer habe den "Demozug" stoppen und umschließen lassen.
Handelt es sich somit um eine Spontanversammlung, so genießt die Teilnahme des Klägers den erhöhten Schutz des Art. 8 GG.
Dies bedeutet, dass polizeirechtliche Maßnahmen grundsätzlich nicht ergriffen werden dürfen, solange die Versammlung nicht aufgelöst ist (sog. Polizeifestigkeit der Versammlung),
vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.01.197 - 1 B 219/86 -, NVwZ 1988 250; OVG NRW Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, NVwZ 2001, 1315 f.
Demgegenüber schützt die Versammlungsfreiheit grundsätzlich nicht vor der Einleitung berechtigter Strafverfolgungsmaßnahmen, denn die Teilnahme an einer Versammlung ist nur geschützt, wenn sie friedlich und ohne Waffen erfolgt,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07 -; OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 - Juris.
Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage der Friedlichkeit einer Versammlung ausgeführt, dass es auf den einzelnen Demonstrationsteilnehmer ankommt und diesem der Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten bleibt, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder eine Minderheit zu rechnen ist. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Eine Notwendigkeit zu freiheitsbeschränkenden Eingriffen kann sich im Bereich der Versammlungsfreiheit daraus ergeben, dass der Demonstrant bei deren Ausübung Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt. Auch bei solchen Eingriffen haben die staatlichen Organe die grundrechtsbeschränkenden Gesetze stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat auszulegen und sich bei ihren Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 (Brokdorf II), - 1 BvR 233/81; 1 BvR 341/81, Juris
Bei dem hier in Rede stehenden Vorwurf des Landfriedensbruchs nach § 125 StGB gilt nach der maßgeblichen Rechtsprechung der Strafgerichte Folgendes:
Für eine Beteiligung an einem Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB genügt es nicht, bloßer Teil der "Menschenmenge" gewesen zu sein, aus der heraus die Gewalttätigkeiten begangen wurden. Vielmehr gelten die allgemeinen Teilnahmegrundsätze der §§ 25 ff StGB,
vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2008, - 4 StR 368/08, Juris
Danach stellt das bloß inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren weder eine psychische Beihilfe noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise unterstützendes Verhalten dar. Dies gilt auch dann, wenn der einzelnen Demonstrant, wie es die Regel sein wird, mit der Gewalttätigkeit einzelner oder ganzer Gruppen rechnet und weiß, dass er allein schon mit seiner Anwesenheit den Gewalttätern mindestens durch Gewährung von Anonymität Förderung und Schutz geben kann. Erforderlich für eine strafrechtlich relevante Teilnahmehandlung ist vielmehr die Feststellung, dass die Gewährung von Anonymität und die Äußerung von Sympathie darauf ausgerichtet und geeignet sind, Gewalttäter in ihren Entschlüssen und Taten zu fördern und zu bestärken, etwa durch Anfeuerung oder ostentatives Zugesellen zu einer Gruppe, aus der heraus Gewalt geübt wird,
vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1984 - VI ZR 37/82 -, BGHZ 89, 383 ff.
Für die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen ist nicht entscheidend, ob sich der Strafverdacht letztlich bestätigt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Verdacht eines strafbaren Verhaltens von einer hinreichenden objektiven Tatsachengrundlage getragen war,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07-.
Allerdings darf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht dadurch unterlaufen werden, dass an die Bejahung der Teilnahme an Gewaltakten zu geringe Anforderungen gestellt werden. Da sich Gewalttätigkeiten kaum jemals ganz ausschließen lassen, liefe der einzelne Versammlungsteilnehmer ansonsten Gefahr, allein wegen des Gebrauchmachens von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Strafverfolgungsmaßnahmen überzogen zu werden,
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 - Juris.
Des Weiteren würden Unfriedlichkeiten einzelner Versammlungsteilnehmer ansonsten dazu führen, die Demonstration "umzufunktionieren" und gegen den Willen der anderen Teilnehmer rechtswidrig werden zu lassen,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985, a.a.O..
Aus diesem Grunde ist die Polizei gehalten, gegen die störende Minderheit vorzugehen. Nur wenn dies keinen Erfolg verspricht, kann unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die Versammlung aufgelöst werden und so auch den friedlichen Teilnehmern der Schutz des Art. 8 GG entzogen werden.
Im vorliegenden Fall sind aus der Menge heraus Straftaten verübt worden (Stein- und Eierwürfe auf Polizisten, Inbrandsetzung von Müllcontainern, Bildung von Barrikaden, Vermummung), wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Gegen drei Personen, denen Straftaten gegen das Versammlungsgesetz durch Vermummung oder Bewaffnung zur Last gelegt wurden, wurden gesonderte Verfahren angelegt ebenso gegen zwei Personen wegen Beleidigung. Des Weiteren gab es einen konkret zuzuordnenden Tatvorwurf gegen ein Kind sowie Strafvorwürfe aufgrund der Videoauswertung gegen sieben weitere Tatverdächtige, die nicht identifiziert werden konnten.
Ausgehend davon, dass in Bezug auf den Kläger keine konkreten Tatsachen vorliegen, dass dieser sich einer Teilnahmehandlung an einem Landfriedensbruch schuldig gemacht haben könnte, liegt ein Straftatverdacht, welcher nach § 163 b StPO eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung rechtfertigen könnte, nicht vor. Insofern kann auch ein gemeinschaftliches Handeln nicht daraus abgeleitet werden, dass sich die gesamte Gruppe "plötzlich" im Laufschritt in Bewegung gesetzt habe. Dass auch der Beklagte selbst den Schwerpunkt seines Vorgehens nicht auf Strafverfolgung gelegt hat, wird indiziell dadurch belegt, dass dem Kläger kein Strafvorwurf eröffnet und er hierzu auch nicht vernommen worden ist. Auch nach seiner Entlassung am Folgetag ist der Kläger, dessen Identität ja bekannt war, nicht zwecks Durchführung weiterer Ermittlungen vorgeladen worden.
Insofern hält das Gericht die Einschätzung des Beklagten, für die gesamte Gruppe habe der Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs bestanden, vgl. Bericht des PD Kaiser vom 21.09.2008 (Bl. 29 f des Verwaltungsvorgangs im Parallelverfahren 20 K 6004/09), bzw. die Feststellungen im Mastersachverhalt, Tathandlungen seien an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen Personen durchgeführt worden, aber die Gruppe habe insgesamt den Eindruck vermittelt, als Ganzes zu agieren, angesichts der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht für tragfähig. Die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen gegen sämtliche Teilnehmer einer Versammlung kommt im Ergebnis deren Auflösung gleich und hindert auch die friedlichen Versammlungsteilnehmer an der Ausübung ihres Grundrechts. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der damit rechnen muss, dass er nach seiner Teilnahme an einer nicht verbotenen und auch nicht ausdrücklich aufgelösten Versammlung einer Identitätsfeststellung unterzogen, fotografiert und zum Polizeipräsidium bzw. einer Gefangenensammelstelle gebracht wird, es sich künftig genau überlegen wird, ob er von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen will,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010, a.a.O.
Lagen die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO mangels Anfangsverdachtes gegen den Kläger nicht vor, so stellt sich die hierauf gestützte Einkesselung zum Zwecke der Ermöglichung der Identitätsfeststellung als rechtswidrig dar.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die nach § 163 b S. 1 2. Alt. StPO i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 1 StPO gebotene Belehrung über den Strafvorwurf - soweit ersichtlich - nicht erfolgt ist,
vgl. hierzu: KG Berlin, Urteil vom 12.06.2002 - (5) 1 Ss 424/00 86/01) - , Juris.
War bereits die Freiheitsentziehung durch die Einkesselung nicht durch § 163 b StPO gerechtfertigt, so gilt dies wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst Recht bezüglich der Verbringung zur Gefangenensammelstelle nach Brühl. Insoweit drängt sich die Frage auf, warum die Identität des Klägers nicht bereits vor Ort festgestellt werden konnte. Der Kläger hat hierzu - ohne dass dies vom Beklagten bestritten worden wäre - erklärt, er habe seinen Ausweis mit sich geführt und sei bereit gewesen, sich vor Ort auszuweisen. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, es habe nicht genügend Personal für eine Identitätsfeststellung vor Ort zur Verfügung gestanden, sind die Angaben des Beklagten für das Gericht mangels konkreter Zahlen nicht überprüfbar. Allerdings ist zu bedenken, dass mit der Verbringung der eingeschlossenen Personen nach Brühl ebenfalls ein erheblicher logistischer Aufwand verbunden war. Des Weiteren berücksichtigt das Vorgehen des Beklagten nicht in genügendem Maße das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit: Mit der Verbringung nach Brühl wurde der Kläger an der weiteren Ausübung seines Versammlungsrechts gehindert. Allein dieser Umstand rechtfertigt die Durchführung eines mit einer Identitätsfeststellung vor Ort eventuell verbundenen erhöhten logistischen Aufwandes. Hinzu kommt, dass der Beklagte sich in Parallelfällen offenbar auf die Durchführung einer Identitätsfeststellung vor Ort beschränkt hat: So ist es nach den Presseerklärungen des Beklagten an insgesamt drei Orten zu Einschließungen gekommen, wobei 469 Personen vor Ort entlassen wurden und 410 Personen nach Brühl gebracht wurden. Die Freilassungen betrafen auch nicht ausschließlich Jugendliche, denn bei den insgesamt betroffenen 879 Personen waren 3 Kinder und 232 Jugendliche, von denen 168 vor Ort entlassen und 64 nach Brühl gebracht wurden. Dies bedeutet, dass bei den drei genannten Einschließungen von insgesamt 644 Erwachsenen 301 vor Ort entlassen wurden. Für den hier relevanten Bereich der Siegburger Straße soll nach dem Vorbringen der Klägerin des Verfahrens 20 K 6004/09 sieben Personen die Möglichkeit eröffnet worden sein, nach Personalienfeststellung den Ort zu verlassen. Ein Grund dafür, warum ein Teil der erwachsenen eingeschlossenen Personen zur Gesa nach Brühl gebracht wurde, ein anderer Teil jedoch vor Ort entlassen wurde, ist nicht erkennbar geworden.
Eine Rechtsgrundlage für das Festhalten des Klägers nach Feststellung seiner Personalien bis zum nächsten Morgen ist nicht ersichtlich. Selbst für den Fall, dass die Personalienfeststellung um 21.00 Uhr nach § 163 b StPO gerechtfertigt gewesen sein sollte, ist das weitere Festhalten über einen Zeitraum von 8 - 9 Stunden (Gesamtdauer der Freiheitsentziehung 14 Stunden) unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt. Nach § 163 c Abs. 1 Satz 1 StPO in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung darf eine von einer Maßnahme nach § 163 b StPO betroffene Person in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerlässlich festgehalten werden.
Die Freiheitsentziehung war des Weiteren rechtswidrig, weil der Richtervorbehalt nicht eingehalten wurde.
Nach Art. 104 Abs. 2 GG hat nur der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Diese verfassungsrechtliche Anforderung findet ihre einfachgesetzliche Konkretisierung in § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, der eine unverzügliche Vorführung vor einen Richter vorsieht. Zu beanstanden ist in diesem Kontext die Vorgehensweise des Beklagten, der diensthabenden Richterin des Amtsgerichts Köln, welche in der Gefangenensammelstelle in Brühl zugegen war, jedenfalls ab den Abendstunden keine Gefangenen mehr vorzuführen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Richterin nach dem unwidersprochenen Vortrag im Parallelverfahren 20 K 6004/09 zwischenzeitlich mitgeteilt worden war, sämtliche Festgenommenen würden entweder in Köln oder vor Ort entlassen. Der Verstoß gegen den Richtervorbehalt kann auch nicht durch die ins Feld geführten logistischen Probleme und der vorrangigen Betreuung von Jugendlichen gerechtfertigt werden.
Letztlich überschritt die Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung auch die in § 163 c Abs. 3 StPO a.F. vorgesehene Höchstdauer von 12 Stunden.
Überdies war die Freiheitsentziehung ihrer Art und Weise wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig. Es mag dahin stehen, welche Anforderungen an die Unterbringung im Hinblick auf die Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nord-Rhein-Westfalen in der zur Zeit der Inhaftierung maßgeblichen Fassung im einzelnen gebieten, da die Gewahrsamsordnung auch länger andauernde Gewahrsame im Blick hat wie etwa die Vorschriften über den Postverkehr und die Besuche zeigen. Die Rechtswidrigkeit der den Kläger betreffenden Unterbringung liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Vorkehrungen des Beklagten auf einen kurzfristigen Gewahrsam von wenigen Stunden zugeschnitten gewesen sein mögen, den Erfordernissen bei einem Festhalten über einen Zeitraum von insgesamt 14 Stunden (davon 9 Stunden in der Gesa) nicht gerecht werden. Angesichts dieser Zeitdauer teilt das Gericht auch nicht die Sichtweise, wonach es sich um bloße Unannehmlichkeiten gehandelt habe, welche sich auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht auswirken.
Aus den vorstehenden Darlegungen zur Freiheitsentziehung folgt zugleich, dass die Klage hinsichtlich der gesondert beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung begründet ist. Wie oben dargelegt, waren die Voraussetzungen des § 163 b StPO nicht erfüllt.
Die Klage ist des Weiteren begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Aufnahme von Lichtbildern rechtswidrig war.
Die Aufnahme von Lichtbildern hat der Beklagte nach eigenem Vorbringen auf der Grundlage des § 8 PolG NRW vorgenommen. Diese Ermächtigungsgrundlage trägt die Maßnahme nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf das Vorliegen spezieller Ermächtigungsnormen (§ 14 PolG NRW und § 81 b StPO) nicht. Im Übrigen ist auch eine polizeiliche Gefahr nicht ersichtlich.
Schließlich ist die Klage begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine Durchsuchung rechtswidrig war. Die Durchsuchung als Annexmaßnahme zur Festnahme war infolge deren Rechtswidrigkeit ebenfalls rechtswidrig. Dass daneben die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW vorliegen, ist nicht ersichtlich, wobei der Beklagte die Durchsuchung auch nicht auf diese Norm gestützt hat. ..." (VG Köln, Urteil vom 12.08.2010 - 20 K 7418/08 - Art 2, 8, 104 II GG, §§ 25,125 StGB u.a.).
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Sucht ein wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mehrfach vorbestrafter Mann wiederum Kontakt zu Kindern in der seinen vergangenen Straftaten bevorzugten Altersklasse, rechtfertigt dies ein umfassendes Kontakt- und Annäherungsverbot zu allen Kindern in dem entsprechenden Alter. Ein Aufenthaltsverbot für einen privaten Raum ist nicht zulässig (VG Darmstadt, Beschluss vom 16.10.2009 - 3 L 1179/09.DA).
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot nach § 12b Abs. 2 Satz 1 SOG können auch dann erfüllt sein, wenn die Annahme der Polizei, dass eine Person an bestimmten Orten oder in bestimmten Gebieten der Freien und Hansestadt Hamburg verschiedene Straftaten - hier Hausfriedensbruch, Beleidigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung - begehen werde, einer rechtlichen Überprüfung nicht im vollen Umfang standhält. Es genügt insoweit, dass die Gefahr bestand, der objektive Tatbestand eines einzigen Strafgesetzes - hier möglicherweise eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB - werde verwirklicht. Legt die Polizei jedoch auch der ihr damit eröffneten Ermessensentscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, die Annahme zugrunde, der Betreffende werde mehrere Straftaten durch Verwirklichung unterschiedlicher Straftatbestände begehen, ist die Entscheidung fehlerhaft, wenn zumindest ein Strafgesetz - hier ein Hausfriedensbruch nach § 123 StGB - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein ausscheidet. In einem solchen Fall kann die Entscheidung nur Bestand haben, wenn nachgewiesen werden kann, dass die fehlerhafte Annahme ohne Einfluss auf das Ergebnis des Abwägungsprozesses gewesen ist. Hat sich die polizeiliche Maßnahme erledigt, so kann nach Eintritt des erledigenden Ereignisses ein Ermessensfehler, der auf einer fehlerhaften Subsumtion unter ein Strafgesetz - hier der irrtümlichen Bejahung von § 123 Abs. 1 StGB - beruht, nicht mehr geheilt werden (VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2011 - 17 K 3395/08).
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Allein der Umstand, dass der Besucher einer öffentlichen Veranstaltung nicht zum von ihr angesprochenen Personenkreis gehören mag, rechtfertigt ohne Weiteres nicht die Verweigerung des Zutritts zu ihr (VG Gießen, Urteil vom 18.06.2009 - 10 K 2402/08.GI zu §§ 6 I, 11 I VersammlG, Art 8 GG, § 31 I HSOG):
.. I. Zwar ist die Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass die Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsakts, durch den dem Kläger der Zugang zum Bürgerhaus der Beklagten zu 1) verweigert wurde, nicht berechtigt gewesen seien, zulässig [A.], jedoch erweist sie sich nach erhobenem Beweis zur Überzeugung des Gerichts nur im Verhältnis zur Beklagten zu 1) als begründet [B.1.]; im Verhältnis zum Beklagten zu 2) ist sie dagegen unbegründet [B.2.].
A. Der Kläger kann - ungeachtet der Erledigung der Zugangsverweigerung - die Feststellung begehren, ihm sei der Zugang zu der Veranstaltung der W. am ..., ..:.. Uhr, im Bürgerhaus der Beklagten zu 1) zu Unrecht versagt worden (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Y.-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblatt, Stand: Oktober 2008, § 113 Rdnr. 99, 77). Maßgeblich hierfür ist, dass die geltend gemachte Zutrittsverweigerung sich aus der Sicht des Empfängerhorizonts als Regelung zur Sicherung des störungsfreien Ablaufs eines öffentlichen Zusammenkommens, mithin als Verwaltungsakt, dessen Wirksamkeit mit Beendigung der Veranstaltung endete, darstellt (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 7. Aufl. - 2008, § 35 Rdnr. 131 ff.). Das - unbeschadet der materiellen Erledigung dieser Regelung - fortbestehende Feststellungsinteresse daran, dass die Zutrittsverweigerung zu Unrecht erfolgte, ergibt sich, wie bereits in dem Beschluss vom 21. Januar 2009 angeführt, aus einem Rehabilitationsinteresse, das darauf gestützt werden kann, die Maßnahme sei unter einer - unzulässigen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, Abs.-Nr. 28 m.w.N.) - Anknüpfung an die Gesinnung des Klägers, nicht an das Bestehen einer konkreten Gefahr für Rechtsgüter oder gar Störung der öffentlichen Sicherheit, erfolgt.
B. Die begehrte Feststellung ist nur im Rechtsverhältnis zur Beklagten zu 1) zu treffen [1.], nicht jedoch auch im Verhältnis zum Beklagten zu 2) [2.].
1. Aufgrund der Vernehmung des Zeugen C. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine der Beklagten zu 1) zuzurechnende Zutrittsverweigerung stattfand [a.], für die indes nicht die erforderliche Rechtsgrundlage gegeben war [b.].
a. Bei seiner Einvernahme hat der Zeuge C. bekundet, dem Kläger mitgeteilt zu haben, dass der Veranstalter ihre Teilnahme nicht wünsche und er deshalb nicht eingelassen würde (Sitzungsniederschrift Seite 4). Dieses Vorbringen deckt sich mit dem Vermerk vom 29. August 2008 (Bl. 1 der beigezogenen Behördenakten), worin es heißt, er habe dem Kläger erklärt, "dass die Gruppe nicht zur Veranstaltung zugelassen sei", "dies der Wunsch des Veranstalters sei und [er] diesen Wunsch respektiere und ggf. unter Amtshilfe der Polizei auch durchsetzen würde".
Damit erließ der Zeuge C. eine der Beklagten zu 1) zuzurechnende Regelung.
Unbeschadet dessen, dass aus der "Benutzungs- und Gebührenordnung für die Bürgerhäuser der Stadt C-Stadt" (Bl. 27 bis 20 der Behördenakten) eine Übertragung des Hausrechts oder seiner Ausübung auf den jeweiligen Benutzer nicht ersichtlich ist, vielmehr das Hausrecht nach § 4 Nr. 10 dieser Regelung vom Hausmeister ausgeübt wird, musste nach dem Empfängerhorizont - der auch für den Verwaltungsakt als öffentlich-rechtliche Willenserklärung maßgeblich ist - der Kläger davon ausgehen, dass ihm der Zeuge C. nicht als Privatperson oder Bote der anwesenden W. entgegentrete, sondern als Beauftragter der Beklagten zu 1). Ausschlaggebend ist hierbei, dass der Kläger und der Zeuge C. sich bereits kannten und der Kläger um die Funktion des Zeugen in der Ordnungsbehörde der Beklagten zu 1) wusste; hieran ändert nichts, wenn keine der im Vorfeld - anlässlich der Anmeldung eines Aufzugs gegen den Moscheebau der W. - ergangenen Verfügungen die Unterschrift des Zeugen C. trägt.
b. Die für die Zutrittsverweigerung erforderliche Rechtsgrundlage fehlte. Auszugehen ist davon, dass der W. eine öffentliche Veranstaltung zum Thema "Islam und Integration"(vgl. Bl. 17 d.A.) durchführte, die zugleich eine Danksagung an die C. darstellen sollte (vgl. Bl. 15, 16 d.A.), ohne ausdrücklich auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt zu sein. Dem Kläger konnte deshalb der Zutritt zu der Veranstaltung weder auf versammlungsrechtlicher [(1)] noch, für den Fall, dass die Veranstaltung nicht als "Versammlung" angesehen werden sollte, allgemeinpolizeirechtlicher Grundlage [(2)] oder aufgrund der öffentlich-rechtliche Sachherrschaft an dem Bürgerhaus [(3)] verweigert werden.
(1) Eine Rechtsgrundlage für die Zutrittsverweigerung findet sich nicht in § 6 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes, das unbeschadet des Übergangs der Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Gesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I Seite 2034) in Hessen fortgilt. Es spricht einiges dafür, die Veranstaltung des W. dem Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG sowie der völkervertraglichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 11 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zuzuordnen, mithin als Versammlung anzusehen, auch wenn der Kundgabecharakter innerhalb der kommunikativen Wirkung der Veranstaltung von eher untergeordneter Bedeutung war. Jedenfalls lässt sich der Einladung nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen, dass der Kläger - mag er auch nicht zum Adressatenkreis gehören - von der Teilnahme ausgeschlossen sei. Mithin bliebe allein die Befugnis des Leiters der Versammlung - hier offenbar des Bundesvorsitzenden U. - den Kläger nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes von der Teilnahme auszuschließen, wofür jedoch eine gröbliche Störung der Ordnung der Versammlung erforderlich gewesen wäre, die hier unzweifelhaft nicht vorlag.
(2) Ebenso wenig findet sich eine Eingriffsermächtigung - sofern man das Vorliegen einer "Versammlung" verneinte - in § 31 Abs. 1 Satz 1 Alt: 2 HSOG. Die Platzverweisung durch das vorübergehende Verbot, einen Ort zu betreten setzt nämlich eine "Gefahr" voraus, wobei allerdings der Kläger die Gefahrengrenze noch nicht überschritten hätte. Allein der Umstand, dass er wegen seiner Überzeugung nicht in den Rahmen der Veranstaltung zu passen schien, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
(3) Schließlich ermöglichte nicht die der Beklagten zu 1) verbliebene öffentlich-rechtliche Sachherrschaft am Bürgerhaus C-Stadt, den Kläger von der Teilnahme an der Veranstaltung auszuschließen. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft schließt die Störungsabwehr durch Ausübung des Hausrechts ein, verlangt indes ebenfalls eine bereits aktualisierte Beeinträchtigung, die hier freilich nicht vorlag.
2. Nach Einvernahme des Zeugen K. steht indes zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine dem Beklagten zu 2) zuzurechnende Regelung, durch die dem Kläger der Zutritt zum Bürgerhaus der Beklagten zu 1) versagt worden wäre, nicht erging.
Selbst wenn aufgrund des Erscheinens des Zeugen K. in Uniform und dem geführten Wortwechsel mit dem Kläger bei diesem der Eindruck entstanden sein sollte, der Zeuge K. befinde sich im Dienst, lässt sich dem Vorbringen dieses Zeugen nicht entnehmen, dass er selber irgendwelche regelnden Anordnungen bekannt gegeben habe. Soweit thematisiert wurde, dass es bei einem Versuch des Klägers, sich Zutritt zu verschaffen, zu einem polizeilichen Einsatz kommen könnte (Sitzungsniederschrift Seite 7), handelt es sich um die Diskussion einer möglichen Lageentwicklung, die keine aktuelle Regelung enthält. Allein aus der Möglichkeit, dass der Zeuge K. sich hätte in Dienst setzen und - bei entsprechender Entwicklung des Lagebildes - durch zwangsweise Durchsetzung einer eigenen Verfügung oder durch Vollzugshilfe für die Beklagte zu 1) einem Zutrittsversuch des Klägers hätte entgegen treten können, folgt noch nicht, dass er eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung verhindert habe. Maßgeblich für die Verhinderung war nicht die Diskussion einer möglichen Lageentwicklung, sondern das Befolgen der von der Beklagten zu 1) - indes ohne die erforderliche rechtliche Grundlage - erlassenen Verfügung. ..."
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Die Anordnung eines Platzverweises i.S. des § 31 HessSOG ist nur vorübergehend rechtlich zulässig. Längere Aufenthaltsverbote können nicht auf die Befugnisnorm des § 31 HessSOG gesützt werden. Ein Aufenthaltsverbot kann nach hessischem Landesrecht nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 11 HessSOG ausgesprochen werden. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit eines ausgesprochenen Aufenthaltsverbots (VG Frankfurt, Urteil vom 21.02.2002 - 5 E 4962/01 (V)).
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Zur Rechtmäßigkeit der Feststellung der Identität und Durchsuchung von Personen, die der rechtsextremistischen Szene zugeordnet werden. Ein Platzverweis darf nicht ausgesprochen werden, wenn von einer Person eine polizeirechtlich relevante Gefahr nicht ausgeht. Es bleibt offen, ob ein Platzverweis außer auf § 31 HessSOG unter bestimmten Voraussetzungen auch auf die allgemeine Befugnisnorm des § 11 HessSOG gestützt werden kann (VG Frankfurt, Urteil vom 06.02.1998 - 5 E 3536/96).
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§ 32 Gewahrsam
(1) Die Polizeibehörden können eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies
1. zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet,
2. unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern,
3. unerlässlich ist, um Maßnahmen nach § 31 durchzusetzen, oder
4. unerlässlich ist, um private Rechte zu schützen und eine Festnahme und Vorführung der Person nach den §§ 229, 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches ohne polizeiliches Einschreiten zulässig wäre.
(2) Die Polizeibehörden können Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen.
(3) Die Polizeibehörden können eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehender Maßregel der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Gewahrsamsorgien beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten (EGMR, Urteil vom 01.12.2011 - 8080/08, 8577/08 - juris):
... VERFAHREN
1. Der Rechtssache lagen zwei Individualbeschwerden (Nrn. 8080/08 und 8577/08) gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, die zwei deutsche Staatsangehörige, S. ( der erste Beschwerdeführer") und G. ( der zweite Beschwerdeführer"), am 8. bzw. 11. Februar 2008 nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ( die Konvention") beim Gerichtshof eingereicht hatten. Der Kammerpräsident gab dem Antrag des zweiten Beschwerdeführers vom 7. Juli 2010, seine Identität nicht offen zu legen, am 23. August 2010 statt (Artikel 47 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).
2. Der erste Beschwerdeführer wurde vor dem Gerichtshof zunächst von Frau U., Rechtsanwältin in Hamburg, und anschließend von Frau L., Rechtsanwältin in Berlin, vertreten. Der zweite Beschwerdeführer wurde vor dem Gerichtshof auch von Frau L. vertreten. Die deutsche Regierung ( die Regierung") wurde durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Frau Ministerialdirigentin A. Wittling-Vogel vom Bundesministerium der Justiz, und den ständigen Vertreter ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn Ministerialrat H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz, vertreten.
3. Die Beschwerdeführer brachten insbesondere vor, ihre Präventivhaft während eines G8-Gipfels, durch die sie daran gehindert worden seien, an Demonstrationen teilzunehmen, habe gegen Artikel 5 Abs. 1 sowie Artikel 10 und 11 der Konvention verstoßen.
4. Am 30. November 2009 entschied der Präsident der Fünften Sektion, die Regierung von der Beschwerde in Kenntnis zu setzen. Es wurde auch beschlossen, über die Zulässigkeit und die Begründetheit der Beschwerden gleichzeitig zu entscheiden (Artikel 29 Abs. 1).
SACHVERHALT
I. DIE UMSTÄNDE DER RECHTSSACHE
5. Die Beschwerdeführer wurden beide 19.. geboren und sind in B. bzw. X. wohnhaft.
A. Hintergrund der Rechtssache
1. Die Einschätzung der Sicherheitslage durch die Behörden und die Sicherheitsmaßnahmen während des G8-Gipfels
6. Vom 6. bis 8. Juni 2007 fand in Heiligendamm in der Nähe von Rostock ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten statt.
7. Nach Auffassung der Polizei bestand während des Gipfels die Gefahr terroristischer Anschläge, insbesondere durch islamistische Gruppen. Darüber hinaus ging die Polizei unter Berücksichtigung der bei früheren G8-Gipfeln gewonnenen Erfahrungen von einer Gefahr objektbezogener Anschläge durch militante Linksextreme aus. Diese hätten geplant, gegen den Gipfel zu protestieren, ihn zu blockieren und zu sabotieren.
8. Die Polizei nahm an, dass etwa 25.000 Personen, von denen 2.500 gewaltbereit seien, an einer internationalen Demonstration am 2. Juni 2007 in Rostock teilnehmen würden, und dass während des Gipfels etwa 15.000 Demonstranten anwesend sein würden, von denen 1.500 gewaltbereit seien.
9. Am 2. Juni 2007 kam es im Stadtzentrum von Rostock zu schweren Ausschreitungen, an denen gut organisierte gewalttätige Demonstranten, die einem sogenannten schwarzen Block" zuzurechnen waren, beteiligt waren; diese griffen die Polizei mit Steinen und Baseballschlägern an. 400 Polizisten wurden verletzt.
10. Nach einer Presseveröffentlichung des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Juni 2007 waren 17.000 Polizisten im Einsatz, um den störungsfreien Ablauf des G8-Gipfels sicherzustellen und die Gipfelteilnehmer vor Anschlägen durch Terroristen oder gewaltbereite Globalisierungsgegner zu schützen. Während des Gipfels seien 1.112 Freiheitsentziehungen in Gefangenensammelstellen erfasst worden. In 628 Fällen sei bei Gericht die Bestätigung des Gewahrsams beantragt worden; in 113 Fällen sei diese Bestätigung erfolgt.
2. Die Festnahme der Beschwerdeführer
11. Im Juni 2007 fuhren die Beschwerdeführer nach Rostock, um an den Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm teilzunehmen.
12. Am 3. Juni 2007 gegen 22.15 Uhr wurde die Identität der Beschwerdeführer auf einem Parkplatz vor der Justizvollzugsanstalt Waldeck von der Polizei überprüft; dort standen sie mit sieben anderen Personen neben einem Transporter. Auf dem Parkplatz befanden sich keine weiteren Personen. Die Polizei brachte vor, dass der erste Beschwerdeführer Widerstand gegen die Identitätsfeststellung geleistet habe. Er habe einem Polizeibeamten, der versucht habe, die Identität des zweiten Beschwerdeführers festzustellen, auf die Arme geschlagen. Er habe auch einem anderen Polizeibeamten gegen das Schienbein getreten, um die eigene Identitätsfeststellung zu verhindern. Die Beschwerdeführer brachten vor, der zweite Beschwerdeführer sei von der Polizei geschlagen worden, obwohl er seinen Personalausweis vorzeigebereit in der Hand gehalten habe. Die Polizei durchsuchte das Fahrzeug und fand eingerollte Transparente mit den Aufschriften freedom for all prisoners" sowie free all now". Die Beschwerdeführer wurden festgenommen. Die Transparente wurden anscheinend beschlagnahmt.
B. Das in Rede stehende Verfahren
1. Das Verfahren vor dem Amtsgericht
13. Mit zwei gesonderten Beschlüssen, die am 4. Juni 2007 um 4.20 bzw. 4.00 Uhr ergingen, ordnete das Amtsgericht Rostock nach persönlicher Vernehmung der beiden Beschwerdeführer deren amtlichen Gewahrsam bis längstens 9. Juni 2007, 12.00 Uhr, an.
14. Gestützt auf §§ 55 Abs. 1 Nr. 2a und 56 Abs. 5 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern - SOG M-V - (siehe Rdnrn. 37-38) befand das Amtsgericht, dass die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer rechtmäßig gewesen sei, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. Da die Beschwerdeführer vor der Justizvollzugsanstalt Waldeck in einem Transporter aufgegriffen worden seien, in dem Gegenstände entdeckt worden seien, mit denen zur Gefangenbefreiung aufgerufen worden sei, sei anzunehmen gewesen, dass sie eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen würden.
15. Das Amtsgericht befand ferner, dass die Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer unerlässlich und verhältnismäßig sei. In der Anhörung hätten die beiden Beschwerdeführer den Eindruck vermittelt, dass sie beabsichtigten hätten, die Straftat fortzusetzen. Da sie keine Angaben zur Sache gemacht hätten, hätten sie ihr Verhalten auch nicht rechtfertigen können.
2. Das Verfahren vor dem Landgericht
16. Am 4. Juni 2007 wies das Landgericht Rostock die sofortigen Beschwerden des ersten und zweiten Beschwerdeführers mit zwei gesonderten Beschlüssen zurück.
17. Das Landgericht bestätigte die Feststellung des Amtsgerichts, die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer sei nach § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V rechtmäßig gewesen. Indem die Beschwerdeführer im unmittelbaren Umfeld der JVA Waldeck nachweislich Transparente mit einer imperativen Aufschrift ( free" - befreien") mit sich geführt hätten, hätten sie zur Gefangenenbefreiung, die eine Straftat darstelle, auffordern wollen. Darüber hinaus habe der erste Beschwerdeführer dem Akteninhalt zufolge gegen Vollstreckungsbeamte Widerstand geleistet. Dem zweiten Beschwerdeführer sei seinerseits 2002 im Zusammenhang mit einem Castor1-Transport" ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr zur Last gelegt worden. Das Landgericht schloss sich überdies der Begründung des Amtsgerichts an, wonach die Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer unerlässlich und angemessen sei.
3. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht
18. Am 7. Juni 2007 wies das Oberlandesgericht Rostock die von den Beschwerdeführern anschließend erhobenen sofortigen weiteren Beschwerden zurück. In ihren Beschwerden hatten die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer vorgebracht, dass die Transparente sich an die Polizei und die Behörden gerichtet hätten, die dadurch aufgefordert werden sollten, die zahlreichen Festnahmen und Ingewahrsamnahmen von Demonstranten zu beenden. Die Transparente hätten nicht darauf abgezielt, andere dazu aufzufordern, Gefängnisse zu stürmen und Gefangene gewaltsam zu befreien. Eine solche Auslegung müsse als lebensfremd angesehen werden, denn gewalttätige Gefangenenbefreiungen aus Gefängnissen habe es in den letzten Jahrzehnten in Deutschland nicht gegeben.
19. Das Oberlandesgericht bestätigte die Feststellung der Vorinstanzen, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V gegeben seien. Die Festnahme und Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer sei zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich gewesen. Das Transparent free all now" könne zusammen mit dem Transparent freedom for all prisoners" so gedeutet werden, dass zur Gefangenenbefreiung, die nach § 120 StGB (siehe Rdnr. 41) einen Straftatbestand erfülle, aufgerufen werde. Für die Polizei habe der begründete Verdacht bestanden, dass die Beschwerdeführer sich nach Rostock begeben und die Transparente bei den dort stattfindenden, teilweise gewalttätigen Demonstrationen zeigen würden. Damit hätte eine gewaltbereite Menge dazu bewogen werden können, in Gewahrsam genommene Personen zu befreien.
20. In Bezug auf den zweiten Beschwerdeführer seien die Voraussetzungen des §§ 55 Abs. 1 Nr. 2c SOG M-V (siehe Rdnr. 37) ebenfalls erfüllt gewesen. Der zweite Beschwerdeführer sei 2002 unter vergleichbaren Umständen wegen Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr im Zusammenhang mit dem Transport von Castor-Behältern festgenommen worden. Ob er anschließend verurteilt worden sei, sei unerheblich.
21. Die Beschwerdeführer seien den Schlussfolgerungen der Gerichte nicht entgegengetreten und hätten sich nicht zur Sache eingelassen. Die Polizei habe die am 2. und 3. Juni 2007 in Rostock bestehende allgemeine Gefahrenlage berücksichtigen müssen. An diesen Tagen sei es in der Innenstadt zu äußerst gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei gekommen. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer sich durch Angriffe gegen Polizeibeamte selbst gewaltbereit gezeigt.
22. Das Oberlandesgericht war ferner der Auffassung, dass das Grundrecht der Beschwerdeführer auf freie Meinungsäußerung keine andere Schlussfolgerung rechtfertige. Es räumte ein, dass die Losungen auf den Transparenten mehrdeutig seien. Jedoch habe die Polizei in der in und um Rostock bestehenden angespannten Situation missverständliche Meinungskundgebungen, die zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hätten führen können, unterbinden dürfen.
23. Darüber hinaus sei die Dauer der Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer verhältnismäßig gewesen. Aus einem Bericht der Rostocker Polizei vom 6. Juni 2007 gehe hervor, dass sechs- bis zehntausend Globalisierungsgegner mit zum Teil hoher Gewaltbereitschaft sich in Richtung Heiligendamm bewegt und zur Stürmung des Dammes" aufgerufen hätten. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass sich die Beschwerdeführer mit den Transparenten an diesen Demonstrationen beteiligen und damit andere Teilnehmer zur Gefangenenbefreiung aufstacheln würden.
4. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
24. Am 6. Juni 2007 erhoben die beiden Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht und beantragten den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel ihrer sofortigen Freilassung.
25. Die Beschwerdeführer rügten, dass ihre Ingewahrsamnahme insbesondere ihr Recht auf Freiheit und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt habe. Der zweite Beschwerdeführer machte ferner geltend, dass seine Ingewahrsamnahme gegen sein Recht auf Versammlungsfreiheit verstoßen habe. Die beiden Beschwerdeführer trugen vor, dass die Wertung, die Transparentaufschriften riefen andere Demonstranten auf, die Gefängnisse zu stürmen und die Gefangenen zu befreien, lebensfremd sei. Die Transparente hätten sich an die Polizei, die bereits viele Globalisierungsgegner festgenommen gehabt habe, an die Teilnehmer des G8-Gipfels und an die Allgemeinheit gerichtet und nicht zu gewalttätigen Handlungen aufgefordert. Die Beschwerdeführer hoben überdies hervor, dass sie nicht vorbestraft seien. Der zweite Beschwerdeführer trug insbesondere vor, dass das gegen ihn wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei.
26. Diese Beschwerden wurden anfangs unter dem Aktenzeichen 2 BvR 1195/07 bzw. 2 BvR 1196/07 geführt. Am 8. Juni 2007 teilte der Bericht erstattende Richter des Bundesverfassungsgerichts den Bevollmächtigten der Beschwerdeführer telefonisch mit, dass das Bundesverfassungsgericht keine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung treffen werde.
27. Die Beschwerdeführer wurden am 9. Juni 2007 um 12.00 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen.
28. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer vom 6. Juni 2007 wurden nach ihrer Freilassung als erledigt betrachtet.
29. Obwohl sie mittlerweile freigelassen worden waren, beantragten die Beschwerdeführer am 6. Juli 2007 beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung, dass ihre Ingewahrsamnahme verfassungswidrig gewesen sei. Daraufhin wurden ihre Verfassungsbeschwerden neu registriert (2 BvR 1521/07 bzw. 2 BvR 1520/07).
30. Am 6. August 2007 lehnte es das Bundesverfassungsgericht mit zwei gesonderten Beschlüssen ohne Begründung ab, die Verfassungsbeschwerden des ersten und zweiten Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen (Az.: 2 BvR 1521/07 bzw. 2 BvR 1520/07).
31. Die Entscheidung wurde der Bevollmächtigten des ersten Beschwerdeführers am 14. August 2007 und der Bevollmächtigten des zweiten Beschwerdeführers am 13. August 2007 zugestellt.
C. Weitere Entwicklungen
32. Das gegen den ersten Beschwerdeführer wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bei der Feststellung seiner Personalien am 3. Juni 2007 eingeleitete Strafverfahren wurde gegen Zahlung eines Betrags von 200 Euro eingestellt. Das wegen derselben Straftat gegen den zweiten Beschwerdeführer eingeleitete Strafverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
33. Die Beschwerdeführer brachten vor, einer der an ihrer Ingewahrsamnahme beteiligten Polizeibeamten sei später in einer anderen Angelegenheit der Körperverletzung im Amt schuldig befunden worden. Das Verfahren sei in der Berufungsinstanz noch anhängig. Die Regierung hat zu diesem Punkt nicht Stellung genommen.
34. Ein Strafverfahren wegen Aufforderung zur Gefangenenbefreiung wurde gegen die Beschwerdeführer nicht eingeleitet.
35. Am 20. Dezember 2007 verwarf das Oberlandesgericht Rostock die Anhörungsrügen der Beschwerdeführer.
36. Am 1. bzw. 3. Mai 2008 beschloss das BVG, die erneuten Verfassungsbeschwerden des ersten (2 BvR 538/08) und des zweiten Beschwerdeführers (2 BvR 164/08) nicht zur Entscheidung anzunehmen. In ihren Beschwerden hatten sich die Beschwerdeführer insbesondere auf ihr Recht auf Freiheit, freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit berufen.
II. EINSCHLÄGIGES INNERSTAATLICHES RECHT
A. Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern ( das SOG M-V")
37. § 55 Absatz 1 SOG M-V, soweit maßgeblich, lautet:
Eine Person kann nur in Gewahrsam genommen werden, wenn dies
1. ... ;
2. unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern; die Annahme, dass eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, dass
a) sie die Begehung der Tat ankündigt oder dazu aufgefordert hat oder Transparente oder sonstige Gegenstände mit einer solchen Aufforderung sich führt;
...
c) sie bereits in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten [ ] angetroffen worden ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist [ ]"
38. Nach § 56 Abs. 5 SOG M-V hat die Polizei, wenn sie eine Person in Gewahrsam nimmt, unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. In der richterlichen Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer des Gewahrsams zu bestimmen; sie darf in den Fällen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 zehn Tage nicht überschreiten. Für die Entscheidung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person in Gewahrsam genommen worden ist.
39. Nach § 52 SOG M-V können die Behörden zur Abwehr einer konkreten Gefahr eine Person von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweisung). Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass diese Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird, so kann ihr bis zu einer Dauer von zehn Wochen untersagt werden, diesen Bereich zu betreten.
40. Nach § 61 Abs. 1 SOG M-V kann eine Sache nur sichergestellt werden, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Nr. 1) oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verwendet werden soll (Nr. 4).
B. Das Strafgesetzbuch (StGB)
41. Nach § 120 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert. Nach § 120 Abs. 3 ist der Versuch strafbar.
C. Die Strafprozessordnung
42. §§ 112 ff. StPO behandeln die Untersuchungshaft. Nach § 112 Abs. 1 StPO darf die Untersuchungshaft gegen einen Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
I. VERBINDUNG DER BESCHWERDEN
43. Da sich die beiden in Rede stehenden Individualbeschwerden auf zwei Verfahren beziehen, die denselben Gegenstand hatten, nämlich die Präventivhaft der Beschwerdeführer während des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm, beschließt der Gerichtshof, die Individualbeschwerden zu verbinden (Artikel 42 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).
II. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 5 ABSATZ 1 DER KONVENTION
44. Die Beschwerdeführer rügten, dass ihre Präventivhaft während des G8-Gipfels Artikel 5 Abs. 1 der Konvention verletzt habe, der, soweit maßgeblich, wie folgt lautet:
Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a) rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern; ..."
45. Die Regierung bestritt dieses Vorbringen.
A. Zulässigkeit
46. Die Regierung war der Auffassung, dass die Beschwerdeführer die innerstaatlichen Rechtsbehelfe nicht dem Erfordernis aus Artikel 35 Abs. 1 der Konvention entsprechend erschöpft hätten. Sie hätten vor Erhebung der Individualbeschwerden keine Klage auf Entschädigung für ihre angeblich unrechtmäßige Freiheitsentziehung nach Artikel 5 Abs. 5 der Konvention erhoben. Die Regierung räumte ein, dass die Beschwerdeführer hinsichtlich ihrer Ingewahrsamnahme von allen verfügbaren Rechtsmitteln Gebrauch gemacht hätten. Ihr primäres Ziel - die Freilassung aus dem Gewahrsam - hätte sich nach ihrer Entlassung am 9. Juni 2007 erledigt. Danach hätten sie nur noch eine Ersatzleistung durch den Staat erlangen können.
47. Die Beschwerdeführer bestritten diese Auffassung. Sie hätten sowohl in dem Verfahren über die Rechtmäßigkeit ihrer Ingewahrsamnahme vor den Rostocker Gerichten als auch gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vorgebracht, dass ihre Ingewahrsamnahme gegen ihre Grundrechte verstoßen habe. Ein zivilgerichtliches Entschädigungsverfahren wäre nicht umfassend genug gewesen und es wäre auch kein wirksames Rechtsmittel gewesen, um eine zügige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit ihrer Ingewahrsamnahme zu erwirken und im Falle der Unrechtmäßigkeit dieser Freiheitsentziehung ihre Freilassung durchzusetzen. Darüber hinaus hätte eine Entschädigungsforderung keine Erfolgsaussichten gehabt, nachdem die Ingewahrsamnahme von den Rostocker Gerichten in dem in Rede stehenden Verfahren für rechtmäßig erachtet worden sei. Es sei kein einziger Fall bekannt, in dem die Zivilgerichte in einem Entschädigungsverfahren einer früheren Entscheidung der Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung einer Person nicht gefolgt wären. Unter diesen Umständen seien die Beschwerdeführer nicht verpflichtet gewesen, zusätzlich zu dem Verfahren, mit dem sie die Rechtmäßigkeit ihrer Ingewahrsamnahme angefochten hätten, von einem weiteren Rechtsbehelf Gebrauch zu machen.
48. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Regel der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs nach Artikel 35 Abs. 1 der Konvention die Beschwerdeführer verpflichtet, zunächst von den ihnen nach ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung normalerweise zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen, die solcher Art sind, dass den behaupteten Verletzungen abgeholfen werden kann (siehe u. a. Akdivar u . a. ./. Türkei, 16. September 1996, Rdnr. 66, Urteils- und Entscheidungssammlung 1996-IV; und Aksoy ./. Türkei, 18. Dezember 1996, Rdnr. 62, Sammlung 1996-VI).
49. Nach der ständigen Rechtsprechung der Konventionsorgane ist eine Entschädigungsklage in einem Fall, in dem es um die Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung geht, kein Rechtsbehelf, der erschöpft werden müsste, denn das Recht auf gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung und das Recht auf Erhalt einer Entschädigung für eine mit Artikel 5 nicht vereinbare Freiheitsentziehung sind zwei getrennte Rechte (siehe u. a. W?och v. Poland, Individualbeschwerde Nr. 27785/95, Rdnr. 90, ECHR 2000-XI; Belchev ./. Bulgarien (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 39270/98, 6. Februar 2003; und Khadisov und Tsechoyev ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 21519/02, Rdnr. 151, 5. Februar 2009, mit weiteren Verweisen). In Artikel 5 Abs. 1 der Konvention geht es um das erstgenannte, und in Artikel 5 Abs. 5 um das letztgenannte Recht (Khadisov und Tsechoyev, a.a.O. Rndr. 151).
50. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof gerügt haben, dass ihre Präventivhaft während des G8-Gipfels Artikel 5 Abs. 1 verletzt habe, und dass sie die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Ingewahrsamnahme zuvor vor allen zuständigen innerstaatlichen Gerichten gerügt hatten. Nach seiner Rechtsprechung haben sie im Hinblick auf ihre Rüge nach Artikel 5 Abs. 1 den innerstaatlichen Rechtsweg daher erschöpft. Die Einrede der Regierung wegen Nichterschöpfung des Rechtswegs ist daher zurückzuweisen.
51. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass diese Beschwerde nicht im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a der Konvention offensichtlich unbegründet ist. Sie ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.
B. Begründetheit
1. Die Stellungnahmen der Parteien
a) Die Beschwerdeführer
52. Die Beschwerdeführer brachten vor, dass ihre Freiheitsentziehung im Zeitraum vom 3. bis 9. Juni 2007 gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention verstoßen habe. Sie sei nach keinem der Buchstaben dieser Bestimmung gerechtfertigt gewesen.
53. Die Beschwerdeführer brachten insbesondere vor, dass ihre Freiheitsentziehung nicht nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt gewesen sei, weil dieser eine rein präventive Freiheitsentziehung nicht zulasse. Ihre Freiheitsentziehung sei nicht im Zusammenhang mit einem Strafverfahren erfolgt, wie dies gemäß der Auslegung dieser Bestimmung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderlich sei (sie bezogen sich u. a. auf Jec(ius ./. Litauen, Individualbeschwerde Nr. 34578/97, Rdnr. 50, ECHR 2000-IX). Dies werde dadurch belegt, dass ihre Freiheitsentziehung sich nicht auf § 112 StPO gestützt habe, der die Untersuchungshaft betreffe (siehe Rdnr. 42). Vielmehr hätten die Gerichte ihre Freiheitsentziehung auf §§ 55 und 56 SOG M-V gestützt; diese regelten die Präventivhaft, die nicht mit einem Strafverfahren in Verbindung stehe.
54. Darüber hinaus brachten die Beschwerdeführer vor, ihre Freiheitsentziehung habe nicht darauf abgezielt, sie unverzüglich einem Richter vorzuführen und wegen potentieller künftiger Straftaten vor Gericht zu stellen, wie dies nach Artikel 5 Abs. 3 i. V. m. Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c erforderlich sei. Auch habe nicht gemäß der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c begründeter Anlass zu der Annahme bestanden, dass die Freiheitsentziehung notwendig sei, um sie an der Begehung einer Straftat zu hindern. Ihre potentiellen Straftaten seien nicht, wie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderlich, mit einem angemessenen Maß an Spezifität insbesondere hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Begehung und ihrer Opfer beschrieben worden (sie beriefen sich u. a. auf M. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnr. 102, 17. Dezember 2009).
55. Die Beschwerdeführer brachten ferner vor, dass ihre Freiheitsentziehung auch nicht nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b gerechtfertigt gewesen sei. Es habe keine gerichtliche Anordnung gegeben, die die Beschwerdeführer nicht erfüllt hätten. Sie hätten auch keiner Verpflichtung unterlegen, die sie nicht erfüllt hätten. Selbst wenn sie die in dem Lieferwagen beschlagnahmten Transparente gezeigt hätten, hätten sie keine Straftat begangen.
56. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer erfüllte ihre Freiheitsentziehung mangels Verurteilung" auch nicht die Anforderungen von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a.
57. Darüber hinaus sei ihre Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig" gewesen, wie nach Artikel 5 Abs. 1 erforderlich. § 55 Abs. 1 SOG M-V, auf den ihre Freiheitsentziehung gestützt worden sei, sei nicht so konkret gewesen, dass sie hätten vorhersehen können, dass sie wegen ihres Verhaltens mit einer Freiheitsentziehung zu rechnen hätten. Darüber hinaus sei die Bestimmung nicht korrekt angewandt worden. Es habe nichts darauf hingedeutet, dass die Beschwerdeführer im Begriff gewesen seien, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort eine bestimmte Straftat zu begehen. Selbst wenn man, obwohl die Beschwerdeführer selbst von den Polizisten geschlagen worden seien, annehme, dass der erste Beschwerde einem Polizeibeamten auf den Arm geschlagen und ihm ans Schienbein getreten habe, rechtfertige dies nicht die Schlussfolgerung, dass beide Beschwerdeführer dabei gewesen seien, eine weitere, ganz andere Straftat, nämlich die gewaltsame Befreiung von Gefangenen, zu begehen. Aber selbst wenn die Beschwerdeführer die Transparente gezeigt hätten, wäre dies in jedem Fall nicht unrechtmäßig gewesen. Die Aufschriften hätten nicht dazu aufgefordert, Gewalttaten zu begehen oder jemandem zu schaden. In diesem Zusammenhang betonten die Beschwerdeführer, ihre Rechtsanwältinnen hätten die verschiedenen möglichen Bedeutungen der Losungen auf den Transparenten sowohl in der Anhörung vor dem Landgericht als auch in der Begründung ihrer sofortigen weiteren Beschwerde erläutert.
58. Darüber hinaus sei die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer auch nicht unerlässlich gewesen, um eine unmittelbar bevorstehende gewaltsame Gefangenenbefreiung oder einen Aufruf zur Gefangenenbefreiung zu verhindern. Es habe nichts darauf hingedeutet, dass die Beschwerdeführer, die keine Werkzeuge bei sich gehabt hätten, die zur Befreiung von Gefangenen hätten dienen können, im Begriff gewesen seien, die Justizvollzugsanstalt Waldeck, eine Hochsicherungseinrichtung, anzugreifen. Auf dem Parkplatz habe es keine Menschenmenge gegeben, die man hätte dazu anstiften können, gewaltsam Gefangene dieser Justizvollzugsanstalt zu befreien. Die Annahme, die Beschwerdeführer könnten die Transparente bei einer nicht näher bestimmten Demonstration verwenden, an der eventuell gewaltbereite Personen teilnähmen, reiche für die nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V erforderliche Schlussfolgerung, die Begehung einer Straftat stehe unmittelbar bevor, nicht aus. Die Beschwerdeführer brachten weiter vor, dass entgegen dem Vorbringen der Regierung keines der innerstaatlichen Gerichte die Ansicht geäußert habe, die Beschwerdeführer selbst hätten beabsichtigt, gewaltsam Gefangene zu befreien. Die Gerichte hätten nur vorgebracht, es gebe Grund zu der Annahme, die Beschwerdeführer hätten beabsichtigt, andere dazu anzustiften.
59. Die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei auch willkürlich gewesen, denn sie sei zur Erreichung des verfolgten Ziels nicht notwendig gewesen. Die Polizei hätte den Beschwerdeführern einfach nach § 52 SOG M-V verbieten können, das Gebiet zu betreten, in dem die G8-Demonstrationen stattgefunden hätten (siehe Rdnr. 39). Alternativ hätten sie auch nach § 61 SOG M-V die Transparente beschlagnahmen können (siehe Rdnr. 40). Den Beschwerdeführern wäre dann bewusst gewesen, dass die Polizei die Losungen für unrechtmäßig halte. In Anbetracht der abschreckenden Wirkung einer solchen polizeilichen Maßnahme hätte entgegen dem Vorbringen der Regierung nicht davon ausgegangen werden dürfen, dass die Beschwerdeführer ähnliche Transparente neu hergestellt und benutzt hätten. Da es während der gesamten Woche des G8-Gipfels zu keinen weiteren gewalttätigen Demonstrationen gekommen sei, sei die sechstägige Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer unverhältnismäßig gewesen. Sie wiesen in diesem Zusammenhang weiter darauf hin, dass die sieben Weißrussen, die sich ebenfalls in dem Transporter befunden hätten, als die Beschwerdeführer festgenommen worden seien, und denen die Transparente ebenfalls hätten gehören können, nicht in Gewahrsam genommen worden seien.
b) Die Regierung
60. Die Regierung vertrat die Auffassung, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention vereinbar gewesen sei. Sie sei nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c als Freiheitsentziehung wegen begründeten Anlasses zu der Annahme, dass es notwendig sei, die Beschwerdeführer an der Begehung einer Straftat zu hindern, gerechtfertigt gewesen.
61. Die Regierung widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführer, die Präventivhaft sei nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c der Konvention nur im Zusammenhang mit einem Strafverfahren zulässig, ihre Freiheitsentziehung sei jedoch außerhalb eines Strafverfahrens erfolgt und die bis dahin begangenen Handlungen zur Vorbereitung der gewaltsamen Gefangenenbefreiung oder des Aufrufs dazu seien straffrei gewesen. Die Regierung brachte vor, dass die Präventivhaft nach dem Wortlaut der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt sei, wenn sie notwendig sei, um eine Personen an der Begehung einer konkreten und spezifischen Straftat zu hindern, die, wenn sie begangen würde, zu einem Strafverfahren führen würde. Es sei nicht erforderlich, dass die betreffende Person bereits eine Straftat begangen habe; andernfalls wäre es überflüssig, neben der ersten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c noch eine zweite Alternative aufzuführen. Artikel 5 Abs. 3 der Konvention sei im Lichte von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c dahingehend auszulegen, dass eine unverzügliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung erforderlich sei: Ein Strafverfahren sei nicht notwendig, da der Person keine Straftat zur Last gelegt werde.
62. Die Regierung brachte weiter vor, dass eine solche Präventivhaft in Deutschland erforderlich sei, da Vorbereitungshandlungen entgegen dem in anderen Vertragsstaaten der Konvention anwendbaren Strafrecht in Deutschland in der Regel nicht strafbar seien. Dies diene dazu, potentielle Straftäter von ihren Plänen, eine Straftat zu begehen, abzubringen. Ohne die Möglichkeit, Personen präventiv in Gewahrsam zu nehmen, könnte der Staat daher seine positive Verpflichtung, seine Bürger vor bevorstehenden Straftaten zu schützen - zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Transport von Castorbehältern oder bei Hooligans, die Vorbereitungen für eine geplante Schlägerei treffen - nicht erfüllen.
63. Unter Bezugnahme auf die Rechtssache Guzzardi ./. Italien (6. November 1980, Rdnr. 102, Band A Nr. 39) brachte die Regierung vor, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt gewesen sei. Bestimmte Tatsachen hätten die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass es notwendig gewesen sei, sie daran zu hindern, in der unmittelbaren Zukunft eine Straftat zu begehen. Die Beschwerdeführer seien einen Tag nach gewalttätigen Ausschreitungen in der Innenstadt von Rostock gemeinsam mit sieben anderen Personen auf einem Parkplatz vor der Justizvollzugsanstalt Waldeck bei einem Transporter stehend angetroffen worden. Der erste Beschwerdeführer habe bei der Identitätsfeststellung durch Polizeibeamte gewaltsam Widerstand geleistet. Die Polizei habe Transparente mit der Aufschrift freedom for all prisoners" und free all now" in dem Transporter gefunden. Unter diesen Umständen hätten die Polizeibeamten davon ausgehen dürfen, dass die Beschwerdeführer im Begriff seien, sich den in Rostock stattfindenden Demonstrationen anzuschließen und die Transparente den Demonstrationsteilnehmern, von denen einige gewalttätig gewesen seien, zu zeigen. Dies wäre einem Aufruf zur nach § 120 StGB strafbaren Gefangenenbefreiung gleichgekommen.
64. Die Regierung brachte vor, es könne als naheliegend angesehen werden, den Wortlaut des Transparents mit der Aufschrift free all now" eher als an andere Demonstranten gerichteter Aufruf zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung zu verstehen als im Sinne eines Appells an die staatlichen Stellen, ihre Freilassung anzuordnen. Der erste Beschwerdeführer habe gewaltsam Widerstand gegen die Identitätsfeststellung geleistet und gegen den zweiten Beschwerdeführer sei bereits wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr im Zusammenhang mit dem Transport von Castor-Behältern ermittelt worden. Daher sei anzunehmen gewesen, dass die Beschwerdeführer beabsichtigt hätten, den Gipfel mit gewaltsamen Mitteln zu stören und andere in Rostock anwesende gewalttätige Demonstranten dazu anzustiften, Personen, die in den in der Innenstadt errichteten Gefangenensammelstellen festgehalten oder während einer Demonstration festgenommen worden seien, gewaltsam zu befreien. Die Beschwerdeführer hätten in dem Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten auch nicht dargelegt, dass die Aufschriften auf ihren Transparenten eine andere Bedeutung gehabt hätten.
65. Die Regierung brachte ferner vor, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b gerechtfertigt gewesen sei. Sie sei notwendig gewesen, um die Erfüllung einer gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtung sicherzustellen. Im Hinblick auf die Umstände der Rechtssache sei es sicher, dass die Beschwerdeführer einer Meldeauflage, die sie verpflichtet hätte, sich in bestimmten zeitlichen Abständen bei einem Polizeirevier an ihrem Wohnort zu melden, oder einem Platzverweis, der es ihnen untersagt hätte, ein bestimmtes Gebiet zu betreten, nicht nachgekommen wären. Die Beschwerdeführer seien mehrere Hundert Kilometer gefahren, um zum Ort des G8-Gipfels zu kommen, und hätten bei der Identitätsfeststellung Widerstand geleistet. Somit hätten sie belegt, dass sie polizeiliche Aufforderungen nicht befolgen würden. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Ausnahmesituation sei es nicht erforderlich gewesen, zu warten, bis die Beschwerdeführer tatsächlich gegen eine solche Anordnung verstoßen hätten. Angesichts der Masse der anwesenden Demonstranten hätten die Beschwerdeführer dann nicht mehr von der Begehung von Straftaten abgehalten werden können. Daher konnten die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtung zur Befolgung einer solchen Anordnung und das Verhindern von konkreten Straftaten nur durch ihre sofortige Ingewahrsamnahme sichergestellt werden.
66. Nach dem Vorbringen der Regierung war die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nach der Anordnung des Gewahrsams durch das Amtsgericht auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a gerechtfertigt. Die Regierung brachte vor, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff Verurteilung" entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur strafrechtliche Verurteilungen, sondern auch richterliche Entscheidungen umfasse, mit denen Präventivhaft angeordnet werde.
67. Die Regierung brachte weiter vor, die Freiheitsentziehung sei rechtmäßig gewesen und in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise erfolgt. Sie habe sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V gestützt. Die Freiheitsentziehung des zweiten Beschwerdeführers, der 2002 wegen Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr festgenommen worden sei, habe sich zusätzlich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2c SOG M-V gestützt.
68. Nach Auffassung der Regierung war der Gewahrsam der Beschwerdeführer auch verhältnismäßig und nicht willkürlich. Es hätten keine milderen Mittel zur Verfügung gestanden, um sie während der gesamten Dauer des G8-Gipfels an der Gefangenenbefreiung bzw. der Anstiftung dazu zu hindern. Wie bereits dargelegt worden sei (siehe Rdnr. 65), wäre eine Meldeauflage, die sie verpflichtet hätte, sich in regelmäßigen Abständen bei einem Polizeirevier außerhalb des G8-Bereichs zu melden, nicht ausreichend gewesen, um sie an der Begehung einer Straftat zu hindern. Aus denselben zuvor dargelegten Gründen wäre ein Platzverweis, mit dem es ihnen verboten worden wäre, ein bestimmtes Gebiet - das des G8-Gipfels - zu betreten, zur Abwehr der Straftat nicht geeignet gewesen. Dasselbe gelte für die Beschlagnahme der Transparente, die die Beschwerdeführer neu hätten herstellen können.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
a) Zusammenfassung der einschlägigen Grundsätze
69. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass eine erschöpfende Liste zulässiger Gründe für die Freiheitsentziehung in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f enthalten ist und eine Freiheitsentziehung nur rechtmäßig sein kann, wenn sie von einem dieser Gründe erfasst wird (siehe u. a. Guzzardi ./. Italien, 6. November 1980, Rdnr. 96, Serie A Band 39; Witold Litwa ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 26629/95, Rdnr. 49, ECHR 2000-III; und Saadi ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 13229/03, Rdnr. 43, ECHR 2008- ).
70. Nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c kann die Freiheitsentziehung einer Person gerechtfertigt sein, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat zu hindern". Dieser Grund für die Freiheitsentziehung bietet den Vertragsstaaten lediglich ein
- Mittel zur Verhütung einer, insbesondere hinsichtlich
- des Ortes und
- der Zeit ihrer Begehung und
- ihres Opfers bzw. ihrer Opfer (siehe M. ./. Germany, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnrn. 89 und 102, 17. Dezember 2009),
- konkreten und spezifischen Straftat (siehe Guzzardi, a.a.O., Rdnr. 102; Ciulla ./. Italien, 22. Februar 1989, Rdnr. 40, Serie A Band 148; und Shimovolos ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 30194/09, Rdnr. 54, 21. June 2011 (noch nicht endgültig)).
Dies ergibt sich sowohl aus dem Gebrauch des Singulars ( einer Straftat") als auch aus dem Ziel von Artikel 5, nämlich sicherzustellen, dass niemandem willkürlich die Freiheit entzogen wird (siehe Guzzardi, a.a.O.; und M. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 89).
71. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs muss eine Freiheitsentziehung, mit der eine Person an der Begehung einer Straftat gehindert werden soll, zusätzlich
- zum Zweck der Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde"
erfolgen; diese Anforderung bezieht sich auf jede Kategorie der Freiheitsentziehung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c (siehe Lawless ./. Irland (Nr. 3), 1. Juli 1961, S. 51-53, Rdnr. 14, Serie A Band 3, und, sinngemäß, Jec(ius ./. Litauen, Individualbeschwerde Nr. 34578/97, Rdnrn. 50-51, ECHR 2000-IX, und Engel u. a. ./. die Niederlande, 8. Juni 1976, Rdnr. 69, Serie A Band 22).
72. Daher ist die Freiheitsentziehung nach Buchstabe c nur in Verbindung mit einem Strafverfahren zulässig (siehe Jec(ius, a.a.O., Rdnr. 50). Die Untersuchungshaft fällt unter diese Bestimmung (siehe Ciualla, a.a.O., Rdnrn. 38-40). Dies ergibt sich aus Wortlaut, der zusammen mit Buchstabe a sowie mit Absatz 3 zu betrachten ist und mit diesen zusammen ein Ganzes bildet (siehe u.a. Ciualla, a.a.O., Rdnr. 38; und E. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 77909/01, Rdnr. 35, 24. März 2005). Nach Artikel 5 Abs. 32 muss jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c von Festnahme oder Freiheitsentzug betroffen ist, unverzüglich einem Richter vorgeführt werden - unter allen in Absatz 1 Buchstabe c erfassten Umständen - und hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist (siehe auch Lawless, a.a.O., S. 51-53; Rdnr. 14).
73. Darüber hinaus ist die Freiheitsentziehung nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b zulässig zur
- Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung".
Diese Bestimmung erfasst die Fälle, in denen es gesetzlich zulässig ist, einer Person die Freiheit zu entziehen, um sie dazu zu zwingen, eine ihr bereits obliegende tatsächliche und konkrete Verpflichtung zu erfüllen, der sie bisher noch nicht nachgekommen ist (Engel und andere, a.a.O., Rdnr. 69; Guzzardi, a.a.O., Rdnr. 101; Ciulla, a.a.O., Rdnr. 36; und E., a.a.O., Rdnr. 37). Festnahme und Freiheitsentzug müssen erfolgen, um die Erfüllung der Verpflichtung zu erzwingen, und dürfen keinen Strafcharakter aufweisen (siehe Gatt ./. Malta, Individualbeschwerde Nr. 28221/08, Rdnr. 46, ECHR 2010- ). Sobald die entsprechende Verpflichtung erfüllt wurde, entfällt die Grundlage für die Freiheitsentziehung nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b (Vasileva ./. Dänemark, Individualbeschwerde Nr. 52792/99, Rdnr. 36, 25. September 2003; und E., a.a.O., Rdnr. 37). Diese Bestimmung rechtfertigt beispielsweise nicht die administrative Freiheitsentziehung, mit der eine Person gezwungen werden soll, ihre allgemeine Verpflichtung zur Befolgung der Gesetze zu erfüllen (Engel u. a., a.a.O, Rdnr. 69). Schließlich muss zwischen der Bedeutung, die der Sicherstellung der sofortigen Erfüllung der fraglichen Verpflichtung in einer demokratischen Gesellschaft zukommt, und der Bedeutung des Rechts auf Freiheit ein Ausgleich herbeigeführt werden (Vasileva, a.a.O, Rdnr. 37; und E., a.a.O., Rdnr.37).
74. Im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a ist der Begriff Verurteilung" (englisch: conviction") unter Berücksichtigung des französischen Textes ( condamnation") so zu verstehen, dass er sowohl eine Schuldfeststellung bezeichnet, nachdem das Vorliegen einer Straftat in der gesetzlich vorgesehenen Weise festgestellt wurde (s. Guzzardi, a.a.O., Rdnr. 100), als auch die Auferlegung einer Strafe oder einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme (siehe Van Droogenbroeck ./. Belgien, 24. Juni 1982, Rdnr. 35, Serie A Band 50; und M. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 87).
b) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache
75. Der Gerichtshof hat zunächst darüber zu entscheiden, ob die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer nach § 55 Abs.1 Nr. 2 SOG M-V, mit der diese an der Begehung einer Straftat gehindert werden sollten, von einem der in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f aufgeführten Gründe für die Freiheitsentziehung erfasst wird.
76. Der Gerichtshof weist auf das Vorbringen der Regierung hin, die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei zunächst nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt gewesen. Darüber hinaus stellt er fest, dass die Beschwerdeführer dadurch, dass sie im Besitz zusammengerollter Transparente mit den Aufschriften freedom for all prisoners" und free all now" waren, noch keine Straftat begangen hatten und ihnen danach niemals eine Straftat des Aufrufs zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung zur Last gelegt wurde. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Ihre Freiheitsentziehung ist daher nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c - Freiheitsentziehung wegen begründeten Anlasses zu der Annahme, dass es notwendig sei, die Beschwerdeführer an der Begehung einer Straftat zu hindern - zu prüfen.
77. Bei der Entscheidung darüber, ob die Straftat, an deren Begehung die Behörden die Beschwerdeführer zu hindern versuchten, als hinreichend konkret und spezifisch angesehen werden kann, wie dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Begehung sowie ihres Opfers bzw. ihrer Opfer erforderlich ist (siehe Rdnr. 70), stellt der Gerichthof fest, dass die innerstaatlichen Gerichte hinsichtlich der spezifischen Straftat, die zu begehen die Beschwerdeführer im Begriff waren, anscheinend unterschiedlicher Auffassung waren. Das Amtsgericht Rostock und die Landgerichte waren anscheinend der Ansicht, dass die Beschwerdeführer mit Hilfe der beschlagnahmten Transparente beabsichtigt hatten, andere dazu anstiften, Gefangene der Justizvollzugsanstalt Waldeck gewaltsam zu befreien (siehe Rdnrn. 14 und 17). Dies wurde daraus geschlossen, dass sich die Beschwerdeführer auf dem Parkplatz vor dieser Justizvollzugsanstalt aufhielten, wo sich jedoch außer den sieben Insassen des Transporters sonst niemand aufhielt (siehe Rdnr. 12). Im Gegensatz dazu war das Oberlandesgericht Rostock der Auffassung, die Beschwerdeführer hätten nach Rostock fahren, die Transparente bei den dort stattfindenden teilweise gewalttätigen Demonstrationen zeigen und somit die in Rostock anwesende Menge zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung anstiften wollen (siehe Rdnr. 19).
78. Zusätzlich kommt der Gerichtshof bei der Entscheidung darüber, ob die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer wegen begründete[n] Anlasses zu der Annahme, dass es notwendig" sei, sie daran zu hindern, andere zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung anzustiften, nicht umhin, festzustellen, dass den Beschwerdeführern fünfeinhalb Tage lang, also für einen beträchtlichen Zeitraum, zu präventiven Zwecken die Freiheit entzogen war. Darüber hinaus konnten, wie das Oberlandesgericht ebenfalls eingeräumt hat (siehe Rdnr. 22), die Aufschriften auf den Transparenten unterschiedlich interpretiert werden. Die Beschwerdeführer, die in dem Verfahren anwaltlich vertreten waren, hatten erläutert, dass die Losungen sich an die Polizei und die Behörden gerichtet hätten, die dadurch aufgefordert werden sollten, die zahlreichen Ingewahrsamnahmen von Demonstranten zu beenden, und nicht dazu dienen sollten, andere zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung aufzufordern. Es ist auch unstreitig, dass die Beschwerdeführer selbst keine Werkzeuge mit sich führten, die zu einer gewaltsamen Gefangenenbefreiung hätten dienen können. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof nicht überzeugt, dass ihre fortdauernde Freiheitsentziehung wegen begründeten Anlasses zu der Annahme, es sei notwendig, die Beschwerdeführer an der Begehung einer hinreichend konkreten und spezifischen Straftat zu hindern, als notwendig angesehen werden kann. Der Gerichtshof ist auch deswegen nicht davon überzeugt, dass es notwendig war, den Beschwerdeführern die Freiheit zu entziehen, da es in jedem Fall ausgereicht hätte, die fraglichen Transparente zu beschlagnahmen, um die Beschwerdeführer auf mögliche negative Folgen hinzuweisen und sie daran zu hindern, andere - fahrlässig - zur Gefangenenbefreiung anzustiften.
79. Der Gerichtshof nimmt darüber hinaus auf seine ständige Rechtsprechung Bezug, nach der die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nur dann nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c zu rechtfertigen wäre, wenn sie den Zweck verfolgt hätte, sie im Verlauf ihrer Untersuchungshaft der zuständigen Gerichtsbehörde vorzuführen, und darauf ausgerichtet gewesen wäre, sie einem Strafverfahren zuzuführen (siehe Rdnrn. 71 - 72). In Anbetracht seiner bereits getroffenen Feststellung, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache begründeterweise nicht als notwendig angesehen werden konnte, hält der Gerichtshof es jedoch nicht für erforderlich, auf die detaillierten Vorbringen der Parteien zu diesem Punkt, insbesondere die Argumente der Regierung, mit denen für eine Überprüfung der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs plädiert wird, einzugehen.
80. Demnach war die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nicht nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt.
81. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die Regierung vorgebracht hat, die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b zur Erzwingung einer gesetzlichen Verpflichtung" gerechtfertigt gewesen. Die Beschwerdeführer wären weder eine Meldeauflage, die sie verpflichtet hätte, sich in bestimmten zeitlichen Abständen bei einem Polizeirevier an ihrem jeweiligen Wohnort, noch einem Platzverweis, der ihnen verboten hätte, das Gebiet zu betreten, an dem die Demonstrationen anlässlich des G8-Gipfel stattgefunden hätten, nachgekommen. Es sei daher gerechtfertigt gewesen, durch ihre Ingewahrsamnahme sicherzustellen, dass sie eine derartige Anordnung einhielten. Diesbezüglich kommt der Gerichtshof nicht umhin, festzustellen, dass die Polizei den Beschwerdeführern tatsächlich weder die Anordnung erteilte, sich in regelmäßigen Abständen bei einem Polizeirevier an ihrem Wohnort zu melden, noch ihnen verbot, das Gebiet zu betreten, in dem die G8-Demonstrationen stattfanden. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b der gesetzlichen Verpflichtung" unterlegen hätten, sich bei einem Polizeirevier zu melden oder das Gebiet der G8-Demonstrationen nicht zu betreten, und diese Verpflichtung nicht erfüllt hätten.
82. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Regierung weiter vorbrachte, den Beschwerdeführer sei nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b die Freiheit entzogen worden, um sicherzustellen, dass sie ihrer Verpflichtung nachkommen würden, eine bestimmte Straftat - die Anstiftung anderer Personen zur Gefangenenbefreiung - nicht zu begehen. Diesbezüglich nimmt der Gerichtshof auf seine bereits erwähnte Rechtsprechung Bezug, die besagt, dass die gesetzliche Verpflichtung" im Sinne der genannten Bestimmung real und spezifisch und der betreffenden Person bereits auferlegt sein muss und dass diese Person die Verpflichtung zum Zeitpunkt des Freiheitsentzugs noch nicht erfüllt haben darf (siehe Rdnr. 73). Er stellt fest, dass die Beschwerdeführer nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V in Gewahrsam genommen wurden, der die Ingewahrsamnahme erlaubt, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung [ ] einer Straftat", wie beispielsweise einer Straftat nach § 120 StGB, zu verhindern" (siehe Rdnr. 37). Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Verpflichtung, in unmittelbarer Zukunft keine Straftat zu begehen, im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht als hinreichend konkret und spezifisch angesehen werden kann, um unter Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b zu fallen, zumindest nicht, solange keine Anordnung spezifischer Maßnahmen erging und dieser nicht Folge geleistet wurde. Er stellt in diesem Zusammenhang erneut fest, dass eine weite Auslegung von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b Auswirkungen hätte, die mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar wären, der die gesamte Konvention geprägt hat (siehe Engel u. a., a.a. O., Rdnr. 69). Darüber hinaus kann nicht vorgebracht werden, dass die Beschwerdeführer ihrer Verpflichtung, keine derartige Straftat zu begehen, zu einem früheren Zeitpunkt nicht nachgekommen wären. Die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer war daher auch nicht von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b erfasst.
83. Der Gerichtshof nimmt weiter zur Kenntnis, dass die Regierung vorbrachte, die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei nach dem Beschluss des Amtsgerichts, mit dem es den Gewahrsam der Beschwerdeführer nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V anordnete, auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a gerechtfertigt gewesen. Sie brachte vor, dass diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach auch gerichtliche Entscheidungen, mit denen Präventivhaft angeordnet werde, umfasse. Der Gerichtshof nimmt jedoch auf seine ständige Rechtsprechung Bezug, nach der eine Verurteilung" unter Berücksichtigung des französischen Textes ( condamnation") so zu verstehen ist, dass sie die Feststellung einer Schuld für eine Straftat beinhaltet (siehe Rdnr. 74). Er stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte die Beschwerdeführer in dem in Rede stehenden Verfahren keiner Straftat schuldig gesprochen haben. Vielmehr ordneten sie ihre Freiheitsentziehung an, um sie daran zu hindern, in der Zukunft eine Straftat zu begehen. Somit fiel ihre Freiheitsentziehung nicht unter Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a.
84. Der Gerichtshof ist der Auffassung - und dies wird von den Parteien nicht bestritten - dass die Präventivhaft der Beschwerdeführer auch nach keinem anderen der Buchstaben von Artikel 5 Abs. 1 gerechtfertigt war.
85. Der Gerichtshof nimmt weiter zur Kenntnis, dass die Regierung vorbrachte, ohne die Möglichkeit, Personen präventiv in Gewahrsam zu nehmen, könnte der Staat seine positive Verpflichtung, seine Bürger vor bevorstehenden Straftaten zu schützen, nicht erfüllen. In der vorliegen Rechtssache ist jedoch, auch wenn man die allgemeine Situation im Vorfeld und während des G8-Gipfels berücksichtigt, nicht hinreichend dargelegt worden, dass eine Gefangenenbefreiung unmittelbar bevorgestanden habe. Daher konnte die Begehung dieser Straftat einen Eingriff in das Freiheitsrecht nicht rechtfertigten, zumal weniger einschneidende Maßnahmen hätten ergriffen werden können (siehe Rdnr. 78). Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Konvention die staatlichen Behörden in jedem Fall verpflichtet, im Rahmen ihrer Befugnisse angemessene Vorkehrungen zu treffen, um Straftaten vorzubeugen, von denen sie Kenntnis haben oder haben sollten. Sie erlaubt es einem Staat jedoch nicht, Einzelpersonen vor Straftaten einer Person durch Maßnahmen zu schützen, die gegen die Konventionsrechte dieser Person, insbesondere gegen das in Artikel 5 Abs. 1 garantierte Recht auf Freiheit, verstoßen, um das es im Fall der Beschwerdeführer geht (siehe J. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 30060/04, Rdnrn. 37-38, 14. April 2011 mit weiteren Verweisen).
86. Folglich ist Artikel 5 Abs.1 der Konvention verletzt worden.
III. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 5 ABS. 5 DER KONVENTION
87. Gestützt auf Artikel 5 Abs. 5 der Konvention trug der erste Beschwerdeführer ferner vor, dass eine Klage auf Entschädigung für seine rechtswidrige Freiheitsentziehung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
88. Der Gerichtshof hat die von dem ersten Beschwerdeführer vorgebrachte Rüge geprüft. Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen stellt der Gerichtshof jedoch fest, dass die Rüge, selbst unter der Annahme, dass der innerstaatliche Rechtsweg vollständig erschöpft wurde, keine Verletzung von Artikel 5 Abs. 5 erkennen lässt.
89. Daraus folgt, dass dieser Teil der Beschwerde nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
IV. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 10 UND 11 DER KONVENTION
90. Die Beschwerdeführer brachten darüber hinaus vor, dass ihre Freiheitsentziehung in ihr nach Artikel 10 der Konvention garantiertes Recht auf freie Meinungsäußerung sowie in ihr nach Artikel 11 der Konvention gewährleistetes Recht auf Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig eingegriffen habe, weil sie sie daran gehindert habe, an den Demonstrationen während des G8-Gipfels teilzunehmen und dort ihre Meinung zu äußern.
91. Artikel 10 und Artikel 11 der Konvention, soweit maßgeblich, lauten:
Artikel 10
1. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. ...
2. Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung."
Artikel 11
1. Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen;
2. Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer." ..."
92. Die Regierung bestritt dieses Vorbringen.
A. Zulässigkeit
93. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge nicht offensichtlich unbegründet im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a der Konvention ist. Unter Hinweis auf seine vorherigen Feststellungen (siehe Rdnrn. 48-50), stellt er darüber hinaus fest, dass sie auch nicht aus anderen Gründen unzulässig ist. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.
B. Begründetheit
1. Die Stellungnahmen der Parteien
a) Die Beschwerdeführer
94. Die Beschwerdeführer brachten vor, dass ihre Ingewahrsamnahme sowohl ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Konvention als auch ihr Recht auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 11 der Konvention verletzt habe. Der mit ihrer Freiheitsentziehung verbundene Eingriff in diese Rechte sei nicht gerechtfertigt gewesen. Er sei nicht gesetzlich vorgesehen" gewesen und habe aus den in Bezug auf Artikel 5 Abs. 1 dargelegten Gründen kein rechtmäßiges Ziel verfolgt (siehe Rdnr. 57). Insbesondere sei unklar gewesen, ob, wann und wo die Beschwerdeführer die Transparente freedom for prisoners" und free all now" zeigen würden. Darüber hinaus wäre die Zurschaustellung der Transparente nach dem Strafgesetzbuch auch nicht strafbar gewesen. Die Losungen hätten nicht als Anstiftung zu einer sehr ungewöhnlichen Straftat verstanden werden dürfen, sondern hätten eine andere, näherliegende Bedeutung gehabt. Da mehr als 1000 Demonstranten im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Gewahrsam genommen worden seien, aber nur 100 Ingewahrsamnahmen gerichtlich gebilligt worden seien, habe es mehr als genug Grund gegeben, die Freiheitsentziehungen zu kritisieren, die im Zusammenhang mit dem Gipfel stattgefunden hätten.
95. Die Beschwerdeführer brachten weiter vor, ihre Ingewahrsamnahme sei unverhältnismäßig und daher im Sinne von Artikel 10 Abs. 2 und Artikel 11 Abs. 2 nicht notwendig" gewesen. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung der ungewissen Begehung einer Straftat zu einer unbestimmten Zeit und an einem unbestimmten Ort habe gegenüber ihrem Interesse an der Bekundung ihres Protests gegen die zahlreichen unrechtmäßigen Freiheitsentziehungen im Verlauf des G8-Gipfels und an der Teilnahme an Protesten gegen diesen Gipfel nicht überwogen. Bei den Losungen freedom for all prisoners" und free all now" handele es sich um bekannte und übliche, von linksgerichteten Personen in Bezug auf derartige Freiheitsentziehungen verwendete Schlagwörter, die nicht als Aufruf zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung hätten interpretiert werden dürfen. Unter den gegebenen Umständen habe ihre Freiheitsentziehung eine offene Diskussion über Belange des öffentlichen Interesses verhindert.
b) Die Regierung
96. Die Regierung brachte vor, dass weder Artikel 10 noch Artikel 11 der Konvention verletzt worden sei. Der Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sei gerechtfertigt gewesen. Er habe sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V gestützt, eine Bestimmung, die hinreichend konkret gewesen und folglich im Hinblick auf ihre Anwendung auf die Beschwerdeführer vorhersehbar gewesen sei. Er habe rechtmäßige Ziele verfolgt, da die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Sicherheit und zur Verhütung von Straftaten erfolgt sei.
97. Die Regierung brachte weiter vor, der Eingriff sei im Sinne von Artikel 10 Abs. 2 und Artikel 11 Abs. 2 in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" gewesen. Sie betonte, dass zur Erreichung der genannten rechtmäßigen Ziele keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. Insbesondere hätte es nicht ausgereicht, die fraglichen Transparente zu beschlagnahmen, da die Beschwerdeführer jederzeit neue, vergleichbare Transparente hätten herstellen und diese während der Demonstrationen in Rostock sofort hätten verwenden können. Die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer sei auch verhältnismäßig gewesen. Am Tag zuvor habe es in Rostock gewalttätige Ausschreitungen gegeben. Die Beschwerdeführer, die sich gewaltbereit gezeigt hätten, seien auf dem Weg nach Rostock gewesen, um an den Demonstrationen teilzunehmen. Die Befürchtung, die Transparente der Beschwerdeführer hätten andere gewalttätige Demonstranten dazu anstiften können, in den Gefangenensammelstellen in Rostock festgehaltene Gefangene gewaltsam zu befreien, sei begründet gewesen. Unter diesen Umständen habe das Interesse der Öffentlichkeit an der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhütung von Straftaten gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführer an der Teilnahme an den Demonstrationen überwogen.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
a) Anwendbarer Konventionsartikel
98. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass der Schutz persönlicher Meinungen, der durch Artikel 10 gewährleistet wird, eines der Ziele des in Artikel 11 der Konvention verankerten Rechts auf Versammlungsfreiheit ist (siehe Ezelin ./. Frankreich, 26. April 1991, Rdnr. 37, Serie A Band 202; Djavit An ./. Türkei, Individualbeschwerde Nr. 20652/92, Rdnr. 39, ECHR 2003-III; Women On Waves u. a. ./. Portugal, Individualbeschwerde Nr. 31276/05, Rdnr. 28, ECHR 2009-. (Auszüge); Barraco ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 31684/05, Rdnr. 27, ECHR 2009-...; und Palomo Sánchez u. a. ./. Spanien [GK], Individualbeschwerden Nrn. 28955/06, 28957/06, 28959/06 und 28964/06, Rdnr. 52, 12. September 2011).
99. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass er in Fällen, in denen die Beschwerdeführer rügten, dass sie daran gehindert worden seien, an Versammlungen teilzunehmen oder bei Versammlungen ihre Ansichten zu äußern, oder dass sie wegen eines solchen Verhaltens bestraft worden seien, bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Recht auf Versammlungsfreiheit mehrere Faktoren berücksichtigt hat. In Abhängigkeit von den Umständen der Rechtssache ist Artikel 11 oft als das lex specialis angesehen worden, das bei Versammlungen Vorrang gegenüber Artikel 10 hat (siehe beispielsweise Ezelin, a.a.O., Rdnr. 35, betreffend eine dem Beschwerdeführer, einem Juristen, nach der Teilnahme an einer Demonstration gegen zwei Gerichtsentscheidungen auferlegte disziplinarische Sanktion; Osmani u. a. ./. die frühere jugoslawische Republik Mazedonien" (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 50841/99, ECHR 2001-X, betreffend die Verurteilung des Beschwerdeführers, eines gewählten Amtsträgers, wegen Aufstachelung zu nationalem Hass durch eine Rede, die er bei einer von ihm organisierten Versammlung gehalten hatte; Djavit An, a.a.O., Rdnr. 39, betreffend die Weigerung der türkischen und türkisch-zypriotischen Behörden, dem Beschwerdeführer die Überquerung der Grünen Linie" zu erlauben, um im südlichen Teil Zyperns an bikommunalen Treffen teilzunehmen; Galystan ./. Armenien, Individualbeschwerde Nr. 26986/03, Rdnr. 95, 15. November 2007, betreffend eine dreitägige Freiheitsentziehung wegen der Teilnahme an einer Demonstration; und Barraco, a.a.O., Rdnr. 26, betreffend die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der Teilnahme an einer verkehrsbehindernden Aktion, die im Rahmen eines gewerkschaftlichen Protesttages durchgeführt wurde).
100. In anderen Fällen ist der Gerichtshof in Anbetracht der jeweiligen besonderen Umstände und der Art und Weise der Formulierung der Rügen zu der Auffassung gelangt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Mittelpunkt der Rügen der jeweiligen Beschwerdeführer lag, und hat deswegen den Fall nur nach Artikel 10 geprüft (siehe z. B. Karademirci u. a. ./. Türkei, Individualbeschwerden Nrn. 37096 und 37101/97, Rdnr. 26, ECHR 2005-I, betreffend eine strafrechtliche Sanktion wegen des Verlesens einer Erklärung während einer Versammlung vor einer Schule, und Y?lmaz and K?l?ç ./. Türkei, Individualbeschwerde Nr. 68514/01, Rdnr. 33, 17. Juli 2008, betreffend die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführer wegen der Teilnahme an Demonstrationen zur Unterstützung von Abdullah Öcalan).
101. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich die Vorbringen der Parteien vor dem Gerichtshof in dem vorliegenden Fall zugleich auf Artikel 10 und Artikel 11 bezogen. Er stellt fest, dass die Beschwerdeführer im Wesentlichen rügten, dass sie wegen ihrer Freiheitsentziehung während der gesamten Dauer des G8-Gipfels nicht in der Lage gewesen seien, ihre Ansichten zusammen mit den anderen Demonstranten zu äußern, die zusammengekommen seien, um gegen den Gipfel zu demonstrieren. Sie protestierten auch gegen das Verbot, ihre Meinung zur Verhaftung von Demonstranten, wie sie auf ihren Transparenten zum Ausdruck gekommen sei, zu äußern. Der Schwerpunkt ihrer Rügen liegt jedoch auf dem Recht auf Versammlungsfreiheit, da sie daran gehindert wurden, an den Demonstrationen teilzunehmen und ihre Ansichten zu äußern. Der Gerichtshof wird diesen Teil der Beschwerde daher nur nach Artikel 11 prüfen. Er stellt jedoch fest, dass sich die Frage der freien Meinungsäußerung in dem vorliegenden Fall nicht ganz von der Frage der Versammlungsfreiheit trennen lässt. Ungeachtet seiner autonomen Rolle und seines besonderen Anwendungsbereichs muss Artikel 11 also auch im Lichte von Artikel 10 betrachtet werden (siehe, sinngemäß, Ezelin, a.a.O. Rdnr. 37).
b) Gab es einen Eingriff in das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln?
102. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihrer durch die innerstaatlichen Gerichte für die gesamte Dauer des G8-Gipfels angeordneten Ingewahrsamnahme daran gehindert waren, an Demonstrationen gegen diesen Gipfel teilzunehmen.
103. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass Artikel 11 der Konvention nur das Recht auf friedliche Versammlung" schützt. Dieser Begriff deckt keine Demonstration ab, bei der die Organisatoren und Teilnehmer gewalttätige Absichten haben (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden ./. Bulgarien, Individualbeschwerden Nrn. 29211/95 und 29225/95, Rdnr. 77, ECHR 2001-IX; und Galstyan, a.a.O., Rdnr. 101). Jedoch kann die Möglichkeit, dass gewalttätige Extremisten, die nicht zu den Organisatoren der Demonstration gehören, sich einer Demonstration anschließen, für sich genommen nicht zur Versagung dieses Rechts führen. Auch wenn die konkrete Gefahr besteht, dass eine öffentliche Demonstration aufgrund von Entwicklungen, die außerhalb der Kontrolle der Organisatoren dieser Demonstration liegen, zu Ausschreitungen führt, liegt eine solche Demonstration für sich genommen nicht außerhalb des Anwendungsbereichs von Artikel 11 Abs. 1; vielmehr muss jede Einschränkung, der eine solche Versammlung unterworfen wird, mit den Bestimmungen nach Absatz 2 dieser Bestimmung im Einklang stehen (siehe Christians against Racism and Fascism ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 8440/78, Kommissionsentscheidung vom 16. Juli 1980, Decisions and Reports (DR) 21, S. 148-149; und, sinngemäß, Ezelin, a.a.O., Rdnr. 41).
104. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführer zur Zeit ihrer Festnahme die Absicht hatten, an künftigen Demonstrationen gegen den G8-Gipfel teilzunehmen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Organisatoren der Demonstrationen, an denen die Beschwerdeführer teilnehmen wollten, gewalttätige Absichten hatten. Wie oben dargelegt worden ist (Rdnrn. 8 und 103), führt die Tatsache, dass die Polizei damit rechnete, dass sich auch Extremisten mit gewalttätigen Absichten den ansonsten friedlichen Demonstrationen anschließen würden, nicht dazu, dass diese Demonstration den Schutz von Artikel 11 Abs. 1 verlieren würde.
105. Hinsichtlich der Frage, mit welchen Absichten sich die Beschwerdeführer den Demonstrationen anschließen wollten, ist der Gerichtshof nicht davon überzeugt, dass aufgezeigt worden ist, dass die Beschwerdeführer mit gewalttätigen Absichten an den G8-Demonstrationen teilnehmen wollten. In diesem Zusammenhang stellt er zunächst fest, dass die innerstaatlichen Gerichte nicht der Auffassung waren, dass die Beschwerdeführer deswegen, weil sie Transparente mit den Aufschriften freedom for all prisoners" und free all now" mit sich führten, die Absicht hatten, selbst Gefangene gewaltsam zu befreien. Er stellt auch fest, dass bei den Beschwerdeführern keine Waffen gefunden wurden. Darüber hinaus nimmt er zur Kenntnis, dass das Oberlandesgericht festgestellt hat, dass eine gewaltbereite Menge durch die Transparente zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung angestiftet werden könnte, stellt aber außerdem fest, dass dasselbe Gericht einräumte, dass die Losungen auf den in Rede stehenden Transparenten unterschiedlich interpretiert werden könnten (siehe Rdrn. 19, 21 und 22). Er berücksichtigt auch die von den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern vor den innerstaatlichen Gerichten abgegebene Erklärung. Sie hatten erläutert, dass die Losungen sich an die Polizei und die Behörden gerichtet hätten, die dadurch aufgefordert werden sollten, die zahlreichen Ingewahrsamnahmen von Demonstranten zu beenden, und nicht dazu dienen sollten, andere zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung aufzufordern (siehe Rdnrn. 18 und 25). Nach Auffassung des Gerichts ist die Aussage der Beschwerdeführer zur Bedeutung der Aufschriften auf den Transparenten, die selbst eindeutig nicht offen zu Gewalt aufriefen, glaubhaft. Daher ist der Gerichtshof auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das innerstaatliche Gericht feststellte, die Aufschriften seien mehrdeutig und könnten unterschiedlich ausgelegt werden, der Auffassung, das nicht erwiesen worden ist, dass die Beschwerdeführer andere absichtlich zu Gewalt auffordern wollten. Nach Ansicht des Gerichtshofs war eine derartige Schlussfolgerung auch nicht deshalb zulässig, weil davon ausgegangen wurde, dass einer der Beschwerdeführer bei der Feststellung seiner Personalien durch die Polizei gewaltsam Widerstand leistete und daher selbst als gewalttätig angesehen wurde - unter anderen Umständen und in einer anderen Weise als durch das Zurschaustellen von Transparenten bei einer Demonstration. Darüber hinaus stellt er in diesem Zusammenhang fest, dass nicht aufgezeigt worden ist, dass einer der Beschwerdeführer wegen gewalttätigen Verhaltens bei Demonstrationen oder in vergleichbaren Situationen vorbestraft wäre.
106. Die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer stellte daher nach Artikel 11 Abs. 1 einen Eingriff in ihr Recht dar, sich frei und friedlich zu versammeln. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
c) War der Eingriff gerechtfertigt?
107. Ein solcher Eingriff führt zu einer Verletzung von Artikel 11, es sei denn, es kann dargelegt werden, dass er gesetzlich vorgeschrieben" war, ein oder mehrere legitime Ziele nach Absatz 2 verfolgte und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war.
(i) Gesetzlich vorgeschrieben" und legitimes Ziel
108. Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob der Eingriff gesetzlich vorgeschrieben" war, weist der Gerichtshof erneut darauf hin, dass eine Vorschrift nicht als Gesetz" angesehen werden kann, wenn sie nicht so präzise formuliert ist, dass der Einzelne - erforderlichenfalls mit entsprechende Rechtsberatung - in einem Maß, das unter den jeweiligen Umständen angemessen ist, voraussehen kann, welche Folgen eine bestimmte Handlung nach sich ziehen kann (siehe Ezelin, a.a.O., Rdnr. 45). Er stellt fest, dass zwischen den Parteien strittig ist, ob die Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers durch ein Gesetz - § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V - vorgeschrieben war, das so präzise war, dass seine Anwendung unter den im Falle des Beschwerdeführers gegebenen Umständen vorhersehbar war. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass er diese Frage offen lassen und die Rechtssache unter der Annahme prüfen kann, dass der Eingriff aus den nachfolgend aufgeführten Gründen gesetzlich vorgeschrieben" war.
109. Der Gerichtshof ist davon überzeugt, dass die Behörden mit der Anordnung der Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer das Ziel verfolgten, diese an der Begehung einer Straftat, nämlich der Anstiftung zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung, zu hindern. Dieses Ziel ist als solches nach Artikel 11 Abs. 2 rechtmäßig.
(ii) Notwendig in einer demokratischen Gesellschaft"
110. Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war, stellt der Gerichtshof erneut fest, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft ein Grundrecht ist und, ebenso wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, einer der Grundpfeiler einer solchen Gesellschaft ist. Daher sollte es nicht restriktiv ausgelegt werden (siehe Djavit An, a.a.O., Rdnr. 56; und Barraco, a.a.O., Rdnr. 41).
111. Der Ausdruck in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" impliziert, dass der Eingriff einem dringenden sozialen Bedürfnis" entspricht und insbesondere in Bezug auf das rechtmäßig verfolgte Ziel verhältnismäßig ist. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in Bezug auf das verfolgte Ziel sind Art und Schwere der verhängten Sanktion zu berücksichtigen (siehe Osmani u. a., a.a.O., mit weiteren Verweisen).
112. Der Gerichtshof muss darüber hinaus entscheiden, ob die von den nationalen Behörden zur Rechtfertigung des Eingriffs angeführten Gründe stichhaltig und ausreichend" sind. . Dabei muss sich der Gerichtshof davon überzeugen, dass die nationalen Behörden Regeln anwandten, die mit den in Artikel 11 enthaltenen Grundsätzen vereinbar sind, und dass sie ihre Entscheidung auf eine nachvollziehbare Bewertung der erheblichen Tatsachen stützten (siehe Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei u. a. ./. Türkei, 30. Januar 1998, Rdnr. 47, Reports 1998-I); und Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 87).
113. Die Vertragsstaaten genießen bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" ist, einen gewissen Ermessensspielraum; dieser geht jedoch Hand in Hand mit einer europäischen Überwachung, die sich sowohl auf die Gesetzgebung bezieht als auch auf die Entscheidungen, die sie anwenden (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 87; und Barraco, a.a.O., Rdnr. 42). Nach Artikel 10 der Konvention - in dessen Licht Artikel 11 auszulegen ist (siehe Rdnrn. 98 und 101) - gibt es wenig Raum für Einschränkungen der politischen Redefreiheit oder der Debatte über Angelegenheiten des öffentlichen Interesses (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 88, mit weiteren Verweisen). Jedoch genießen die staatlichen Behörden bei der Prüfung der Notwendigkeit eines Eingriffs in die freie Meinungsäußerung einen größeren Ermessensspielraum, wenn eine Anstiftung zur Gewalt gegen einen Einzelnen, einen Amtsträger oder eine Bevölkerungsgruppe vorliegt (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 90; und, sinngemäß, Galstyan, a.a.O., Rdnr. 115, und Osmani u. a., a.a.O.).
114. In der vorliegenden Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass die Beschwerdeführer für fast sechs Tage in Gewahrsam genommen wurden, um sie daran zu hindern, andere während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel dazu anstiften, Gefangene gewaltsam zu befreien. Er hat bereits festgestellt (siehe Rdnrn. 75-86), dass die Präventivhaft der Beschwerdeführer von keinem der in Artikel 5 Abs. 1 aufgeführten Gründe für die Freiheitsentziehung erfasst wird und diese Bestimmung daher verletzt hat. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass man davon ausging, dass anlässlich des Gipfels eine große Zahl von Demonstranten (etwa 25.000) anreisen würden, von denen die weitaus meisten als friedlich, eine beträchtliche Zahl aber als gewaltbereit anzusehen seien. Über einen Zeitraum von mehreren Tagen sollte eine Reihe von Massendemonstrationen stattfinden, von denen einige vor der Festnahme der Beschwerdeführer in Krawalle ausgeartet waren. Der Gerichtshof erkennt an, dass die Gewährleistung der Sicherheit der Gipfelteilnehmer und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in dieser Situation eine beträchtliche Herausforderung für die innerstaatlichen Behörden darstellte und Entscheidungen oft schnell getroffen werden mussten.
115. Jedoch kann der Gerichtshof, wie er bereits dargelegt hat (siehe Rdnr. 105), es nicht als erwiesen ansehen, dass die Beschwerdeführer die Transparente mit den beanstandeten Aufschriften deshalb bei den Demonstrationen zeigen wollten, weil sie andere, gewalttätige Demonstranten dazu anstiften wollten, Personen, die während des G8-Gipfels in Haft genommen worden seien, gewaltsam zu befreien. Eine Bewertung der erheblichen Tatsachen durch die innerstaatlichen Behörden, nach der die Losungen als mehrdeutig angesehen werden konnten und die Beschwerdeführer somit andere fahrlässig zu Gewalt hätten anstacheln können, wenn sie sie bei gewissen Demonstrationen gezeigt hätten, erscheint unter Berücksichtigung ihres Ermessensspielraums dagegen nachvollziehbar (siehe, als Beispiel für einen Fall, bei dem es um die Verwendung vieldeutiger Symbole ging, Vajnai ./. Ungarn, Individualbeschwerde Nr. 33639/06, Rdnrn. 51 ff., 8. Juli 2008).
116. Der Gerichtshof stellt darüber hinaus fest, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Teilnahme an den G8-Demonstrationen beabsichtigten, sich an einer Debatte des öffentliches Interesses - die Auswirkungen der Globalisierung auf das Leben der Menschen - zu beteiligen. Außerdem verfolgten sie mit den Losungen auf ihren Transparenten die Absicht, das Vorgehen der Polizei bei der Sicherung des Gipfels, insbesondere die zahlreichen Festnahmen von Demonstranten, zu kritisieren. Angesichts der Tatsache, dass eine beträchtliche Zahl von Demonstranten (mehr als 1000 der erwarteten 25000 Demonstranten) im Verlauf des Gipfels vorübergehend in Haft genommen wurde, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Losungen einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse darstellten. Darüber hinaus ist klar, dass die mehrtägige Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer wegen der Absicht, die beanstandeten Losungen zur Schau zu stellen, hinsichtlich dieser Meinungsäußerung eine abschreckende Wirkung hatte und die öffentliche Diskussion dieser Frage einschränkte.
117. Zusammengefasst ist festzustellen, dass der beabsichtigte Protest der Beschwerdeführer während des G8-Gipfels als Wille zur Beteiligung an einer Debatte von öffentlichem Interesse, bezüglich derer es wenig Raum für Einschränkungen gibt, zu werten ist (siehe Rdnr. 113). Darüber hinaus ist nicht aufgezeigt worden, dass die Beschwerdeführer die Absicht gehabt hätten, andere zu Gewalt anzustacheln. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die fast sechstägige Freiheitsentziehung, eine beträchtliche Sanktion, im Hinblick auf die Absicht, die Beschwerdeführer daran zu hindern, möglicherweise andere fahrlässig zu einer gewaltsamen Befreiung von während des G8-Gipfels festgenommenen Demonstranten anzustiften, keine verhältnismäßige Maßnahme darstellt. In einer solchen Situation kann zwischen dem Ziel der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten und dem Recht der Beschwerdeführer auf Versammlungsfreiheit nicht dadurch ein fairer Ausgleich geschaffen werden, dass die Beschwerdeführer sofort für mehrere Tage in Gewahrsam genommen werden.
118. Insbesondere ist der Gerichtshof nicht überzeugt, dass es keine anderen wirksamen, weniger einschneidenden Maßnahmen zur Erreichung der genannten Ziele gegeben hätte. Insbesondere ist er der Auffassung, dass es in der gegebenen Situation, hinsichtlich derer nicht dargelegt worden ist, dass den Beschwerdeführern bewusst war, dass die Polizei die Losungen auf ihren Transparenten für illegal hielten, ausgereicht hätte, die fraglichen Transparente zu beschlagnahmen. Man hätte davon ausgehen können, dass dies eine abschreckende Wirkung auf die Beschwerdeführer haben würde und sie daher davon abgehalten hätte, sofort neue, vergleichbare Transparente herzustellen. Auch wenn dadurch ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in einem gewissen Maß eingeschränkt worden wäre, hätte es sie nicht von vornherein daran gehindert, an den Demonstrationen teilzunehmen.
119. Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass der Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Versammlungsfreiheit nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war. Folglich ist Artikel 11 der Konvention verletzt worden.
V. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION
120. Artikel 41 der Konvention lautet:
Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."
A. Schaden
121. Die Beschwerdeführer forderten jeweils 10.000 Euro (EUR) für den infolge ihrer konventionswidrigen Freiheitsentziehung erlittenen immateriellen Schaden. Zur Stützung ihrer Auffassung, die geforderte Summe sei angemessen, beriefen sie sich auf die Zubilligung gerechter Entschädigung durch den Gerichtshof in den Rechtssachen Brega ./. Moldau (Individualbeschwerde Nr. 52100/08, Rdnr. 52, 20. April 2010) und Vasileva ./. Dänemark (Individualbeschwerde Nr. 52792/99, Rdnr. 47, 25. September 2003). Sie baten darum, alle Beträge auf das Treuhandkonto ihrer Rechtsanwältin einzuzahlen.
122. Die Regierung hielt die geforderten Beträge für unverhältnismäßig. Sie brachte vor, dass die Feststellung einer Konventionsverletzung durch den Gerichtshof eine hinreichende gerechte Entschädigung darstellen würde. Die von den Beschwerdeführern zur Stützung ihrer Auffassung angeführten Tatsachen seien mit denen in den angeführten Beschwerdeverfahren nicht vergleichbar.
123. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass ihre etwa sechstägige, gegen Artikel 5 Abs. 1 und Artikel 11 der Konvention verstoßende Freiheitsentziehung bei den Beschwerdeführern Leid ausgelöst haben muss, das durch die Feststellung einer Konventionsverletzung allein nicht angemessen wieder gut gemacht würde. Daher spricht der Gerichtshof, der die Summe nach Billigkeit festsetzt, den Beschwerdeführern unter dieser Rubrik jeweils 3.000 EUR zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern zu. Im Hinblick auf die von der Rechtsanwältin der Beschwerdeführer vorgelegte Vollmacht, die sie zur Entgegennahme von Zahlungen befugt, die seitens der anderen Verfahrenspartei zu leisten sind, ordnet er an, dass diese den Beschwerdeführern zugesprochenen Summen auf das Treuhandkonto ihrer Rechtsanwältin einzuzahlen sind.
B. Kosten und Auslagen
124. Der erste Beschwerdeführer forderte außerdem 2.340,85 EUR für Kosten und Auslagen vor den innerstaatlichen Gerichten (68 EUR für Gerichtskosten und 2.272,85 EUR für Anwaltsgebühren, einschließlich der darauf anfallenden Mehrwertsteuer) sowie 1.892,50 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) für Kosten und Auslagen vor dem Gerichtshof. Der zweite Beschwerdeführer forderte 2.370,65 EUR für Kosten und Auslagen vor den innerstaatlichen Gerichten (68 EUR für Gerichtskosten und 2.302,65 EUR für Anwaltsgebühren, einschließlich der darauf anfallenden Mehrwertsteuer) sowie 2.082,50 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) für Kosten und Auslagen vor dem Gerichtshof. Sie begründeten ihre Ansprüche durch Belege.
125. Die Regierung, die generell die Auffassung vertrat, dass nach Artikel 41 der Konvention keine Entschädigung zu zahlen sei, nahm zu diesen Forderungen nicht Stellung.
126. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Beschwerdeführer nur insoweit Anspruch auf Ersatz von Kosten und Auslagen, als nachgewiesen wurde, dass diese tatsächlich und notwendigerweise entstanden und der Höhe nach angemessen sind. In der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der oben genannten Kriterien überzeugt, dass das Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten und vor dem Gerichtshof zunächst auf die Verhinderung und später auf die Beseitigung der festgestellten Verletzungen von Artikel 5 Abs. 1 und Artikel 11 der Konvention abzielte. Darüber hinaus stellt er fest, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Kosten und Auslagen notwendigerweise entstanden und der Höhe nach angemessen waren.
127. Der Gerichtshof spricht dem ersten Beschwerdeführer daher 4.233,35 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) zur Deckung der unter allen Rubriken entstandenen Kosten, zuzüglich der ihm gegebenenfalls zu berechnenden Steuern zu. Der Gerichtshof spricht ferner dem zweiten Beschwerdeführer 4.453,15 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) zur Deckung der unter allen Rubriken entstandenen Kosten zuzüglich der ihm gegebenenfalls zu berechnenden Steuern zu. Er ordnet an, dass diese ihnen zugesprochenen Summen auf das Treuhandkonto ihrer Rechtsanwältin einzuzahlen sind.
C. Verzugszinsen
128. Der Gerichtshof hält es für angemessen, für die Berechnung der Verzugszinsen den Spitzenrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank zuzüglich drei Prozentpunkten zugrunde zu legen.
AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:
1. Die Individualbeschwerden werden verbunden;
2. die Rüge des ersten Beschwerdeführers nach Artikel 5 Abs. 5 der Konvention wird für unzulässig und die Individualbeschwerden werden im Übrigen für zulässig erklärt;
3. Artikel 5 Absatz 1 der Konvention ist verletzt worden;
4. Artikel 11 der Konvention ist verletzt worden;
5. a) der beschwerdegegnerische Staat hat binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig wird, folgende Beträge auf das Treuhandkonto der Rechtsanwältin der Beschwerdeführer einzuzahlen:
(i) für jeden Beschwerdeführer 3.000 EUR (dreitausend Euro) für den immateriellen Schaden, zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
(ii) für den ersten Beschwerdeführer 4.233,35 EUR (viertausendzweihundertdreiunddreißig Euro und fünfunddreißig Cent) einschließlich Mehrwertsteuer für Kosten und Auslagen, zuzüglich ihm gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
(iii) für den zweiten Beschwerdeführer 4.453,15 EUR (viertausendvierhundertdreiundfünfzig Euro und fünfzehn Cent) einschließlich Mehrwertsteuer für Kosten und Auslagen, zuzüglich ihm gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
b) Nach Ablauf der vorgenannten Frist von drei Monaten fallen für die obengenannten Beträge bis zur Auszahlung einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht;
6. Im Übrigen wird die Forderung der Beschwerdeführer nach gerechter Entschädigung zurückgewiesen.
Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 1. Dezember 2011 nach Artikel 77 Absätze 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. ..."
*** (BVerfG)
Verletzung von Art 2 Abs 2 S 2 GG und Art 104 Abs 2 GG durch gerichtlichen Beschluss, durch den eine mehrstündige Ingewahrsamnahme durch die Polizei zur Identitätsfeststellung für rechtmäßig erklärt wurde (BVerfG, Beschluss vom 08.03.2011 - 1 BvR 47/05 - LG Hamburg):
... II. Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.
1. In Bezug auf die angegriffenen Prozesskostenhilfeentscheidungen ist die Verfassungsbeschwerde allerdings unzulässig und ist deshalb insoweit nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Der Beschwerdeführer hat insoweit den Grundsatz der materiellen Subsidiarität, der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 77, 275 (282); 85, 80 (86)), nicht eingehalten. Dieser verlangt über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Zumutbaren die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 84, 203 (208); 85, 80 (86); 112, 50 (60)). Diesen Anforderungen wird der Beschwerdeführer nicht gerecht, denn er legt nicht dar, dass - abgesehen von der Beantragung von Prozesskostenhilfe - keine weitere Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der öffentlichen Hand bestand. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers analog § 140 Abs. 2, § 141 StPO stellen können (vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 27. April 2001 - 6 Qs 18/01 -, StV 2001, S. 390; Laufhütte, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 141 Rn 11; Lüderssen/Jahn, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 140 Rn 117 ff. (131c)).
2. Im Übrigen, also in Bezug auf den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt für die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG einschließlich der besonderen Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 10, 302 (322); 29, 312 (316); 94, 166 (198); 105, 239 (249 f.)).
a) Die Verfassungsbeschwerde, die sich bei verständiger Würdigung nur gegen den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts und nicht auch unmittelbar gegen die polizeilichen Maßnahmen selbst richtet, ist insoweit zulässig. Dem Beschwerdeführer fehlt es insbesondere nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzinteresse, weil der Freiheitseingriff beendet ist. Es würde der Bedeutung des Schutzes der persönlichen Freiheit in der im Grundgesetz garantierten Form nicht entsprechen, wenn das Recht auf eine verfassungsgerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Freiheitsrecht bei Wiedergewährung der Freiheit ohne Weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 9, 89 (93 f.); 10, 302 (308); stRspr).
b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch offensichtlich begründet.
aa) Der Beschluss des Landgerichts verletzt, insoweit er die gegen den Beschwerdeführer gerichteten polizeilichen Maßnahmen bestätigt, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
(1) Der Schutzbereich des Grundrechts umfasst sowohl freiheitsbeschränkende als auch freiheitsentziehende Maßnahmen. Eine Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Eine Freiheitsentziehung als schwerste Form der Freiheitsbeschränkung ist nur dann gegeben, wenn die tatsächlich und rechtlich an sich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)).
Eingriffe in die Freiheit der Person bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 2, 118 (119); 29, 183 (195)), wobei die Formvorschriften dieser Gesetze von den Gerichten so auszulegen sind, dass ihnen eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97)). Bei der Beschränkung im Einzelfall muss die Stellung des Grundrechts auch im Rahmen des Abwägungsprozesses angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere ist sorgfältig abzuwägen, ob ein Eingriff in den Grenzen bleibt, die ihm durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden, mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen werden (vgl. BVerfGE 29, 312 (316)). Diesen zu beachten, ist bei allen Eingriffen durch die öffentliche Gewalt ein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot (vgl. BVerfGE 30, 173 (199)). Ein Eingriff ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn er nicht zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist. Dies wiederum ist nicht der Fall, wenn ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks ausreichend ist (vgl. BVerfGE 67, 157 (173); 81, 156 (192) m.w.N.).
(2) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss des Landgerichts nicht, der das Festhalten des Beschwerdeführers und die Aufrechterhaltung der Ingewahrsamnahme bis zur Entlassung durch die Polizei gegen 1.30 Uhr für rechtmäßig erklärt. Es kann im Ergebnis dahin stehen, ob die Polizei den Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO oder aufgrund von § 81b StPO festgehalten hat, denn die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls nicht als erforderlich.
Die Vorschrift des § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO lässt ein Festhalten zur Identitätsfeststellung nur zu, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift stellt insofern eine gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots dar und soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. § 163b Abs. 1 Satz 1 StPO ermächtigt Polizeibeamte, gegenüber einem Verdächtigen die notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu treffen, also den Betreffenden nach seinen Personalien zu befragen und diesen aufzufordern, mitgeführte Ausweisdokumente auszuhändigen. Nur dann, wenn die Identität des Betreffenden auch unter Ausschöpfung dieser Maßnahmen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden kann oder dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, kommt ein weiteres Festhalten nach Satz 2 in Betracht. Ein weiterer Eingriff in das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf also nur dann erfolgen, wenn die Polizei auf der Basis der bereits bekannten Daten berechtigte Zweifel an der Identität der Person hat. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat sich gegenüber der Polizei vor Ort mit einem Bundespersonalausweis ausgewiesen. Der Bundespersonalausweis ist dabei in besonderer Weise als Dokument zur Feststellung der Identität geeignet, da er gemäß § 1 PAuswG die erforderlichen Daten für eine Identifikation und strafrechtlich relevante Erfassung der Person enthält und darüber hinaus mit besonderen Fälschungssicherungen versehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweis des Beschwerdeführers gefälscht war oder seine Person nicht mit dem Ausweisinhaber übereinstimmte, etwa, weil das Foto keine oder nur geringe Ähnlichkeit mit ihm aufwies, sind weder von der Polizei noch vom Landgericht benannt worden noch sind sie ansonsten ersichtlich. Daher ist - insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich fundierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen bloßer Identitätsfeststellung und weiterem Festhalten - davon auszugehen, dass es den Polizeibeamten möglich war, die Identität aufgrund des vorgelegten Bundespersonalausweises vor Ort hinreichend sicher festzustellen. Ein Festhalten aus reinen Praktikabilitätserwägungen vermag schon die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht zu begründen und dürfte im Übrigen auch auf die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme keinen Einfluss haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1992 - 2 BvR 658/90 -, NVwZ 1992, S. 767 (768)).
Auch ein Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 81b Alt. 2 StPO war jedenfalls unverhältnismäßig, denn es verkannte die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Insoweit ist zwischen der Anordnung der Maßnahme und der Durchführung zu unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, S. 381 (382)). Selbst wenn man in Bezug auf die Anordnung der Maßnahme mit dem Landgericht davon ausgeht, dass trotz eindeutig festgestellter Identität des Beschwerdeführers und aller anderen Personen die Erinnerung der einzelnen Polizisten als Zeugen vor Gericht aufgrund der Vielzahl an Personen ohne weitere Fotos möglicherweise nicht hinreichend gewährleistet gewesen wäre und es als Erinnerungsstütze noch ein Bedürfnis an weiteren im Strafprozess zu verwertenden Beweismitteln gab, rechtfertigt dies für die Durchführung jedenfalls nicht ein stundenlanges Festhalten und Einsperren des Beschwerdeführers auf verschiedenen Polizeiwachen. Das Landgericht verkennt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass in der Formulierung "soweit ( ) notwendig" in § 81b StPO seinen Niederschlag auch in der einfachgesetzlichen Regelung gefunden hat. Es hat insoweit nicht ausgeführt, dass ein stundenlanges Festhalten des Beschwerdeführers für das Anfertigen der Lichtbilder des Beschwerdeführers notwendig war. Zwar kann die Masse der zu bearbeitenden Fälle eine zeitliche Verzögerung rechtfertigen, jedoch hat das Landgericht keine Ausführungen zum Vorliegen von Erschwernissen gemacht, die die Dauer in dem hier festgestellten Umfang rechtfertigten. Allerdings ist die Polizei als Strafverfolgungsbehörde - soweit nicht ein genereller entsprechender Bedarf besteht - nicht gezwungen, Personal und Material für erkennungsdienstliche Maßnahmen in solchem Maß vorzuhalten, dass eine Bearbeitung in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe erfolgen kann. Vielmehr kann es durchaus verhältnismäßig sein, derartige spezielle Ressourcen insbesondere räumlich zusammenzufassen. Eine Verbringung an diesen Ort und eine organisatorisch nicht zu vermeidende und gemäßigte Wartefrist können jedenfalls bei hinreichend gewichtigen Straftaten angemessene Eingriffe im Verhältnis zur Bedeutung des staatlichen Strafanspruches sein. Ein solcher Fall liegt aber auf der Basis des festgestellten Sachverhalts nicht vor. Der Beschwerdeführer ist im Polizeipräsidium nach mehreren Stunden ausschließlich in der Art erkennungsdienstlich behandelt worden, dass von ihm drei einfache Fotos angefertigt wurden. Weitere Aufnahmen insbesondere solche, die besondere fotografische oder kriminalistische Erfahrung oder Ausrüstung erforderten, sind vom Landgericht weder festgestellt noch Teil seiner Verhältnismäßigkeitserwägungen geworden. Insofern stellt sich die erkennungsdienstliche Behandlung als die Anfertigung von einfachen, alltäglichen Fotoaufnahmen dar. Für die Annahme der Erforderlichkeit in diesem Fall hätte es einer genaueren Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten bedurft, zeitlich früher Aufnahmen des Beschwerdeführers in der gleichen Qualität und Machart anzufertigen, die den Zweck des § 81b StPO nicht schlechter erfüllt hätten. Hierbei hätte das Landgericht insbesondere prüfen müssen, ob die Beamten entsprechende Aufnahmen nicht mit einer verfügbaren oder kurzfristig herbeizuschaffenden Kamera auch vor Ort, als die Personen einzeln aus dem Kessel zur Identitätsfeststellung herausgeführt wurden, hätten machen können oder sonst spätestens auf den einzelnen Polizeiwachen.
bb) Der das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Polizeiwache sowie dem Polizeipräsidium einschließlich der Verbringung dorthin bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 2 GG.
(1) Das Einsperren des Beschwerdeführers in eine Gewahrsamszelle auf der Polizeiwache beziehungsweise auf dem Polizeipräsidium sowie als Verbindungsglied zwischen beiden das Verbringen dorthin mittels Polizeifahrzeugen stellen eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG und nicht lediglich eine Freiheitsbeschränkung dar. Während eine Freiheitsbeschränkung schon dann anzunehmen ist, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist, liegt eine Freiheitsentziehung erst dann vor, wenn die tatsächlich und rechtlich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit nach allen Seiten hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)). Die Freiheitsentziehung ist der schwerste Fall der Freiheitsbeschränkung (vgl. BVerfGE 10, 302 (323)). Beide Begriffe sind entsprechend ihrer Intensität abzugrenzen (vgl. BVerfGE 105, 239 (248)). Jedenfalls muss die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen in einem Haftraum als Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG angesehen werden (vgl. BGHZ 82, 261 (264) und BVerwGE 62, 317 (318)). Nur kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen dagegen keine Freiheitsentziehung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Mai 2004 - 2 BvR 715/04 -, NJW 2004, S. 3697).
Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2, 3 GG ist die Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung allein dem Richter vorbehalten, wobei bei nicht vorgelagerter richterlicher Entscheidung diese unverzüglich nach Beginn der Freiheitsentziehung zu bewirken ist.
(2) Die Polizei hat den Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls von 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr festgehalten und von dem Ort der Festsetzung zunächst zur Polizeiwache und dann zum Polizeipräsidium verbracht, wobei er zweimal für jeweils zumindest eine Stunde in eine Gewahrsamszelle eingesperrt und einmal circa eine Stunde lang in einem Polizeifahrzeug untergebracht wurde. Das Festhalten des Beschwerdeführers in Gewahrsamszellen auf der Polizeiwache und im Polizeipräsidium sowie die jeweilige Verbringung dahin stellen eine vollständige Aufhebung seiner Bewegungsfreiheit dar. Dabei stellt der Einschluss in Zellen den typischen Fall der hoheitlichen Freiheitsentziehung dar, den das Grundgesetz unter die besonderen Voraussetzungen des Art. 104 Abs. 2 GG stellen wollte (vgl. BVerwGE 62, 317 (318)). Anders als im Regelfall von § 81b StPO wurde der Beschwerdeführer nicht allein zur Dienststelle verbracht und im Weiteren umgehend erkennungsdienstlich behandelt, sondern über eine Dauer von mehreren Stunden allein verwahrt für eine nachfolgende erkennungsdienstliche Behandlung. Dies hat aber - umso mehr im Vergleich zu dem verfolgten Ziel, nämlich der Anfertigung von drei Fotos - eigenes Gewicht. Insbesondere ist die Gesamtdauer der Freiheitsentziehung nicht nur als kurzfristig anzusehen, denn sie umfasst jedenfalls einen Zeitraum, der nicht mehr unbedeutend ist.
Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass das Festhalten des Beschwerdeführers weder eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO dargestellt habe, sondern allein eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs. Damit hat es die Auswirkungen des Festhaltens des Beschwerdeführers in tatsächlicher und in der Folge auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht verkannt und sich nicht mit den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auseinandergesetzt. Bei der gebotenen Qualifikation der Maßnahme als Freiheitsentziehung hätte sich das Landgericht mit der Frage der Notwendigkeit der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung sowie den hierzu getroffenen organisatorischen Voraussetzungen sowie den Maßnahmen im Einzelfall befassen müssen.
c) Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, ist die Sache zur erneuten Rechtsprüfung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
d) Ob die angegriffene Entscheidung zugleich gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verstößt, kann dahinstehen. ..."
*** (BVerwG, BGH)
... Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 16. Mai 2010 und der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 3. Juni 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, soweit die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung ab dem 16. Mai 2010 angeordnet und aufrechterhalten worden ist; im Übrigen wird das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. ...
I. Der Betroffene ist libyscher Staatsangehöriger. Am 14. Mai 2010 reiste er ohne Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet ein. Am nächsten Tag wurde er von der Bundespolizei festgenommen und im Anschluss daran zur Dienststelle der Polizeiinspektion Hannover Mitte verbracht, wo er als Beschuldigter wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise vernommen wurde. Auf Antrag der Beteiligten zu 2, dem das Protokoll über die Vernehmung des Betroffenen als Beschuldigter beigefügt war, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. Mai 2010 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis längstens 18. August 2010 angeordnet und zudem die Ingewahrsamnahme des Betroffenen für rechtmäßig erklärt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Am 9. Juni 2010 wurde der Betroffene nach Schweden zurückgeschoben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er nunmehr die Feststellung, dass er durch die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts in seinen Rechten verletzt worden ist.
II. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die Freiheitsentziehung zu Recht angeordnet und bis zur Ausreise des Betroffenen aufrechterhalten worden ist.
III. Das Rechtsmittel hat ganz überwiegend Erfolg.
1. Soweit der Betroffene seinen Fortsetzungsfeststellungsantrag im Zusammenhang mit der von der Beteiligten zu 2 kurzzeitig angeordneten Ingewahrsamnahme weiterverfolgen möchte, ist das Rechtsmittel allerdings unzulässig. Zwar ist die Rechtsbeschwerde grundsätzlich auch nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Hiervon ausgenommen sind nach § 70 Abs. 4 FamFG jedoch Entscheidungen in Verfahren, in denen über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung befunden worden ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/6308, S. 209). Dass hierzu - verfassungsrechtlich unbedenklich - auch Entscheidungen über vorläufige Haftanordnungen gehören, die von einem Richter nach § 427 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 1 bis 3 AufenthG angeordnet worden sind, hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 3. Februar - V ZB 128/10, juris Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 11. November 2010 - V ZB 123/10, juris Rn. 3 f.). Gleiches gilt jedenfalls für die der richterlichen Beschlussfassung vorgelagerte Möglichkeit der Behörde, einen Ausländer unter den strengen Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AufenthG für einen kurzen Zeitraum vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, um diesen unverzüglich dem Richter vorzuführen (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, zur Veröffentlichung vorgesehen). Davon abgesehen ist die Rechtsbeschwerde mit Blick auf die behördliche Ingewahrsamnahme auch deshalb unzulässig, weil das Rechtsmittel insoweit nicht in einer den Vorgaben nach § 71 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FamFG genügenden Weise begründet worden ist.
2. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde zulässig und begründet. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts und durch die diese bestätigende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts in seinen Rechten verletzt. Die Haft hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil der Haftantrag unzulässig war.
Ob ein zulässiger Haftantrag vorliegt, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - V ZB 136/10, zur Veröffentlichung bestimmt; jeweils mwN). Zu den unerlässlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört es nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG, dass die Antragsbegründung insbesondere Angaben zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 8 f.). Diesen Anforderungen wird der gestellte Antrag nicht gerecht. Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden; für die Zurückschiebung gilt nichts anderes (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 211/10; beide Entscheidungen zur Veröffentlichung bestimmt). Fehlen in dem Haftantrag Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage erhoben worden ist oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wird, ist der Haftantrag unzulässig (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, aaO). So verhält es sich hier. Wie sich spätestens aus dem dem Haftantrag beigefügten Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung ergibt, wurde gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt. ..." ( BGH, Beschluss vom 12.05.2011 - V ZB 166/10).
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Zur Befugnis der Polizei, eine Person in Gewahrsam zu nehmen, um sie an der unmittlbar bevorstehenden Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung zu hindern. Art. 104 Abs. 2 GG erfordert keine Regelung der Justizverwaltung, die es den Polizeibehörden ermöglicht, zu jeder Tages- und Nachtzeit die richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer einer Ingewahrsamnahme aus präventiv-polizeilichen Gründen herbeizuführen (BVerwG, 26.02.1974, BVerwG I C 31.72):
... I. Der Kläger erstrebt die gerichtliche Feststellung, die Polizei habe ihn am 29. Februar 1968 zu Unrecht etwa zwei Stunden auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen festgehalten.
Der damals in Berlin wohnende Kläger hatte sich vor der streitigen Maßnahme als führendes Mitglied eines politischen Studentenbundes maßgebend an Demonstrationen u.a. auch in Frankfurt/Main am 6. September 1967 und am 5. Februar 1968 beteiligt. Am 5. Februar 1968 war es nach einer Kundgebung gegen den Vietnam-Krieg zu erheblichen Ausschreitungen der Demonstranten vor amerikanischen Einrichtungen in Frankfurt/Main gekommen. Gegen den Kläger als mutmaßlichen Haupträdelsführer wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Aufforderung zu strafbaren Handlungen, Aufruhrs, Landfriedensbruchs und Durchführung eines nicht angemeldeten Aufzugs eingeleitet.
Am 29. Februar 1968 um 17.30 Uhr fand in Frankfurt/Main erneut eine Kundgebung gegen den Vietnam-Krieg statt, an der etwa 6.000 Personen teilnahmen. Nachdem der Polizei schon nach Anmeldung der Kundgebung Informationen über eine danach beabsichtigte Demonstration in den amerikanischen Wohngebieten zugegangen waren, erhielt sie am Tage der Veranstaltung um 17 Uhr vom Hessischen Innenministerium die Nachricht, es sei bekanntgeworden, daß nach der Kundgebung in den amerikanischen Wohnsiedlungen demonstriert werden solle; die amerikanischen Streitkräfte beabsichtigten, unter Umständen hiergegen einzuschreiten. In einer Vorbesprechung mit der Polizei hatten auch die für die Versammlung verantwortlichen Personen eingeräumt, daß ein Teil der Versammlungsteilnehmer möglicherweise nach Abschluß der Kundgebung in die amerikanischen Wohnsiedlungen ziehen und dort weiter demonstrieren werde. Zugleich hatten sie erklärt, dann keinen Einfluß mehr auf das Verhalten der Demonstranten zu haben.
Um 17.10 Uhr - etwa 20 Minuten vor Beginn der Kundgebung auf dem Römerberg - wurde der Polizei mitgeteilt, der Kläger sei mit dem Flugzeug auf dem Wege von Berlin nach Frankfurt/Main. Der Leiter der Schutzpolizei ordnete an, daß der gegen 17.50 Uhr auf dem Flughafen zu erwartende Kläger zur dortigen Polizeiwache gebracht, nach dem Ziel seiner Reise gefragt und festgehalten werden solle, falls er sich nach Frankfurt/Main begeben wollte. Der Kläger verweigerte den Polizeibeamten die erbetene Auskunft und erklärte u.a., wenn er schon reise, sei er politisch unterwegs. Daraufhin wurde er festgehalten. Nachdem der Oberbürgermeister der Beklagten kurz vor 19 Uhr über die Inverwahrungnahme des Klägers unterrichtet worden war, ordnete er dessen Freilassung an, die um 20.09 Uhr erfolgte. Inzwischen war die genehmigte Kundgebung um 18.35 Uhr ohne besondere Vorkommnisse beendet worden. Die meisten Teilnehmer hatten sich erst um 20 Uhr zerstreut. Etwa 1.500 bis 2.000 Menschen marschierten in die Innenstadt. Zu den befürchteten Demonstrationen in amerikanischen Wohnsiedlungen kam es nicht.
Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 25. März 1968 Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Mit der am 4. Januar 1969 erhobenen Klage beantragte er, festzustellen, daß es rechtswidrig war, ihn am 29. Februar 1968 in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen; hilfsweise: festzustellen, daß es rechtswidrig war, die Verwahrung bis 20.09 Uhr aufrechtzuerhalten.
Das Verwaltungsgericht gab dem Hauptantrag statt. In dem Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen das Berufungsurteil Bezug nimmt, ist ausgeführt: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die polizeiliche Verwahrung des Klägers hätten vorgelegen. Diese Maßnahme sei erfolgt, weil die Polizei auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen habe, der Kläger werde die Teilnehmer der Versammlung auf dem Römerberg zu einer nicht angemeldeten Demonstration in den amerikanischen Wohngebieten aufrufen. Der Polizei sei damals bekannt gewesen, daß gegen den Kläger wegen seiner führenden Rolle bei schweren Ausschreitungen anläßlich von Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Die letzte derartige Demonstration in Frankfurt/Main habe noch keine vier Wochen zurückgelegen, als der Kläger am 29. Februar 1968 ausgerechnet zu einem Zeitpunkt erneut nach Frankfurt/Main gekommen sei, zu dem wieder eine Massenkundgebung gegen den Vietnam-Krieg veranstaltet worden sei. Nach seinem Eintreffen auf dem Flughafen habe die Polizei zunächst das Ziel seiner Reise ermitteln wollen. Durch die Antworten des Klägers hätten sich die Polizeibeamten in der Annahme wahrscheinlich bevorstehender strafbarer Handlungen des Klägers bestärkt sehen können. Nach ihren Erfahrungen habe die politische Tätigkeit des Klägers, die er als Zweck seiner Reise angegeben habe, nicht zuletzt in strafbaren Handlungen bei Demonstrationen bestanden. Die Gefahr, daß der Kläger einen Demonstrationszug in die amerikanischen Wohngebiete führen werde, habe aus ihrer Sicht unmittelbar bevorgestanden.
Die Klage müsse jedoch deshalb Erfolg haben, weil die Polizei nicht unverzüglich die Entscheidung des Amtsrichters über die Zulässigkeit der Verwahrung herbeigeführt habe. Die gesetzlich vorgeschriebene unverzügliche Einholung dieser Entscheidung bedinge die Einrichtung eines ständigen richterlichen Bereitschaftsdienstes auch außerhalb der Dienst stunden. Daß die Polizei am 29. Februar 1968 wegen dessen Fehlens nach 18 Uhr keine richterliche Entscheidung mehr habe herbeiführen können, dürfe nicht zu Lasten der in Verwahrung genommenen Person gehen. Die Inverwahrungnahme des Klägers sei daher rechtswidrig gewesen.
Auf die Berufung der Beklagten hob der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Zwar habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, daß sich der Kläger wirklich an der Kundgebung auf dem Römerberg habe beteiligen wollen, jedoch sei dies polizeirechtlich unerheblich. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend dargelegt, daß aus der Sicht der Polizei die Teilnahme des Klägers an der befürchteten Demonstration in den amerikanischen Wohnsiedlungen und die damit verbundene Begehung strafbarer Handlungen wahrscheinlich gewesen seien und unmittelbar bevorgestanden hätten. Die polizeiliche Verwahrung des Klägers sei unerläßlich gewesen. Durch ein weniger einschneidendes Mittel habe die Gefahr nicht abgewehrt werden können. Insbesondere die Vorgänge am 5. Februar 1968 hätten gezeigt, daß die befürchteten strafbaren Handlungen des Klägers nicht mehr hätten verhindert werden können, wenn er sich den 6.000 Versammlungsteilnehmern angeschlossen hätte.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien durch die Verwahrung des Klägers auch die Vorschriften des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung bezüglich der Einholung einer richterlichen Entscheidung nicht verletzt worden. Die Polizei habe die Entscheidung des Amtsrichters mit der nach Lage der Sache und unter Berücksichtigung der Geschäftsverhältnisse der beteiligten Behörden gebotenen Beschleunigung herbeiführen müssen. Ein Organisationsmangel dürfe zwar nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, jedoch habe ein solcher während der Freiheitsentziehung des Klägers nicht vorgelegen. Art. 104. Abs. 2 GG erfordere keine Regelung, derzufolge ein Amtsrichter auch außerhalb der üblichen Dienstzeit ständig erreichbar sein müsse.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er hält das sachliche Vorbringen der Revision für unbegründet.
II. Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht ( § 137 Abs. 1 VwGO ).
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben (s. Olschewski, Zum Rechtsweg gegen Freiheitsentziehungen durch Polizei, JR 1971, 89).
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Kläger ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung hat (s. auch BVerfGE 10, 302 [308]). Die Verstaatlichung der Vollzugspolizei der Beklagten mit Wirkung vom 1. Januar 1974 berührt das Feststellungsinteresse gegenüber der Beklagten nicht, weil es nicht mit Wiederholungsgefahr begründet wird.
2. Die Verfahrensrügen, mit denen geltend gemacht wird, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, greifen nicht durch.
a) Zu Unrecht rügt die Revision, daß der Senat, der das angefochtene Urteil erlassen hat, nach dem Geschäftsverteilungsplan aus fünf Richtern bestand. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, nicht zu beanstanden, weil der Hessische Verwaltungsgerichtshof nach § 13 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 6. Februar 1962 (GVBl. S. 13) i.d.F. vom 5. Oktober 1970 (GVBl. I S. 598) zwar grundsätzlich in der Besetzung mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern, nach § 11 Abs. 1 dieses Gesetzes im Normenkontrollverfahren jedoch in der Besetzung mit fünf Richtern entscheidet (Bundesverwaltungsgericht , Urteile vom 8. Juli 1966 - BVerwG VII C 192.64 - [BVerwGE 24, 315] und vom 8. November 1967 - BVerwG IV C 154.65 - [ DVBl. 1968, 110 = NJW 1968, 811 = Buchholz 310 § 8 VwGO Nr. 3] sowie Beschluß vom 18. Juli 1972 - BVerwG II B 33.71 /11 C 16.71 - [Buchholz a.a.O. Nr. 7]). Entgegen der Ansicht der Revision mußte im Geschäftsverteilungsplan die Zuteilung von fünf Richtern nicht begründet werden. Die Geschäftsverteilung nach §§ 7 Abs. 2 und 9 Abs. 4 VwGO (jetzt § 21 e GVG ) mußte nur dem Erfordernis des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügen, daß möglichst eindeutig von vornherein feststand, welcher Richter in einem anhängig werdenden Verfahren zur Entscheidung oder zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufen war (BVerfGE 31, 47 [54]). Diesen Zweck erfüllte der Geschäftsverteilungsplan auch dann, wenn er - wie üblich - keine Begründung enthielt.
b) Ohne Erfolg müssen auch, die Angriffe der Revision gegen die Anordnung nach §§ 8 und 9 Abs. 4 VwGO (jetzt § 21 g GVG ) bleiben, womit die Senatsvorsitzende am selben Tage, an dem das Präsidium dem II. Senat des Verwaltungsgerichtshofs einen weiteren (fünften) Richter zugeteilt hatte, ihre Anordnung für das Geschäftsjahr 1972 für den Rest des Geschäftsjahres geändert hat. Die Revision meint dazu, die zu Beginn des Geschäftsjahres getroffene Anordnung habe nur in dem unbedingt erforderlichen Maße geändert werden dürfen, und zieht daraus die Schlußfolgerung, daß in der Sitzung am 4. Juli 1972 mindestens ein Beisitzer hätte mitwirken müssen, der nach der bisherigen Anordnung an diesem Sitzungstag zur Mitwirkung berufen war. Abgesehen davon, daß in vorliegender Sache die Richterbank mit der Vorsitzenden und einem weiteren Richter besetzt war, der schon nach der ursprünglichen Regelung in der Sitzung am 4. Juli 1972 mitwirken sollte, verkennt die Revision, daß nach Zuteilung eines weiteren Richters der bisherige Besetzungsplan nach pflichtgemäßem Ermessen dahin geändert werden durfte, daß die nunmehr vier beisitzenden Richter an den Sitzungstagen des Geschäftsjahres 1972 möglichst gleichmäßig mitwirkten. Diesem Zweck wird die Anordnung vom 2. Mai 1972 gerecht. Sie durfte entgegen dem Revisionsvorbringen auch den Fall, daß "in einer Sache ein Richter Berichterstatter (ist), der nach dem Sitzungsplan nicht mitwirken würde", dahin neu regeln, daß dann "in der jeweiligen Sache der dienstältere Richter" ausscheidet. Damit waren die zur Entscheidung berufenen Richter auch weiterhin so eindeutig und genau wie möglich bestimmt. Nach den Anordnungen für die Geschäftsjahre 1971 und 1972 wurden die Berichterstatter des II. Senats des Verwaltungsgerichtshofs nicht durch Einzelentscheidung der Vorsitzenden bestimmt; maßgebend war vielmehr eine von vornherein festliegende Reihenfolge der Berichterstatter nach Eingang der Sachen. Auch die Mitwirkung der anderen Richter war generell geregelt. Die beanstandete Änderung der zu Beginn des Geschäftsjahres getroffenen Anordnung erfolgte zu keinem willkürlichen Zeitpunkt und entsprach den Erfordernissen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG .
c) Schließlich bemängelt die Revision zu Unrecht die Mitwirkung des ehrenamtlichen Verwaltungsrichters Massie an dem angefochtenen Urteil. Der Geschäftsverteilungsplan ist nicht, wie die Revision meint, insoweit nichtig, als bei "plötzlicher Verhinderung" eines ehrenamtlichen Verwaltungsrichters ein Vertreter nach der jedem Senat zugeteilten Hilfsliste aus ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern heranzuziehen war, die am Gerichtssitz oder in seiner Nähe wohnten. Diese Regelung war hinreichend bestimmt. Ihr Inhalt ergab sich aus dem Sinn und Zweck der Aufstellung einer Hilfsliste nach §§ 30 Abs. 2 und 34 VwGO . Hiernach war ein in der Hilfsliste aufgeführter ehrenamtlicher Verwaltungsrichter heranzuziehen, wenn dadurch eine Vertagung der Verhandlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns vermieden werden konnte. Auch die Regelung des Geschäftsverteilungsplanes, derzufolge die Heranziehung des verhinderten ehrenamtlichen Verwaltungsrichters nicht nachzuholen war, begegnet keinem Bedenken. Hierdurch wurde eine "Manipulation" in der Auswahl der zur Entscheidung im Einzelfall berufenen ehrenamtlichen Verwaltungsrichter zumindest ebenso wirksam verhindert wie durch die vom Kläger für richtig angesehene Nachholung der Mitwirkung des verhinderten ehrenamtlichen Verwaltungsrichters. Zu Unrecht hält die Revision den Geschäftsverteilungsplan auch deshalb für unwirksam, weil er in bezug auf die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter keine Ladungsfrist vorschrieb. Eine derartige Regelung ist kein notwendiger Inhalt eines Geschäftsverteilungsplanes. Da dem II. Senat des Verwaltungsgerichtshofs erst am Freitag, dem 30. Juni 1972, die Mitteilung des geladenen ehrenamtlichen Verwaltungsrichters Mitterer zugegangen war, daß er an der Sitzung am Dienstag, dem 4. Juli 1972, nicht teilnehmen könne, durften die Voraussetzungen für die Heranziehung eines in der Hilfsliste aufgeführten ehrenamtlichen Verwaltungsrichters für gegeben angesehen werden. Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27. Oktober 1961 - BVerwG VII C 26.61 - [BVerwGE 13, 147]) hat einen Fall "unvorhergesehener Verhinderung" im Sinne von § 30 Abs. 2 VwGO angenommen, wenn sich innerhalb der letzten Woche vor der Sitzung herausstellt, daß der hierzu geladene ehrenamtliche Verwaltungsrichter verhindert ist.
3. Auch die Sachrügen vermögen der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Das angefochtene Urteil geht davon aus, daß es sich bei der streitigen Maßnahme um eine polizeiliche Verwahrung im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 17. Dezember 1964 (GVBl. I S. 209) - HSOG - (jetzt § 46 dieses Gesetzes in der Fassung vom 26. Januar 1972 [GVBl. I S. 24]) gehandelt habe. Nach dieser Vorschrift kann die Vollzugspolizei jemanden in Verwahrung nehmen, wenn es unerläßlich ist, um ihn an der unmittelbar bevorstehenden Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung zu hindern, über die Zulässigkeit der Verwahrung ist nach § 48 HSOG (jetzt § 47) unverzüglich die Entscheidung des Amtsrichters herbeizuführen, in dessen Bezirk die Verwahrung vollzogen wird. Der Amtsrichter entscheidet endgültig. Seine Entscheidung entfällt, sobald der Verwahrte entlassen ist. Gemäß § 49 HSOG (jetzt § 48) endet die Verwahrung spätestens mit Ablauf des Tages, der auf ihren Beginn folgt. Der Verwahrte ist vorher zu entlassen, sobald der Grund der Verwahrung weggefallen ist oder wenn der Richter die Verwahrung für unzulässig erklärt.
Die in Anwendung des irrevisiblen Landesrechts vertretene Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Kläger in polizeilichen Gewahrsam genommen worden und diese Maßnahme durch die genannten Vorschriften gedeckt gewesen sei, ist gemäß §§ 137 Abs. 1 , 173 VwGO in Verbindung mit § 562 ZPO auch für die Revisionsentscheidung maßgebend. Dem Bundesverwaltungsgericht obliegt allein die Nachprüfung, ob die Vorschriften in der Auslegung des Berufungsgerichts mit Bundesrecht vereinbar sind oder ob die angefochtene Entscheidung Bundesrecht verletzt. Das ist nicht der Fall.
a) Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG in der ihr vom Berufungsgericht gegebenen Auslegung verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG .
aa) Die polizeiliche Verwahrung einer Person zur Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung ist ein Eingriff in die Freiheit der Person im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG . Dieses Grundrecht kann durch einfaches Gesetz eingeschränkt werden ( Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ). Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung nennt in § 4 das Grundrecht der Freiheit der Person als eingeschränkt ( Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ).
bb) Die Freiheit der Person nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Die Entziehung der persönlichen Freiheit muß daher stets durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein (BVerfGE 19, 342 [348 f.]; 35, 185 [190]). Zu den Belangen des Gemeinwohls, gegenüber denen die Freiheit des einzelnen unter Umständen zurücktreten muß, gehört der Schutz der Allgemeinheit und einzelner vor mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Straftaten. Die öffentliche Sicherheit und das berechtigte Sicherheitsbedürfnis der Gemeinschaft wären ungenügend geschützt, wenn die Polizei ernstlich zu befürchtende Straftaten erforderlichenfalls nicht auch durch unmittelbare Einschränkung der persönlichen Freiheit verhindern dürfte. Die Ingewahrsamnahme aus präventiv-polizeilichen Gründen ist daher ein notwendiges Mittel zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung vor Rechtsbrüchen.
cc) Die Regelung der Verwahrung aus präventiv-polizeilichen Gründen in dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist entgegen dem Revisionsvorbringen genügend bestimmt. Sie entspricht, wie der Oberbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts für die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe in Ermächtigungen zu Eingriffen in Freiheit und Eigentum.
Die gesetzliche Ermächtigung der Polizei zur Inverwahrungnahme einer Person ist an zwei Voraussetzungen geknüpft. Die polizeiliche Verwahrung muß - erstens - "unerläßlich" sein, um den Betroffenen an einer "mit Strafe bedrohten Handlung" zu hindern, und die Begehung dieser Handlung muß - zweitens - "unmittelbar bevorstehen".
Der Begriff "unerläßlich" ist so genau wie möglich. Er bedeutet, daß das Kittel der polizeilichen Verwahrung nur angewendet werden darf, wenn es zur Verhütung der befürchteten Straftat geeignet und erforderlich ist. Wenn die mit Strafe bedrohte Handlung durch eine polizeiliche Maßnahme verhindert werden kann, die den einzelnen und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt, ist die polizeiliche Inverwahrungnahme nicht erforderlich und daher auch nicht unerläßlich.
Die mit der polizeilichen Verwahrung zu bekämpfende Gefahr ist dadurch, daß nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG nur die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen verhindert werden darf, genau bestimmt. Die Voraussetzung für den polizeilichen Eingriff ergibt sich eindeutig aus den strafrechtlichen Tatbeständen.
Auch der Begriff der "unmittelbar bevorstehenden Begehung" einer Straftat ist rechtsstaatlich nicht zu beanstanden. Nach der das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Berufungsgerichts entspricht er dem polizei- und ordnungsrechtlichen Begriff der "unmittelbar bevorstehenden Gefahr". Diese Begriffe sind durch Rechtsprechung, Schrifttum und Verwaltungsvorschrift genügend präzisiert.
Nach allgemeiner Auffassung liegt eine "Gefahr" vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird (H.J. Wolff, Verwaltungsrecht III, 3. Aufl. [1973], § 125 III a). Da die Inverwahrungnahme aus präventiv-polizeilichen Gründen unmittelbar in die Freiheitssphäre eingreift und dementsprechend nur aus gewichtigen Gründen verfassungsgemäß ist, schränken die gesetzlichen Ermächtigungen des Bundes und der Länder diese Eingriffsmöglichkeit übereinstimmend in der Weise ein, daß sie eine - gegenüber Maßnahmen nach der Generalermächtigung - gesteigerte Gefahr voraussetzen. Schon nach § 15 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931 (GS. S. 77) durfte jemand nur dann in polizeiliche Verwahrung genommen werden, wenn diese Maßnahme "zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden polizeilichen Gefahr" erforderlich und deren Abwehr auf andere Weise nicht möglich war. Entsprechende Regelungen treffen z.B. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz vom 18. August 1972 (BGBl. I S. 1834) - BGSG -, § 9 Abs. 1 Buchst. b des niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 21. März 1951 (GVBl. S. 79) und § 180 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein vom 18. April 1967 (GVBl. S. 131). Nach § 25 Nr. 2 des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes in der Fassung vom 28. Oktober 1969 (GV NW S. 740) muß eine "gegenwärtige Gefahr" vorliegen, womit das gleiche gemeint ist wie mit dem Begriff der unmittelbar bevorstehenden Gefahr (Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. [1972], § 1 OBG RdNr. 16). Indem die Vorschriften über den polizeilichen Gewahrsam durch Verwendung der Begriffe "unmittelbar bevorstehende Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung", "unmittelbar bevorstehende erhebliche Verletzung von Recht", "unmittelbar bevorstehende Gefahr" oder "gegenwärtige Gefahr" besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts stellen, läßt sich daraus, wie das OVG Saarlouis (Urteil vom 17. Mai 1973 [DÖV 1973, 863]) zu einer entsprechenden anderen Regelung ausgeführt hat, für den Regelfall auch auf strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad schließen, da die geforderte Nähe der Gefahr meist die Sicherheit der Prognose erhöhen wird. Nach herrschender Meinung liegt die von § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG und den anderen Vorschriften über den polizeilichen Gewahrsam geforderte Gefahr vor, wenn der Eintritt eines Schadens sofort und fast mit Gewißheit (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zu erwarten ist (H.J. Wolff, a.a.O., § 125 III b 4; Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Juli 1951 [NJW 1951, 769]; OVG Münster, Beschluß vom 24. April 1954 [OVGE 8, 239]; Müller-Heidelberg/Clauss, Das nds. Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl. [1956], § 9 Erl. 2 c; Reiff, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 1956, § 22 Erl. II 1 a; Scheer, Allgemeines Polizeirecht und Ordnungsrecht im Lande Hessen, 1967, S. 227; Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, a.a.O.; Nr. 25.11 der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz vom 4. Dezember 1969 (MBl. NW S. 2000)). Rechtsprechung und Schrifttum stimmen außerdem darin überein, daß - entsprechend dem Zweck der polizeilichen Gefahrenabwehr - eine Gefahr im Sinne der maßgebenden. Ermächtigungsnorm auch in Fällen der sogenannten Anscheinsgefahr vorliegt, auf die das angefochtene Urteil abstellt, (s. hierzu Hoffmann-Riem, "Anscheingefahr" und "Anscheinverursachung" im Polizeirecht, Festschrift für Wacke, 1972, S. 327 ff.).
Zu Unrecht meint die Revision, der Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG fehle die rechtsstaatlich erforderliche Bestimmtheit auch deshalb, weil sie die Beweismittel - z.B. Urkunden und Zeugenaussagen - nicht festlege, auf Grund deren die Polizei eine unmittelbar bevorstehende Straftat annehmen dürfe. Einer derartigen Konkretisierung des Gefahrenbegriffs bedurfte es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht. Nach allgemein anerkannter Auffassung genügt eine bloße Vermutung der Polizei, daß ein Schaden eintreten werde, für das Vorliegen einer Gefahr nicht. Das Verlangen der Revision nach einer gesetzlichen Bestimmung der "Beweismittel" für das Vorliegen einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr läßt sich mit dem legitimen Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf eine wirksame Gefahrenabwehr nicht vereinbaren. Wenn die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht schon auf Grund bestimmt er Tatsachen und der auf Erfahrungen gestützten Prognose der Polizei als unmittelbar bevorstehend angesehen werden dürfte, ließe sie sich vielfach nicht verhindern.
dd) Der Revision kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG verletze den bundesverfassungsrechtlich ableitbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil er die polizeiliche Verwahrung zur Abwehr von strafbaren Handlungen jeder Art zulasse. Dieses Vorbringen läßt außer acht, daß die Polizei die Aufgabe hat, den einzelnen und das Gemeinwesen vor drohender Verletzung von Recht zu schützen, und daß jede mit Strafe bedrohte Handlung die Rechtsordnung verletzt. Durch die. Pönalisierung bestimmter Handlungen hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß er dieses Verhalten als eine erhebliche Störung des menschlichen Zusammenlebens betrachtet. Dem Wandel der Anschauungen trägt er durch "Entkriminalisierung" von Tatbeständen Rechnung. Soweit dies nicht geschehen ist, hat die Polizei jede Art strafbarer Handlungen nach Möglichkeit zu verhüten. Eine unangemessene Anwendung des Mittels der präventiven Inverwahrungnahme des Störers schließt das Gesetz dadurch aus, daß die mit Strafe bedrohte Handlung unmittelbar bevorstehen muß, die Straftat nur durch polizeiliche Verwahrung verhindert werden kann und nach § 5 HSOG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot zu beachten sind. Der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert daher keine weitere Konkretisierung der durch Polizeigewahrsam zu bekämpfenden Gefahr dahin, daß dieses Mittel nur zur Bekämpfung bestimmter - besonders schwerwiegender - strafbarer Handlungen angewendet werden dürfe.
b) Das Berufungsgericht hat entgegen dem Revisionsvorbringen das Grundrecht der Freiheit der Person auch insoweit nicht verletzt, als es entschieden hat, die Vollzugspolizei habe in dem hier streitigen Falle § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG rechtmäßig angewendet.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Einschränkungen der Freiheit der Person besondere Bedeutung zukommt, bedingt, daß vor und während einer Freiheitsentziehung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verhütung der befürchteten Straftat und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen abzuwägen ist. Er verlangt - neben dieser generellen Abwägung -, daß der polizeiliche Gewahrsam zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich ist und daß der damit verbundene Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Wahrscheinlichkeit der befürchteten strafbaren Handlung steht. Das hat das Berufungsgericht, auch wenn es dazu im Urteil keine besonderen Ausführungen gemacht hat, beachtet.
aa) Durch die streitige Maßnahme sollte der Kläger daran gehindert werden, nach der Beendigung einer angemeldeten Versammlung einen nicht angemeldeten Aufzug durchzuführen. Hierzu war seine Inverwahrungnahme während der Zeit, zu der die Kundgebung stattfand und solange die Teilnehmer sich noch nicht zerstreut hatten, geeignet.
bb) Die Inverwahrungnahme des Klägers war zur Gefahrenabwehr auch erforderlich. Gegen diese Feststellung des Berufungsgerichts spricht nicht die Tatsache, daß nach der Kundgebung entgegen den der Polizei zugegangenen Informationen und der auch auf andere Tatsachen gestützten Vorausschau der Polizei tatsächlich nicht demonstriert wurde. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus der Natur der polizeilichen Gefahrenabwehr ohne Verletzung revisiblen Rechts gefolgert, daß die Erforderlichkeit einer Maßnahme nicht danach zu beurteilen ist, wie sich die Sachlage später - vielleicht nach eingehender Beweisaufnahme - darstellt, sondern nach Maßgabe der im Zeitpunkt der Verwahrung des Klägers bestehenden Verhältnisse. Dazu hat das Berufungsgericht die folgenden, das Revisionsgericht bindenden, tatsächlichen Feststellungen getroffen.
Nach Eintreffen des Klägers auf dem Flughafen haben Polizeibeamte, der ihnen vom Leiter der Schutzpolizei erteilten Weisung folgend, aufzuklären versucht, ob sich der Kläger nach Frankfurt/Main begeben wollte, wo gerade eine Massenveranstaltung gegen den Vietnam-Krieg stattfand. Sie sahen sich auf Grund des Verhaltens des Klägers in der - durch das zeitliche Zusammentreffen der Veranstaltung und seiner Ankunft, das kürzliche Verhalten des Klägers bei einer unfriedlichen Demonstration in Frankfurt/Main gegen die USA sowie andere Umstände genährten - Annahme bestärkt, daß der Kläger gekommen sei, um an der befürchteten, nicht angemeldeten Demonstration in amerikanischen Wohngebieten maßgebend mitzuwirken. Ein anderes geeignetes Mittel zur Verhinderung dieser Straftat als die Inverwahrungnahme stand der Polizei nicht zur Verfügung.
cc) Die Begehung einer strafbaren Handlung des Klägers konnte von der Polizei mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwartet werden.
Nach einem das Polizei- und Ordnungsrecht beherrschenden Rechtsgedanken, der auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (Bundesverwaltungsgericht , Urteil vom 16. November 1973 - BVerwG IV C 44.69 - mit weiteren Nachweisen). Bei Anwendung dieses Grundsatzes auf unmittelbare Eingriffe der Polizei in die Freiheit der Person darf allerdings nicht übersehen werden, daß hier die Eingriffsschwelle aus verfassungsrechtlichen Gründen im allgemeinen höher liegt als etwa bei Verwaltungsakten nach den Generalermächtigungen des Polizei- und Ordnungsrechts (s. auch Baumann, Unterbringungsrecht, 1966, S. 286 ff.).
Die für Verwaltungsakte nach der Generalermächtigung genügende "hinreichende" Wahrscheinlichkeit ist daher, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, hier nicht ausreichend. Bei der gebotenen Abwägung des verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsanspruchs des Klägers mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung von Recht und Ordnung genügte aber wegen der Schwere des Schadens, der nach der Lebenserfahrung durch die Beteiligung des Klägers an der befürchteten rechtswidrigen Demonstration entstehen konnte, die bestehende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, mag sie auch nicht eine an Sicherheit grenzende gewesen sein.
Zu Unrecht führt die Revision aus, die Polizei hätte wegen der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung bei Beurteilung der am 29. Februar 1968 gegebenen Gefahrenlage das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Kläger wegen der Ausschreitungen am 5. Februar 1968 unberücksichtigt lassen müssen. Dieses Vorbringen verkennt, daß polizeiliches Einschreiten kein schuldhaftes Verhalten des Betroffenen voraussetzt und schon aus diesem Grund die für das Strafverfahrensrecht maßgebende Unschuldsvermutung für das präventiv-polizeiliche Einschreiten nicht gilt. Am 29. Februar 1968 lag noch keine gerichtliche Entscheidung über das strafrechtliche Verhalten des Klägers am 5. Februar 1968 vor. Die Polizei war daher berechtigt und verpflichtet, bei ihrer Prognose des Verhaltens des Klägers am 29. Februar 1968 auch das ihr - durch den Polizeieinsatz gegen die Demonstranten - bekannte Verhalten des Klägers am 5. Februar 1968 zu werten.
Unzutreffend ist auch die Meinung der Revision, die Maßnahme gegen den Kläger sei auf bloße Vermutungen und vage Annahmen der Polizei gestützt worden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben eine verfassungsgemäße Prognosesicherheit. Außer dem Verhalten des Klägers in Frankfurt/Main am 5. und 29. Februar 1968 durften die damals allgemein bekannten Tatsachen berücksichtigt werden, daß der Kläger als Anführer einer radikalen politischen Bewegung hervorgetreten war, als Redner und Schriftsteller die Anwendung von Gewalt propagiert hatte und es unter seiner maßgebenden Mitwirkung an verschiedenen Orten zu zahlreichen Krawallen, gewalttätigen Handlungen und damit verbundenen Rechtsverstößen gekommen war. Wenn die Polizei bei Personen, die sich öffentlich zur Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung bekannt und andere zu Gewalttaten aufgefordert oder bei Demonstrationen Gewalt gegen Personen oder Sachen angewendet haben, die Gefahr eines Mißbrauchs der Versammlungsfreiheit eher als bei anderen für wahrscheinlich hält, nimmt sie nur den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grund Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland so ernst, wie er nach dem Grundgesetz genommen werden muß.
dd) Die Verwahrung des Klägers war für ihn nicht übermäßig belastend und auch nicht unzumutbar.
Der Gewahrsam aus präventiv-polizeilichen Gründen unterscheidet sich von der Untersuchungshaft außer durch Zweck und Voraussetzung insbesondere dadurch, daß er seiner Natur nach immer nur kurzfristig ist. Gemäß § 49 HSOG durfte die Verwahrung des Klägers nach § 47 HSOG längstens bis 24 Uhr des nächsten Tages dauern; diese Frist hätte auch nicht im Wege einer richterlichen Entscheidung nach § 48 HSOG überschritten werden dürfen (ähnlich § 20 Abs. 3 BGSG ). Der Gewahrsam war schon vorher aufzuheben, sobald sein Zweck erfüllt war (oder wenn der Richter die Verwahrung für unzulässig erklärt hätte). Nach der gesetzlichen Regelung durfte der Kläger somit von vornherein nicht auf unbestimmte Zeit, sondern höchstens so lange von der Polizei festgehalten werden, wie die Kundgebung gegen den Vietnam-Krieg dauerte und die Teilnehmer dieser Veranstaltung sich nicht zerstreut hatten. Der Kläger wurde dementsprechend nach etwa zwei Stunden wieder entlassen. Die Intensität des Eingriffs in seine persönliche Freiheit stand offensichtlich nicht außer Verhältnis zu dem Schaden, der hätte entstehen können, wenn der Kläger - wie die Polizei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ernstlich befürchten mußte - eine nicht angemeldete Demonstration gegen den Vietnam-Krieg in amerikanische Wohngebiete der Stadt Frankfurt/Main geführt hätte. Der Eingriff entsprach sogar in besonderem Maße dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil er nur einen einzelnen und auch diesen nur kurzfristig betraf und durch ihn aus der maßgebenden damaligen Sicht der Polizei ein Einschreiten und die Anwendung unmittelbaren Zwanges gegen viele Menschen vermieden werden konnte.
c) Unbegründet ist auch das Vorbringen der Revision, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung des Art. 104 Abs. 2 GG .
Nach dieser Vorschrift ist eine Freiheitsentziehung grundsätzlich nur nach vorgängiger richterlicher Entscheidung zulässig. Ausnahmsweise darf die Freiheit auch ohne eine solche Entscheidung entzogen werden. Dann muß die richterliche Entscheidung unverzüglich nachgeholt werden. Die Polizei darf auf keinen Fall eine Person ohne richterliche Entscheidung länger als bis zum Ende des folgenden Tages festhalten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln (Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 104 RdNr. 23, 34 und 41). Diesen Erfordernissen entsprechen die Vorschriften des Hessischen Gesetzes über die Sicherheit und Ordnung.
Das Berufungsgericht hat das Wort "unverzüglich" in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG und § 48 Satz 1 HSOG, der Erläuterung von Maunz/Dürig/Herzog, a.a.O., RdNr. 38 folgend, zu Recht nicht im Sinne von § 121 BGB ("ohne schuldhaftes Zögern"), sondern dahin ausgelegt, daß die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen (tatsächlichen oder rechtlichen) Gründen rechtfertigen lasse, nachgeholt werden müsse. Da nach den tatrichterlichen Feststellungen das zuständige Amtsgericht außerhalb der allgemeinen Dienststunden von 8.30 Uhr bis 18 Uhr keinen richterlichen Bereitschaftsdienst eingerichtet hatte, konnte die Polizei während der etwa zweistündigen Verwahrung des Klägers aus sachlichen Gründen keine Entscheidung des Amtsrichters über die Zulässigkeit der Maßnahme herbeiführen. Nach der Entlassung des Klägers aus dem Gewahrsam der Polizei um 20.09 Uhr brauchte nach § 48 Satz 3 HSOG die Entscheidung des Richters nicht nachgeholt zu werden. Auch wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG vorlagen, abzusehen war, daß der Grund für diese Maßnahme wahrscheinlich schon vor Beginn der allgemeinen Dienststunden oder des Bereitschaftsdienstes des Amtsgerichts weggefallen und der Betroffene daher nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 HSOG aus dem Gewahrsam der Polizei entlassen sein werde, bevor diese die Entscheidung des Amtsrichters über die Zulässigkeit der Maßnahme würde herbeiführen können, mußte die zur Gefahrenabwehr notwendige Freiheitsentziehung nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen unterbleiben.
Entgegen der Auffassung der Revision und des Verwaltungsgerichts läßt sich Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG nicht entnehmen, die Justizverwaltung müsse es der Polizei durch Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes ermöglichen, daß die Entscheidung nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur während der allgemeinen Dienststunden des Gerichts und des Bereitschaftsdienstes an dienstfreien Tagen, sondern auch zu jeder anderen Tages- und Nachtzeit herbeigeführt werden könne. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG darf die Polizei aus eigener Machtvollkommenheit jemanden längstens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Diese Regelung konkretisiert den in Satz 2 gebrauchten Ausdruck "unverzüglich" (BVerfGE 10, 302 [321]). Eine richterliche Entscheidung kann daher auch dann "unverzüglich" herbeigeführt werden, wenn die Ingewahrsamnahme außerhalb der Dienst stunden des Gerichts erfolgte und die richterliche Entscheidung erst während der darauf folgenden Dienststunden des Gerichts oder des Bereitschaftsdienstes an dienstfreien Tagen eingeholt wird. Dem Erfordernis des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist demnach organisatorisch genügt, wenn gewährleistet ist, daß der Richter innerhalb der Frist des Satzes 3 die Entscheidung treffen kann; die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes von 18 Uhr bis 8.30 Uhr ist hingegen nicht erforderlich.
d) Das angefochtene Urteil verletzt auch nicht Art. 5 Abs. 2 der Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685/686). Die Revision bemängelt zu Unrecht, daß das Berufungsgericht nicht der Frage nachgegangen sei, ob der Kläger nach der Inverwahrungnahme unverzüglich über den Grund dieser Maßnahme unterrichtet wurde. Denn selbst wenn dies nicht oder nicht in ausreichendem Maße der Fall gewesen sein sollte, wäre davon die Rechtmäßigkeit der Verwahrung unberührt geblieben (s. BVerfGE 16, 119 [BVerfG 14.05.1963 - 2 BvR 516/62] [124] zu Art. 104 Abs. 4 GG ).
e) Schließlich ist auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Hilfsantrag des Klägers nicht zu beanstanden. Mit diesem Antrag wird die Feststellung begehrt, daß die Verwahrung nicht mehr rechtmäßig gewesen sei, nachdem der Oberbürgermeister der Beklagten um 19 Uhr die Vollzugspolizei angewiesen hatte, den Kläger aus dem Gewahrsam zu entlassen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht ohne Verletzung revisiblen Rechts ausgeführt, die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verwahrung hänge nicht von innerdienstlichen Vorgängen, sondern allein davon ab, ob bis 20.09 Uhr die Voraussetzungen für eine. Verwahrung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG gegeben gewesen seien. Es hat diese Frage bejaht. ..."
*** (VGH/OLG)
Zu den besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts und an den Wahrscheinlichkeitsgrad bei einer Ingewahrsamnahme nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 BpolG (OVG NRW, Beschluss vom 08.12.2011 - 5 A 1045/09):
... I. Die Klägerin, eine Anti-Atomkraft-Aktivistin, begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer polizeilichen Ingewahrsamnahme anlässlich einer Protestaktion.
Am 16. Januar 2008 führte die Deutsche Bahn AG für die Firma V. in H. einen Urantransport durch. Die Transportstrecke verlief von H. aus über P. nach N., von dort über S. und C. C1. bis S1. (NL). Ziel des Transports war S2. . Der Zug bestand aus einem Triebfahrzeug und 19 Waggons. Er verließ um 19:08 Uhr das Firmengelände von V. . Sodann befuhr er die Hauptstrecke H. - N. . Gegen 19:25 Uhr meldete die Besatzung des zur Streckenüberwachung eingesetzten Polizeihubschraubers, dass sich im Bereich der Ortslage N1. drei Personen unmittelbar an der Bahnstrecke befänden. Bei Bahnkilometer 36,2 in der N2. I. nordwestlich von N. war in einer Höhe von etwa 7 m zwischen zwei Bäumen eine Seilkonstruktion gespannt. Hierin hatte sich die Klägerin mit einer Kletterausrüstung eingehakt, so dass sie an einem beweglichen Seil über dem Gleisbereich hing.
Nachdem die eingesetzten Polizeibeamten am Bahnübergang in Höhe Bahnkilometer 35,9 in Fahrtrichtung P. ca. 300 m entfernt direkt über dem Gleisbereich ein helles rotes Licht festgestellt hatten, veranlassten sie die Sperrung des betroffenen Streckenabschnitts sowie den sofortigen Halt des Urantransports. Der Transportzug kam bei Bahnkilometer 40,8 zum Stehen und setzte seine Fahrt am 17. Januar 2008 um 2:06 Uhr fort.
Beamte der Beklagten forderten die Klägerin um 19:45 Uhr und um 20:50 Uhr erfolglos auf, das Seil zu verlassen. Bei der dritten entsprechenden Aufforderung am 17. Januar 2008 um 0:15 Uhr wurde der Klägerin angedroht, unmittelbaren Zwang durch Spezialkräfte der Beklagten anzuwenden. Da die Klägerin in ihrer Seilkonstruktion verharrte, wurde sie ab 0:37 Uhr mit Hilfe eines Sicherungsseils geborgen. Im Einsatzbericht vom 21. Januar 2008 ist im Zusammenhang mit der Abwicklung der Bergungsmaßnahme ausgeführt: Des Weiteren wurden zwischenzeitlich die v. g. Personalien der Aktivistin bekannt.' Ausweislich des Systemausdrucks des Bundespolizeiamts L. leistete die Klägerin bei der Abseilaktion keinerlei Widerstand.
Direkt nach Abschluss der Bergungsmaßnahmen um 1:15 Uhr am 17. Januar 2008 wurde die Klägerin bis 5:20 Uhr in polizeilichen Gewahrsam genommen. Zunächst wurde sie wegen einer Blutdruckabsackung am Einsatzort durch einen Rettungssanitäter medizinisch versorgt. Danach wurde sie in Räumlichkeiten der Bundespolizeiinspektion N. verbracht. Eine dort durchgeführte körperliche Durchsuchung führte zur Sicherstellung eines Handzettels, auf dem handschriftlich Fahrzeiten des Zuges bis 20:45 Uhr sowie Entfernungen zwischen P. und N1. festgehalten sind. Des Weiteren wurden ein Mobiltelefon, eine Kopflampe, ein Haltegurt sowie diverses Klettermaterial (u. a.: Zurrgurt, Karabiner, verschiedene Seile) sichergestellt und nachfolgend beschlagnahmt. Die Kreispolizeibehörde T. teilte um 1:35 Uhr mit, im Rahmen der Aufklärung seien im Bereich der Bahnhöfe sowie der Bahnstrecke keine Störer festgestellt worden. Daraufhin wurden die Spätdienstkräfte entlassen.
Die Klägerin machte bei ihrer in den Räumen der Bundespolizeiinspektion N. am 17. Januar 2008 ab 4:00 Uhr durchgeführten Beschuldigtenvernehmung wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr sowie Nötigung keine Angaben zur Sache.
Ein Lokführer der DB Regio gab bei seiner Zeugenvernehmung am frühen Nachmittag des 17. Januar 2008 an, er habe bei seiner Fahrt mit dem Reisezug von F. nach N. am 16. Januar 2008 gegen 11:03 Uhr im Streckenabschnitt zwischen Haltepunkt N1. -Land und Bahnhof C2. festgestellt, dass in einem Baum in ca. 6 bis 8 m Höhe ein blauer Gegenstand abgelegt worden war. Dieser habe sich dort (im Bereich von Bahnkilometer 36) auch noch bei der Rückfahrt am gleichen Tag befunden.
Die Klägerin hat am 28. Juni 2008 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 Bundespolizeigesetz (BPolG) hätten nicht vorgelegen. Sie habe weder Straftaten (insbesondere nach §§ 240, 315 Abs. 1, 316 b StGB) noch eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 64 b der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) begangen. Darüber hinaus habe es an einer konkreten Gefahrenprognose hinsichtlich der unmittelbaren Begehung von Straftaten im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gefehlt. Zudem sei die Ingewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr auch nicht unerlässlich gewesen. Als milderes Mittel habe es ausgereicht, ihre Kletterausrüstung zu beschlagnahmen oder einen Platzverweis zu erteilen. Es sei durch nichts belegt, dass sie in unmittelbarer zeitlicher oder örtlicher Nähe eine weitere Möglichkeit gehabt hätte, den Zuglauf erneut zu stören. Sie habe keine Mittäter gehabt. Im Übrigen habe ihr nach der etwa sechsstündigen Seilaktion die Kraft für weitere mögliche Protestaktionen gefehlt.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme am 17. Januar 2008 seitens der Beklagten rechtwidrig war. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. ...
Durch Urteil vom 26. März 2009 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 ab dem Zeitpunkt der Ankunft des Transportzuges in N. -A. -O. (3:00 Uhr) rechtswidrig war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG hätten dem Grunde nach vorgelegen. Bei der gebotenen ex-ante- Betrachtung spreche einiges dafür, die Einschätzung der Beklagten sei tragfähig gewesen, die Klägerin könne Straftatbestände verwirklicht haben oder jedenfalls im Falle eines Abseilens verwirklichen. Die Ingewahrsamnahme sei (bis 3:00 Uhr) unerlässlich gewesen, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit nach § 64 b Abs. 2 Nr. 5 EBO zu verhindern. Angesichts der erheblichen Auswirkungen auf den Bahnbetrieb handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit. Die nach Abschluss der Bergung um 1:15 Uhr verfügte Ingewahrsamnahme sei unerlässlich gewesen, um die Klägerin von der unmittelbar bevorstehenden Begehung von Straftaten oder zumindest von weiteren Ordnungswidrigkeiten von erheblichem Gewicht für die Allgemeinheit abzuhalten. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin als bekannte Aktivistin jede weitere Gelegenheit nutzen würde, um den Transport zu blockieren. Wegen der verschiedenen Telefonate während ihrer Aktion habe sich die Klägerin von Unterstützern mit einem Kraftfahrzeug abholen und an einen weiteren Streckenabschnitt mit vorbereitetem Material fahren lassen können. Die Klägerin habe das Seil nicht wegen Erschöpfung verlassen. Die Möglichkeit einer Beschlagnahme ihrer Kletterausrüstung oder eines Platzverweises stünden der Unerlässlichkeit der Ingewahrsamnahme nicht entgegen. Es sei keineswegs absehbar gewesen, ob nicht andernorts eine weitere Kletteraktion vorbereitet gewesen sei. Hinsichtlich eines Platzverweises habe es aus polizeilicher Sicht als fraglich angesehen werden dürfen, ob die Klägerin einer derartigen Maßnahme Folge leisten würde. Nach Ankunft des Transportzuges in N. -A. -O. (3:00 Uhr) sei eine weitere Ingewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich gewesen.
Durch Beschluss vom 30. September 2010 hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zugelassen.
Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Darüber hinaus rügt sie die fehlende richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung. Ordnungswidrigkeiten nach § 64 b EBO hätten in der Ermessenserwägung der Beklagten keine Rolle gespielt. Die Ingewahrsamnahme sei nicht erforderlich gewesen. Es habe seinerzeit keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Wiederholung oder die Vorbereitung weiterer Kletteraktionen gegeben. Zwischen dem Ende der Bergung und der Weiterfahrt des Zuges liege ein derart kurzer Zeitraum, dass die Möglichkeit, an anderer Stelle ein entsprechendes Seil anzubringen und die Aktion zu wiederholen, nicht erkennbar gewesen sei. Im Übrigen seien an die Wahrscheinlichkeitsprognose besonders hohe Anforderungen zu stellen. Ein Platzverweis hinsichtlich der gesamten in Rede stehenden Bahnstrecke hätte als milderes Mittel ausgereicht. Sie sei unstrittig im zugehörigen Strafverfahren freigesprochen worden. Aus den von der Beklagten angeführten Gesichtspunkten wie Telefonaten während der Seilaktion oder dem Vorhandensein von Autos ergebe sich keine Wiederholungsgefahr.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. März 2009 teilweise zu ändern und festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 von Anfang an rechtswidrig war. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückweisen. ...
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten und der auszugsweise in Kopie vorliegenden zwei Hefte Strafakten des Amtsgerichts T. Bezug genommen.
II. Der Senat entscheidet durch Beschluss nach § 130 a VwGO, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gemäß §§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden. Die Berufung hat Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass ihre Ingewahrsamnahme durch Beamte der Beklagten am 17. Januar 2008 von Beginn an (1:15 Uhr) rechtswidrig war. Die Klage ist zulässig.
Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dessen ungeachtet hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Die Ingewahrsamnahme der Klägerin erfolgte nach übereinstimmendem Beteiligtenvorbringen in erster Linie zum Zweck der Gefahrenabwehr. Da es im jetzigen nachträglichen Rechtsschutzverfahren auch nicht um die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung im Sinne von § 40 Abs. 1 BPolG geht, ist mangels Sonderregelung im Bundespolizeigesetz der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.
Vgl. OLG München, Beschluss vom 9. August 2007 - 34 Wx 31/07 u. a. -, juris Rdnr. 7; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, F 601 (S. 599).
Die Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 bereits in der Zeit zwischen 1:15 Uhr und 3:00 Uhr rechtswidrig war; über die Zeit danach hat das Verwaltungsgericht bereits rechtskräftig entschieden.
Die Klägerin ist durch die mit ihrer Entlassung am 17. Januar 2008 um 5:20 Uhr erledigte Anordnung durch Beamte der Beklagten in polizeilichen Gewahrsam genommen worden. Mit Blick auf die Erledigung der Ingewahrsamnahme kann die Klägerin ihr Begehren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter verfolgen. Sie hat entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Bei beendeten Freiheitsentziehungen besteht nach ständiger Rechtsprechung mit Blick auf den hohen Wert des Freiheitsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG regelmäßig - so auch hier - ein fortwährendes Rechtsschutzinteresse an einer Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit des Eingriffs.
Vgl. OLG München, Beschluss vom 9. August 2007 - 34 Wx 31/07 u. a. -, juris Rdnr. 9 m. w. N.
Die Klage ist auch in dem noch streitgegenständlichen Umfang und damit insgesamt begründet. Die Klägerin ist zu Unrecht am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr durch Beamte der Beklagten in Gewahrsam genommen worden. Die Voraussetzungen des hierfür als Ermächtigungsgrundlage ausschließlich in Betracht kommenden § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG haben im maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Ingewahrsamnahme,
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Februar 2010 - 3 D 86/09 -, juris Rdnr. 4; Saarl. OVG, Urteil vom 2. Juli 2009 - 3 A 217/08 -, juris Rdnr. 90,
nicht vorgelegen. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
Diese Voraussetzungen waren am 17. Januar 2008 (bereits) um 1:15 Uhr nicht erfüllt.
Die Wendung unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit' ist vor dem Hintergrund des hohen Rangs der Freiheit der Person zu verstehen. Zu den Belangen des Gemeinwohls, gegenüber denen die Freiheit des Einzelnen unter Umständen zurücktreten muss, gehört der Schutz der Allgemeinheit und Einzelner vor mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Straftaten. Der Begriff unmittelbar bevorstehend' ist gleichzusetzen mit unmittelbar bevorstehende Gefahr' oder gegenwärtige Gefahr'. Hieraus ergeben sich besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts. Darüber hinaus stellt der Begriff im Regelfall strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad. Demgemäß müssen nachvollziehbare, bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Bloße Vermutungen, vage Verdachtsgründe und ähnliches reichen hierfür nicht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; OLG München, Beschluss vom 9. August 2007 - 34 Wx 31/07 u. a. -, juris Rdnr. 20 ff., insbesondere Rdnr. 24; OLG Rostock, Beschluss vom 21. August 2007 - 3 W 102/07 -, juris Rdnr. 16 ff.; Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 39 Rdnr. 14; Saarl. OVG, Urteil vom 2. Juli 2009 - 3 A 217/08 -, juris Rdnr. 80.
Als Orientierungshilfe kommt insoweit etwa in Betracht, ob der Betreffende angekündigt oder aufgefordert hat, rechtswidrige Taten zu begehen, ob er Waffen oder sonstige verbotene Gegenstände mitführt oder als Person anzusehen ist, die bereits aus vergleichbaren Anlässen als Störer angetroffen worden ist, soweit nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise unmittelbar zu erwarten ist.
Vgl. Drewes/Malmberg/Walter, a. a. O. § 39 Rdnr. 14; Lisken/Denninger, a. a. O., F 573 (S. 590).
Dies zu Grunde gelegt sind die besonderen Anforderungen, die an eine Ingewahrsamnahme nach § 39 Abs. 1 Satz 3 BPolG zu stellen sind, nicht erfüllt gewesen. Dabei kann auf sich beruhen, ob und ggf. welche Straftat- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände konkret in Betracht gekommen seien mögen (vgl. etwa §§ 240, 22 StGB, § 64 Abs. 2 Nr. 2, 5 EBO). Denn die am 16. Januar 2008 begonnene Seilaktion der Klägerin über dem Gleisbett der Hauptstrecke H. - N. bei Bahnkilometer 36,2 war durch die Beamten der Beklagten beendet worden. Schon mit Blick auf den für eine vergleichbare Aktivität zu leistenden Vorbereitungsaufwand bestand kein konkreter Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Begehung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit in allernächster Zeit erneut bevorgestanden haben könnte. Nach Beendigung der Seilaktion konnten im Rahmen der Aufklärung weder im Bereich der Bahnhöfe noch im Verlauf der Bahnstrecke Störer festgestellt werden (vgl. den Systemausdruck des Bundespolizeiamts L. vom 17. Januar 2008). Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, die klägerische Ausrüstung sei nicht schon mit Abschluss der Bergung sichergestellt worden, so fehlte jedenfalls jegliches Material, um etwaige Seile an weiteren Bäumen zu befestigen (Anbringvorrichtung). Bei dieser Würdigung kommt es nicht mehr darauf an, ob die Klägerin seinerzeit zu erschöpft war, weitere vergleichbare Aktionen zu begehen, oder zumindest diesen Eindruck erweckte. Selbst die Beklagte behauptet nicht, die Klägerin habe in der Vergangenheit jemals Kletteraktionen der in Rede stehenden Art in zeitlich engem Abstand durchgeführt. Nicht zuletzt mit Blick auf zu überwindende Entfernungen zu möglichen Alternativorten kann keine Rede davon sein, dass ein wie auch immer gearteter Schadenseintritt am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr in allernächster Zeit geschweige denn sofort bevorgestanden habe.
Die von der Beklagten hiergegen geführten Einwendungen greifen nicht durch. Telefongespräche und Lichtsignale während der Seilaktion vom 16. auf den 17. Januar 2008 lassen für sich genommen nicht auf eine - zudem zeitnahe - Wiederholung einer Seilaktion schließen. Soweit die Beklagte ausführt, weitere Aktionen hätten etwa mit Blick auf verschiedene Telefonate während der Seilaktion nicht ausgeschlossen werden können, liegt dem nicht der für § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erforderliche Prognosemaßstab zu Grunde. Selbst wenn man nach den Feststellungen der Beklagten zu Grunde legt, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme keine Hilfsmittel zum Spannen der verwendeten Seile bei sich führte, fehlte es an tatsächlichen Anhaltspunkten, dass sich ein solches Hilfsmittel in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe des Einsatzortes für die Klägerin verfügbar befand. Auch etwaige Unterstützer der Klägerin, die mit einem Kraftfahrzeug unterwegs gewesen sein mögen, geben mit Blick auf zu überwindende Entfernungen und den Vorbereitungsaufwand für eine vergleichbare Anseilaktion nichts für eine unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat oder schwerwiegenden Ordnungswidrigkeit her. Warum der vor der Seilaktion der Klägerin am Einsatzort deponierte Rucksack die Annahme stützen soll, es seien weitere Aktionen geplant gewesen, erschließt sich nicht. Derartige Überlegungen beinhalten allenfalls einen vagen Verdachtsgrund, der für die Annahme einer Gefahr nicht ausreicht. Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob - wogegen allerdings mit Blick auf die (erst) spätere Zeugenaussage des DB- Lokführers am 18. Januar 2008 einiges spricht -, den Einsatzkräften der Beklagten die Tatsache bekannt war, dass ein Rucksack im Bereich des Einsatzortes deponiert gewesen war.
Aus den später sichergestellten handschriftlichen Aufzeichnungen der Klägerin ergibt sich selbst dann keine abweichende Beurteilung, wenn diese den Einsatzbeamten im Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme der Klägerin bekannt gewesen sein sollten. Denn sie beschränken sich auf die Zeit zwischen 17:02 Uhr und 20:45 Uhr sowie den Streckenabschnitt P. - N1. . Es ist weder etwas dafür ersichtlich noch vorgetragen, dass die Klägerin weitere Aufzeichnungen bei sich führte, die den nachfolgenden Zuglauf betrafen. Die Tatsache, dass die Klägerin den vorausgehenden Aufforderungen der Einsatzbeamten, die Seilaktion zu beenden, nicht Folge geleistet hatte, rechtfertigt ebenfalls keine andere Bewertung. Hieraus ergibt sich nichts dafür, dass nach Ende der Seilaktion mit erfolgter Bergung der Klägerin eine vergleichbare Aktion unmittelbar bevor gestanden haben könnte.
Eine Gesamtschau aller vorstehend geschilderten Tatsachen begründet ebenfalls nicht die Annahme, eine den Tatbestand einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung verwirklichende Handlung der Klägerin sei in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Selbst wenn wegen des hier in Rede stehenden Schadensumfangs ein geringerer Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzunehmen sein sollte, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Die gegenteilige Einschätzung der Beklagten lässt bloße Vermutungen ausreichen, die an vereinzelte Tatsachen anknüpfen. Derartiges reicht - wie dargelegt - zur Begründung der zu stellenden Gefahrenprognose nicht aus.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen war die Ingewahrsamnahme der Klägerin auch nicht unerlässlich' im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG. Unerlässlich ist eine Ingewahrsamnahme, wenn sie zur Verhütung der befürchteten Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit geeignet und erforderlich ist. Wenn die im Raum stehende Handlung durch eine polizeiliche Maßnahme verhindert werden kann, die den Einzelnen und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt, ist sie nicht unerlässlich.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; Drewes/Malmberg/Walter, a. a. O., § 39 Rdnr. 16.
Der Gewahrsam ist mit anderen Worten das äußerste polizeiliche Mittel, um Schäden zu verhindern.
Vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., F 578 (S. 592).
Mangels jeglichen konkreten Anhaltspunkts für vergleichbares Tatmaterial im weiteren Verlauf der Strecke waren zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr die Sicherstellung ihrer Kletterausrüstung in Verbindung mit einem Platzverweis, bezogen auf die Bahnstrecke bis N. , A. -O. (vgl. § 38 BPolG), die die Klägerin und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigenden Maßnahmen, die möglicherweise bevorstehende Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit verhindert hätten. Da tatsächliche Anhaltspunkte für unmittelbar bevorstehende, vergleichbare Seilaktionen fehlten, war seinerzeit nicht erkennbar, dass diese Maßnahmen von vornherein zur Gefahrenabwehr ungeeignet gewesen wären. Insbesondere gab die Klägerin, die sich beim Abseilen durch Beamte der Beklagten friedlich verhalten hatte, keinen Anlass für die Annahme, dass sie einen derartigen Platzverweis missachtet hätte.
Ob die Ingewahrsamnahme auch wegen Fehlens einer richterlichen Entscheidung nach § 40 Abs. 1 BPolG rechtswidrig ist - was mit Blick auf den Anordnungszeitpunkt um 1:15 Uhr am 17. Januar 2008 und die Dauer der Ingewahrsamnahme bis 5:20 Uhr nicht naheliegt -,
vgl. auch Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Februar 2010 - 3 D 86/09 -, juris Rdnr. 6,
kann auf sich beruhen.
Dass die Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr auf Grund anderer Rechtsvorschriften rechtmäßig sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere scheidet § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO unabhängig von weiteren Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung der in Rede stehenden Art schon wegen der mit ihr einhergehenden Dauer aus.
Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats, Beschlüsse vom 8. März 2011 - 1 BvR 47/05 u. a. -, DVBl. 2011, 623, 624. ..."
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Ein Anscheinsstörer kann zu den Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme herangezogen werden, wenn er bei der gebotenen ex post-Betrachtung den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (im Anschluss an VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047 und Urt. v. 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153). Ist keine amtsrichterliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer Ingewahrsamnahme getroffen worden, so ist die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams eine im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Betroffenen. Diese Prüfung erstreckt sich nicht nur auf die materiellen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme, sondern auch auf die Einhaltung des in Art. 104 Abs. 2 GG verankerten Richtervorbehalts ( VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2011 - 1 S 2513/10):
... II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf den Gewahrsam", d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der Unverzüglichkeit" im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 (249) m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798(800)). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von Fußballfans" auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben ( wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt"; Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden") deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- , die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 - 5.000 ) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. ..."
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Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung einerseits und ihre Dauer sowie Art und Weise ihrer Durchführung andererseits sind grundsätzlich selbständig zu prüfende Fragen. Dabei kann offenbleiben, ob dies kraft Sachzusammenhangs oder gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG in einem oder aber in verschiedenen Rechtswegen erfolgt (VGH, Beschluss vom 24.01.2011 - 8 A 2236/10 - Ingewahrsamnahme einer Fassadenkletterin):
... Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren ist zwar innerhalb der einmonatigen Berufungszulassungsantragsfrist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO am 20. Oktober 2010 zusammen mit dem Zulassungsantrag beim Verwaltungsgericht als dem für die Einlegung des Prozesskostenhilfeantrags zuständigen Prozessgericht" i.S.d. § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingereicht und von dort an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof als für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zuständiges Prozessgericht" weitergeleitet worden. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die gemäß § 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 VwGO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der mit einem Berufungszulassungsantrag beabsichtigten Rechtsverfolgung der Klägerin nicht festgestellt werden kann.
Die für diese Prüfung maßgebliche Begründung des Antrags der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das ihren Verfahrensbevollmächtigten am 6. Oktober 2010 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 27. September 2010 - 9 K 1708/09.GI - ist zwar innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO am 12. November 2010 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen, aus der Antragsbegründung vom 11. November 2010 ergeben sich aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht.
Es ist schon fraglich, ob dieser Begründungsschriftsatz den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. Soweit die Klägerin einleitend für die Anfechtung des Urteils zwischen Anordnung und Durchführung ihrer Entkleidung zum Zwecke der Durchsuchung und zwischen Unterlassen der Gelegenheitsgewährung und Verhinderung einer Kontaktaufnahme zu einer Person ihres Vertrauens, also auch ggfs. zu einem Rechtsanwalt, differenziert hat, wird dies den verwaltungsgerichtlichen Urteil nicht gerecht, das die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen ohne eine derartige Differenzierung insgesamt festgestellt hat, so dass die Klägerin insoweit nicht beschwert, also nicht rechtsschutzbedürftig ist.
Im Übrigen hat der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin zwar die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Mai (offensichtlich gemeint: Dezember) 2005 - 2 BvR 447/05 - (NVwZ 2006 S. 579 ff. = juris) sowie eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels mit verfassungsrechtlicher Bedeutung", auf dem die Entscheidung beruhe, angeführt, allerdings ohne jeweils die maßgebliche Vorschrift des § 124 Abs. 2 Nr. 1-5 VwGO zu zitieren. Vor allem hat er sein jeweiliges Vorbringen nicht eindeutig einem der benannten Zulassungsgründe zugeordnet und es unter diesen subsumiert. So ist ein ausdrücklich auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezogenes Vorbringen nicht erkennbar. Zur Begründung der geltend gemachten Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wird keinem in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Rechtssatz ein angeblich abweichender Rechtssatz der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gegenüber gestellt. Zur Begründung der Verfahrensrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wird keine vom Verwaltungsgericht angeblich verletzte Verfahrensvorschrift oder etwa ein angeblich verletzter Verfahrensgrundsatz benannt, sondern nur ausgeführt, ein Verfahrensmangel ergebe sich daraus, dass das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbegehren der Klägerin willkürlich verkürzt" bzw. nicht ausgeschöpft" habe; dies wird im Zusammenhang mit dem - nicht ausdrücklich - geltend gemachten Zulassungsgrund auch nicht im Einzelnen verdeutlicht, sondern lässt sich nur bei verständiger Würdigung dem Gesamtvorbringen der Antragsbegründung entnehmen.
Unabhängig davon ergibt sich auch in der Sache aus der Antragsbegründung keiner der aufgeführten Zulassungsgründe.
Soweit eine - von der Klägerin offen gelassene - besondere tatsächliche Schwierigkeit der Rechtssache auf Seite 4 oben des Begründungsschriftsatzes aus der mehrstündigen verwaltungsgerichtlichen Beweisaufnahme und aus angeblich in mehrfacher Hinsicht falschen Aussagen des Zeugen Z. hergeleitet wird, kann dem - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - zum einen angesichts des umfangreichen Vortrags der Klägerin, der Einsichtnahme in die von der Polizei gefertigte DVD und der Zahl der Zeugen/innen nicht gefolgt werden und ist zum anderen der Bezug auf die angeblichen Falschaussagen so nicht nachvollziehbar.
Die auf der gleichen Seite der Antragsbegründung vom Bevollmächtigten der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
ob nicht schon die Rechtswidrigkeit und die Willkürlichkeit der Ingewahrsamnahme an sich die Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Vollziehung der Ingewahrsamnahme indizierte",
ist nach der von ihm herangezogenen und über längere Passagen wörtlich zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2005 nicht klärungsbedürftig, sondern im verneinenden Sinne zu beantworten, und danach auch vom Verwaltungsgericht zutreffend beantwortet worden, so dass auch die von der Klägerin offensichtlich daraus hergeleiteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht bestehen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 22. März 2010 - 20 W 264/09 - im Sinne der Klägerin festgestellt, dass ihre Ingewahrsamnahme vom 15. Juli 2009 ungefähr ab 18.42 Uhr insgesamt rechtswidrig gewesen sei, weil die allenfalls in Betracht kommenden Eingriffsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 HSOG, nämlich Nr. 1 (Selbstgefährdung), Nr. 2 (Verhinderung der Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit) und Nr. 4 (Schutz privater Rechte), nicht vorgelegen hätten. Damit hat es im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 13. Dezember 2005 zwar die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme wegen des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen für deren Anordnung, nicht aber wegen ihrer übermäßigen Dauer oder rechtswidrigen Behandlung während des Gewahrsams festgestellt. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht u.a. ausgeführt, es entspreche auch der Rechtsprechung des OLG Celle, dass die Behandlung während des polizeilichen Gewahrsams sowie die Art und Weise der Unterbringung für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme als solche grundsätzlich unbeachtlich sei. Die nachträgliche Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte sei nach dieser Rechtsprechung auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung als solcher beschränkt. Die Umstände der Unterbringung könnten nur ausnahmsweise dann Bedeutung für die Frage der Rechtmäßigkeit gewinnen, wenn auf Grund einer Gesamtschau aller Umstände so schwerwiegende Verstöße gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundwerte vorlägen, dass die Freiheitsentziehung trotz Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen für ihre Anordnung unverhältnismäßig erscheine. Die Frage der Anordnung der Ingewahrsamnahme und deren Vollziehung seien indes grundsätzlich voneinander zu scheiden. So könne die Anordnung einer Ingewahrsamnahme durchaus rechtmäßig sein, während etwa eine einzelne Maßnahmen während des Vollzuges sich als rechtswidrig erweisen könne, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden müsse (vgl. BVerfG, a.a.O. juris Rdnrn. 61 ff.). Danach handelt es sich bei den Fragen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung, ihrer Dauer und der Art und Weise ihrer Durchführung um grundsätzlich selbständig zu prüfende Fragen, wenn auch das Bundesverfassungsgericht es unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 GG als sachgerecht ansieht, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte kraft Sachzusammenhangs auch auf die Überprüfung des Vollzuges des Gewahrsams auszudehnen (vgl. a.a.O. juris Rdnr. 65). Für diese Überlegung, dass über einen einheitlichen Lebenssachverhalt möglichst nur in einem Rechtsweg entschieden werden sollte, lässt sich zudem § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG anführen, wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet.
Im vorliegenden Fall hat aber das Landgericht B-Stadt in seinem Beschluss vom 17. August 2009 - 7 T 255/09 - der Eigenständigkeit dieser Fragestellungen dadurch Rechnung getragen, dass es die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Ingewahrsamnahme entsprechend § 145 Abs. 3 ZPO abgetrennt und entsprechend § 17a GVG in den Verwaltungsrechtsweg an das Verwaltungsgericht Gießen verwiesen hat; an diese Verweisung war das Verwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG gebunden. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht in dem hier angefochtenen Urteil auf Seite 5 unten der Entscheidungsgründe auch ausgeführt, dass auf Grund der Entscheidungen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht mehr die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 GG geschützte Freiheit der Person, sondern hier nur noch zu prüfen sei, ob durch die Art und Weise der Durchführung des Gewahrsams die Klägerin in ihrem aus Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG herzuleitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Eine grundsätzliche Trennung dieser Fragen erscheint auch sinnvoll, weil - wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall - im Rahmen einer zulässig angeordneten Freiheitsentziehung Grundrechtsverstöße allein durch die Art und Weise ihres Vollzuges und umgekehrt - wie hier - nach einer schon rechtswidrig angeordneten Ingewahrsamnahme sowohl für sich gesehen vorschriftsmäßige Durchführungsmaßnahmen oder aber - wie von der Klägerin geltend gemacht - durch die Art und Weise ihres Vollzuges zusätzliche Rechtsverstöße und Grundrechtsverletzungen erfolgen können.
Danach ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte. Da das verwaltungsgerichtliche Urteil dem in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht, liegen insoweit auch keine ernstlichen Zweifel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und keine Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.
Soweit das Verwaltungsgericht auf Seite 9 der Urteilsgründe allerdings mit der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung der Ingewahrsamnahme gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO argumentiert, vermengt es demgegenüber die beiden Fragenbereiche der Anordnung mit dem der Durchführung der Ingewahrsamnahme, so dass die Klägerin auf Seite 9 oben ihrer Antragsbegründung diese Argumentation wohl zu Recht kritisiert; diese war aber für das Verwaltungsgericht ersichtlich nicht entscheidungserheblich, sondern lediglich ergänzender Natur.
Die in diesem Zusammenhang weiter erhobenen Rügen der Klägerin auf den Seiten 6 f. ihrer Antragsbegründung, dass die ordentlichen Gerichte entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ihre Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs hätten akzeptieren müssen und ihr nicht die Anrufung verschiedener Gerichte hätten zumuten dürfen, trifft demgegenüber nicht das Verwaltungsgericht, das an die Verweisung durch das Landgericht gebunden war.
Mit ihrem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe ihr Rechtsschutzbegehren nicht ausgeschöpft, macht die Klägerin in der Sache - allerdings zu Unrecht - eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 138 Nr. 3 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG im Sinne des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend. Sie hat in ihrer Antragsbegründung zwar unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17. Dezember 2009 die von ihr konkret gegen die Durchführung des polizeilichen Gewahrsams erhobenen Beanstandungen aufgeführt, aber nicht im Einzelnen dargelegt, mit welchen der dort angesprochenen Maßnahmen sich das Verwaltungsgericht nicht befasst habe. Die Rechtswidrigkeit ihrer Durchsuchung mit der Anordnung, sich vollständig zu entkleiden, und der Nichtgewährung einer unverzüglichen Kontaktaufnahme mit einer Person ihres Vertrauens, also auch mit einem Rechtsanwalt, hat das Verwaltungsgericht in seinem insoweit stattgebenden Tenor festgestellt. Die anderen von der Klägerin aufgeführten Gesichtspunkte hat es auf den Seiten 8 f. der Entscheidungsgründe behandelt und festgestellt, dass die weiteren von der Klägerin im Einzelnen gerügten Maßnahmen während der Durchführung des Gewahrsams nicht rechtswidrig gewesen seien. Wegen der nur kurzfristigen Aufnahme in den Polizeigewahrsam sei das Fehlen einer Sanitäreinrichtung und besonderer Einrichtungsgegenstände nicht zu beanstanden. Wegen der erkennbaren Selbstgefährdung der Klägerin seien die Videoüberwachung bei eingeschaltetem Licht, die Wegnahme der gefährdenden Schutzmanschette, die erneute Fesselung der mit der Ankündigung einer psychiatrischen Behandlung und die Einschränkungen beim Besuch der Toilette gerechtfertigt. Der Sonderwunsch nach einer Decke sei angesichts der Bekundungen des Zeugen X nicht unzumutbar verspätet erfüllt worden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Nach ihren eigenen Schilderungen ist zumindest der objektive Eindruck einer drohenden Selbstgefährdung nicht von der Hand zu weisen, so dass die Polizei auch bei einer rechtswidrigen Ingewahrsamnahme verpflichtet war, dem bei dem Vollzug des Gewahrsams Rechnung zu tragen. Das wird nicht durch die Bemerkung der Klägerin auf Seite 9 ihrer Antragsbegründung entkräftet, ihre Empörung über das Verhalten der Polizeikräfte sei vollkommen berechtigt gewesen und könne nicht im nachhinein als Argument dafür herhalten, die erlittenen Beschränkungen für rechtmäßig zu erklären. ..."
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Zum Rechtsweg bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei (Freiheitsentziehung u.a.; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2012 - 5 E 251/11):
... Gemessen daran bietet die beabsichtigte Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass die Freiheitsentziehung des Klägers durch den Beklagten am 9. Mai 2010 von 0 bis 22 Uhr dem Grunde nach, wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts, und aufgrund der Art und Weise der Behandlung während der Freiheitsentziehung, die im Rahmen der Ingewahrsamnahme jeweils zweifach durchgeführten Maßnahmen der Identitätsfeststellung, der Lichtbildaufnahme und der körperlichen Durchsuchung des Klägers, sowie die Sicherstellung seines Handys durch den Beklagten rechtswidrig waren, hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit nicht die erfolgten Lichtbildaufnahmen im Streit stehen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht viel dafür, dass der Verwaltungsrechtsweg für diese Klageanträge ganz überwiegend gegeben ist. Das gilt namentlich für den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung des Klägers. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet für Klagen, die sich gegen präventiv-polizeiliche Maßnahmen richten; die ordentliche Gerichtsbarkeit ist hingegen nach § 23 Abs. 1 EGGVG zuständig, wenn strafverfahrensrechtliche Ermittlungen in Streit stehen. Eine polizeiliche Maßnahme kann im Einzelfall auch der Erfüllung beider Aufgaben dienen.
Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2001 - 6 B 25.01 -, NVwZ 2001, 1285 f.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Dezember 2011 - 5 A 2813/10 -.
Ob die rechtswegbestimmende Frage, welcher Zweck mit einer polizeilichen Maßnahme verfolgt wurde, gleichwohl weiterhin stets einheitlich anhand ihres Schwerpunkts beantwortet werden muss, vgl. BVerwG, a. a. O., S. 1286 unter Hinweis auf das Urteil vom 3. Dezember 1974 - I C 11.73 -, BVerwGE 47, 255; OVG NRW, Beschlüsse vom 13. September 1979 - IV A 2597/78 -, NJW 1980, 855, und vom 11. März 2003 - 5 E 1086/02 -, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Mai 1988 - 1 S 1826/87 -, NVwZ-RR 1989, 412, 413, oder ob der Betroffene bei doppelfunktionalen Maßnahmen den Rechtsweg frei wählen kann, vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., 2010, § 40 Rn. 618; in diese Richtung auch OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 5 E 585/06 -, bedarf im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren keiner abschließenden Entscheidung. Der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1974 lag die Vorstellung zugrunde, der Grund des polizeilichen Einschreitens sei für den Betroffenen regelmäßig unschwer zu erkennen. Üblicherweise werde die Polizei diesen von sich aus oder auf Verlangen angeben. Im Übrigen komme es darauf an, wie sich der konkrete Lebenssachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstelle. Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - I C 11.73 -, BVerwGE 47, 255, 264 f.; OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2003 - 5 E 1086/02 -.
Ergibt sich nach diesen Kriterien für den Betroffenen keine eindeutige Zuordnung zu einer repressiven oder präventiven Zielrichtung, spricht viel dafür, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, wenn zumindest auch eine präventiv-polizeiliche Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt. Vgl. ähnlich Sodan, a. a.O.
In jedem Fall hat das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Streitgegenstand unter allen in Betracht kommenden - auch rechtswegfremden - rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 GVG). Bei einem polizeilichen Maßnahmenbündel, das objektiv trennbare, unterschiedliche Streitgegenstände beinhaltet, bedarf es allerdings einer jeweils getrennten Ermittlung des Rechtswegs. In Betracht kommt auch eine Aufspaltung des Geschehens in zeitlicher Hinsicht. So kann eine Ingewahrsamnahme, die zunächst strafprozessualen Zwecken dient, nach Abschluss der Ermittlungshandlungen in einen präventiv-polizeilichen Gewahrsam übergehen. Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. September 2004 - 1 S 2206/03 -, NVwZ-RR 2005, 540.
Im Streitfall hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, die handelnden Polizeibeamten hätten ihm einen Grund für die Ingewahrsamnahme nicht genannt. Nach Aktenlage ist nicht ersichtlich, woraus er hätte schließen sollen, dass seine mehr als 20-stündige, bis zum Abend des 9. Mai 2010 andauernde Ingewahrsamnahme allein oder auch nur vorrangig strafprozessualen Zwecken gedient haben könnte. Der Kläger befand sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 2010 auf der L. Straße in E. in einer Menge von Anhängern des Fußballclubs I. S. , aus der nach Angaben der Polizei gewaltsame Übergriffe verübt wurden. Er wurde dort zusammen mit einer Vielzahl weiterer Personen eingeschlossen und zur Gefangenensammelstelle verbracht. Nach Abschluss der allenfalls als (auch) strafrechtlichen Ermittlungszwecken dienend erkennbaren Maßnahmen der Identitätsfeststellung und Lichtbildaufnahmen wurde er nicht entlassen, sondern - wie die anderen Mitgefangenen - noch etliche Stunden in einer Zelle festgehalten. Erst nach dem Ende des Fußballspiels, zu dessen Besuch die Gruppe aus S. angereist war, erfolgten die Freilassungen. Angesichts dieser Abläufe, namentlich der Dauer des Gewahrsams, lag aus der Sicht des Klägers der Schluss nahe, dass hierdurch weiteren Ausschreitungen im Fußballstadion vorgebeugt werden sollte. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem er in die Zelle verbracht wurde, ist daher nach Lage der Akten von einem vorrangig präventiv- polizeilichen Zweck der Ingewahrsamnahme auszugehen.
Die dagegen geführten Einwendungen des Beklagten rechtfertigen keine andere Sichtweise. Soweit dieser nachträglich mitgeteilt hat, die Festnahme des Klägers sei auf der Grundlage von § 127b StPO (Hauptverhandlungshaft) erfolgt, war hierfür damals nichts erkennbar. Dies ist darüber hinaus auch wenig plausibel, weil nicht erläutert wird, warum der Kläger dann wieder freigelassen und nicht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO dem Amtsgericht vorgeführt wurde. Der Kläger wurde überdies zu keinem Zeitpunkt als Beschuldigter vernommen.
Eine andere Beurteilung folgt auch nicht allein daraus, dass gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Dies war bei einer Vielzahl von Personen auf der Grundlage eines sogenannten Mastersachverhalts der Fall, ohne dass dies selbst aus Sicht des Beklagten die gefahrenabwehrrechtliche Zielsetzung der Ingewahrsamnahmen ausschloss. So ergibt sich aus der beigezogenen Akte (Staatsanwaltschaft E. ), dass der Beklagte die Ingewahrsamnahme einer anderen Person, gegen die ebenfalls ein Strafverfahren eingeleitet worden war, ausdrücklich auf § 35 PolG NRW gestützt und gemäß § 36 PolG NRW beim Amtsgericht beantragt hat, die Fortdauer des Gewahrsams "bis mindestens nach Spielende" anzuordnen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann daraus, dass auf dem Gesa-Kontrollblatt des Klägers nicht "Ingewahrsamnahme", sondern "Festnahme" und "qualifiziertes Verfahren" angekreuzt war, nicht auf eine überwiegend repressive Zweckrichtung der Freiheitsentziehung geschlossen werden. Insoweit besteht nämlich kein Unterschied zu dem erwähnten Vergleichsfall, in dem der Beklagte selbst § 35 PolG NRW als Rechtsgrundlage bezeichnet hatte. Dass der Kläger nach einem Aktenvermerk "als einer der Werfer identifiziert wurde", stellt die vorstehenden Erwägungen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage. Der Beklagte hat bisher nicht plausibel und unter Benennung nachvollziehbarer Unterscheidungskriterien dargelegt, dass die Festnahme des Klägers anderen Zwecken gedient hätte als die zahlreichen weiteren Festnahmen, die im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt sind. Erst recht ist nicht ersichtlich, woran der Kläger dies hätte erkennen können.
Ausgehend von einer jedenfalls auch präventiv-polizeilichen Zwecken dienenden Ingewahrsamnahme ist im Streitfall ferner hinreichend wahrscheinlich, dass die Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit nicht entsprechend § 36 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 PolG NRW den Amtsgerichten zugewiesen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Amtsgericht auch für die nachträgliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer (präventiv-polizeilichen) Freiheitsentziehung zuständig, sofern es zulässigerweise gemäß § 14 PolG NW a.F. (aktuell § 36 PolG NRW) während der Ingewahrsamnahme einer Person um Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung angegangen wird. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. November 1989 - 5 A 886/88 -, NJW 1990, 3224 f.; ähnlich OVG Berlin- Bbg., Beschluss vom 24. April 2009 - OVG 1 L 124.08 -, juris; Ehlers, in: Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. I, Stand: Juni 2011, § 40 Rn. 623; a.A. AG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2011 - 150 Gs-80 Js 986/10-1799/10 -, das für eine nachträgliche Entscheidung generell ausschließlich den Verwaltungsrechtsweg für gegeben hält.
Im Sinne dieser Rechtsprechung dürfte eine konkrete Freiheitsentziehungssache beim Amtsgericht nicht schon dann als anhängig anzusehen sein, wenn nach einer Masseningewahrsamnahme der zuständige Amtsrichter herbeigeholt und ihm ein allgemeiner, nicht personenbezogener Sachverhalt geschildert wird, aufgrund dessen er damit beginnt, sich alle in Gewahrsam genommenen Personen einzeln vorführen zu lassen. Es spricht viel dafür, dass insoweit ein einzelfallbezogener Anstoß des richterlichen Entscheidungsprozesses durch die Polizei erforderlich ist, also zumindest ein konkreter, personenbezogener Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt sein muss. Vgl. auch OVG M.-V., Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 3 O 161/08 -, juris, Rn. 10.
Für einen solchen Antrag ist im Entscheidungsfall nach Lage der Akten nichts ersichtlich.
Auch hinsichtlich der Klageanträge, die die Art und Weise des Gewahrsamsvollzugs, die Identitätsfeststellung, die körperliche Durchsuchung und die vorübergehende Sicherstellung des Handys betreffen, ist die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nicht mit einer die Versagung von Prozesskostenhilfe rechtfertigenden Sicherheit auszuschließen. Sie stehen in untrennbarem Zusammenhang mit der Ingewahrsamnahme als solcher und können daher ebenfalls im Verwaltungsrechtsweg zur Überprüfung gestellt werden, wenn dieser für die Ingewahrsamnahme eröffnet ist. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - 2 BvR 447/05 -, NVwZ 2006, 579 Rn. 63 mit Nachweisen aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung.
Dass die Identitätsfeststellung daneben sicherlich auch strafrechtlichen Ermittlungszwecken diente, ändert daran nichts. Anders verhält es sich lediglich bei den gefertigten Lichtbildaufnahmen. Insoweit leuchtet die nachträgliche Angabe des Beklagten, diese seien auf der Grundlage des § 81b 1. Alt. StPO für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens erfolgt, ohne weiteres ein und musste sich auch dem Kläger aufdrängen. Wie sich aus der Begründung für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens (Staatsanwaltschaft E. , S. 5) ergibt und ausweislich des Klageentwurfs (S. 5) auch vom Kläger erkannt wurde, sollten die Lichtbilder einen Abgleich mit dem angefertigten Videomaterial ermöglichen und auf diese Weise der Ermittlung von Straftätern dienen. Präventive Zwecke, die hiermit hätten verfolgt werden können, waren nicht ersichtlich.
Soweit der Verwaltungsrechtsweg hiernach voraussichtlich eröffnet ist, hat die Klage auch in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dafür, dass der Kläger auf strafverfahrensrechtlicher Grundlage bis zum Abend des 9. Mai 2010 festgehalten werden durfte, spricht derzeit nichts. Ob die strengen Voraussetzungen des §§ 35 Abs. 1 Nr. 2, 36 PolG NRW für eine Ingewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr - vgl. näher OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 5 A 1045/09 - (zu § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG), juris; zum Richtervorbehalt BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - 2 BvR 447/05 -, NVwZ 2006, 579 ff. - erfüllt waren, bedarf eingehender Prüfung. Dabei ist gegebenenfalls auch etwa vorhandenes polizeiliches Filmmaterial auszuwerten. Nach dem Vortrag des Klägers, dem der Beklagte bislang nicht entgegengetreten ist, lässt sich ferner nicht ausschließen, dass die - gesondert zu überprüfende - Art und Weise des Vollzugs der Freiheitsentziehung nicht allen rechtlichen Anforderungen genügte. Eingehender rechtlicher Überprüfung und, soweit erforderlich, weiterer Sachverhaltsaufklärung bedürfen auch die Identitätsfeststellung und die körperliche Durchsuchung, die nach dem Klagevorbringen jeweils zweimal durchgeführt wurden, sowie die Sicherstellung des Mobiltelefons des Klägers. ..."
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Zu den Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme nach § 32 Abs. 1 HSOG (hier: Ingewahrsamnahme einer Umweltaktivistin und Fassadenkletterin, die zu Demonstrationszwecken ein Gerichtsgebäude erklettert hat; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.03.2010 - 20 W 264/09):
... I. Am 15.07.2009 fand am Landgericht Gießen die Berufungsverhandlung wegen Zerstörung eines Gengerstenfeldes im Jahr 2006 statt. Nach Verhandlungsschluss kletterte die zum Sympathiesantenkreis des Angeklagten gehörende Betroffene an der Fassade des Landgerichts hoch und malte in etwa vier Metern Höhe die Worte Gentech Weg! Gentech Weg, Ätsch!" an die Wand. Nach Aufforderung durch die Polizei kletterte die Betroffene um 18.42 Uhr wieder herab und wurde von dem diensthabenden Polizeihauptkommissar zur Verhinderung weiterer politisch motivierter Aktionen" festgenommen. Um 20.55 Uhr beantragte die Polizei die gerichtliche Zustimmung zur Ingewahrsamnahme der Betroffenen bis zum anderen Morgen um 6.00 Uhr. Ungefähr um 21.00 Uhr ordnete die Richterin am Amtsgericht die Ingewahrsamnahme ohne Anhörung der Betroffenen mündlich an.
Nach ihrer Entlassung hat die Betroffene über ihren Verfahrensbevollmächtigten am 16.07.2009 mit einem an das Amtsgericht gerichteten Schriftsatz Beschwerde gegen den Beschluss" vom 15.07.2009 mit dem die Ingewahrsamnahme der Betroffenen für die Zeit vom 15.07.2009 ab ca. 18.00 Uhr bis 16.07.2009 6.00 Uhr angeordnet worden ist" mit dem Ziel eingelegt, diesen Beschluss aufzuheben und die Rechtswidrigkeit festzustellen. Daraufhin hat die Richterin, die die mündliche Haftanordnung erlassen hatte, unter dem 17.07.2009 einen Vermerk gefertigt und die Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 29.07.2009 hat die Betroffene unter Schilderung der Vorgänge im Polizeigewahrsam weiter beantragt, auch die Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Vollziehung der Ingewahrsamnahme der Betroffenen in der Zeit von 18.00 Uhr am 15.07.2009 bis um 06.00 Uhr am 16.07.2009 festzustellen, hilfsweise insoweit das Verfahren abzutrennen und den Rechtsstreit an das möglicherweise zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 17.08.2009 (Bl. 39 ff d. A.) festgestellt, dass die Freiheitsentziehung der Betroffenen in der Zeit vom 15.07.2009, 21 Uhr bis zum 16.07.2009, 6.00 Uhr auf der Grundlage der Anordnung durch das Amtsgericht rechtswidrig war und der Betroffenen insoweit Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.
Das Landgericht hat außerdem ausgeführt, es lege den Beschwerdeantrag so aus, dass lediglich die Feststellung der richterlich angeordneten Freiheitsentziehung begehrt würde. Die Antragsformulierung ließe eine derartige Auslegung - noch - zu. Eine teilweise Zurückverweisung der Sache komme nicht in Betracht, da der im Beschwerdeschriftsatz vom 16.07.2009 enthaltene Antrag ausdrücklich gegen eine bereits erfolgte erstinstanzliche Entscheidung mit dem Ziel ihrer Aufhebung gerichtet gewesen sei. Bislang sei kein Antrag auf Überprüfung der ohne richterliche Entscheidung allein aufgrund behördlicher Anordnung erfolgten Freiheitsentziehung gestellt worden, über den zunächst das Amtsgericht entscheiden müsste.
Die auf Aufhebung der richterlichen Entscheidung vom 15.07.2009 gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht in dem genannten Beschluss verworfen, weil es die Beschwerde insoweit für unzulässig gehalten hat. Da von dem richterlichen Beschluss nach der Entlassung keine Rechtswirkungen mehr ausgingen, fehle es für die Aufhebung am Rechtsschutzbedürfnis.
Das Landgericht hat außerdem das Verfahren abgetrennt und an das Verwaltungsgericht verwiesen soweit die Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Ingewahrsamnahme durch die Polizei begehrt hat.
Gegen diesen Beschluss hat die Betroffene durch einen am 24. August 2009 eingegangenen Antrag sofortige weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Landgerichts insoweit aufzuheben, als die Beschwerde und die Anträge der Betroffenen zurückgewiesen worden seien und ihr dafür Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die Polizeibehörde werde sich in den teilweise gegen sie eingeleiteten Verfahren darauf berufen, dass die Ingewahrsamnahme richterlich angeordnet worden sei. Es sei davon auszugehen, dass sich die Betroffene ab 18.00 Uhr im Gewahrsam befunden habe. Wenn das Amtsgericht keine Abhilfeentscheidung getroffen habe, könne dies nicht der Betroffenen angelastet werden.
Der Antragsteller hat sich zur Beschwerde nicht geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Beschlüsse und die Schriftsätze der Beteiligten nebst ihren Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde hat im Wesentlichen Erfolg und führt zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Entscheidung. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass eine amtsgerichtliche Entscheidung über die Ingewahrsamnahme nicht vorliegt und deswegen eine Beschwerdeentscheidung nicht möglich und nicht beantragt ist, hält die Entscheidung einer rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, 546 ZPO) nicht stand.
Wie der Senat bereits entschieden hat (OLGR Frankfurt 2008, 312 ff), ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass das Amtsgericht mit seiner Entscheidung über die Fortdauer der Ingewahrsamnahme auch über die Zulässigkeit der Ingewahrsamnahme bis zur amtsgerichtlichen Entscheidung befindet. Dies gilt auch dann, wenn die amtsgerichtliche Entscheidung hierzu keine ausdrücklichen Ausführungen enthält. Der Doppelcharakter der gerichtlichen Entscheidung ergibt sich aus § 33 I HSOG, wonach die richterliche Entscheidung sich auf die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung zu erstrecken hat. Dies bedeutet, dass sowohl über die Rechtmäßigkeit der bisherigen Freiheitsentziehung durch die Polizeibehörde als auch über die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung eine Entscheidung zu treffen ist (Meixner/ Fredrich, 10. Aufl. § 33 HSOG, Rn 5; vgl. für die vergleichbare Regelung des § 20 thüring. PAG Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 14.10.1998, Az. 6 W 243/98, Jurisdok.; anders bei der behördlichen Ingewahrsamnahme bei Abschiebehaft vgl. OLG München, Beschluss vom 17.05.2006, 34 Wx 25/06, Jurisdok.). Dass das Amtsgericht hiervon abweichend nur eine Teilentscheidung treffen wollte, lässt sich der nicht schriftlich vorliegenden Entscheidung nicht entnehmen. Die fehlende schriftliche Abfassung der Gestattung der Ingewahrsamnahme, die bereits die Anordnung rechtswidrig sein lässt, wie das Landgericht bereits in seinem insoweit nicht angegriffenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, da ein richterlicher Beschluss stets schriftlich abzufassen und mit einer zumindest kurzen Begründung zu versehen ist, kann ohne solche Anhaltspunkte abweichend vom Regelfall nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Amtsgericht sich auf die Frage der zukünftigen Ingewahrsamnahme beschränken wollte. Eine solche Auslegung verbietet sich auch unter dem Gesichtspunkt des staatlichen Schutzes der Freiheitsrechte, denn sie führte nur zu weiteren formalen Hürden vor einer Überprüfung der der Betroffenen insgesamt entzogenen Freiheit. Es bestand für das Landgericht kein tragfähiger Anlass, den Antrag der Betroffenen umzudeuten und dadurch die Betroffene auf eine erneute Antragstellung beim Amtsgericht zu verweisen. Das Landgericht hätte über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme insgesamt zu entscheiden gehabt.
Die Ingewahrsamnahme der Betroffenen war insgesamt rechtswidrig, da die Voraussetzungen der allenfalls in Betracht kommenden Eingriffsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr.1, Nr. 2 und Nr. 4 HSOG nicht erfüllt sind. Das Landgericht hat hierzu zwar keine abschließenden Feststellungen getroffen, dies nötigt vorliegend jedoch nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, weil der Sachverhalt aufgrund der polizeilichen Ermittlungen so hinreichend geklärt ist, dass der Senat selbst entscheiden kann.
Das Amtsgericht hat seine Anordnung, wie sich aus dem Vermerk vom 17.07.2009 ergibt, auf den Gesichtspunkt des Schutzes der Betroffenen gestützt. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 HSOG kann eine Person aber nur dann in Gewahrsam genommen werden, wenn dies zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib und Leben erforderlich ist. Weitere Voraussetzung ist, dass sich die Person erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet. Diese Voraussetzungen lagen bei der Betroffenen samt und sonders nicht vor. Die Betroffene war laut Polizeibericht eine amtsbekannte Kletterkünstlerin. Nichts deutete bei der Fassadenkletterei darauf hin, dass sie sich dadurch in Gefahr bringen wollte bzw. ihr Risiko nicht mehr abschätzen konnte. Ziel ihrer Aktion war erkennbar nach dem Ende des Verhandlungstages eine provokative Demonstration der Solidarität mit dem Angeklagten und dessen Gedankengut. Diese Aktion war darauf angelegt, Publikum zu haben und durch die dank der Kletterkünste erlangte Höhe des Auftritts Aufsehen zu erregen. Dass die Betroffene nach dieser Aktion - die Betroffene war selber vor ihrer Festnahme vom Gebäude herabgestiegen - das Gerichtsgebäude auch bei Nacht noch einmal besteigen und sich dabei in Gefahr bringen würde, ist eine weitere durch nichts gestützte Annahme.
Auch die Voraussetzungen einer Ingewahrsamnahme zur präventiven Verhinderung der Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 HSOG) lagen nicht vor. Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 HSOG kann eine Person von den Polizeibehörden in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbare Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Das Amtsgericht hat hier schlicht die Vermeidung von Sachbeschädigungen am Landgerichtsgebäude als von der Polizei angegebenen Grund zum Eingreifen genannt. Der Polizeibericht vom Tattag ist nicht aufschlussreicher. Dort ist nur zusätzlich aufgeführt, dass die Betroffene im August 2008 bei ähnlicher Gelegenheit das Amtsgericht Gießen erklettert hatte und nur durch taktisch geschickten Zugriff in Verwahrung genommen werden konnte. Weiter heißt es im Polizeibericht, das bei der Festnahme an den Tag gelegte äußerst aggressive Verhalten der Betroffenen belege ihre Absicht, weitere Beschädigungen an dem Gerichtsgebäude beabsichtigt zu haben. Die mit Kreide aufgebrachten Schriftzüge seien von Justizbediensteten entfernt worden. Aus diesen im Polizeibericht zusammengefassten Umständen ergibt sich aber noch nicht einmal, dass die Aktion im 2008 zu einer Sachbeschädigung geführt hat, noch in nachvollziehbarer Weise, warum man meinte, die Betroffene werde (weiter) Sachbeschädigungen begehen.
Es kann dahinstehen, ob die Angaben der Betroffenen zutreffen, sie habe sich nur deswegen bei ihrer Festnahme hin- und zur Wehr gesetzt, weil man ihr statt einer von ihr erwarteten Personenkontrolle eröffnet habe, sie werde in Gewahrsam genommen. Angesichts des Umstands, dass die Betroffene mit Kreide gemalt und selbst heruntergeklettert ist und im Hinblick auf den offensichtlichen Demonstrationscharakter der Tat, liegt die Annahme nahe, dass damit für die Betroffene die Aktion beendet war. Jedenfalls gibt es weder Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene unmittelbar konkret bevorstehend weitere Straftaten, insbesondere Sachbeschädigungen, begehen würde, noch dass sie von deren Begehung nur durch das Einsitzen im Polizeigewahrsam abgehalten werden könnte. Es ist nichts dafür vorgetragen worden, das die Annahme auch nur annähernd rechtfertigen würde, dass die Betroffene nach der Aktion nicht wie die anderen Mitglieder des Sympathiesantenkreises Stadt2 am nämlichen Abend wieder verlassen würde. Im Polizeibericht steht, der Angeklagte und seine Sympathisanten hätten Stadt2 bis 19.15 Uhr verlassen. Über ihre Pläne hat die Betroffene schon mit der Erstbeschwerde angegeben, dass sie Rückfahrkarten im Gepäck gehabt und dies der Polizei auch gesagt habe. Ob letzteres zutrifft, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden, da auch ohne diesen Umstand das erforderliche konkrete Gefährdungsmoment nicht festgestellt werden kann.
Die Verwahrungsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 4 HSOG, wonach eine Person zum Schutz privater Rechte in Gewahrsam genommen werden kann, scheitert schon daran, dass wegen der Bekanntheit der Betroffenen und mangels Fluchtgefahr ohne Einschreiten der Polizeikräfte die Selbsthilfevorschriften des BGB, also Festnahme und Vorführung nach §§ 239, 230 Abs. 3 BGB nicht zum Tragen gekommen wären.
Eine Ingewahrsamnahme schon etwa ab 18.00 Uhr - wie die Betroffene meint - lässt sich nicht feststellen. Das Landgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise und damit auch für den Senat verbindlich festgestellt, der Vorsitzende Richter habe um 18.25 Uhr die Verhandlung geschlossen. Die Betroffene sei um etwa 18.39 Uhr beobachtet worden, wie sie die Fassade hochgeklettert sei. Um 18.42 Uhr sei sie auf Aufforderung wieder herunter geklettert. Dies stimmt mit dem Polizeibericht überein. Das Gedächtnisprotokoll der Betroffenen gibt das Ende der Gerichtsverhandlung mit gegen 18.00 Uhr" an. Dies zeigt schon, dass eine genaue Zeitfeststellung nicht erfolgt ist. Da die vage Zeitangabe der Betroffenen und der mit exakten Zeiten versehene polizeiliche Kurzbericht um deutlich weniger als eine Stunde differieren, ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht hier auf den Bericht mit den exakteren Zahlen zurückgegriffen und keine weiteren Ermittlungen angestellt hat. Der Senat übernimmt diese Zeitangaben.
Zutreffend hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss nicht a
Leitsatzkommentar
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Stand: 4. Oktober 2012
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Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 14. Januar 2005
§ 1 - Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Polizeibehörden
§ 2 Aufgabenabgrenzung
§ 3 Geltungsbereich
§ 4 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§ 5 Ermessen, Wahl der Mittel
§ 6 - Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen
§ 7 - Verantwortlichkeit für den Zustand von Tieren und Sachen
§ 8 - Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme
§ 9 Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen
§ 10 - Einschränkung von Grundrechten
§ 11 Allgemeine Befugnisse
§ 12 Befragung und Auskunftspflicht
§ 13 Erhebung personenbezogener Daten
§ 14 Datenerhebung und sonstige Datenverarbeitung an öffentlichen Orten und besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen
§ 15 Datenerhebung durch Observation und Einsatz technischer Mittel
§ 15a - Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung
§ 16 Datenerhebung durch Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist, und durch verdeckt ermittelnde Personen
§ 17 Polizeiliche Beobachtung
§ 18 - Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen
§ 19 - Erkennungsdienstliche Maßnahmen, DNA-Analyse
§ 20 Datenspeicherung und sonstige Datenverarbeitung
§ 21 - Allgemeine Regeln der Datenübermittlung
§ 22 - Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs
§ 23 - Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs
§ 24 Automatisiertes Abrufverfahren
§ 25 Datenabgleich
§ 26 Besondere Formen des Datenabgleichs
§ 27 - Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten
§ 28 Verfahrensverzeichnis
§ 29 Auskunft und Unterrichtung
§ 30 Vorladung
§ 31 Platzverweisung
§ 32 Gewahrsam
§ 33 Richterliche Entscheidung
§ 34 Behandlung festgehaltener Personen
§ 35 Dauer der Freiheitsentziehung
§ 36 Durchsuchung und Untersuchung von Personen
§ 37 Durchsuchung von Sachen
§ 38 Betreten und Durchsuchung von Wohnungen
§ 39 Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen
§ 40 Sicherstellung
§ 41 Verwahrung
§ 42 Verwertung, Unbrauchbarmachung und Vernichtung
§ 43 - Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten
§ 43a - Halten gefährlicher Tiere
§ 44 Vollzugshilfe
§ 45 Verfahren
§ 46 Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung
§ 47 - Zulässigkeit des Verwaltungszwanges
§ 48 Zwangsmittel
§ 49 Ersatzvornahme
§ 50 Zwangsgeld
§ 51 Ersatzzwangshaft
§ 52 Unmittelbarer Zwang
§ 53 Androhung der Zwangsmittel
§ 54 Rechtliche Grundlagen
§ 55 Begriffsbestimmung, zugelassene Waffen
§ 56 Handeln auf Anordnung
§ 57 - Hilfeleistung für Verletzte
§ 58 Androhung unmittelbaren Zwanges
§ 59 Fesselung von Personen
§ 60 - Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch
§ 61 Schusswaffengebrauch gegen Personen, Sprengmittel
§ 62 Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge
§ 63 - Ausübung unmittelbaren Zwanges durch Vollzugsbedienstete
§ 64 - Zum Schadensausgleich verpflichtende Tatbestände
§ 65 Inhalt, Art und Umfang des Schadensausgleichs
§ 66 - Ansprüche mittelbar Geschädigter
§ 67 - Verjährung des Ausgleichsanspruchs
§ 68 - Ausgleichspflicht, Erstattungsansprüche
§ 69 - Rückgriff gegen Verantwortliche
§ 70 Rechtsweg
§ 71 Allgemeines
§ 71a Gefahrenabwehrverordnung Hunde, Haftpflichtversicherung
§ 72 Gefahrenabwehrverordnungen der Ministerinnen, Minister und Regierungspräsidien
§ 73 Gefahrenabwehrverordnungen der Landkreise
§ 74 Gefahrenabwehrverordnungen der Gemeinden
§ 75 Verbot des Widerspruchs zu anderen Rechtsvorschriften
§ 76 Inhalt
§ 77 Ordnungswidrigkeiten
§ 78 Formerfordernisse
§ 79 Geltungsdauer
§ 80 - Wirkung von Gebietsänderungen
§ 81 Gefahrenabwehr als staatliche Aufgabe
§ 82 - Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung
§ 83 - Aufsichtsbehörden, Aufsicht
§ 84 Weisungsbefugnisse
§ 85 - Allgemeine Ordnungsbehörden
§ 86 - Aufsichtsbehörden, Aufsicht
§ 87 Weisungsbefugnisse, Unterrichtungspflichten
§ 88 Selbsteintritt
§ 89 - Sachliche Zuständigkeit
§ 90 - Sonderordnungsbehörden
§ 91 - Polizeibehörden, Polizeieinrichtung
§ 92 Hessisches Landeskriminalamt
§ 93 - Hessisches Bereitschaftspolizeipräsidium
§ 94 - Polizeipräsidien
§ 95 - Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung, Hessische Polizeischule
§ 96 Dienst- und Fachaufsicht
§ 97 Weisungsbefugnisse, Unterrichtungspflichten
§ 98 - Ermächtigung
§ 99 Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte
§ 100 - Zuständigkeit der Gefahrenabwehrbehörden
§ 101 - Zuständigkeit der Polizeidienststellen
§ 102 - Amtshandlungen von Dienstkräften der Polizei anderer Länder und von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Bundes
§ 103 - Amtshandlungen von Dienstkräften der Polizei außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Landes Hessen
§ 104 Begriff der Kosten
§ 105 - Kosten der Behörden der allgemeinen Verwaltung
§ 106 - Kosten der allgemeinen Ordnungsbehörden
§ 107 - Kosten der Sonderordnungsbehörden
§ 108 Kosten der Polizeidienststellen
§ 109 Einnahmen
§ 110 - Versorgungslasten, Wohnungsfürsorgemaßnahmen
§ 111 - Übergangsvorschriften
§ 112 - Änderung von Rechtsvorschriften
§ 113 Aufhebung und Fortgeltung von Rechtsvorschriften
§ 114 - Ausführungsvorschriften
§ 115 In-Kraft-Treten und Befristung
***
ERSTER TEIL - Aufgaben und Befugnisse - Erster Abschnitt - Aufgaben und allgemeine Vorschriften
§ 1 Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Polizeibehörden
(1) Die Gefahrenabwehrbehörden (Verwaltungsbehörden, Ordnungsbehörden) und die Polizeibehörden haben die gemeinsame Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahrenabwehr), soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Sie haben im Rahmen dieser Aufgabe auch die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung in Gefahrenfällen zu treffen.
(2) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden haben ferner die ihnen durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen weiteren Aufgaben zu erfüllen.
(3) Der Schutz privater Rechte obliegt den Gefahrenabwehr- und den Polizeibehörden nach diesem Gesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne gefahrenabwehrbehördliche oder polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
(4) Die Polizeibehörden haben im Rahmen der Gefahrenabwehr auch zu erwartende Straftaten zu verhüten sowie für die Verfolgung künftiger Straftaten vorzusorgen (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten).
(5) Die Polizeibehörden leisten anderen Behörden Vollzugshilfe (§§ 44 bis 46).
(6) Alle Behörden haben bei der Gefahrenabwehr zusammenzuarbeiten. Insbesondere haben sie sich unverzüglich gegenseitig über Vorgänge, deren Kenntnis für die Aufgabenerfüllung der anderen Behörde bedeutsam erscheint, zu unterrichten. Die Gefahrenabwehrbehörden und die Polizeibehörden sollen im Rahmen der Gefahrenabwehr gemeinsame Arbeitsgruppen (Kriminalpräventionsräte) bilden; diese sollen auch Personen und Institutionen aus unterschiedlichen Bereichen und Aufgabenfeldern, die zur Kriminalprävention beitragen können, aufnehmen. Die Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten (§§ 12 bis 29) bleiben unberührt.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Berücksichtigung schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die bei der Unterbringung einer obdachlosen Person in einer Obdachlosenunterkunft drohen (BVerfG, Urteil vom 07.04.1993 - 1 BvR 565/93).
*** (VGH)
Eine kriminalpolizeiliche Gefährderansprache, mit der der Geschäftsführer eines Inkassounternehmens unter Hinweis auf mögliche Ermittlungsmaßnahmen darüber "bösgläubig" gemacht wird, dass das Einziehen erkennbar unberechtigter Forderungen - etwa aus verbotenen und strafbaren Internet-Glücksspielen - Beihilfe zum Betrug darstellen kann, greift zwar in die Freiheit der Unternehmensbetätigung ein, ist aber zur Verhütung drohender Straftaten geeignet und auch im Übrigen verhältnismäßig. Eine auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel des § 11 HSOG gestützte Gefährderansprache ist in einem solchen Fall nicht durch die Möglichkeit des Widerrufs der Registrierung gemäß § 14 RDG ausgeschlossen (VGH, Beschluss vom 28.11.2011 - 8 A 199/11.Z zu §§ 1 Abs 4, 11,10 H SOG, § 14 RDG, Art 12 Abs 1 GG u.a.).
***
Eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Hess. HundeVO, nach der auch die Gefahr, dass ein Hund einen Menschen in Gefahr drohender Weise anspringt, die Eigenschaft eines Hundes als gefährlicher Hund begründet, ist ausgeschlossen (VGH Hessen, Urteil vom 18.10.2007 - 8 UE 243/06 zu §§ 1, 40, 43, 71a Abs. 1 HSOG, §§ 2, 14 Hess. HundeVO).
***
Eine Obdachlosenunterkunft muß ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen.- Zur Berücksichtigung des individuellen Lebenszuschnitts.- Die Unterbringung einer Familie mit mehreren Kleinkindern in einem Wohnwagen ohne gesicherten Stromanschluß und bei unzureichenden sanitären Verhältnissen wird den Mindestanforderungen nicht gerecht. Im Fall der Obdachlosigkeit kann sich der Anspruch des einzelnen auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu einem Anspruch auf polizeiliches Einschreiten verdichten, wenn sich das Ermessen der Ordnungsbehörde wegen des Ausmaßes und der Schwere der drohenden Gefahr auf eine Pflicht zum Einschreiten reduziert (VGH Kassel, Entscheidung vom 04.10.1983 - 8 TG 48/83, NJW 1984, 2305).
***
Die Durchführung kollektiver Kampfmaßnahmen ("Streiks') von Beamten zur Durchsetzung gemeinsamer beruflicher Interessen und der vorbereitenden Urabstimmung stellt eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Der Hessische Kultusminister ist kraft Polizeirechts befugt, die Durchführung eines Streiks von Beamten oder die vorbereitende Urabstimmung durch eine Verfügung gegenüber der Gewerkschaft, die zu solchen Maßnahmen aufruft, zu untersagen (VGH Kassel, Entscheidung vom 01.03.1989 - 11 TH 681/89).
***
Zur Untersagung des Betreibens eines die Volkszählung 1987 betreffenden Informationsstandes (VGH Kassel, Entscheidung vom 14.05.1987 - 11 TH 1229/87).
*** (VG)
Die Zuweisung einer Unterkunft darf auch bei zahlungsunwilligen Obdachlosen nicht von der Zahlung von Benutzungsgebühren abhängig gemacht werden. Die Kommune ist auf die Durchsetzung ihrer Forderung nach den Bestimmungen des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes verwiesen. Ihren Belangen hat der Gesetzgeber mit § 55 S. 2 NVwVG (juris: VwVG ND) Rechnung getragen (VG Osnabrück, Beschluss vom 16.07.2012 - 6 B 57/12).
***
Zur Unterbringung eines Obdachlosen nach erteiltem Hausverbot für Obdachlosenunterkünfte und zur Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Obdachlosen (VG Osnabrück, Beschluss vom 04.05.2012 - 6 B 44/12):
... I. Der Antragsteller wendet sich gegen ein ihm auferlegtes Hausverbot für die Obdachlosenunterkünfte der Antragsgegnerin und begehrt von ihr seine erneute Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft.
Seine Ehefrau bewohnte bis zur Zwangsräumung am 26.3.2012 mit einem gemeinsamen Kind eine im Gebiet der Antragsgegnerin gelegene Wohnung. Diese Wohnung musste der Antragsteller bereits zum 22.8.2011 verlassen. Dazu erklärte er der Antragsgegnerin am 26.3.2012, er sei seitdem "mal hier mal da untergekommen" und habe auf die Zwangsräumung seiner Ehefrau gewartet. Die Eheleute begehrten von der Antragsgegnerin die Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft; ihr Kind wurde vom Jugendamt in Obhut genommen.
Mit Verfügung vom 26.3.2012 wies die Antragsgegnerin die Eheleute für die Zeit bis zum 30.6.2012 auf Grund bestehender Obdachlosigkeit in eine Notunterkunft ein; auf diesen Bescheid wird Bezug genommen.
Ausweislich eines Vermerks einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin wurde diese am 28.3.2012 von der Ehefrau des Antragstellers um ca. 17:05 Uhr auf dem Parkplatz mit der Bitte angesprochen, ihr in der Obdachlosenunterkunft ein eigenes Zimmer zu geben, weil es eine Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann gegeben habe, die es ihr unmöglich mache, weiterhin mit ihm zusammen in einer Wohnung zu wohnen. Nähere Angaben habe sie dazu nicht machen wollen. Die Mitarbeiterin forderte die Ehefrau auf, sich am Abend an den Ordnungsdienst zu wenden und unterrichtete den Ordnungsdienst dahingehend, dass der Antragsteller heute für eine Nacht in einem anderen Zimmer im Nachbargebäude unterzubringen sei. Nach erneutem Verlassen des Bürogebäudes habe sie den Antragsteller getroffen, der sich in aggressivem Tonfall nach seiner Frau erkundigt und die Vermutung geäußert habe, diese habe eine eigene Wohnung haben wollen. Sie habe eine Erörterung "auf der Straße" abgelehnt und dem Antragsteller angeboten, am nächsten Tag ins Büro zu kommen.
Vom Abend des 28. auf den 29.3. wies der Ordnungsdienst der Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Notunterkunft im benachbarten Haus zu, wobei der Antragsteller im Rahmen seines von Ordnungskräften begleiteten Umzugs durch Lärmen und Brüllen unter wiederholter Sachbeschädigung an Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen und Äußerungen beleidigender und bedrohender Art gegenüber den Ordnungskräften hinhaltenden Widerstand leistete. Schließlich wurde die Polizei gerufen und dem Antragsteller wurde ein Hausverbot erteilt, woraufhin er fluchend und drohend vor deren Erscheinen das Haus verließ. Auf den diesbezüglichen Bericht des Ordnungsdienstes vom 28.3.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Am 29.3.2012 beschwerten sich fünf Bewohner der Obdachlosenunterkünfte ausweislich eines Vermerks der Antragsgegnerin über den Antragsteller und teilten übereinstimmend mit, sie seien aufgrund des Vorfalls vom gestrigen Abend sehr verängstigt und hätten zeitweise Angst um ihre körperliche Unversehrtheit gehabt. Übereinstimmend baten sie darum, den Antragsteller und seine Frau nicht mehr in der Obdachlosenunterkunft unterzubringen.
Am gleichen Tag erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller wegen dieser Vorfälle unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein unbefristetes, unter den Vorbehalt des Widerrufs gestelltes Hausverbot für die beiden von ihr zur Obdachlosenunterbringung genutzten Gebäude und deren Grundstücke. Mit Bescheid vom selben Tag widerrief die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller zu sofort ihre Einweisungsverfügung. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag widerrief sie ihre Einweisungsverfügung auch gegenüber der Ehefrau und wies diese zugleich in eine andere Räumlichkeit ihrer Obdachlosenunterkunft ein. Bei Aushändigung dieser Verfügungen an die gemeinsam erschienenen Eheleute erklärte der Antragsteller, dass er sich nunmehr zunächst ein Hotelzimmer nehmen werde. Auf den diesbezüglichen Vermerk der Antragsgegnerin vom 29.3.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Aufgrund der Vorfälle wurden der Antragsgegnerin zusätzliche Leistungen des Ordnungsdienstes (Rechnung vom 31.3.2012) berechnet. Den vom Antragsteller verursachten Sachschaden schätzte die Antragsgegnerin gegenüber der Polizei auf 170.- .
Da die Ehefrau des Antragstellers angab, dieser habe sich einen nachgemachten Schlüssel für die Haustür ihrer Obdachlosenunterkunft verschafft, ließ die Antragsgegnerin bei Sachkosten von ca. 77 Schloss und Schlüssel austauschen.
Ausweislich der Verwaltungsvorgänge lehnte die Antragsgegnerin eine vom Antragsteller begehrte erneute Obdachgewährung unter Hinweis auf dessen Grundrecht auf Freizügigkeit und der damit verbundenen Möglichkeit ab, auch in anderen Gemeinden untergebracht werden zu können. Ein entsprechendes Angebot ihrer Nachbargemeinde habe der Antragsteller abgelehnt. Mit Schreiben vom 13.4.2012 bestätigte sie diesem die Aufrechterhaltung ihrer Entscheidungen und den von ihr vertretenen Standpunkt in der Sache. Gemäß ihrem Vermerk vom 20.4.2012 lehnte sie auf telefonische Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auch eine Unterbringung in einer Pension ab.
Am 20.4.2012 hat der Antragsteller Klage gegen den Widerruf der Einweisungsverfügung vom 29.3.2012 erhoben und einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Hausverbot, hilfsweise die vorläufige Zuweisung einer Notunterkunft beantragt. Mit Schreiben vom 24.4.2012 hat er seine Klage auch gegen den Hausverbotsbescheid der Antragsgegnerin gerichtet. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe sich mit seiner Frau bereits am Vorfallstag ausgesöhnt, wolle Streit wie auch den Genuss von Alkohol in Zukunft vermeiden. Inzwischen seien seit dem Vorfall etwa vier Wochen vergangen, in denen er sich mit seiner Frau nur in der Öffentlichkeit habe treffen können. Zwischenzeitlich habe er mehr als 400.- für Hotelübernachtungen ausgeben müssen, obwohl seine monatliche Rente nur 516,71 betrage. Das ihm erteilte Hausverbot sei weder geboten noch verhältnismäßig gewesen. Jedenfalls fehle es an einem sachlichen Grund, der ein weiteres Festhalten am Hausverbot rechtfertige. Er habe bisher im Gebiet der Antragsgegnerin gewohnt bzw. sich dort aufgehalten und möchte dies auch weiterhin, zumal sich seine Ehefrau dort befinde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Hausverbotsbescheid wiederherzustellen, hilfsweise, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihm per sofort vorläufig eine Notunterkunft zuzuweisen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, der Antragsteller habe die ihm nach Absprache mit dem Gericht für die Dauer des Eilverfahrens angebotenen Unterbringungsmöglichkeiten (bislang) nicht genutzt. Zwar wende er sich formal gegen das ihm erteilte Hausverbot, doch gehe es ihm an sich darum, dass ihm eine Notunterkunft zugewiesen werde. Deshalb sei die Frage zu stellen, weshalb er die ihm angebotenen Möglichkeiten nicht wahrgenommen habe. Er begehre wohl nicht die Beseitigung seiner Obdachlosigkeit. Ihm gehe es allein darum, gemeinsam mit seiner Ehefrau unterzukommen. Es sei nicht ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau Heimstatt in ihrer Obdachlosenunterkunft habe, nachdem die Eheleute seit der Zwangsräumung des Antragstellers vom 22.8.2011 bis zur Zwangsräumung seiner Ehefrau am 26.3.2012 keine gemeinsame Unterkunft gehabt hätten. Sie bestreite, dass sich der Kläger bis zur Zwangsräumung seiner Frau in ihrem Gebiet aufgehalten habe. Sie bestreite, dass sich die Eheleute in einer Weise versöhnt hätten, dass eine Wiederholung vergleichbarer Vorfälle nicht drohe. Dagegen spreche, dass sich die Ehefrau des Klägers bereits mehrfach wegen häuslicher Gewalt schutzsuchend an die Behörden gewandt habe. Deren Zusammenleben wechsele zwischen Versöhnung und Streit, in dessen Verlauf es auch zu Gewalt gegen Sachen und Personen komme. Beide neigten zu unkontrolliertem, exzessivem Alkoholgenuss. Ohnehin sei davon auszugehen, dass der Wille zum Zusammenleben einseitig vom Kläger ausgehe. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei der behaupteten Versöhnung um eine "Zwangsversöhnung" handele und die Ehefrau unmittelbar nach gemeinsamer Unterbringung erneut darum bitten werde, vom Antragsteller getrennt zu werden. Auch der Schutz der übrigen Bewohner der Obdachlosenunterkunft verbiete es ihr, den Eheleuten gemeinsame Unterkunft zu gewähren. Bei seiner Einweisung am 26.3.2012 sei der Antragsteller eindringlich auf die Hausordnung und die Ahndung von Verstößen mit einem Haus- und Betretungsverbot hingewiesen worden. Dazu habe konkreter Anlass bestanden, weil es im Rahmen vorangegangener Unterbringungen des Antragstellers zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen sei. Auch im Übrigen sei der Antragsteller als gewaltbereit bekannt. Es fehle ihm an der erforderlichen Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg. Dabei geht die Kammer davon aus, dass das Begehren des Antragstellers darauf gerichtet ist, unter vorläufiger Aussetzung des Hausverbots (erneut) in eine Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin in möglichst großer räumlicher Nähe zu seiner Ehefrau eingewiesen zu werden. Dabei ist die Kammer nicht an den Wortlaut der bislang formulierten Anträge gebunden, sondern hat das Rechtsschutzbegehren interessenkonform auszulegen. Dahinter tritt das formulierte formelle Stufenverhältnis von Haupt- und Hilfsantrag zurück. Ein ausdrücklich auf Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft mit seiner Ehefrau gerichtetes Begehren hat die Kammer dem Vortrag des Antragstellers indes nicht entnommen.
Das auf vorläufige Zuweisung einer solchen Obdachlosenunterkunft gerichtete Begehren beurteilt sich nach § 123 VwGO; insoweit hat der Antragsteller Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Soweit er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen das Hausverbot begehrt, ist § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig. Danach kann das Gericht aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen oder wiederherstellen.
Ermächtigungsgrundlage für das gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Hausverbot ist das Hausrecht, das als notwendiger Annex zur öffentlich-rechtlichen Sachkompetenz einer Behörde von deren Leiter kraft der ihm zustehenden Organisationsgewalt zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs ausgeübt wird. Der Ausspruch eines Hausverbots hat insoweit einen präventiven Charakter als es darauf abzielt, künftige Störungen des Betriebsablaufs in der Behörde oder öffentlichen Einrichtung zu vermeiden und dient dem öffentlichen Interesse an der unbeeinträchtigten Funktionsfähigkeit der Behörde bzw. Einrichtung. Dabei dient die Sicherstellung des ungestörten Ablaufs des Betriebs zugleich der Wahrung der Rechte von Mitarbeitern wie auch der übrigen "Kunden", d.h. der die Behörde oder Einrichtung tatsächlich oder potentiell in Anspruch nehmenden Menschen, deren Rechte den Rechten des von einem Hausverbot Betroffenen regelmäßig nicht nachstehen.
Ausweislich der Satzung der Antragsgegnerin über die Benutzung der Obdachlosenunterkünfte vom 9.12.2009 werden die im Hausverbot angeführten Obdachlosenunterkünfte zweier benachbarter Häuser in Form unselbständiger Anstalten des öffentlichen Rechts geführt (§ 1 Abs. 1). Alle dem Satzungszweck entsprechend genutzten Unterkünfte sind Teil einer öffentlichen Einrichtung (§ 1 Abs. 2), die der Unterbringung von Obdach- und Wohnungslosen dient (§ 2); das Benutzungsverhältnis ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet (§ 3 Abs. 1 S. 1). Das von der Antragsgegnerin in Wahrnehmung der ihr für diese öffentliche Einrichtung zustehenden Organisationsgewalt verhängte Hausverbot beruht somit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Die Organisation eines störungsfreien Dienstbetriebs und damit auch die Befugnis, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, gehört zu den laufenden Geschäften der Verwaltung, die vom Hauptverwaltungsbeamten der Antragsgegnerin und der ihm nachgeordneten Verwaltung wahrgenommen werden (§ 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 NKomVG).
Ein Hausverbot muss auf einer Tatsachengrundlage beruhen, die die Prognose trägt, das künftig mit Störungen gerechnet werden muss, zu deren Verhinderung das Hausverbot notwendig ist. Dies erfordert dementsprechend grundsätzlich, dass der Betroffene in der vorangegangenen Zeit den Hausfrieden gestört hat und einer zu erwartenden Wiederholung derartiger Störungen mit einem Hausverbot wirksam begegnet werden kann. Allerdings muss die Behörde / Einrichtung auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Menschen zurechtkommen und diese ihr Anliegen verfolgen lassen und kann nicht sogleich auf ein Hausverbot zurückgreifen. Diese Möglichkeit ist regelmäßig erst eröffnet, wenn der Dienstbetrieb insbesondere durch beleidigendes, bedrohendes oder aggressives Verhalten nachhaltig gestört wird (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 1.8.2011 - 21 L 1077/11 -, m.w.N., juris). Dabei ist insbesondere Charakter und Eigenart der jeweiligen Behörde oder Einrichtung bzw. der von dieser jeweils wahrzunehmenden Aufgabe und den daraus resultierenden Bezügen zu dem in Betracht zu ziehenden Kreis betroffener Menschen nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, wobei auch zu berücksichtigen ist, inwieweit die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe durch die Verhängung eines Hausverbots gefördert oder auch beeinträchtigt wird.
Dementsprechend sind vorliegend die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten der von der Antragsgegnerin wahrgenommenen Aufgabe der Obdachlosenunterbringung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Hausverbots maßgeblich einzubeziehen, denn die Antragsgegnerin hat im Rahmen der ihr obliegenden Aufgabe der Gefahrenabwehr einem von ihr zunächst untergebrachten Obdachlosen unter Aufhebung seiner Einweisung ein Hausverbot für alle von ihr nach § 1 Abs. 1 ihrer Satzung vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte erteilt.
Die Antragsgegnerin ist gemäß § 97 Abs. 1 Nds. SOG die zur Gefahrenabwehr berufene Behörde. Sie ist grundsätzlich auf ihren Bezirk, somit ihr Stadtgebiet, beschränkt (§ 100 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG). Örtlich zuständig ist sie, soweit in ihrem Stadtgebiet die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden (Art. 100 Abs. 1 S. 2 Nds. SOG). Insoweit hat sie gemäß § 11 Nds. SOG nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine - konkrete - Gefahr, d.h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird (§ 2 Nr. 1 lit. a) Nds. SOG), abzuwehren.
Der Zustand unfreiwilliger Obdachlosigkeit wird im Hinblick auf die damit typischerweise verbundene Gefährdung insbesondere von Gesundheit und Leben, d.h. der körperlichen Integrität des Obdachlosen, als eine Störung der öffentlichen Sicherheit angesehen. Im Rahmen ihrer Aufgabe zur Gefahrenabwehr hat die Antragsgegnerin daher die unfreiwillige Obdachlosigkeit in ihrem Stadtgebiet nach pflichtgemäßem Ermessen zu beseitigen. Sie hat in Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 4 Nds. SOG) insbesondere unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen. Insoweit ist sie regelmäßig nur verpflichtet, zur Behebung der unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben des Obdachlosen eine den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügende vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen, wobei dem Obdachlosen grundsätzlich kein Auswahlrecht unter den bereitgehaltenen Unterkünften zusteht.
Nach gegenwärtiger Erkenntnislage ist der Antragsteller bereits am 22.8.2011 im Wege der Zwangsräumung aus einer im Stadtgebiet der Antragsgegnerin gelegenen gemeinsamen Wohnung mit der Ehefrau obdachlos geworden. Nach seiner eigenen Einlassung gegenüber der Antragsgegnerin hat er die Zwangsräumung seiner Ehefrau abwartend wohl keine anderweitige Unterkunft gefunden, sondern ist - wie es der Antragsteller am 26.3.2012 selbst formuliert hat - "mal hier mal da untergekommen". Dementsprechend hat er am Tag der Zwangsräumung seiner Ehefrau mit dieser gemeinsam die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft von der Antragsgegnerin begehrt, die ihrerseits die Obdachlosigkeit auch des Antragstellers nicht in Frage gestellt, sondern beide gemeinsam in ihre Obdachlosenunterkunft eingewiesen hat. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller entgegen seinem Vorbringen nicht obdachlos war bzw. ist, weil er über eine anderweitige ausreichende Unterkunft verfügt, sind nicht erkennbar. In gleicher Weise ist nicht erkennbar, dass die örtliche Zuständigkeit einer anderen Gefahrenabwehrbehörde begründet gewesen oder zwischenzeitlich begründet worden wäre. Vielmehr entstand und besteht die Obdachlosigkeit des Antragstellers im Gebiet der Antragsgegnerin, von der der Antragsteller nach eigener Aufenthaltsbestimmung die Unterbringung begehrt, so dass die Zuständigkeit der Antragsgegnerin zur Beseitigung seiner Obdachlosigkeit anzunehmen ist.
Der Umstand, dass sich der Antragsteller seit Verhängung des Hausverbots nach eigener Einlassung bis zur Erschöpfung seiner finanziellen Möglichkeiten mit gewerblichen Unterkünften beholfen hat, bevor er um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchte, widerspricht nicht durchgreifend der Annahme (weiterhin) bestehender Obdachlosigkeit, denn für eine anhaltende Lösung des Wohnungsproblems des Antragstellers und seiner Ehefrau ist nichts ersichtlich. Auch die wohl andauernde Nichtannahme der unter gerichtlicher Vermittlung von der Antragsgegnerin für die Dauer des Eilverfahrens angebotenen Zwischenlösung - nämlich einer vorübergehenden Unterbringung des Antragstellers in einer Obdachlosenunterkunft einer benachbarten Kommune - durch den Antragsteller, lässt dessen Obdachlosigkeit vorliegend nach derzeitiger Würdigung durch die Kammer nicht entfallen. Insbesondere lässt dies nicht den Schluss auf eine nunmehrige Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit zu, da für dieses Verhalten und die von ihm auf das Gebiet der Antragsgegnerin begrenzte Aufenthaltsbestimmung - soweit für die Kammer ersichtlich - insbesondere der Wunsch bestimmend ist, wieder mit seiner Ehefrau zusammen zu leben und zu wohnen.
Die der Antragsgegnerin im öffentlichen Interesse obliegende Aufgabe, die mit einer Obdachlosigkeit des Antragstellers - wie auch seiner Ehefrau - verbundenen Gefahren zu bekämpfen, diesem mithin eine menschenwürdige Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen, besteht nach derzeitiger Einschätzung der Kammer auch fort, insbesondere dürfte ihr nicht eine anhaltende fehlende Unterbringungsfähigkeit und Unterbringungswilligkeit des Antragstellers (vgl. VG München, B. v. 24.10.2002 - M 22 E 02.2459 u.a.; zust. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage, Abschnitt F Rn. 815) entgegenstehen.
Nach Maßgabe der Verwaltungsvorgänge hat der Antragsteller entsprechend dem Vorbringen der Antragsgegnerin in der Nacht vom 28. auf den 29. März die Ordnung in der Obdachlosenunterkunft und deren Betrieb intensiv und nachhaltig gestört. Seine verbalen Ausfälle und Beleidigungen von Mitarbeitern, die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Sachen, die vorgenommenen Beschädigungen bis hin zur erheblichen Störung und Belästigung der übrigen in der Einrichtung untergebrachten Personen erforderten fraglos ein Einschreiten der Antragsgegnerin, die eine Wiederholung derartiger Verhaltensweisen des Antragstellers insbesondere auch angesichts dessen bekannten Lebenswandels im Übrigen einerseits befürchten und andererseits wirksam verhindern musste. Dabei war von ihr auch einzubeziehen, dass der Antragsteller außerhalb der Obdachlosenunterbringung bereits wiederholt der Gewaltanwendung gegenüber seiner Ehefrau wie auch gegenüber Dritten zumindest erheblich verdächtig war und sein Auftreten insgesamt zu entsprechenden Befürchtungen Anlass gab. Zudem war gerade der Wunsch seiner Ehefrau, nicht weiter mit ihm zusammen wohnen zu müssen, der Auslöser für die Umsetzung des Antragstellers und dessen dadurch ausgelöste Fehlreaktion gewesen.
Auch bei Berücksichtigung dieser Vorfälle fehlt es jedoch nach Würdigung der Kammer noch nicht an einer Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers, auch wenn die im Übrigen hinsichtlich des Antragstellers bislang anzunehmenden Umstände, insbesondere seine Neigung zu Gewalt und Alkohol, seine Unterbringung in jedweder Wohnung aufgrund einer damit einhergehenden sozialen Unverträglichkeit und deshalb zu befürchtender sozialer Konflikte schwierig gestalten. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich in Obdachlosenunterkünften aufgrund der gesellschaftlichen Gegebenheiten in nicht unerheblichem Maße soziale Problemfälle sammeln, die einerseits die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe besonders anspruchsvoll machen, aber andererseits auch die Grenze des unter den Bewohnern der Unterkunft wechselseitig notwendig Hinzunehmenden im Vergleich zu einem durchschnittlichen bürgerlichen Wohnumfeld verschieben, ohne dass damit indes die Berechtigung der Antragsgegnerin, für Ordnung auch innerhalb ihrer Obdachlosenunterkünfte zu sorgen, nachhaltig beschränkt wäre. Auch die Belange der Ehefrau des Antragstellers, die die Antragsgegnerin zum Anlass der Umsetzung genommen hatte, sind nach den bislang bekannten Umständen maßgeblich zu relativieren. Zwar besteht Grund zu der Annahme, dass es bereits in der Vergangenheit wiederholt Probleme mit sog. häuslicher Gewalt gegeben hat, doch haben die Eheleute stets wieder zusammen gefunden, wie sie sich wohl auch unmittelbar nach den maßgeblichen Vorfällen wieder versöhnt haben sollen. Die Vermutung der Antragsgegnerin, dass der Wille zum Zusammenleben einseitig vom Kläger ausgehe und nicht auszuschließen sei, dass es sich bei der behaupteten Versöhnung um eine "Zwangsversöhnung" handele, ist bislang nicht anhand greifbarer Tatsachen substantiiert, insbesondere hat die Antragsgegnerin die von ihr mit gerichtlicher Verfügung vom 23.4.2012 erbetene Stellungnahme der Ehefrau des Antragstellers nicht beigebracht. Dementsprechend sind auch die Auswirkungen des Grundrechts der Eheleute aus Art. 6 Abs. 1 GG im Rahmen der gebotenen Abwägung zugunsten des Antragstellers in Betracht zu ziehen, ohne dass das vorliegende Verfahren dazu nötigte, Bedeutung und Reichweite dieses Grundrechts im Rahmen der ordnungsrechtlich determinierten Obdachlosenunterbringung auszuloten. Hier genügt die Feststellung, dass die von Art. 6 Abs. 1 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellte Ehe auch im Rahmen der Obdachlosenunterbringung von Eheleuten jedenfalls nicht ohne zureichenden sachlichen Grund rechtlich oder tatsächlich beeinträchtigt werden darf, ohne dass damit notwendig ein Rechtsanspruch obdachloser Eheleute auf Zuweisung einer gemeinsamen Obdachlosenunterkunft begründet wäre.
Ist mithin im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass es (noch) nicht an der Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers fehlt, so ist die Antragsgegnerin einerseits verpflichtet, die mit einer Obdachlosigkeit des Antragstellers verbundenen Gefahren durch Zuweisung einer menschenwürdigen Unterkunft zu beseitigen. Andererseits lässt sich das Hausverbot jedenfalls solange nicht einschränkungslos aufrecht erhalten, wie die Antragsgegnerin neben den beiden im Hausverbot aufgeführten benachbarten Gebäuden erklärtermaßen über keine weiteren Obdachlosenunterkünfte verfügt, die ihr eine Unterbringung des Antragstellers ermöglichten. Zudem ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Zwar mag das hinsichtlich seiner Dauer uneingeschränkt für beide benachbarten Häuser und damit für sämtliche von der Antragsgegnerin vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte ausgesprochene Hausverbot geeignet sein, vom Antragsteller ausgehende Störungen des Betriebs der Unterkünfte künftig zu vermeiden. Auch kann man ein umfassendes Hausverbot insoweit als erforderlich ansehen, als ein anderes, milderes, aber gleichermaßen geeignetes Mittel fehlt, den Antragsteller von einer erneuten Störung abzuhalten. Jedoch ist ein solches alle Obdachlosenunterkünfte umfassendes, zeitlich unbeschränktes Hausverbot nicht mit dem ebenfalls im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurzelnden Erfordernis der Angemessenheit der Maßnahme vereinbar. Bei der vorliegend bejahten Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit des Antragstellers war ein zeitlich befristetes Hausverbot zur Einwirkung auf den Antragsteller als Reaktion auf dessen erhebliches, aber - soweit ersichtlich - erstmaliges Fehlverhalten in einer Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin angebracht, so dass dem Antragsteller unter Wahrung seines Aufenthaltsbestimmungsrechts wie auch seines Wunsches auf Aufrechterhaltung der ehelichen Beziehung die Perspektive einer weiteren Unterbringung am Ort gewahrt blieb. Bei Würdigung der bislang bekannten Gesamtumstände dürfte eine diesbezügliche Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin die Monatsfrist nicht maßgeblich überschreiten. Die im Hausverbot ausgesprochene, voraussetzungslos geregelte Möglichkeit eines Widerrufs bringt eine inhaltsleere Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, die weder die rechtlichen und tatsächlichen Wirkungen des ausgesprochenen Hausverbots begrenzt noch dem Antragsteller eine erkennbare Perspektive eröffnet. Damit allein ist dem Gebot der Angemessenheit nicht Rechnung getragen. Zudem fragt sich, ob ein beide Häuser umfassendes Hausverbot erforderlich und angemessen ist, insbesondere da sich die Antragsgegnerin mit einem solchen alle zur Verfügung stehenden Obdachlosenunterkünfte umfassenden Hausverbot sehenden Auges der Möglichkeit beraubte, ihrer Gefahrenabwehraufgabe durch Unterbringung des Antragstellers nachzukommen. Insoweit kam eine Beschränkung des Hausverbots auf das Gebäude zur Unterbringung der Ehefrau in Betracht, so dass dem Antragsteller im Nachbargebäude Unterkunft hätte gewährt werden können. Dies hätte den Eheleuten zudem eine weitergehende Aufrechterhaltung ihrer ehelichen Gemeinschaft ermöglicht, ohne der Ehefrau die Rückzugsmöglichkeit in eine eigene geschützte Umgebung zu nehmen. Dabei verkennt die Kammer nicht die gesteigerten Probleme, die Einhaltung eines in dieser Weise räumlich beschränkten Hausverbots zu überprüfen und durchzusetzen, doch rechtfertigen diese im Zuschnitt der von der Antragsgegnerin vorgehaltenen Obdachlosenunterkünfte begründeten tatsächlichen Schwierigkeiten es voraussichtlich nicht, den Antragsteller wie geschehen vollkommen von der Unterbringung auszuschließen. Im vorliegenden Verfahren genügt es indes festzustellen, dass die weitere Aufrechterhaltung des Hausverbots rechtswidrig sein dürfte, so dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung angezeigt ist. ..."
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Von einem im Wohnungsbereich tätigen gewerblichen Unternehmer ist im Fall der Beschlagnahme einer Wohnung zum Zwecke der Obdachloseneinweisung zu verlangen, daß gegebenenfalls durch eigene Anstrengungen nachgewiesen wird, daß anderweitiger Wohnraum zur Verfügung steht, in den obdachlose Personen eingewiesen werden können (VG Frankfurt, Entscheidung vom 28.11.1989 - V/V H 2820/89).
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§ 2 Aufgabenabgrenzung
Die Ordnungsbehörden (allgemeine Ordnungsbehörden, Sonderordnungsbehörden) und die Polizeibehörden werden in Erfüllung der Aufgaben der Gefahrenabwehr außer in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 nur tätig, soweit die Abwehr der Gefahr durch andere Behörden, die Aufgaben der Gefahrenabwehr zu erfüllen haben, nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Die sonstigen Aufgaben der Gefahrenabwehr sind allgemeine Verwaltungsaufgaben. Sie sind von den Landkreisen und Gemeinden zu erfüllen, soweit nicht die Zuständigkeit einer Behörde der Landesverwaltung durch Rechtsvorschrift begründet ist.
§ 3 Geltungsbereich
(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden Anwendung bei der Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr und weiterer Aufgaben nach § 1. Vorschriften des Bundes- oder des Landesrechts, in denen die Gefahrenabwehr und die weiteren Aufgaben besonders geregelt sind, gehen diesem Gesetz vor. Soweit die besonderen Rechtsvorschriften keine abschließenden Regelungen enthalten, ist dieses Gesetz ergänzend anzuwenden.
(2) Bei der Gefahrenabwehr sowie bei der Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind die Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden.
(3) Bei der Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind die Vorschriften der §§ 55 bis 62 über die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges anzuwenden, soweit die Strafprozessordnung keine abschließenden Regelungen enthält.
Leitsätze/Entscheidungen:
Der Bauaufsichtsbehörde obliegt es, nach pflichtgemäßer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob sie von ihrer Befugnis, gegen eine ungenehmigte Nutzung oder ungenehmigte Veränderungen einzuschreiten, Gebrauch macht, wie sie davon Gebrauch macht und gegen wen sie vorgeht, wenn mehrere Personen für die ungenehmigte Nutzung oder Veränderung verantwortlich sind. Das kann gemäß §§ 3 Abs. 1, 6 HSOG derjenige sein, der die Anlage formell rechtswidrig nutzt bzw. die Veränderungen formell rechtswidrig vorgenommen hat (Verhaltensstörer), oder der Eigentümer, der für den Zustand des Grundstücks und des Gebäudes verantwortlich ist (Zustandsstörer gemäß §§ 3 Abs. 1, 7 HSOG). Gegen wen die Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall vorgeht, liegt in ihrem Auswahlermessen. Dies gilt auch für den Fall, dass als Gefahrenabwehrmaßnahme die Verpflichtung ausgesprochen wird, Bauvorlagen einzureichen (so auch Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2002, Art. 83 Rdnr. 314; VGH Hessen, Beschluss vom 14.03.2003 - 9 TG 2894/02).
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§ 4 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen haben die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden diejenigen Maßnahmen zu treffen, die die einzelne Person und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.
(2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.
(3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.
Leitsätze/Entscheidungen:
Im Abschiebungsverfahren ist die Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung zum Zwecke der Auffindung von Ausweispapieren nur dann zulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer solche Dokumente tatsächlich besitzt (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.07.2006 - 20 W 181/06 zu Art. 13 Abs. 1 GG, §§ 4, 38 Abs. 1, 39 Abs. 1, 47 Abs. 5 HSOG, § 12 FGG):
... I. Nachdem der Asylantrag des Betroffenen rechtskräftig abgelehnt worden und die gegen ihn ergangene Abschiebungsandrohung seit 6. Dezember 2005 vollziehbar war, forderte der Antragsteller den Betroffenen mit Verfügung vom 27. Januar 2006 unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung bis zum 8. Februar 2006 zur Klärung seiner ausländerrechtlichen Situation zur Vorsprache bei der Ausländerbehörde und Vorlage von Passbildern, eines Flugtickets zur beabsichtigten Ausreise sowie eines Passes oder Nachweises über dessen Beantragung auf. Der Bevollmächtigte des Betroffenen beantragte daraufhin unter dem 1. Februar 2006 die Erteilung einer Duldung, da eine Abschiebung derzeit wegen Passlosigkeit unmöglich sei.
Auf Antrag des Antragstellers ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 2. Februar 2006 die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen zum Zwecke seiner Ergreifung und Auffinden seiner Ausweispapiere an und führte zur Begründung aus, es sei zu befürchten, dass der Betroffene Deutschland nicht freiwillig verlassen, sich seiner beabsichtigten Abschiebung nicht stellen und den Beamten den Zutritt zu seiner Wohnung verweigern werde, so dass die angeordnete Maßnahme zur Sicherung der Vollziehung der Abschiebung als geeignetes Mittel erforderlich sei.
Die Durchsuchung wurde am 14. Februar 2006 vollzogen. Dabei wurde ein Pass des nicht angetroffenen Betroffenen, der sich nach Angaben seines Bruders überwiegend bei seiner Freundin in O1 aufhalten soll, nicht aufgefunden.
Der Betroffene legte am 15. Februar 2006 gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 2. Februar 2006 Beschwerde ein, der die Amtsrichterin mit der Begründung, es stehe nicht fest, dass der Betroffene nicht über einen Pass verfüge, nicht abhalf.
Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 27. April 2006 zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, da der Betroffene der mit Verfügung vom 27. Januar 2006 angeordneten Vorlage von Pass oder Reisedokumenten bzw. eines Nachweises über deren Beantragung nicht nachgekommen sei, sei die Wohnungsdurchsuchung zur Überprüfung der Angabe des Betroffenen, nicht über einen Pass oder entsprechende Ersatzpapiere zu verfügen, zulässig gewesen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der weiteren Beschwerde, mit der er insbesondere geltend macht, es hätten keinerlei Verdachtsmomente dafür vorgelegen, dass er entgegen seinen bisherigen wiederholten Angaben im Besitze eines Passes gewesen sei.
II. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 19 , 20 , 27 FGG i. V. m. §§ 38 HSOG statthaft. Insbesondere erweist sich das Rechtsmittel auch nach der Vollziehung der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen noch als zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass im Hinblick auf die Schwere des mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG der Betroffene nicht nur im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, sondern auch bei nach Polizei- und Ordnungsrecht angeordneten Durchsuchungen nach deren Vollstreckung ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse hat, das sich nunmehr auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der gerichtlich angeordneten Maßnahme richtet (vgl. BVerfG Beschluss vom 19. Juni 1997, StV 1997, 505).
Das zulässige Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht ( §§ 27 Abs. 1 FGG , 546 ZPO ).
Nach §§ 47 Abs. 5, 39 Abs. 1, 38 Abs. 1 HSOG darf das Amtsgericht die Durchsuchung einer Wohnung anordnen, soweit es der Zweck der zwangsweisen Durchsetzung eines ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Verwaltungsaktes erfordert. Dabei soll der auf Art. 13 Abs. 2 GG beruhende Richtervorbehalt eine vorbeugende Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffes gewährleisten (BVerfG NJW 2002, 1333). Dies erfordert eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Amtsrichter, ob die im Antrag behaupteten Voraussetzungen erfüllt sind und unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechtes und des in § 4 HSOG konkretisierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Durchsuchungsanordnung rechtfertigen. Des weiteren bedarf es auch im Falle einer auf Polizei- und Ordnungsrecht beruhenden Durchsuchungsanordnung einer hinreichend konkreten Begründung, die geeignet ist, eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG NJW 2002, 1941 und zuletzt Beschluss vom 3. Juli 2006 - 2 BvR 2030/04 - dok. bei Juris jeweils zur strafrechtlichen Durchsuchung). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung kann es dabei nur auf den Sachverhalt ankommen, der für den Amtsrichter zum Zeitpunkt seiner Entscheidung - gegebenenfalls nach Durchführung der möglichen und nach § 12 FGG erforderlichen Ermittlungen - erkennbar war ( vgl. BVerfG NJW 2003, 1513 [BVerfG 18.12.2002 - 2 BvR 1910/02] ; OLG Hamm Beschluss vom 27. Mai 2004 - 15 W 307/03 - dok. bei Juris).
Danach erweist sich die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung im Beschluss vom 2. Februar 2006 als rechtsfehlerhaft. Soweit das Landgericht auf die zwangsweise Durchsetzung der mit Verfügung vom 27. Januar 2006 angeordneten Vorlage des Passes oder Nachweises über deren Beantragung verwiesen hat, wird bereits verkannt, dass dem Betroffenen in dieser Verfügung eine Frist bis zum 8. Februar 2006 gesetzt worden war, so dass es zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung bereits aus diesem Grund offensichtlich an einer Vollziehbarkeit fehlte.
Soweit die Vorinstanzen zur Rechtfertigung der Durchsuchung auf die Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise im Wege der Abschiebung abgestellt haben, steht dem entgegen, dass keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Betroffene im Besitz eines für seine Abschiebung benötigten iranischen Passes ist und sich dieser in der Wohnung befand.
Zwar ist in einer Mitteilung der Ausländerbehörde an den Sicherheits- und Ordnungsdienst - AG Ausländer- (Bl. 136) vermerkt, der Pass des Betroffenen müsse sich in dessen Besitz befinden, dies solle überprüft und gegebenenfalls der Pass sichergestellt werden. Diese Annahme der Ausländerbehörde findet jedoch in der vorgelegten Akte keine Stütze. Vielmehr hat der Betroffene stets behauptet, keinen Reisepass zu besitzen und mit einem gefälschten türkischen Reisepass, den ihm der Schlepper anschließend abgenommen habe, in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Bezüglich der in der Akte befindlichen Passkopie hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei ausweislich des Inhaltes und des Passbildes gerade nicht um einen Ausweis des Betroffenen, sondern um den iranischen Nationalpass des Onkels des Betroffenen handelt, der als Kopie zur Akte genommen wurde, als dieser bei der Ausländerbehörde des Landkreises ... im Rahmen einer psychiatrischen Untersuchung des Betroffenen entsprechend seiner zuvor bekundeten Bereitschaft als Dolmetscher fungierte.
Soweit das Amtsgericht in seinem Beschluss ausgeführt hat, mehrere Versuche zur Festnahme des unter der angegebenen Adresse wohnhaften und amtlich gemeldeten Betroffenen seien gescheitert, lässt sich dies aus der vorgelegten Akte nicht entnehmen.
Auch die in der Nichtabhilfeentscheidung der Amtsrichterin angegebene Begründung, es stehe keinesfalls fest, dass der Betroffene nicht über einen Pass verfügte, reicht zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffes der Wohnungsdurchsuchung nicht aus. Vielmehr hätte in der Durchsuchungsanordnung dargelegt werden müssen, worauf sich die Annahme stützt, es bestehe der begründete Verdacht, dass der Betroffene entgegen seinen Angaben noch im Besitz von Ausweispapieren sei.
Ob und welche weiteren Angaben zur Erlangung des Durchsuchungsbeschlusses beim Amtsgericht seitens der Antragstellerin gemacht wurden, kann nicht festgestellt werden, da sich ein solcher Antrag nicht in der Akte befindet.
Des Weiteren lässt sich die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung auch nicht allein mit der Erwägung des Landgerichts rechtfertigen, nachdem der Betroffene der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen sei, bestehe für die Ausländerbehörde ein Anlass, dessen Angabe, nicht über einen Pass zu verfügen, im Wege einer Wohnungsdurchsuchung zu überprüfen. ..."
*** (VG)
Es erscheint unverhältnismäßig, wenn eine Landesverordnung über das Halten und Führen von Hunden das Führen eines als gefährlich geltenden, gelisteten Hundes ausnahmslos verbietet, wenn dieser Hund in einem anderen Bundesland gehalten wird und dort nicht als gefährlicher Hund gilt, so dass der Halter eine Haltererlaubnis auch nicht erhalten kann (VG Kassel, Beschluss vom 08.09.2011 - 4 L 1020/11.KS).
***
Zur Rechtswidrigkeit eines Nutzungsverbots mit Sofortvollzug für eine Mobilfunksendeanlage (VG Gießen, Beschluss vom 18.06.2002 - 1 G 1689/02).
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Die Anordnung eines Platzverweises i.S. des § 31 HessSOG ist nur vorübergehend rechtlich zulässig. Längere Aufenthaltsverbote können nicht auf die Befugnisnorm des § 31 HessSOG gesützt werden. Ein Aufenthaltsverbot kann nach hessischem Landesrecht nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 11 HessSOG ausgesprochen werden. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit eines ausgesprochenen Aufenthaltsverbots (VG Frankfurt, Urteil vom 21.02.2002 - 5 E 4962/01 (V)).
§ 5 Ermessen, Wahl der Mittel
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden treffen ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen.
(2) Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Der betroffenen Person ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes, ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine "Nacht-Tanz-Demo", mit der auch bestimmte kulturpolitische Ziele verfolgt werden, genießt den verfassungsrechtlichen Schutz der Versammlungsfreiheit i.S. des Art. 8 I GG. Eine gem. § 15 VersG erlassene Auflage, die für die Durchführung einer von 22 bis 4 Uhr in der Frühe angemeldeten und zum Teil durch Mischgebiete führenden "NachtTanz-Demo" bestimmt, dass bei allen mitgeführten und betriebenen Verstärkeranlagen die abgestrahlte Lautstärke auf 85 db (A) Einwirkungswert zu begrenzen ist, trägt dem gem. Art. 2 III 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Ruhebedürfnis der Anwohner der Demonstrationsroute nicht in gebührender Weise Rechnung. Zur Anwendung der TALärm im Versammlungsrecht (VG Frankfurt, Beschluss vom 28.02.2001 - 5 G 4360/00 (3)).
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§ 6 Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen
(1) Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen diese Person zu richten.
(2) Ist die Person noch nicht vierzehn Jahre alt, so können die Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die zur Aufsicht über sie verpflichtet ist. Ist für die Person eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt, so können die Maßnahmen auch gegen die Betreuerin oder den Betreuer im Rahmen des jeweiligen Aufgabenkreises gerichtet werden.
(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, die Gefahr in Ausführung der Verrichtung, so können Maßnahmen auch gegen diejenige Person gerichtet werden, die die andere Person zu der Verrichtung bestellt hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Mit der Zug um Zug gegen die Herausgabe eines abgeschleppten Fahrzeugs nach § 43 Abs.3 Sätze 4 und 5 HSOG getätigten Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten leistet der Abholberechtigte auch dann auf die späterhin durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostenschuld, wenn nicht er, sondern eine andere Person der oder die Kostenverantwortliche ist (VGH Hessen, Beschluss vom 20.09.2006 - 11 UE 2545/05 zu BGB §§ 116, 267, § 812 Abs. 1, HSOG §§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, 43 Abs. 3, § 49 Abs. 1):
... Der Kläger begehrt die Rückzahlung von ihm bezahlter Kosten und Auslagen für das Abschleppen seines Kraftfahrzeugs in Höhe von 119,- EUR sowie eine Kostenlastenentscheidung, aufgrund derer ihm die anlässlich des Widerspruchsverfahrens (Nr. 7/409/03) gegen die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 33,35 EUR erstattet werden.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Ergehen des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt wird gem. § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 30. Juni 2005 das Klagebegehren wegen zwischenzeitlich eingetretener Erledigung insoweit abgewiesen, als es auf die Erstattung der durch das Widerspruchsverfahren verursachten Kosten gerichtet war. Im Übrigen hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozent, genauer: fünf Prozentpunkten, über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2004 zu zahlen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Kläger einen öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung der von ihm bei Abholung des Fahrzeugs im Voraus entrichteten Abschleppkosten habe. Eine Rechtsgrundlage für das Behalten des Kostenbetrages sei nicht vorhanden, nachdem der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid wegen nicht gegebener Kostenverantwortlichkeit aufgehoben worden sei. § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG würde insoweit ebenso keine Rechtsgrundlage bieten. Schließlich hätte der Kläger auch nicht gemäß § 267 BGB auf die Schuld einer anderen Person, nämlich der Fahrerin des verbotswidrig geparkten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 30. Juni 2005 - Az. 5 E 2374/04) Fahrzeugs geleistet. Voraussetzung für die Annahme einer Leistung zu Gunsten der Schuld eines Dritten sei, dass der Dritte mit für den Gläubiger erkennbarem Fremdtilgungswillen leiste. Da einem Schweigen im Rechtsverkehr keine Bedeutung zukomme, fehle es vorliegend an dem Nachweis eines Fremdtilgungswillens. Allein aus dem Umstand, dass der Fahrzeugabholer, hier der Kläger, die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme entrichte, weil ansonsten das Fahrzeug nicht herausgegeben würde, lasse sich kein Fremdtilgungswille schließen. Der Zinsanspruch folge aus dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 BGB.
Zur Begründung der gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil von der Beklagten im Umfang ihrer Beschwer erhobenen und vom Senat mit Beschluss vom 30. September 2005 (Az. 11 UZ 2192/05) zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nach § 43 Abs. 3 Sätze 4, 5 HSOG befugt gewesen sei, die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs von der Zahlung der voraussichtlichen Sicherstellungskosten abhängig zu machen und das beauftragte Abschleppunternehmen zu ermächtigen, die Zahlung dieser Kosten in Empfang zu nehmen. Die Zahlung, die der Kläger zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeugs am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen geleistet habe, sei eine Zahlung für denjenigen gewesen, der sich als heranzuziehender Kostenverantwortlicher erweisen würde. Weil er auf der Zahlungsquittung keinen Vorbehalt vermerkt habe, wonach er die Leistung nur für den Fall erbringen würde, dass er selbst als Kostenverantwortlicher festgestellt würde, habe der Kläger daher am 30. April 2003 die Kosten vorgeschossen, die die Beklagte später gegen die Fahrerin des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs als Kostenschuldnerin festgesetzt habe. Der gegen sie ergangene Kostenbescheid enthalte dementsprechend die Mitteilung, dass die Kostenschuld bereits beglichen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger diese Tilgungsbestimmung auf die für ihn fremde Schuld nicht ausdrücklich erklärt habe. Denn maßgeblich sei insofern nicht sein innerer Wille, sondern der Empfängerhorizont, wie also das Abschleppunternehmen als Empfangsbote der Beklagten und somit die Beklagte das Verhalten des Klägers hätte verstehen dürfen. Sein Verhalten sei demnach als Zahlung für den Kostenverantwortlichen zu verstehen, wer immer dies auch sei. Wenn die Beklagte, wie vorliegend, noch keine Kenntnis davon haben könne, wer der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs sei, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht für den Kostenverantwortlichen erfolgt sei. Ein stillschweigender Vorbehalt des Abholberechtigten, wie hier des Klägers, die Abschleppkosten nicht für diejenige dritte Person auszulegen, die das Fahrzeug gefahren und daher die Kosten zu tragen habe, sei unbeachtlich. Der Zahlungsempfänger müsse nicht damit rechnen, dass der Abholer nicht wisse, ob er der Fahrer gewesen sei. Vielmehr wisse der Abholberechtigte stets, wenn er nicht der Fahrer gewesen sei. Für diesen Fall könne erwartet werden, dass er einen Vorbehalt, nicht auf die Kostenschuld des Fahrers zu leisten, ausdrücklich erkläre. Ein anderes Ergebnis würde dem Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG widersprechen. Die dadurch für den Abholberechtigten eintretenden Folgen seien auch nicht unbillig. Zwar würde die Erklärung eines ausdrücklichen Vorbehalts die Unbequemlichkeit nach sich ziehen, vor Herausgabe des Wagens eine Zahlung durch den Fahrzeugführer veranlasst haben zu müssen. Jedoch stelle es andererseits keine unzumutbare Belastung für einen abholberechtigten Fahrzeughalter dar, zur Vermeidung dieser Unbequemlichkeit die Abschleppkosten vorzustrecken und sodann beim Fahrzeugführer um Ausgleich nachzusuchen. In vorliegendem Fall stünde der aus Empfängersicht anzunehmenden Bestimmung, die Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten sei personenunabhängig für den Kostenverantwortlichen erfolgt, auch nicht entgegen, dass der Kläger späterhin, im Widerspruchsverfahren gegen die Abschleppmaßnahme, die Person, die den Wagen gefahren sei, benannt und daher die Rückerstattung der von ihm beglichenen Kosten verlangt habe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 - 5 E 481/04 (3) - die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr die Zahlung von 119,- EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 an den Kläger begehrt wird. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe keine Leistung auf fremde Schuld erbracht. Vielmehr habe er zum Zeitpunkt der Zahlung an den Abschleppunternehmer eine eigene Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld geleistet. Diese Leistung habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass zum einen überhaupt eine Forderung und zum anderen diese gegen ihn tatsächlich bestanden habe. Dieser Vorbehalt könne auch stillschweigend erklärt werden. Insoweit verweist der Kläger auf die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung. Des Weiteren bestreitet er, dass der Abschleppunternehmer als Empfangsbote der Beklagten die Zahlung als Zahlung für den Kostenverantwortlichen verstehen durfte. Vielmehr dürfe es nach der Verkehrsanschauung eine übliche Annahme sein, dass der Halter eines Fahrzeugs für den - gängigen - Fall, dass er nicht der Fahrer des Fahrzeugs sei, die Abschleppkosten nicht auf die vermeintliche Schuld des Fahrzeugsführers zahle, sondern zu dem Zweck, das Fahrzeug zu erhalten. Daher könne der Abschleppunternehmer eine Zahlung auch dann nicht als Leistung auf eine fremde Schuld ansehen, wenn es an einem schriftlich fixierten Vorbehalt fehle. Dafür würden auch die häufigen Fälle in der Praxis sprechen, in denen der Halter dem Abschleppunternehmer mündlich mitteilt, wer tatsächlicher Kostenverantwortlicher sei. Doch selbst wenn angenommen werde, der Kläger habe vorliegend mangels einer ausdrücklichen Vorbehaltserklärung auf eine für ihn fremde Schuld geleistet, so sei zu berücksichtigen, dass es einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt gleichstehe, wenn die Zahlung nicht freiwillig, sondern zur Vermeidung eines drohenden Nachteils unter Druck oder Zwang, beispielsweise zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich eines dringend benötigten Gegenstandes, geleistet werde. So läge es hier: Der Kläger habe die Abschleppkosten nicht freiwillig geleistet, sondern nur deshalb, weil er sein Fahrzeug dringend benötigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO einverstanden erklärt. ...
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 zu zahlen.
Die insoweit zulässigerweise erhobene Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der 119,- EUR nebst Zinsen nicht zu. Als Grundlage des klägerischen Begehrens kommt nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dieser ist als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts auf die Rückgewährung rechtsgrundlos erlangter Leistungen gerichtet. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat die vom Kläger zurückgeforderte Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher nicht zu deren Herausgabe verpflichtet.
Allerdings scheidet der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 als möglicher Rechtsgrund der Zahlung aus. Der Bescheid wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 22. September 2003 aufgehoben, weil nicht der Kläger, sondern die von ihm benannte dritte Person als Verantwortliche für die durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten und Gebühren in Anspruch zu nehmen war. Daraus folgt jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die 119,- EUR wie gefordert zurückzuerstatten. Denn dass der Kläger diesen Betrag zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeuges am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen gezahlt hat, findet seinen rechtlichen Grund in §§ 43 Abs. 3 Sätze 4 und 5 HSOG in Verbindung mit § 267 BGB analog.
Wenn im Wege einer unmittelbaren Ausführung (§ 8 Abs. 1 HSOG) eine Sache, wie vorliegend das abgeschleppte Fahrzeug des Klägers, in Verwahrung genommen worden ist, kann gemäß § 43 Abs. 3 Sätze 3, 4 HSOG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 3 HSOG die Herausgabe der Sache von der Zahlung der voraussichtlichen Kosten abhängig gemacht werden. Bei dieser Zahlung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Leistung, die der Kostenschuldner in Person zu leisten hat. Das gesetzlich eingeräumte Recht, die Sache nur Zug um Zug gegen die Begleichung der durch die Verwahrung bzw. die Abschleppmaßnahme voraussichtlich entstandenen Kosten herauszugeben, dient allein dem Zweck, die Erfüllung des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG gegebenen und schließlich durch nachfolgenden Kostenbescheid festgesetzten Kostenersatzanspruchs sicherzustellen. Ebenso wenig wie die Tilgung dieser Kostenschuld als eine höchstpersönliche Leistungsverpflichtung qualifiziert werden kann, lassen sich dem § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG irgendwelche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nur derjenige durch die Vorauszahlung auf die Kostenschuld die Auslösung der verwahrten Sache soll erreichen können, der im konkreten Fall auch der nach § 6 oder § 7 HSOG Kostenverantwortliche ist. Die Regelungen entsprechen demnach dem Gedanken, dass der Gläubiger jedenfalls bei Schuldverhältnissen, die eine Forderung zum Gegenstand haben, im Allgemeinen nur an der Herbeiführung des Leistungserfolgs, nicht aber an der Person des Leistenden interessiert ist. Daraus folgt, dass nach dem auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse entsprechend anwendbaren § 267 BGB (vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, § 267 Rn. 1) die geschuldete Leistung, hier die Erstattung der Verwahr- bzw. Abschleppkosten, auch durch einen Dritten bewirkt werden kann. Dritter in diesem Sinne ist derjenige, der nicht selbst als Schuldner bzw. Kostenverantwortlicher in Betracht kommt und daher nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit leistet.
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger im vorliegendem Fall als Dritter im Sinne des § 267 BGB auf die für ihn fremde, in der Person der Verantwortlichen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG bestehende Kostenschuld geleistet, als er bei der Abholung seines Fahrzeugs die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 119,- EUR bezahlte. Da er nicht selbst der Fahrer des Fahrzeugs und somit Verursacher der Abschleppmaßnahme war und daher die dadurch entstandene Kostenlast weder allein noch als Gesamtschuldner (vgl. §§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 43 Abs. 3 Satz 2 HSOG, § 421 BGB ) zu verantworten hat, handelte er dabei nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.
Zur Empfangnahme dieser Vorauszahlung konnte gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 HSOG, wie vorliegend geschehen, der Abschleppunternehmer von der Ordnungsbehörde der Beklagten ermächtigt werden. Als Erklärungs- und Empfangsbote war er berechtigt, für die Beklagte die Zahlung des Klägers entgegen zu nehmen und ihm gegenüber das Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG geltend zu machen (vgl. HessVGH, Urteil vom 14. August 2003 - 11 UE 1204/00 -, mit weit. Nachw.).
Eine Verpflichtung der Beklagten, diese Zahlung nach den Regeln des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs an den Kläger wieder auszukehren, bestünde daher nur dann, wenn sie rechtsgrundlos erfolgt wäre. Im Verhältnis zwischen der Beklagten als Gläubigerin der Kostenforderung und dem Kläger als Drittleistendem würde es an der Berechtigung für das Behaltendürfen der Zahlung fehlen, wenn die Kostenforderung, die der Kläger tilgen wollte, nicht bestanden hätte oder wenn die Zahlung ohne den erforderlichen Fremdtilgungswillen erfolgt wäre. Beides ist nicht der Fall. Dabei kann es hier dahinstehen, ob nach zivilrechtlicher Auffassung zu § 812 Abs. 1 BGB , dessen Rechtsgedanke, eine ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben zu müssen, auch dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch innewohnt, das Rückforderungsbegehren des Klägers daran scheitert, dass in Dreiecksverhältnissen, wie dem vorliegenden, eine Bereicherung des Gläubigers wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungskondiktion in der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Schuldner auszugleichen ist, oder daran, dass die Beklagte die Zahlung, die mangels einer zum Kläger bestehenden (echten) Leistungsbeziehung als sonstige Zuwendung zu qualifizieren ist, nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erlangt hat.
Die Kostenschuld, auf die der Kläger die Vorauszahlung leistete, bestand in der Person der von ihm als Fahrzeugführerin benannten anderen Person. Weil sie die Abschleppmaßnahme verursacht hat, ist sie diejenige Verantwortliche, die gemäß § 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG die Kosten der Maßnahme zu tragen hat. Allerdings entsteht die Rechtspflicht zur Erstattung dieser Kosten erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids. Erst dieser setzt auf der Grundlage der genannten Vorschriften den zu erstattenden Kostenbetrag und den pflichtigen Kostenschuldner fest. Regelmäßig und so auch im vorliegenden Fall ist daher zu dem Zeitpunkt, in dem die Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs gegen die Vorauszahlung der Abschleppkosten erfolgt, der konkrete Kostenerstattungsanspruch noch nicht entstanden. Dies steht jedoch einem Rechtsgrund für die Drittleistung des Klägers nicht entgegen. Ebenso wenig wie die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts setzt die Vorauszahlung der Abschleppkosten nach der gesetzlichen Konstruktion voraus, dass die Kostenforderung bereits in einem Leistungsbescheid tituliert sein müsste (vgl. auch HessVGH, a.a.O.). Indem § 43 Abs. 3 Satz 3 HSOG im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG die Rechtsgrundlage für die Vorschusspflicht auf die Kostenforderung normiert, liefert die Vorschrift zugleich den Rechtsgrund für die Erfüllung dieser Vorschusspflicht durch denjenigen, demgegenüber die Herausgabe der verwahrten Sache nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSOG bewirkt werden kann. Der Kläger hat daher die 119,- EUR nicht auf eine Scheinforderung bzw. an einen Scheingläubiger geleistet, sondern der gesetzlichen Regelung entsprechend auf den voraussichtlichen, durch den Erlass des Kostenbescheids gleichsam aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Pflichtige im Voraus bezahlt.
Dabei handelte er auch mit dem notwendigen Fremdtilgungswillen, d.h. mit dem Willen, die Kostenschuld der Pflichtigen in der zum Zeitpunkt der Zahlung voraussichtlichen Höhe zu erfüllen. Insoweit kommt es, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, nicht auf den inneren Willen des Klägers, sondern darauf an, wie der Gläubiger, mithin der Abschleppunternehmer als Erklärungs- und Empfangsbote der Beklagten sein Verhalten verstehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 - VII ZR 71/76, BGHZ 72, 248 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76] ; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; Heinrichs, in: Palandt, a.a.O, § 267 Rn. 3). Nach der somit maßgeblichen Empfängersicht erfolgt die zur Auslösung des Fahrzeugs nach § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG vorgenommene Vorauszahlung der Abschleppkosten zugunsten desjenigen, der die Kostenlast der Abschleppmaßnahme zu tragen hat. Dass die konkrete Person des oder der Kostenverantwortlichen erst nachträglich mit dem Erlass des Kostenbescheids rechtsverbindlich bestimmt ist, folglich für den Empfänger zum Zeitpunkt der Vorauszahlung noch nicht feststeht, steht dem nicht entgegen, sondern ist Folge der gesetzlichen Regelung.
Zwar stellt sich aus objektiver Empfängersicht die Vorauszahlung bei Abholung des Fahrzeugs, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte, insbesondere eine vom Leistenden ausdrücklich erklärte Tilgungsbestimmung, etwas anderes veranlassen, entweder als Zahlung auf eine eigene Kostenschuld des Fahrzeugabholers oder als Zahlung auf eine für diesen fremde Kostenschuld dar. Weil der Empfänger jedoch nicht damit rechnen muss, dass der Zahlende nicht weiß, ob er der Verursacher und damit der Schuldner der Abschleppkosten ist, vielmehr davon ausgehen kann, dass der Zahlende weiß, wenn er nicht der Verantwortliche ist und daher nicht auf eine eigene, sondern auf eine fremde Schuld leistet, durfte er die Zahlung, wiederum sofern konkrete Anhaltspunkte nichts anderes veranlassen, als Drittleistung zugunsten derjenigen Person verstehen, deren Kostenverantwortung zum Zeitpunkt der Zahlung materiellrechtlich besteht und im nachfolgenden Leistungsbescheid rechtsverbindlich bestimmt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass dem Drittleistenden eine nachträgliche Vorbehaltserklärung, die Vorauszahlung nicht auf die Schuld des oder der (anderen) Kostenverantwortlichen getätigt zu haben, verwehrt ist. Die Möglichkeit, nach der Zug um Zug gegen die Vorauszahlung erlangten Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs einwenden zu können, die Zahlung sei nicht zur Tilgung der voraussichtlichen Kostenschuld erfolgt, widerspräche dem Sinn und Zweck des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG, das fiskalische Interesse an dem Inkasso der Abschleppkosten sicherzustellen. Im Übrigen stünde dem auch der Gedanke unzulässiger Rechtsausübung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium entgegen, weil derjenige, der in Kenntnis seiner nicht bestehenden Kostenschuld gleichwohl die Herausgabe des Fahrzeugs bewirkt, weiß, dass seine Vorauszahlung nur als Vorschuss auf die in der anderen Person bestehende Kostenschuld gelten kann. Wer aber weiß, dass er nicht selbst zur Leistung verpflichtet ist, kann das gleichwohl zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückfordern (Rechtsgedanke aus § 814 BGB ). Es ist daher vorliegend ohne Belang, dass der Kläger in seinem Widerspruch gegen den zunächst an ihn gerichteten und späterhin aufgehobenen Kostenbescheid die andere Person als Verantwortliche benannt und die Rückerstattung seiner Vorauszahlung verlangt hat.
Nach alldem konnte der Kläger die Deutung seiner Vorauszahlung, wie sie das Abschleppunternehmen vornehmen durfte, allein durch einen zum Zeitpunkt der Zahlung ausdrücklich erklärten Vorbehalt korrigieren, mit dieser nicht die Tilgung einer fremden Kostenschuld bewirken zu wollen. Das ist indes nicht geschehen. Ein etwaiger stillschweigender Vorbehalt genügt nicht und wäre entsprechend § 116 BGB unbeachtlich. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 43 Abs. 3 HSOG kommt seinem Schweigen vielmehr weitergehend insofern eine Erklärungswirkung im Sinne dessen zu, wie das Abschleppunternehmen sein Verhalten verstehen durfte, als er verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dieser Verpflichtung zur ausdrücklichen Erklärung steht es, entgegen dem klägerischen Vorbringen, nicht gleich, dass die Vorauszahlung aus der Sicht des nicht-kostenverantwortlichen Abholberechtigten vordergründig zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts, mithin zur Vermeidung des ihn treffenden Nachteils erfolgt, andernfalls nicht die Herausgabe des Fahrzeugs zu erlangen. Weil dieser Effekt der Vorschussregelung des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG gerade immanent ist, sperrt sie sich gegen eine solche Gleichsetzung.
Diese Rechtslage zieht zwar die Konsequenz nach sich, dass bei einer unter derartigem Vorbehalt stehenden Zahlung der Empfänger an dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG festhalten und die Herausgabe des Fahrzeugs verweigern kann. Daraus ergeben sich jedoch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Abholberechtigten, der nicht der Kostenschuldner ist und nicht auf die fremde Kostenschuld leisten will, verbleibt die Möglichkeit, die Vorauszahlung durch den Verursacher und damit Kostenverantwortlichen der Abschleppmaßnahme zu veranlassen. Dadurch wird er in seiner Rechtsstellung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Gerade weil die gesetzliche Regelung die Herausgabe des Fahrzeugs nicht von der Vorauszahlung der Abschleppkosten durch den Kostenschuldner abhängig macht, ist sie für den Betroffenen als zumutbar hinzunehmen. ..."
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Unterlässt es der Veräußerer eines Fahrzeugs entgegen § 27 III Satz 1 StVZO, der Zulassungsstelle den Namen und die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, trifft ihn grundsätzlich keine polizeirechtliche Verantwortlichkeit für das spätere rechtswidrige Abstellen des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 18. 5. 1999 - 11 UE 343/98 -, NJW 1999, 3650; VGH Kassel, Beschluss vom 14.02.2005 - 11 UZ 1879/04).
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Der Bauaufsichtsbehörde obliegt es, nach pflichtgemäßer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob sie von ihrer Befugnis, gegen eine ungenehmigte Nutzung oder ungenehmigte Veränderungen einzuschreiten, Gebrauch macht, wie sie davon Gebrauch macht und gegen wen sie vorgeht, wenn mehrere Personen für die ungenehmigte Nutzung oder Veränderung verantwortlich sind. Das kann gemäß §§ 3 Abs. 1, 6 HSOG derjenige sein, der die Anlage formell rechtswidrig nutzt bzw. die Veränderungen formell rechtswidrig vorgenommen hat (Verhaltensstörer), oder der Eigentümer, der für den Zustand des Grundstücks und des Gebäudes verantwortlich ist (Zustandsstörer gemäß §§ 3 Abs. 1, 7 HSOG). Gegen wen die Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall vorgeht, liegt in ihrem Auswahlermessen. Dies gilt auch für den Fall, dass als Gefahrenabwehrmaßnahme die Verpflichtung ausgesprochen wird, Bauvorlagen einzureichen (so auch Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2002, Art. 83 Rdnr. 314; VGH Hessen, Beschluss vom 14.03.2003 - 9 TG 2894/02).
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Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs, dessen Zustand den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung widerspricht, stellt einen Verstoß gegen § 16 StVZO dar und begründet deshalb eine polizeirechtliche Gefahr. Der Verkäufer eines Fahrzeugs verletzt seine Pflicht nach § 27 III 1 StVZO, der Zulassungsstelle unverzüglich die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, auch dann, wenn er fahrlässig eine falsche Adresse des Käufers mitteilt. Der frühere Eigentümer eines Kraftfahrzeugs ist nicht deshalb als Verhaltensstörer für die durch das rechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs eintretende polizeirechtliche Gefahr verantwortlich, weil er nach dem Verkauf des Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 27 III 1 StVZO der Zulassungsstelle die Adresse des Erwerbers nicht oder fahrlässig eine falsche Adresse mitgeteilt hat. Da sein Pflichtverstoß nicht kausal für den Eintritt der Gefahr ist, die durch das Abschleppen des Kraftfahrzeugs beseitigt wird, ist er nicht zum Ersatz der dadurch entstehenden Kosten verpflichtet (VGH Kassel, Urteil vom 18.05.1999 - 11 UE 343/98
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Abfallrechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind gegen die in Betracht kommenden polizeipflichtigen Personen zu richten (vgl. § 11 II HAbfAG); zivilrechtliche Haftungsnormen sind für die Bewertung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit einer Person nicht aussagekräftig (VGH Kassel, Entscheidung vom 24.08.1994 - 14 TH 1406/94).
*** (VG)
Für die Beseitigung drohender Obdachlosigkeit ist der Obdachlose nach den §§ 11, 6 HSOG selbst verantwortlich. Die Inanspruchnahme des Eigentümers der Wohnung, deren Räumung dieser betreibt, ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 HSOG (Nichtverantwortlicher) zulässig. Die grundsätzlich nach § 2 Satz 2 HSOG zuständige Verwaltungsbehörde hat nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 HSOG vor der Inanspruchnahme des nichtverantwortlichen Wohnungseigentümers ernsthafte und nachprüfbare Anstrengungen in Bezug auf eine anderweitige Unterbringung des Obdachlosen zu unternehmen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 HSOG verbietet es aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit zivilrechtlicher Räumungstitel zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 06.06.2011 - 8 L 1441/11.F)
§ 7 Verantwortlichkeit für den Zustand von Tieren und Sachen
(1) Geht von einem Tier oder einer Sache eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen die Inhaberin oder den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Die nachfolgenden für Sachen geltenden Vorschriften sind auch auf Tiere anzuwenden.
(2) Maßnahmen können auch gegen die Eigentümerin oder den Eigentümer oder eine andere berechtigte Person gerichtet werden. Dies gilt nicht, wenn die Inhaberin oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese ohne den Willen der Eigentümerin oder des Eigentümers oder der berechtigten Person ausübt.
(3) Geht die Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, so können die Maßnahmen gegen diejenige Person gerichtet werden, die das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine Bauaufsichtsbehörde kann einen Grundstückseigentümer grundsätzlich auch dann nach § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW (juris: OBG NW) zur Gefahrenbeseitigung heranziehen, wenn daneben eine Zustandsverantwortlichkeit eines Erbbauberechtigten gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW (OBG NW) analog zu bejahen wäre. Die von § 18 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW (juris: OBG NW) (analog) abgesteckten Verantwortungssphären des Erbbauberechtigten einerseits und des Grundstückseigentümers andererseits erstrecken sich grundsätzlich entlang der Grenzen zwischen Erbbaurecht und Grundstückseigentum, können aber auch abhängig von der jeweils abzuwehrenden konkreten Gefahrenlage ineinander übergehen oder sich decken (OVG Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.07.2012 - 2 B 748/12).
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Nach Freigabe eines Tanklagers kann der Insolvenzverwalter nicht als Betreiber im Rahmen der Gefahrenabwehr herangezogen werden. Die für eine Verhaltensverantwortlichkeit erforderliche alleinige Verfügungsbefugnis fehlt einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (VGH Kassel, Beschluss vom 11.09.2009 - 8 B 1712/09).
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Die bloße Wahrnehmung einer Gefahrenabwehrpflicht durch den Insolvenzverwalter als Zustandsverantwortlichem begründet für ihn keine Stellung als Betreiber einer Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (Tanklager). Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer wasseraufsichtsrechtlichen Maßnahme nach § 53 II HWG ist wie im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht der Zeitpunkt des Erlasses der behördlichen Anordnung. Die wasserrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 53 II HWG wird auch dann nicht durch die geräte- und produktsicherheitsrechtliche Vorschrift des § 15 GPSG verdrängt, wenn eine Anlage sowohl wasserrechtlichen als auch geräte- und produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen genügen muss und diese inhaltlich identisch sind. Bei dem die Durchführung eines Vorverfahrens ausschließenden Tatbestand der Nr. 13.4 der Anlage zu § 16a HessAGVwGO handelt es sich - wie bei der überwiegenden Mehrzahl der Tatbestände der Anlage zu § 16a HessAGVwGO - um eine statische Verweisung auf das darin bezeichnete Gesetz in einer bestimmten Fassung (VGH Kassel, Beschluss vom 20.04.2009 - 7 B 838/09).
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Mit der Zug um Zug gegen die Herausgabe eines abgeschleppten Fahrzeugs nach § 43 Abs.3 Sätze 4 und 5 HSOG getätigten Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten leistet der Abholberechtigte auch dann auf die späterhin durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostenschuld, wenn nicht er, sondern eine andere Person der oder die Kostenverantwortliche ist (VGH Hessen, Beschluss vom 20.09.2006 - 11 UE 2545/05 zu BGB §§ 116, 267, § 812 Abs. 1, HSOG §§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, 43 Abs. 3, § 49 Abs. 1):
... Der Kläger begehrt die Rückzahlung von ihm bezahlter Kosten und Auslagen für das Abschleppen seines Kraftfahrzeugs in Höhe von 119,- EUR sowie eine Kostenlastenentscheidung, aufgrund derer ihm die anlässlich des Widerspruchsverfahrens (Nr. 7/409/03) gegen die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 33,35 EUR erstattet werden.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Ergehen des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt wird gem. § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 30. Juni 2005 das Klagebegehren wegen zwischenzeitlich eingetretener Erledigung insoweit abgewiesen, als es auf die Erstattung der durch das Widerspruchsverfahren verursachten Kosten gerichtet war. Im Übrigen hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozent, genauer: fünf Prozentpunkten, über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2004 zu zahlen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Kläger einen öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung der von ihm bei Abholung des Fahrzeugs im Voraus entrichteten Abschleppkosten habe. Eine Rechtsgrundlage für das Behalten des Kostenbetrages sei nicht vorhanden, nachdem der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid wegen nicht gegebener Kostenverantwortlichkeit aufgehoben worden sei. § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG würde insoweit ebenso keine Rechtsgrundlage bieten. Schließlich hätte der Kläger auch nicht gemäß § 267 BGB auf die Schuld einer anderen Person, nämlich der Fahrerin des verbotswidrig geparkten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 30. Juni 2005 - Az. 5 E 2374/04) Fahrzeugs geleistet. Voraussetzung für die Annahme einer Leistung zu Gunsten der Schuld eines Dritten sei, dass der Dritte mit für den Gläubiger erkennbarem Fremdtilgungswillen leiste. Da einem Schweigen im Rechtsverkehr keine Bedeutung zukomme, fehle es vorliegend an dem Nachweis eines Fremdtilgungswillens. Allein aus dem Umstand, dass der Fahrzeugabholer, hier der Kläger, die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme entrichte, weil ansonsten das Fahrzeug nicht herausgegeben würde, lasse sich kein Fremdtilgungswille schließen. Der Zinsanspruch folge aus dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 BGB.
Zur Begründung der gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil von der Beklagten im Umfang ihrer Beschwer erhobenen und vom Senat mit Beschluss vom 30. September 2005 (Az. 11 UZ 2192/05) zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nach § 43 Abs. 3 Sätze 4, 5 HSOG befugt gewesen sei, die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs von der Zahlung der voraussichtlichen Sicherstellungskosten abhängig zu machen und das beauftragte Abschleppunternehmen zu ermächtigen, die Zahlung dieser Kosten in Empfang zu nehmen. Die Zahlung, die der Kläger zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeugs am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen geleistet habe, sei eine Zahlung für denjenigen gewesen, der sich als heranzuziehender Kostenverantwortlicher erweisen würde. Weil er auf der Zahlungsquittung keinen Vorbehalt vermerkt habe, wonach er die Leistung nur für den Fall erbringen würde, dass er selbst als Kostenverantwortlicher festgestellt würde, habe der Kläger daher am 30. April 2003 die Kosten vorgeschossen, die die Beklagte später gegen die Fahrerin des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs als Kostenschuldnerin festgesetzt habe. Der gegen sie ergangene Kostenbescheid enthalte dementsprechend die Mitteilung, dass die Kostenschuld bereits beglichen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger diese Tilgungsbestimmung auf die für ihn fremde Schuld nicht ausdrücklich erklärt habe. Denn maßgeblich sei insofern nicht sein innerer Wille, sondern der Empfängerhorizont, wie also das Abschleppunternehmen als Empfangsbote der Beklagten und somit die Beklagte das Verhalten des Klägers hätte verstehen dürfen. Sein Verhalten sei demnach als Zahlung für den Kostenverantwortlichen zu verstehen, wer immer dies auch sei. Wenn die Beklagte, wie vorliegend, noch keine Kenntnis davon haben könne, wer der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs sei, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht für den Kostenverantwortlichen erfolgt sei. Ein stillschweigender Vorbehalt des Abholberechtigten, wie hier des Klägers, die Abschleppkosten nicht für diejenige dritte Person auszulegen, die das Fahrzeug gefahren und daher die Kosten zu tragen habe, sei unbeachtlich. Der Zahlungsempfänger müsse nicht damit rechnen, dass der Abholer nicht wisse, ob er der Fahrer gewesen sei. Vielmehr wisse der Abholberechtigte stets, wenn er nicht der Fahrer gewesen sei. Für diesen Fall könne erwartet werden, dass er einen Vorbehalt, nicht auf die Kostenschuld des Fahrers zu leisten, ausdrücklich erkläre. Ein anderes Ergebnis würde dem Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG widersprechen. Die dadurch für den Abholberechtigten eintretenden Folgen seien auch nicht unbillig. Zwar würde die Erklärung eines ausdrücklichen Vorbehalts die Unbequemlichkeit nach sich ziehen, vor Herausgabe des Wagens eine Zahlung durch den Fahrzeugführer veranlasst haben zu müssen. Jedoch stelle es andererseits keine unzumutbare Belastung für einen abholberechtigten Fahrzeughalter dar, zur Vermeidung dieser Unbequemlichkeit die Abschleppkosten vorzustrecken und sodann beim Fahrzeugführer um Ausgleich nachzusuchen. In vorliegendem Fall stünde der aus Empfängersicht anzunehmenden Bestimmung, die Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten sei personenunabhängig für den Kostenverantwortlichen erfolgt, auch nicht entgegen, dass der Kläger späterhin, im Widerspruchsverfahren gegen die Abschleppmaßnahme, die Person, die den Wagen gefahren sei, benannt und daher die Rückerstattung der von ihm beglichenen Kosten verlangt habe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 - 5 E 481/04 (3) - die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr die Zahlung von 119,- EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 an den Kläger begehrt wird. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe keine Leistung auf fremde Schuld erbracht. Vielmehr habe er zum Zeitpunkt der Zahlung an den Abschleppunternehmer eine eigene Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld geleistet. Diese Leistung habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass zum einen überhaupt eine Forderung und zum anderen diese gegen ihn tatsächlich bestanden habe. Dieser Vorbehalt könne auch stillschweigend erklärt werden. Insoweit verweist der Kläger auf die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung. Des Weiteren bestreitet er, dass der Abschleppunternehmer als Empfangsbote der Beklagten die Zahlung als Zahlung für den Kostenverantwortlichen verstehen durfte. Vielmehr dürfe es nach der Verkehrsanschauung eine übliche Annahme sein, dass der Halter eines Fahrzeugs für den - gängigen - Fall, dass er nicht der Fahrer des Fahrzeugs sei, die Abschleppkosten nicht auf die vermeintliche Schuld des Fahrzeugsführers zahle, sondern zu dem Zweck, das Fahrzeug zu erhalten. Daher könne der Abschleppunternehmer eine Zahlung auch dann nicht als Leistung auf eine fremde Schuld ansehen, wenn es an einem schriftlich fixierten Vorbehalt fehle. Dafür würden auch die häufigen Fälle in der Praxis sprechen, in denen der Halter dem Abschleppunternehmer mündlich mitteilt, wer tatsächlicher Kostenverantwortlicher sei. Doch selbst wenn angenommen werde, der Kläger habe vorliegend mangels einer ausdrücklichen Vorbehaltserklärung auf eine für ihn fremde Schuld geleistet, so sei zu berücksichtigen, dass es einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt gleichstehe, wenn die Zahlung nicht freiwillig, sondern zur Vermeidung eines drohenden Nachteils unter Druck oder Zwang, beispielsweise zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich eines dringend benötigten Gegenstandes, geleistet werde. So läge es hier: Der Kläger habe die Abschleppkosten nicht freiwillig geleistet, sondern nur deshalb, weil er sein Fahrzeug dringend benötigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO einverstanden erklärt. ...
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 zu zahlen.
Die insoweit zulässigerweise erhobene Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der 119,- EUR nebst Zinsen nicht zu. Als Grundlage des klägerischen Begehrens kommt nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dieser ist als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts auf die Rückgewährung rechtsgrundlos erlangter Leistungen gerichtet. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat die vom Kläger zurückgeforderte Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher nicht zu deren Herausgabe verpflichtet.
Allerdings scheidet der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 als möglicher Rechtsgrund der Zahlung aus. Der Bescheid wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 22. September 2003 aufgehoben, weil nicht der Kläger, sondern die von ihm benannte dritte Person als Verantwortliche für die durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten und Gebühren in Anspruch zu nehmen war. Daraus folgt jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die 119,- EUR wie gefordert zurückzuerstatten. Denn dass der Kläger diesen Betrag zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeuges am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen gezahlt hat, findet seinen rechtlichen Grund in §§ 43 Abs. 3 Sätze 4 und 5 HSOG in Verbindung mit § 267 BGB analog.
Wenn im Wege einer unmittelbaren Ausführung (§ 8 Abs. 1 HSOG) eine Sache, wie vorliegend das abgeschleppte Fahrzeug des Klägers, in Verwahrung genommen worden ist, kann gemäß § 43 Abs. 3 Sätze 3, 4 HSOG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 3 HSOG die Herausgabe der Sache von der Zahlung der voraussichtlichen Kosten abhängig gemacht werden. Bei dieser Zahlung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Leistung, die der Kostenschuldner in Person zu leisten hat. Das gesetzlich eingeräumte Recht, die Sache nur Zug um Zug gegen die Begleichung der durch die Verwahrung bzw. die Abschleppmaßnahme voraussichtlich entstandenen Kosten herauszugeben, dient allein dem Zweck, die Erfüllung des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG gegebenen und schließlich durch nachfolgenden Kostenbescheid festgesetzten Kostenersatzanspruchs sicherzustellen. Ebenso wenig wie die Tilgung dieser Kostenschuld als eine höchstpersönliche Leistungsverpflichtung qualifiziert werden kann, lassen sich dem § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG irgendwelche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nur derjenige durch die Vorauszahlung auf die Kostenschuld die Auslösung der verwahrten Sache soll erreichen können, der im konkreten Fall auch der nach § 6 oder § 7 HSOG Kostenverantwortliche ist. Die Regelungen entsprechen demnach dem Gedanken, dass der Gläubiger jedenfalls bei Schuldverhältnissen, die eine Forderung zum Gegenstand haben, im Allgemeinen nur an der Herbeiführung des Leistungserfolgs, nicht aber an der Person des Leistenden interessiert ist. Daraus folgt, dass nach dem auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse entsprechend anwendbaren § 267 BGB (vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, § 267 Rn. 1) die geschuldete Leistung, hier die Erstattung der Verwahr- bzw. Abschleppkosten, auch durch einen Dritten bewirkt werden kann. Dritter in diesem Sinne ist derjenige, der nicht selbst als Schuldner bzw. Kostenverantwortlicher in Betracht kommt und daher nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit leistet.
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger im vorliegendem Fall als Dritter im Sinne des § 267 BGB auf die für ihn fremde, in der Person der Verantwortlichen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG bestehende Kostenschuld geleistet, als er bei der Abholung seines Fahrzeugs die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 119,- EUR bezahlte. Da er nicht selbst der Fahrer des Fahrzeugs und somit Verursacher der Abschleppmaßnahme war und daher die dadurch entstandene Kostenlast weder allein noch als Gesamtschuldner (vgl. §§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 43 Abs. 3 Satz 2 HSOG, § 421 BGB ) zu verantworten hat, handelte er dabei nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.
Zur Empfangnahme dieser Vorauszahlung konnte gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 HSOG, wie vorliegend geschehen, der Abschleppunternehmer von der Ordnungsbehörde der Beklagten ermächtigt werden. Als Erklärungs- und Empfangsbote war er berechtigt, für die Beklagte die Zahlung des Klägers entgegen zu nehmen und ihm gegenüber das Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG geltend zu machen (vgl. HessVGH, Urteil vom 14. August 2003 - 11 UE 1204/00 -, mit weit. Nachw.).
Eine Verpflichtung der Beklagten, diese Zahlung nach den Regeln des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs an den Kläger wieder auszukehren, bestünde daher nur dann, wenn sie rechtsgrundlos erfolgt wäre. Im Verhältnis zwischen der Beklagten als Gläubigerin der Kostenforderung und dem Kläger als Drittleistendem würde es an der Berechtigung für das Behaltendürfen der Zahlung fehlen, wenn die Kostenforderung, die der Kläger tilgen wollte, nicht bestanden hätte oder wenn die Zahlung ohne den erforderlichen Fremdtilgungswillen erfolgt wäre. Beides ist nicht der Fall. Dabei kann es hier dahinstehen, ob nach zivilrechtlicher Auffassung zu § 812 Abs. 1 BGB , dessen Rechtsgedanke, eine ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben zu müssen, auch dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch innewohnt, das Rückforderungsbegehren des Klägers daran scheitert, dass in Dreiecksverhältnissen, wie dem vorliegenden, eine Bereicherung des Gläubigers wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungskondiktion in der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Schuldner auszugleichen ist, oder daran, dass die Beklagte die Zahlung, die mangels einer zum Kläger bestehenden (echten) Leistungsbeziehung als sonstige Zuwendung zu qualifizieren ist, nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erlangt hat.
Die Kostenschuld, auf die der Kläger die Vorauszahlung leistete, bestand in der Person der von ihm als Fahrzeugführerin benannten anderen Person. Weil sie die Abschleppmaßnahme verursacht hat, ist sie diejenige Verantwortliche, die gemäß § 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG die Kosten der Maßnahme zu tragen hat. Allerdings entsteht die Rechtspflicht zur Erstattung dieser Kosten erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids. Erst dieser setzt auf der Grundlage der genannten Vorschriften den zu erstattenden Kostenbetrag und den pflichtigen Kostenschuldner fest. Regelmäßig und so auch im vorliegenden Fall ist daher zu dem Zeitpunkt, in dem die Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs gegen die Vorauszahlung der Abschleppkosten erfolgt, der konkrete Kostenerstattungsanspruch noch nicht entstanden. Dies steht jedoch einem Rechtsgrund für die Drittleistung des Klägers nicht entgegen. Ebenso wenig wie die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts setzt die Vorauszahlung der Abschleppkosten nach der gesetzlichen Konstruktion voraus, dass die Kostenforderung bereits in einem Leistungsbescheid tituliert sein müsste (vgl. auch HessVGH, a.a.O.). Indem § 43 Abs. 3 Satz 3 HSOG im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG die Rechtsgrundlage für die Vorschusspflicht auf die Kostenforderung normiert, liefert die Vorschrift zugleich den Rechtsgrund für die Erfüllung dieser Vorschusspflicht durch denjenigen, demgegenüber die Herausgabe der verwahrten Sache nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSOG bewirkt werden kann. Der Kläger hat daher die 119,- EUR nicht auf eine Scheinforderung bzw. an einen Scheingläubiger geleistet, sondern der gesetzlichen Regelung entsprechend auf den voraussichtlichen, durch den Erlass des Kostenbescheids gleichsam aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Pflichtige im Voraus bezahlt.
Dabei handelte er auch mit dem notwendigen Fremdtilgungswillen, d.h. mit dem Willen, die Kostenschuld der Pflichtigen in der zum Zeitpunkt der Zahlung voraussichtlichen Höhe zu erfüllen. Insoweit kommt es, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, nicht auf den inneren Willen des Klägers, sondern darauf an, wie der Gläubiger, mithin der Abschleppunternehmer als Erklärungs- und Empfangsbote der Beklagten sein Verhalten verstehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 - VII ZR 71/76, BGHZ 72, 248 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76] ; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; Heinrichs, in: Palandt, a.a.O, § 267 Rn. 3). Nach der somit maßgeblichen Empfängersicht erfolgt die zur Auslösung des Fahrzeugs nach § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG vorgenommene Vorauszahlung der Abschleppkosten zugunsten desjenigen, der die Kostenlast der Abschleppmaßnahme zu tragen hat. Dass die konkrete Person des oder der Kostenverantwortlichen erst nachträglich mit dem Erlass des Kostenbescheids rechtsverbindlich bestimmt ist, folglich für den Empfänger zum Zeitpunkt der Vorauszahlung noch nicht feststeht, steht dem nicht entgegen, sondern ist Folge der gesetzlichen Regelung.
Zwar stellt sich aus objektiver Empfängersicht die Vorauszahlung bei Abholung des Fahrzeugs, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte, insbesondere eine vom Leistenden ausdrücklich erklärte Tilgungsbestimmung, etwas anderes veranlassen, entweder als Zahlung auf eine eigene Kostenschuld des Fahrzeugabholers oder als Zahlung auf eine für diesen fremde Kostenschuld dar. Weil der Empfänger jedoch nicht damit rechnen muss, dass der Zahlende nicht weiß, ob er der Verursacher und damit der Schuldner der Abschleppkosten ist, vielmehr davon ausgehen kann, dass der Zahlende weiß, wenn er nicht der Verantwortliche ist und daher nicht auf eine eigene, sondern auf eine fremde Schuld leistet, durfte er die Zahlung, wiederum sofern konkrete Anhaltspunkte nichts anderes veranlassen, als Drittleistung zugunsten derjenigen Person verstehen, deren Kostenverantwortung zum Zeitpunkt der Zahlung materiellrechtlich besteht und im nachfolgenden Leistungsbescheid rechtsverbindlich bestimmt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass dem Drittleistenden eine nachträgliche Vorbehaltserklärung, die Vorauszahlung nicht auf die Schuld des oder der (anderen) Kostenverantwortlichen getätigt zu haben, verwehrt ist. Die Möglichkeit, nach der Zug um Zug gegen die Vorauszahlung erlangten Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs einwenden zu können, die Zahlung sei nicht zur Tilgung der voraussichtlichen Kostenschuld erfolgt, widerspräche dem Sinn und Zweck des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG, das fiskalische Interesse an dem Inkasso der Abschleppkosten sicherzustellen. Im Übrigen stünde dem auch der Gedanke unzulässiger Rechtsausübung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium entgegen, weil derjenige, der in Kenntnis seiner nicht bestehenden Kostenschuld gleichwohl die Herausgabe des Fahrzeugs bewirkt, weiß, dass seine Vorauszahlung nur als Vorschuss auf die in der anderen Person bestehende Kostenschuld gelten kann. Wer aber weiß, dass er nicht selbst zur Leistung verpflichtet ist, kann das gleichwohl zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückfordern (Rechtsgedanke aus § 814 BGB ). Es ist daher vorliegend ohne Belang, dass der Kläger in seinem Widerspruch gegen den zunächst an ihn gerichteten und späterhin aufgehobenen Kostenbescheid die andere Person als Verantwortliche benannt und die Rückerstattung seiner Vorauszahlung verlangt hat.
Nach alldem konnte der Kläger die Deutung seiner Vorauszahlung, wie sie das Abschleppunternehmen vornehmen durfte, allein durch einen zum Zeitpunkt der Zahlung ausdrücklich erklärten Vorbehalt korrigieren, mit dieser nicht die Tilgung einer fremden Kostenschuld bewirken zu wollen. Das ist indes nicht geschehen. Ein etwaiger stillschweigender Vorbehalt genügt nicht und wäre entsprechend § 116 BGB unbeachtlich. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 43 Abs. 3 HSOG kommt seinem Schweigen vielmehr weitergehend insofern eine Erklärungswirkung im Sinne dessen zu, wie das Abschleppunternehmen sein Verhalten verstehen durfte, als er verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dieser Verpflichtung zur ausdrücklichen Erklärung steht es, entgegen dem klägerischen Vorbringen, nicht gleich, dass die Vorauszahlung aus der Sicht des nicht-kostenverantwortlichen Abholberechtigten vordergründig zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts, mithin zur Vermeidung des ihn treffenden Nachteils erfolgt, andernfalls nicht die Herausgabe des Fahrzeugs zu erlangen. Weil dieser Effekt der Vorschussregelung des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG gerade immanent ist, sperrt sie sich gegen eine solche Gleichsetzung.
Diese Rechtslage zieht zwar die Konsequenz nach sich, dass bei einer unter derartigem Vorbehalt stehenden Zahlung der Empfänger an dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG festhalten und die Herausgabe des Fahrzeugs verweigern kann. Daraus ergeben sich jedoch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Abholberechtigten, der nicht der Kostenschuldner ist und nicht auf die fremde Kostenschuld leisten will, verbleibt die Möglichkeit, die Vorauszahlung durch den Verursacher und damit Kostenverantwortlichen der Abschleppmaßnahme zu veranlassen. Dadurch wird er in seiner Rechtsstellung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Gerade weil die gesetzliche Regelung die Herausgabe des Fahrzeugs nicht von der Vorauszahlung der Abschleppkosten durch den Kostenschuldner abhängig macht, ist sie für den Betroffenen als zumutbar hinzunehmen. ..."
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Der Bauaufsichtsbehörde obliegt es, nach pflichtgemäßer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob sie von ihrer Befugnis, gegen eine ungenehmigte Nutzung oder ungenehmigte Veränderungen einzuschreiten, Gebrauch macht, wie sie davon Gebrauch macht und gegen wen sie vorgeht, wenn mehrere Personen für die ungenehmigte Nutzung oder Veränderung verantwortlich sind. Das kann gemäß §§ 3 Abs. 1, 6 HSOG derjenige sein, der die Anlage formell rechtswidrig nutzt bzw. die Veränderungen formell rechtswidrig vorgenommen hat (Verhaltensstörer), oder der Eigentümer, der für den Zustand des Grundstücks und des Gebäudes verantwortlich ist (Zustandsstörer gemäß §§ 3 Abs. 1, 7 HSOG). Gegen wen die Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall vorgeht, liegt in ihrem Auswahlermessen. Dies gilt auch für den Fall, dass als Gefahrenabwehrmaßnahme die Verpflichtung ausgesprochen wird, Bauvorlagen einzureichen (so auch Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2002, Art. 83 Rdnr. 314; VGH Hessen, Beschluss vom 14.03.2003 - 9 TG 2894/02).
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Auch nach den durch das Altlastenrechts-Neuordnungs-Gesetz vom 20.12.1994 erfolgten Rechtsänderungen bleibt es angesichts des unverändert gebliebenen § 77 III HessWassG dabei, daß die altlastenrechtlichen Vorschriften für ihren Anwendungsbereich ein Einschreiten auf wasserrechtlicher Grundlage ausschließen. § 23 I 2 HessAltlastG, wonach u. a. auf Wasserrecht gestützten Sanierungsverfügungen die Unzuständigkeit der Wasserbehörde nicht entgegengehalten werden kann, ist eine den Anwendungsbereich des § 46 HessVwVfG hinsichtlich der sachlichen Unzuständigkeit erweiternde spezielle Regelung. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 7 II 1 HessSOG im Geltungsbereich des § 77 I HessWassG wird eine Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers nicht nur für eine noch bestehende Gefahr, sondern weitergehend auch für durch deren Realisierung bereits eingetretene Gewässerverunreinigungen begründet. Die Zustandsverantwortlichkeit entfällt selbst dann nicht, wenn sich der Verantwortliche in einer sogenannten Opferposition befindet. Ein solcher Haftungsausschluß auf das Primärebene, wie ihn etwa § 12 I Nr. 5 HessAltlastG vorsieht, ist wegen des spezialgesetzlichen Ausnahmecharakters dieser Vorschrift auf das Wasserecht und das allgemeine Polizeirecht nicht - auch nicht analog - übertragbar. Der grundsetzlichen Eigentumsgarantie ist allerdings im Rahmen der gemäß § 74 II 1 HessWassG i. V. mit § 5 I HessSOG vorzunehmenden pflichtgemäßen Ermessensausübung Rechnung zu tragen. Dabei ist vornehmlich zu überprüfen, in welchem Verhältnis die voraussichtlichen Kosten der angeordneten Maßnahmen zum Grundstückswert stehen. Wenn eine effektive Sanierung durch Verhaltensverantwortliche aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen nicht gewährleistet ist, kann ermessensfehlerfrei gegen Zustandsverantwortliche eingeschritten werden. Auch gegen einen abgestuften Zugriff - also zunächst gegen die Verhaltensverantwortlichen bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und alsdann gegen die Zustandsverwantwortlichen - ist rechtlich nichts einzuwenden. Die wasserbehördliche Anordnung, einen Sanierungsplan durch eine Fachfirma erstellen zu lassen, ist ermessenfehlerhaft, wenn die ins Auge gefaßten Sanierungsmaßnahmen bereits derart weitgehend konkretisiert sind, daß die Wasserbehörde sie aufgrund der ihr vorliegenden fachtechnischen Stellungnahmen - unter Einschaltung des Wasserwirtschaftsamts - unmittelbar anordnen kann (VGH Kassel, Beschluss vom 21.05.1997 - 7 TG 2293/95).
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Ein in einer Halteverbotszone geparktes Kraftfahrzeug kann in der Regel im Wege unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme (§ 8 Abs. 1 HSOG) auch dann abgeschleppt werden, wenn das Halteverbot erst nach dem Abstellen des Fahrzeugs wirksam geworden ist. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Unverhältnismäßig ist das Verlangen nach Kostenerstattung in der Regel dann, wenn nicht festgestellt werden kann, daß Fahrer oder Halter des abgeschleppten Fahrzeugs vor der Abschleppmaßnahme Kenntnis von dem Halteverbot hatten, und das Halteverbot für den konkreten Abstellort nicht mindestens drei Werktage vor dem Abschleppen angekündigt oder ohne Ankündigung in Kraft gesetzt war (VGH Hessen, Urteil vom 20.08.1996 - 11 UE 284/96).
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Ist ein Grundstückseigentümer lediglich als Zustandsstörer für den von einer im Grenzbereich stehenden Mauer ausgehenden Gefahrenzustand verantwortlich, während der Eigentümer des Nachbargrundstücks sowohl Zustands- als auch Verhaltensstörer ist, ist das Auswahlermessen i. d. R. dahin auszuüben, daß der letztere zu einer eilbedürftigen Abstützungsmaßnahme allein heranzuziehen ist. Es genügt dem Anhörungsgebot des § 28 I, wenn der Ehemann der Grundstückseigentümerin und Bauherrin, der diese in einem die Umbauarbeiten am Wohnhaus der Eheleute betreffenden Verfahren vertritt, darüber informiert wird, daß die Bauaufsichtsbehörde den Erlaß einer Verfügung erwägt, mit der Anordnungen zur Sicherung einer baufälligen Grenzmauer getroffen werden sollen (VGH Kassel, Entscheidung vom 21.03.1988 - 4 TH 3794/87).
*** (VG)
Der Eigentümer einer baulichen Anlage ist als Zustandsstörer für eine den materiell-rechtlichen Vorschriften entsprechende Nutzung dieser Anlage verantwortlich und kann daher von der Behörde auch dann in Anspruch genommen werden, wenn Handlungen Dritter für die Störung der öffentlichen Ordnung verantwortlich sind. In diesem Falle hat er grundsätzlich die rechtliche Möglichkeit und Pflicht, auf die rechtmäßige Nutzung seiner baulichen Anlage hinzuwirken. Die Behörde kann grundsätzlich gegen den Eigentümer von nicht von ihm selbst baurechtswidrig genutzten Räumen durch die Kombination eines - in die Zukunft gerichteten - Vermietungsverbots mit einem - die aktuellen Nutzungsverhältnisse betreffenden - Kündigungsgebot vorgehen (VG Darmstadt, Beschluss vom 12.09.2011 - 2 L 795/11.DA).
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Die Vorschrift des § 7 III HessSOG, nach der bei Gefahr von einer herrenlosen Sache polizeiliche Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden können, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat, ist bei verfassungskonformer Auszulegung nicht auf die die Fälle einer Eigentumsaufgabe vor Inkrafttreten der Regelung (am 1.1.1991) anzuwenden (VG Kassel, Beschluss vom 28.10.1997 - 2 G 3244/97 (3)).
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§ 8 Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Maßnahme selbst oder durch eine beauftragte dritte Person unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Die von der Maßnahme betroffene Person ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Entstehen den Gefahrenabwehr- oder den Polizeibehörden durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen zum Ersatz verpflichtet. Mehrere Verantwortliche haften gesamtschuldnerisch. Soweit Sachen in Verwahrung genommen werden, gelten die §§ 41 bis 43 entsprechend. Die Kosten können im Verwaltungsvollstreckungsverfahren beigetrieben werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zur Frage, nach welcher "Karenzzeit" eine Abschleppmaßnahme im Straßenverkehr verhältnismäßig ist (BVerwG, Beschluss vom 01.12.2000 - 3 B 51/00):
... Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ( § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , der Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) und des Verfahrensmangels ( § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie grundsätzliche bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen aufwirft, deren im zukünftigen Revisionsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Derartige Rechtsfragen sind von der Beschwerde nicht aufgeworfen worden.
1.1 Die Frage, nach welcher "Karenzzeit" eine Abschleppmaßnahme im Straßenverkehr verhältnismäßig ist, erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen nicht. Das angefochtene Urteil stützt seine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der unmittelbaren polizeilichen Ausführung einer Abschleppmaßnahme auf § 8 Abs. 1 und Abs. 2 HSOG. Es beruht somit auf Landesrecht, dessen Verletzung - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - gemäß § 137 Abs. 1 VwGO mit der Revision nicht gerügt werden und daher auch nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf das Urteil vom 14. Mai 1992 - BVerwG 3 C 3.90 - (BVerwGE 90, 189 (193)) und die dortigen Ausführungen zum bundesverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinweist, übersieht sie bereits, dass im Unterschied zum Streitfall in dem damaligen Verfahren zur Rechtfertigung der Abschleppmaßnahme maßgeblich auf die bundesrechtliche Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO über das Parken auf Gehwegen abzustellen war; gleichfalls das verbotswidrige Parken auf Gehwegen betraf der von der Beschwerde herangezogene Beschluss vom 20. Dezember 1989 - BVerwG 7 B 179.89 - (NJW 1990, 931 = NVwZ 1990, 473 Ls). Soweit sich anderen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 6. Juli 1983 - BVerwG 7 B 182.82 - DVBl 1983, 1066 f. ; Beschluss vom 26. Januar 1988 - BVerwG 7 B 189.87 - NVwZ 1988, 623 f.) Aussagen zum Einfluss des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf Abschleppvorgänge entnehmen lassen, ist geklärt, dass die Nachteile, die mit einer Abschleppmaßnahme für den Betroffenen verbunden sind, nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolgt stehen dürfen, was sich aufgrund einer Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalls beurteilt (Beschluss vom 6. Juli 1983 a.a.O. S. 1067); dabei kann auch die Heranziehung generalpräventiver Gesichtspunkte zulässig sein (Beschluss vom 20. Dezember 1989 a.a.O.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das erstrebte Revisionsverfahren zu über den Einzelfall hinausführenden zusätzlichen Erkenntnissen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beitragen könnte.
1.2 Auch die weiter vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
"ob es in Fällen der unmittelbaren Ausführung (hier gestützt auf § 8 HSOG) zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme einer konkreten Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer bedarf"
kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Ausgehend von den vorstehend dargelegten revisionsrechtlichen Einschränkungen sowie bundesrechtlichen Maßstäben lässt sie sich auch ohne die Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig in dem Sinne verneinen, dass beim Fehlen einer konkreten Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer i.S. einer Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs (vgl. Beschluss vom 6. Juli 1983 a.a.O.) eine Störung der öffentlichen Ordnung durch den Verstoß (vgl. Beschluss vom 6. Juli 1983 a.a.O.) zwar gleichfalls eine Abschleppmaßnahme unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen kann, aber naturgemäß das Gewicht der gegenläufigen Interessen erheblicher wird. Nicht anders ist im Übrigen insoweit das von der Beschwerde auch in diesem Zusammenhang herangezogene Urteil vom 14. Mai 1992 - BVerwG 3 C 3.90 - (a.a.O.) zu verstehen, wenn dort ausgeführt ist, jedenfalls unterliege es keinem Zweifel,
"dass ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern geboten erscheint."
Von der Erforderlichkeit dieser Behinderung für jede Abschleppmaßnahme (noch dazu nach anderen Vorschriften) ist dort nicht die Rede.
2. Das Berufungsurteil weicht entgegen der Behauptung des Klägers nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem vom Bundesverwaltungsgericht oder von einem anderen im § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Das ist hinsichtlich der Frage der Erforderlichkeit einer konkreten Behinderung der Verkehrsteilnehmer zur Rechtfertigung einer Abschleppmaßnahme schon deswegen nicht der Fall, weil der Senat in der genannten Entscheidung vom 14. Mai 1992 (BVerwG 3 C 3.90 a .a.O.) - wie bereits dargelegt - den vom Kläger behaupteten Rechtssatz nicht aufgestellt hat.
3. Die Rüge, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler, weil das Berufungsgericht es unter Missachtung des Aufklärungsgebots des § 86 VwGO versäumt habe, die Tatsachen hinsichtlich Verkehrsbehinderung und "Begleitumstände" weiter zu erforschen, geht schon deshalb fehl, weil es nach der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts hierauf nicht ankam. ..." (BVerwG, Beschluss vom 01.12.2000, 3 B 51.00)
*** (VGH)
Die in § 13 Abs. 1 FBG (juris: BestattG HE 2007) ausnahmslos begründete öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht naher Angehöriger stellt keinen Verstoß gegen Grundrechte des Bestattungspflichtigen dar und ist auch mit dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Die Gründe für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht naher Angehöriger rechtfertigen es regelmäßig, die Pflicht zur Kostentragung an die Bestattungspflicht zu koppeln. Bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls kann das grundsätzliche Interesse der Allgemeinheit an der Übernahme der Bestattungskosten durch die Angehörigen, hinter das Interesse des bestattungspflichtigen Angehörigen, von der Heranziehung zu den Kosten verschont zu bleiben, zurücktreten. Die Heranziehung des eigentlichen Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten nach § 13 Abs. 5 FBG (juris: BestattG HE 2007) in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG (juris: SOG HE) kann bei schwerwiegenden Verfehlungen, wie sie sich in Straftaten von erheblichem Gewicht (Mord, Totschlag, Vergewaltigung, sexuellem Mißbrauch) realisieren, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen. Ein möglicher Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII (juris: SGB 12) suspendiert die Gefahrenabwehrbehörde nicht von der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kostenerstattung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG (juris: SOG HE; VGH, Urteil vom 26.10.2011 - 5 A 1245/11).
***
Ein Anscheinsstörer kann zu den Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme herangezogen werden, wenn er bei der gebotenen ex post-Betrachtung den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (im Anschluss an VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047 und Urt. v. 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153). Ist keine amtsrichterliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer Ingewahrsamnahme getroffen worden, so ist die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams eine im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Betroffenen. Diese Prüfung erstreckt sich nicht nur auf die materiellen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme, sondern auch auf die Einhaltung des in Art. 104 Abs. 2 GG verankerten Richtervorbehalts ( VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2011 - 1 S 2513/10):
... II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf den Gewahrsam", d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der Unverzüglichkeit" im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 (249) m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798(800)). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von Fußballfans" auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben ( wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt"; Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden") deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- , die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 - 5.000 ) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. ..."
***
Mit der Zug um Zug gegen die Herausgabe eines abgeschleppten Fahrzeugs nach § 43 Abs.3 Sätze 4 und 5 HSOG getätigten Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten leistet der Abholberechtigte auch dann auf die späterhin durch Leistungsbescheid festgesetzte Kostenschuld, wenn nicht er, sondern eine andere Person der oder die Kostenverantwortliche ist (VGH Hessen, Beschluss vom 20.09.2006 - 11 UE 2545/05 zu BGB §§ 116, 267, § 812 Abs. 1, HSOG §§ 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, 43 Abs. 3, § 49 Abs. 1):
... Der Kläger begehrt die Rückzahlung von ihm bezahlter Kosten und Auslagen für das Abschleppen seines Kraftfahrzeugs in Höhe von 119,- EUR sowie eine Kostenlastenentscheidung, aufgrund derer ihm die anlässlich des Widerspruchsverfahrens (Nr. 7/409/03) gegen die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 33,35 EUR erstattet werden.
Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Ergehen des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt wird gem. § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 30. Juni 2005 das Klagebegehren wegen zwischenzeitlich eingetretener Erledigung insoweit abgewiesen, als es auf die Erstattung der durch das Widerspruchsverfahren verursachten Kosten gerichtet war. Im Übrigen hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen von fünf Prozent, genauer: fünf Prozentpunkten, über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2004 zu zahlen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Kläger einen öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung der von ihm bei Abholung des Fahrzeugs im Voraus entrichteten Abschleppkosten habe. Eine Rechtsgrundlage für das Behalten des Kostenbetrages sei nicht vorhanden, nachdem der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid wegen nicht gegebener Kostenverantwortlichkeit aufgehoben worden sei. § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG würde insoweit ebenso keine Rechtsgrundlage bieten. Schließlich hätte der Kläger auch nicht gemäß § 267 BGB auf die Schuld einer anderen Person, nämlich der Fahrerin des verbotswidrig geparkten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 30. Juni 2005 - Az. 5 E 2374/04) Fahrzeugs geleistet. Voraussetzung für die Annahme einer Leistung zu Gunsten der Schuld eines Dritten sei, dass der Dritte mit für den Gläubiger erkennbarem Fremdtilgungswillen leiste. Da einem Schweigen im Rechtsverkehr keine Bedeutung zukomme, fehle es vorliegend an dem Nachweis eines Fremdtilgungswillens. Allein aus dem Umstand, dass der Fahrzeugabholer, hier der Kläger, die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme entrichte, weil ansonsten das Fahrzeug nicht herausgegeben würde, lasse sich kein Fremdtilgungswille schließen. Der Zinsanspruch folge aus dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 BGB.
Zur Begründung der gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil von der Beklagten im Umfang ihrer Beschwer erhobenen und vom Senat mit Beschluss vom 30. September 2005 (Az. 11 UZ 2192/05) zugelassenen Berufung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nach § 43 Abs. 3 Sätze 4, 5 HSOG befugt gewesen sei, die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs von der Zahlung der voraussichtlichen Sicherstellungskosten abhängig zu machen und das beauftragte Abschleppunternehmen zu ermächtigen, die Zahlung dieser Kosten in Empfang zu nehmen. Die Zahlung, die der Kläger zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeugs am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen geleistet habe, sei eine Zahlung für denjenigen gewesen, der sich als heranzuziehender Kostenverantwortlicher erweisen würde. Weil er auf der Zahlungsquittung keinen Vorbehalt vermerkt habe, wonach er die Leistung nur für den Fall erbringen würde, dass er selbst als Kostenverantwortlicher festgestellt würde, habe der Kläger daher am 30. April 2003 die Kosten vorgeschossen, die die Beklagte später gegen die Fahrerin des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs als Kostenschuldnerin festgesetzt habe. Der gegen sie ergangene Kostenbescheid enthalte dementsprechend die Mitteilung, dass die Kostenschuld bereits beglichen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger diese Tilgungsbestimmung auf die für ihn fremde Schuld nicht ausdrücklich erklärt habe. Denn maßgeblich sei insofern nicht sein innerer Wille, sondern der Empfängerhorizont, wie also das Abschleppunternehmen als Empfangsbote der Beklagten und somit die Beklagte das Verhalten des Klägers hätte verstehen dürfen. Sein Verhalten sei demnach als Zahlung für den Kostenverantwortlichen zu verstehen, wer immer dies auch sei. Wenn die Beklagte, wie vorliegend, noch keine Kenntnis davon haben könne, wer der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs sei, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht für den Kostenverantwortlichen erfolgt sei. Ein stillschweigender Vorbehalt des Abholberechtigten, wie hier des Klägers, die Abschleppkosten nicht für diejenige dritte Person auszulegen, die das Fahrzeug gefahren und daher die Kosten zu tragen habe, sei unbeachtlich. Der Zahlungsempfänger müsse nicht damit rechnen, dass der Abholer nicht wisse, ob er der Fahrer gewesen sei. Vielmehr wisse der Abholberechtigte stets, wenn er nicht der Fahrer gewesen sei. Für diesen Fall könne erwartet werden, dass er einen Vorbehalt, nicht auf die Kostenschuld des Fahrers zu leisten, ausdrücklich erkläre. Ein anderes Ergebnis würde dem Sinn und Zweck des Zurückbehaltungsrechts aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG widersprechen. Die dadurch für den Abholberechtigten eintretenden Folgen seien auch nicht unbillig. Zwar würde die Erklärung eines ausdrücklichen Vorbehalts die Unbequemlichkeit nach sich ziehen, vor Herausgabe des Wagens eine Zahlung durch den Fahrzeugführer veranlasst haben zu müssen. Jedoch stelle es andererseits keine unzumutbare Belastung für einen abholberechtigten Fahrzeughalter dar, zur Vermeidung dieser Unbequemlichkeit die Abschleppkosten vorzustrecken und sodann beim Fahrzeugführer um Ausgleich nachzusuchen. In vorliegendem Fall stünde der aus Empfängersicht anzunehmenden Bestimmung, die Zahlung der voraussichtlichen Abschleppkosten sei personenunabhängig für den Kostenverantwortlichen erfolgt, auch nicht entgegen, dass der Kläger späterhin, im Widerspruchsverfahren gegen die Abschleppmaßnahme, die Person, die den Wagen gefahren sei, benannt und daher die Rückerstattung der von ihm beglichenen Kosten verlangt habe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2005 - 5 E 481/04 (3) - die Klage auch insoweit abzuweisen, als mit ihr die Zahlung von 119,- EUR nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 an den Kläger begehrt wird. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er habe keine Leistung auf fremde Schuld erbracht. Vielmehr habe er zum Zeitpunkt der Zahlung an den Abschleppunternehmer eine eigene Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld geleistet. Diese Leistung habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass zum einen überhaupt eine Forderung und zum anderen diese gegen ihn tatsächlich bestanden habe. Dieser Vorbehalt könne auch stillschweigend erklärt werden. Insoweit verweist der Kläger auf die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung. Des Weiteren bestreitet er, dass der Abschleppunternehmer als Empfangsbote der Beklagten die Zahlung als Zahlung für den Kostenverantwortlichen verstehen durfte. Vielmehr dürfe es nach der Verkehrsanschauung eine übliche Annahme sein, dass der Halter eines Fahrzeugs für den - gängigen - Fall, dass er nicht der Fahrer des Fahrzeugs sei, die Abschleppkosten nicht auf die vermeintliche Schuld des Fahrzeugsführers zahle, sondern zu dem Zweck, das Fahrzeug zu erhalten. Daher könne der Abschleppunternehmer eine Zahlung auch dann nicht als Leistung auf eine fremde Schuld ansehen, wenn es an einem schriftlich fixierten Vorbehalt fehle. Dafür würden auch die häufigen Fälle in der Praxis sprechen, in denen der Halter dem Abschleppunternehmer mündlich mitteilt, wer tatsächlicher Kostenverantwortlicher sei. Doch selbst wenn angenommen werde, der Kläger habe vorliegend mangels einer ausdrücklichen Vorbehaltserklärung auf eine für ihn fremde Schuld geleistet, so sei zu berücksichtigen, dass es einem ausdrücklich erklärten Vorbehalt gleichstehe, wenn die Zahlung nicht freiwillig, sondern zur Vermeidung eines drohenden Nachteils unter Druck oder Zwang, beispielsweise zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich eines dringend benötigten Gegenstandes, geleistet werde. So läge es hier: Der Kläger habe die Abschleppkosten nicht freiwillig geleistet, sondern nur deshalb, weil er sein Fahrzeug dringend benötigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO einverstanden erklärt. ...
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, an den Kläger 119,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2004 zu zahlen.
Die insoweit zulässigerweise erhobene Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der 119,- EUR nebst Zinsen nicht zu. Als Grundlage des klägerischen Begehrens kommt nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dieser ist als allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts auf die Rückgewährung rechtsgrundlos erlangter Leistungen gerichtet. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beklagte hat die vom Kläger zurückgeforderte Zahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt und ist daher nicht zu deren Herausgabe verpflichtet.
Allerdings scheidet der gegen den Kläger ergangene Kostenbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 als möglicher Rechtsgrund der Zahlung aus. Der Bescheid wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 22. September 2003 aufgehoben, weil nicht der Kläger, sondern die von ihm benannte dritte Person als Verantwortliche für die durch die Abschleppmaßnahme entstandenen Kosten und Gebühren in Anspruch zu nehmen war. Daraus folgt jedoch nicht die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die 119,- EUR wie gefordert zurückzuerstatten. Denn dass der Kläger diesen Betrag zum Zeitpunkt der Abholung seines Fahrzeuges am 30. April 2003 an das Abschleppunternehmen gezahlt hat, findet seinen rechtlichen Grund in §§ 43 Abs. 3 Sätze 4 und 5 HSOG in Verbindung mit § 267 BGB analog.
Wenn im Wege einer unmittelbaren Ausführung (§ 8 Abs. 1 HSOG) eine Sache, wie vorliegend das abgeschleppte Fahrzeug des Klägers, in Verwahrung genommen worden ist, kann gemäß § 43 Abs. 3 Sätze 3, 4 HSOG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 3 HSOG die Herausgabe der Sache von der Zahlung der voraussichtlichen Kosten abhängig gemacht werden. Bei dieser Zahlung handelt es sich nicht um eine höchstpersönliche Leistung, die der Kostenschuldner in Person zu leisten hat. Das gesetzlich eingeräumte Recht, die Sache nur Zug um Zug gegen die Begleichung der durch die Verwahrung bzw. die Abschleppmaßnahme voraussichtlich entstandenen Kosten herauszugeben, dient allein dem Zweck, die Erfüllung des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG gegebenen und schließlich durch nachfolgenden Kostenbescheid festgesetzten Kostenersatzanspruchs sicherzustellen. Ebenso wenig wie die Tilgung dieser Kostenschuld als eine höchstpersönliche Leistungsverpflichtung qualifiziert werden kann, lassen sich dem § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG irgendwelche Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nur derjenige durch die Vorauszahlung auf die Kostenschuld die Auslösung der verwahrten Sache soll erreichen können, der im konkreten Fall auch der nach § 6 oder § 7 HSOG Kostenverantwortliche ist. Die Regelungen entsprechen demnach dem Gedanken, dass der Gläubiger jedenfalls bei Schuldverhältnissen, die eine Forderung zum Gegenstand haben, im Allgemeinen nur an der Herbeiführung des Leistungserfolgs, nicht aber an der Person des Leistenden interessiert ist. Daraus folgt, dass nach dem auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse entsprechend anwendbaren § 267 BGB (vgl. Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, § 267 Rn. 1) die geschuldete Leistung, hier die Erstattung der Verwahr- bzw. Abschleppkosten, auch durch einen Dritten bewirkt werden kann. Dritter in diesem Sinne ist derjenige, der nicht selbst als Schuldner bzw. Kostenverantwortlicher in Betracht kommt und daher nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit leistet.
Nach diesen Maßgaben hat der Kläger im vorliegendem Fall als Dritter im Sinne des § 267 BGB auf die für ihn fremde, in der Person der Verantwortlichen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG bestehende Kostenschuld geleistet, als er bei der Abholung seines Fahrzeugs die voraussichtlichen Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 119,- EUR bezahlte. Da er nicht selbst der Fahrer des Fahrzeugs und somit Verursacher der Abschleppmaßnahme war und daher die dadurch entstandene Kostenlast weder allein noch als Gesamtschuldner (vgl. §§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 43 Abs. 3 Satz 2 HSOG, § 421 BGB ) zu verantworten hat, handelte er dabei nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.
Zur Empfangnahme dieser Vorauszahlung konnte gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 HSOG, wie vorliegend geschehen, der Abschleppunternehmer von der Ordnungsbehörde der Beklagten ermächtigt werden. Als Erklärungs- und Empfangsbote war er berechtigt, für die Beklagte die Zahlung des Klägers entgegen zu nehmen und ihm gegenüber das Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG geltend zu machen (vgl. HessVGH, Urteil vom 14. August 2003 - 11 UE 1204/00 -, mit weit. Nachw.).
Eine Verpflichtung der Beklagten, diese Zahlung nach den Regeln des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs an den Kläger wieder auszukehren, bestünde daher nur dann, wenn sie rechtsgrundlos erfolgt wäre. Im Verhältnis zwischen der Beklagten als Gläubigerin der Kostenforderung und dem Kläger als Drittleistendem würde es an der Berechtigung für das Behaltendürfen der Zahlung fehlen, wenn die Kostenforderung, die der Kläger tilgen wollte, nicht bestanden hätte oder wenn die Zahlung ohne den erforderlichen Fremdtilgungswillen erfolgt wäre. Beides ist nicht der Fall. Dabei kann es hier dahinstehen, ob nach zivilrechtlicher Auffassung zu § 812 Abs. 1 BGB , dessen Rechtsgedanke, eine ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben zu müssen, auch dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch innewohnt, das Rückforderungsbegehren des Klägers daran scheitert, dass in Dreiecksverhältnissen, wie dem vorliegenden, eine Bereicherung des Gläubigers wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungskondiktion in der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Schuldner auszugleichen ist, oder daran, dass die Beklagte die Zahlung, die mangels einer zum Kläger bestehenden (echten) Leistungsbeziehung als sonstige Zuwendung zu qualifizieren ist, nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erlangt hat.
Die Kostenschuld, auf die der Kläger die Vorauszahlung leistete, bestand in der Person der von ihm als Fahrzeugführerin benannten anderen Person. Weil sie die Abschleppmaßnahme verursacht hat, ist sie diejenige Verantwortliche, die gemäß § 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 HSOG die Kosten der Maßnahme zu tragen hat. Allerdings entsteht die Rechtspflicht zur Erstattung dieser Kosten erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids. Erst dieser setzt auf der Grundlage der genannten Vorschriften den zu erstattenden Kostenbetrag und den pflichtigen Kostenschuldner fest. Regelmäßig und so auch im vorliegenden Fall ist daher zu dem Zeitpunkt, in dem die Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs gegen die Vorauszahlung der Abschleppkosten erfolgt, der konkrete Kostenerstattungsanspruch noch nicht entstanden. Dies steht jedoch einem Rechtsgrund für die Drittleistung des Klägers nicht entgegen. Ebenso wenig wie die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts setzt die Vorauszahlung der Abschleppkosten nach der gesetzlichen Konstruktion voraus, dass die Kostenforderung bereits in einem Leistungsbescheid tituliert sein müsste (vgl. auch HessVGH, a.a.O.). Indem § 43 Abs. 3 Satz 3 HSOG im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG die Rechtsgrundlage für die Vorschusspflicht auf die Kostenforderung normiert, liefert die Vorschrift zugleich den Rechtsgrund für die Erfüllung dieser Vorschusspflicht durch denjenigen, demgegenüber die Herausgabe der verwahrten Sache nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSOG bewirkt werden kann. Der Kläger hat daher die 119,- EUR nicht auf eine Scheinforderung bzw. an einen Scheingläubiger geleistet, sondern der gesetzlichen Regelung entsprechend auf den voraussichtlichen, durch den Erlass des Kostenbescheids gleichsam aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Pflichtige im Voraus bezahlt.
Dabei handelte er auch mit dem notwendigen Fremdtilgungswillen, d.h. mit dem Willen, die Kostenschuld der Pflichtigen in der zum Zeitpunkt der Zahlung voraussichtlichen Höhe zu erfüllen. Insoweit kommt es, wie die Beklagte zutreffend vorträgt, nicht auf den inneren Willen des Klägers, sondern darauf an, wie der Gläubiger, mithin der Abschleppunternehmer als Erklärungs- und Empfangsbote der Beklagten sein Verhalten verstehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 - VII ZR 71/76, BGHZ 72, 248 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 71/76] ; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; Heinrichs, in: Palandt, a.a.O, § 267 Rn. 3). Nach der somit maßgeblichen Empfängersicht erfolgt die zur Auslösung des Fahrzeugs nach § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG vorgenommene Vorauszahlung der Abschleppkosten zugunsten desjenigen, der die Kostenlast der Abschleppmaßnahme zu tragen hat. Dass die konkrete Person des oder der Kostenverantwortlichen erst nachträglich mit dem Erlass des Kostenbescheids rechtsverbindlich bestimmt ist, folglich für den Empfänger zum Zeitpunkt der Vorauszahlung noch nicht feststeht, steht dem nicht entgegen, sondern ist Folge der gesetzlichen Regelung.
Zwar stellt sich aus objektiver Empfängersicht die Vorauszahlung bei Abholung des Fahrzeugs, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte, insbesondere eine vom Leistenden ausdrücklich erklärte Tilgungsbestimmung, etwas anderes veranlassen, entweder als Zahlung auf eine eigene Kostenschuld des Fahrzeugabholers oder als Zahlung auf eine für diesen fremde Kostenschuld dar. Weil der Empfänger jedoch nicht damit rechnen muss, dass der Zahlende nicht weiß, ob er der Verursacher und damit der Schuldner der Abschleppkosten ist, vielmehr davon ausgehen kann, dass der Zahlende weiß, wenn er nicht der Verantwortliche ist und daher nicht auf eine eigene, sondern auf eine fremde Schuld leistet, durfte er die Zahlung, wiederum sofern konkrete Anhaltspunkte nichts anderes veranlassen, als Drittleistung zugunsten derjenigen Person verstehen, deren Kostenverantwortung zum Zeitpunkt der Zahlung materiellrechtlich besteht und im nachfolgenden Leistungsbescheid rechtsverbindlich bestimmt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass dem Drittleistenden eine nachträgliche Vorbehaltserklärung, die Vorauszahlung nicht auf die Schuld des oder der (anderen) Kostenverantwortlichen getätigt zu haben, verwehrt ist. Die Möglichkeit, nach der Zug um Zug gegen die Vorauszahlung erlangten Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs einwenden zu können, die Zahlung sei nicht zur Tilgung der voraussichtlichen Kostenschuld erfolgt, widerspräche dem Sinn und Zweck des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG, das fiskalische Interesse an dem Inkasso der Abschleppkosten sicherzustellen. Im Übrigen stünde dem auch der Gedanke unzulässiger Rechtsausübung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium entgegen, weil derjenige, der in Kenntnis seiner nicht bestehenden Kostenschuld gleichwohl die Herausgabe des Fahrzeugs bewirkt, weiß, dass seine Vorauszahlung nur als Vorschuss auf die in der anderen Person bestehende Kostenschuld gelten kann. Wer aber weiß, dass er nicht selbst zur Leistung verpflichtet ist, kann das gleichwohl zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückfordern (Rechtsgedanke aus § 814 BGB ). Es ist daher vorliegend ohne Belang, dass der Kläger in seinem Widerspruch gegen den zunächst an ihn gerichteten und späterhin aufgehobenen Kostenbescheid die andere Person als Verantwortliche benannt und die Rückerstattung seiner Vorauszahlung verlangt hat.
Nach alldem konnte der Kläger die Deutung seiner Vorauszahlung, wie sie das Abschleppunternehmen vornehmen durfte, allein durch einen zum Zeitpunkt der Zahlung ausdrücklich erklärten Vorbehalt korrigieren, mit dieser nicht die Tilgung einer fremden Kostenschuld bewirken zu wollen. Das ist indes nicht geschehen. Ein etwaiger stillschweigender Vorbehalt genügt nicht und wäre entsprechend § 116 BGB unbeachtlich. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 43 Abs. 3 HSOG kommt seinem Schweigen vielmehr weitergehend insofern eine Erklärungswirkung im Sinne dessen zu, wie das Abschleppunternehmen sein Verhalten verstehen durfte, als er verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dieser Verpflichtung zur ausdrücklichen Erklärung steht es, entgegen dem klägerischen Vorbringen, nicht gleich, dass die Vorauszahlung aus der Sicht des nicht-kostenverantwortlichen Abholberechtigten vordergründig zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts, mithin zur Vermeidung des ihn treffenden Nachteils erfolgt, andernfalls nicht die Herausgabe des Fahrzeugs zu erlangen. Weil dieser Effekt der Vorschussregelung des § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG gerade immanent ist, sperrt sie sich gegen eine solche Gleichsetzung.
Diese Rechtslage zieht zwar die Konsequenz nach sich, dass bei einer unter derartigem Vorbehalt stehenden Zahlung der Empfänger an dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG festhalten und die Herausgabe des Fahrzeugs verweigern kann. Daraus ergeben sich jedoch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Abholberechtigten, der nicht der Kostenschuldner ist und nicht auf die fremde Kostenschuld leisten will, verbleibt die Möglichkeit, die Vorauszahlung durch den Verursacher und damit Kostenverantwortlichen der Abschleppmaßnahme zu veranlassen. Dadurch wird er in seiner Rechtsstellung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Gerade weil die gesetzliche Regelung die Herausgabe des Fahrzeugs nicht von der Vorauszahlung der Abschleppkosten durch den Kostenschuldner abhängig macht, ist sie für den Betroffenen als zumutbar hinzunehmen. ..."
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Die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde darf ein gestohlenes und ungesichert abgestelltes Kraftfahrzeug im Wege der unmittelbaren Ausführung zum Schutze privaten Eigentums sicherstellen, wenn eine konkrete Gefährdung durch Beschädigungen oder Diebstahl besteht. In diesen Fällen ist sie unter Berücksichtigung der für die Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 680, 681 BGB geltenden Grundsätzen je nach Sachlage nicht verpflichtet, die Eigentumssicherung verzögernde Versuche, den Eigentümer als Zustandsverantwortlichen zu erreichen, zu unternehmen. Die Sicherstellung eines stark beschädigten Kraftfahrzeugs ist in der Regel unverhältnismäßig, wenn die Abschleppkosten etwa die Hälfte des Restwertes des Kraftfahrzeugs betragen (VGH Kassel, Urteil vom 18.05.1999 - 11 UE 4648/96).
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Das Abschleppen eines unter Verstoß gegen ein Verkehrszeichen oder eine Verkehrseinrichtung gem. § 13 StVO (Parkuhr, Parkscheinautomat) rechtswidrig abgestellten Kraftfahrzeuges stellt in der Regel eine Ersatzvornahme nach § 49 I HessSOG dar. Nur wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, weis es z.B. an einer dem Pflichtigen bekannt gegebenen Grundverfügung fehlt (Verstoß gegen ein unmittelbar in der StVO oder einer anderen Norm normiertes Gebot oder Verbot, Aufstellung eines Verkehrszeichens nach zunächst rechtmäßigem Abstellen eines Kraftfahrzeugs, Inanspruchnahme des Halters, der nicht das Kraftfahrzeug abgestellt hat) oder eine andere als die für den Erlaß der Grundverfügung zuständige Gefahrenabwehrbehörde, Vollstreckungsmaßnahmen durchführt, kommt als Rechtsgrundlage die "unmittelbare Ausführung einer Maßnahme" nach § 8 I HessSOG in Betracht. Verhältnismäßig ist ein Abschleppen des Fahrzeugs schon dann, wenn eine Beeinträchtigung des durch die Verkehrsvorschrift geschützten Rechtsguts durch das rechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs mehr als 1 Stunde andauert; der Nachweis einer konkreten Behinderung des Verkehrs durch das rechtswidrig abgestellte Kraftfahrzeug ist nicht erforderlich (VGH Kassel, Urteil vom 11.11.1997 - 11 UE 3450/95).
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Ein in einer Halteverbotszone geparktes Kraftfahrzeug kann in der Regel im Wege unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme (§ 8 Abs. 1 HSOG) auch dann abgeschleppt werden, wenn das Halteverbot erst nach dem Abstellen des Fahrzeugs wirksam geworden ist. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Eine solche rechtmäßige Abschleppmaßnahme löst nicht "automatisch" eine Haftung des Fahrers oder Halters des abgeschleppten Fahrzeugs für die Abschleppkosten aus. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine - im Normalfall auf die Kostenerhebung hinauslaufende - Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob Kostenerstattung verlangt wird. Unverhältnismäßig ist das Verlangen nach Kostenerstattung in der Regel dann, wenn nicht festgestellt werden kann, daß Fahrer oder Halter des abgeschleppten Fahrzeugs vor der Abschleppmaßnahme Kenntnis von dem Halteverbot hatten, und das Halteverbot für den konkreten Abstellort nicht mindestens drei Werktage vor dem Abschleppen angekündigt oder ohne Ankündigung in Kraft gesetzt war (VGH Hessen, Urteil vom 20.08.1996 - 11 UE 284/96).
*** (VG)
... Der Kostenbescheid der Beklagten vom 16.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 21.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 145,00 Euro sind § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 13 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2003 (GVBl. S. 214) i. V. m. § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 VwKostG LSA. § 13 SOG LSA ermächtigt die Verwaltungsbehörden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Gefahr abzuwenden. Nach § 9 Abs. 1 SOG LSA können sie dabei eine Maßnahme selbst oder durch einen beauftragten Dritten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach §§ 7 oder 8 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Entstehen den Sicherheitsbehörden oder der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die nach §§ 7 oder 8 Verantwortlichen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 SOG LSA zum Ersatz verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Dem Kostenbescheid liegt keine rechtmäßige Maßnahme im Wege der unmittelbaren Ausführung zugrunde.
Zwar hat aufgrund der Art und Weise, in der das klägerische Fahrzeug auf der Straße abgestellt war, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Eine Gefahr im Sinne des § 13 SOG LSA ist eine konkrete Gefahr, d.h. nach § 3 Nr. 3 a) SOG LSA eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Gemäß § 3 Nr. 1 SOG LSA umfasst die öffentliche Sicherheit u.a. die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung. Eine Gefahr bzw. Störung im vorgenannten Sinne liegt mithin bereits dann vor, wenn gegen öffentlich-rechtliche - hier straßenverkehrsrechtliche - Vorschriften verstoßen wird.
Im vorliegenden Fall wurde durch das ordnungswidrige Parken des klägerischen LKW gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen. § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO verbietet das Halten an engen und an unübersichtlichen Straßenstellen. Eng im Sinne dieser Vorschrift ist eine Straßenstelle dann, wenn der zur Durchfahrt insgesamt freibleibende Raum für ein Fahrzeug höchst zulässiger Breite - diese beträgt laut § 32 Abs. 1 StVZO 2,55 m - zuzüglich eines Seitenabstands von 50 cm bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde. Dabei ist die Gegenfahrbahn mit einzubeziehen. Auf einen etwaigen Fußweg kommt es hingegen nicht an, da dieser nicht zum Befahren durch Lkw und schwere Einsatzfahrzeuge ausgelegt ist. Enge Straßenstellen sind mithin solche, die eine Fahrbahnbreite unter 3,05 m aufweisen. Ein Verkehrsschild, welches auf das insoweit bestehende gesetzliche Halteverbot hinweist, ist dabei nicht erforderlich (vgl. VG Bremen, Urteil v. 12.11.2009 - Az.: 5 K 252/09, Rn. 17 - zit. nach juris). Hier wurde diese erforderliche Restbreite weit unterschritten. Die mittels technischer Hilfsmittel durchgeführte Messung hat nach den nachvollziehbaren Angaben der Beklagten ergeben, dass das klägerische Fahrzeug so am rechten Straßenrand geparkt war, dass die restliche Fahrbahnbreite lediglich 2,20 m betrug. Die Straßenbreite beträgt ausweislich des vorgelegten Auszuges aus der digitalen Stadtgrundkarte und den von den Beamtinnen der Beklagten durchgeführten Messungen im maßgeblichen Bereich 4,40 m. Der VW des Klägers weist nach den Angaben der Beklagten mit Außenspiegel eine Breite von ca. 2,20 m auf, so dass ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO gegeben ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man die Angaben des Klägers zugrunde legt, wonach die Straße 4,45 m breit sei und sein Fahrzeug lediglich 1,95 m. Denn auch bei einer Restbreite von 2,50 m wäre eine enge Straßenstelle zu bejahen. Gegen eine Anwendung der Regelung des 3 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO spricht auch nicht, dass sich die Straße hinter dem hier in Rede stehenden Abschnitt des Großen Sandberges auf ca. 2,30 m verengt, zumal sich keine Einschränkung dahin findet, dass die Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO nur auf Straßen bezieht, in denen Durchgangsverkehr besteht.
Bei der streitgegenständlichen Fläche handelt es sich auch nicht um eine Parkbucht im Sinne eines Parkstreifens. Parkstreifen sind ausreichend befestigte, befahrbare Flächen unmittelbar neben der Fahrbahn, die für den ruhenden Verkehr angelegt sind. Das ist hier nicht der Fall. Aus den Fotos, die am Tattag gefertigt wurden und die vorgefundene Situation dokumentieren geht hervor, dass am rechten Fahrbahnrand geparkt wird, ein separater Parkstreifen aber nicht existiert.
Die Beklagte durfte die Maßnahme zur Gefahrenabwehr grundsätzlich auch im Wege der unmittelbaren Ausführung durchführen. Das Abschleppen eines Fahrzeugs ist als unmittelbare Ausführung nach § 9 Abs. 1 S. 1 SOG LSA zu qualifizieren, wenn das zu der Maßnahme Anlass gebende Verhalten in einem Verstoß gegen unmittelbar geltende Rechtsvorschriften besteht. Das ist hier der Fall. In solchen Fällen fehlt es - im Unterschied zu den in Verkehrszeichen enthaltenen, sofort vollziehbaren Verwaltungsakten i. S. e. Allgemeinverfügung gemäß §§ 1 Abs. 1 VwVfG LSA, 35 S. 2 VwVfG - in der Regel an einer Grundverfügung, die ggf. im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken ist (vgl. Hamburgisches OVG, Urteil v. 28.03.2003 - Az.: 3 Bf 215/98, Rn. 24 - zit. nach juris).
Der Zweck der Maßnahme - die Beseitigung der andauernden Rechtsverletzung und die Wiederherstellung der Verkehrssicherheit - konnte auch nicht rechtzeitig durch die Inanspruchnahme der nach §§ 7, 8 SOG LSA Verantwortlichen erreicht werden. Weder der Fahrer als Verhaltensstörer nach § 7 SOG LSA noch der Halter als Zustandsstörer nach § 8 SOG LSA waren im Zeitraum zwischen der Feststellung des Verkehrsverstoßes und der Einleitung der Abschleppmaßnahme erreichbar. Auch Anhaltspunkte auf ihren Aufenthaltsort waren nicht ersichtlich.
Die Maßnahme erweist sich jedoch als unverhältnismäßig. Das in § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO normierte Halteverbot an engen Straßenstellen dient der Sicherstellung ausreichenden Raumes für den fließenden Straßenverkehr. Deshalb kommt es auf eine konkrete Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer zwar nicht an. Vielmehr ist eine Umsetzung regelmäßig bereits dann gerechtfertigt, wenn durch ein parkendes Fahrzeug weniger als 3 m zur Durchfahrt frei bleiben (VG Berlin, Urteil v. 18.11.1997 - Az.: 11 A 1542.96). Das angeordnete Abschleppen des klägerischen LKW war zur Beseitigung des Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und damit der bereits eingetretenen und noch andauernden Störung der öffentlichen Sicherheit auch geeignet. Ob sie auch erforderlich war, d.h. möglicherweise andere den Kläger weniger belastende, aber gleichermaßen effektive Mittel zur Gefahrenabwehr zur Verfügung standen, kann offen bleiben. Sie war jedenfalls nicht angemessen. Die Verwaltungsvollstreckungsbeamten haben die Abschleppmaßnahme nur 9 Minuten nach Feststellung des Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften eingeleitet, ohne zuvor den Versuch zu unternehmen, Fahrer oder Halter des klägerischen Fahrzeugs zu erreichen. Dies erscheint im konkreten Fall unverhältnismäßig.
Es ist zwar regelmäßig nicht zu beanstanden, bei qualifizierten Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht zur Vermeidung jederzeit möglicher Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer ohne jedes Zuwarten und ohne weitere Nachforschungen nach dem Aufenthalt des gegen die entsprechenden verkehrsrechtlichen Anordnungen Verstoßenden das Abschleppen des betreffenden Fahrzeuges zu veranlassen (vgl. hierzu OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.03.2002, 4 L 118/01,NVwZ-RR 2003, 647). Eine zeitnah nach der Feststellung eines Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften durchgeführte Abschleppmaßnahme ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dabei regelmäßig nur dann problematisch, wenn der Fahrzeugführer ohne Schwierigkeiten und wesentliche Verzögerungen erreicht und zur Beseitigung des verbotswidrigen Parkens veranlasst werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1989, 7 B 179.89, Buchh. 442.151 3 12 StVO Nr. 7; Beschluss vom 27.05.2000, 3 B 67.02, juris).
Im konkreten Fall war jedoch zunächst zu berücksichtigen, dass sich hinsichtlich der Durchfahrtmöglichkeit für Feuerwehrfahrzeuge wie auch für LKW, die das Kaufhaus Peek & Cloppenburg anliefern wollen, bereits durch die wenige Meter von der hier maßgeblichen Stelle entfernte Fahrbahnverengung auf ca. 2,30 m maßgebliche Behinderungen ergeben. Diese auch im hier maßgeblichen Zeitpunkt bereits gegebenen Einschränkungen dürften durch das Abstellen des LKW des Klägers jedenfalls nicht gravierend verschärft worden sein. Bei dem Kläger ist angesichts der in unmittelbarer Nähe befindlichen Fahrbahnverengung und dem Nichtvorhandensein eines entsprechenden Verkehrszeichens der Eindruck entstanden, es handele sich um eine Parkbucht. Dieser Eindruck erscheint dem Gericht angesichts der dortigen gerichtsbekannten Verkehrssituation jedenfalls nicht gänzlich abwegig, auch wenn er nicht durch entsprechende Verkehrszeichen gerechtfertigt wird. Der Kläger hat ferner vorgetragen, dass er an der maßgeblichen Stelle bereits seit mehreren Jahren unbehelligt geparkt hat und dass - abgesehen von dem hier streitigen Abschleppvorgang - bis heute dort geparkt wird, ohne dass die Beklagte einschreitet. Die Beklagte verweist hierzu auf einen Abschleppvorgang im Jahr 2000, tritt dem Vorbringen im Übrigen jedoch nicht entgegen. Zutreffend führt sie hierzu zwar aus, dass ihr ein Präsentsein zu jeder Zeit an jedem Ort nicht möglich ist. Allein der Umstand, dass ein Verstoß gegen Straßenverkehrsrecht bislang ungeahndet blieb, vermag diesen auch nicht zu rechtfertigen oder einen im Übrigen gebotenen Abschleppvorgang in Frage zu stellen. Die Beklagte hätte jedoch die vorgenannten Gesichtspunkte bei der Ausübung ihres Ermessens dahingehend berücksichtigen müssen, dass sie vor Einleitung des Abschleppvorganges Ermittlungen über den Verbleib des Fahrzeugführers oder die Identität des Fahrzeughalters anstellt, zumal angesichts des innerstädtischen Kennzeichens derartige Nachforschungsversuche nicht bereits von vornherein nicht erfolgversprechend waren. Es erscheint ferner angesichts der durch das klägerische Fahrzeug nicht maßgeblich verschärften Verkehrssituation unverhältnismäßig, den Abschleppvorgang nach weniger als 30 Minuten nach Feststellung des verbotswidrigen Parkens einzuleiten.
Hat die Beklagte den Kläger nach alledem zu Unrecht zu den Kosten des Abschleppvorgangs als solchen herangezogen, ist auch die gegenüber dem Kläger zugleich erfolgte Gebührenfestsetzung in Höhe von 56,00 rechtswidrig. Die Voraussetzungen der insoweit als Rechtsgrundlage heranzuziehenden §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 VwKostG LSA liegen nicht vor. Der Kläger ist aus den vorgenannten Gründen nicht Kostenschuldner im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 VwKostG LSA. ..." (VG Halle, Urteil vom 30.08.2012 - 3 A 20/11)
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Ein verbotswidriges Abstellen (Parken) eines KfZ über einen Zeitraum von mehr als 1 Stunde rechtfertigt auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände, dass die Mitarbeiter der Ordnungsbehörde das Abschleppen des Fahrzeugs grundsätzlich veranlassen dürfen. Die Bediensteten der Ordnungsbehörde sind nicht verpflichtet, den Störer vor Veranlassung des Abschleppens zu benachrichtigen und ihn zum Wegfahren des KfZ aufzufordern; dies gilt auch, wenn Anschrift, Telefon-, Handy-Nr. in oder an dem Fahrzeug angebracht sind (im Anschluss an BVerwG, NJW 2002, 2122; VG Gießen, Urteil vom 20.09.2002 - 10 E 1547/02).
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Ist die Polizei im Besitz des Fahrzeugschlüssels, darf sie ein unbeschädigtes Fahrzeug zur Eigentumssicherung nicht ohne weiteres abschleppen lassen. Sie ist vielmehr dazu verpflichtet, den Schlüssel mit auf die Dienststelle zu nehmen und von dort aus den Eigentümer zu benachrichtigen (VG Darmstadt, Urteil vom 08.02.2001 - 3 E 2559/99).
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Das Abschleppen eines - auch über einen längeren Zeitraum - ordnungswidrig im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten Kraftfahrzeug zur Personenbeförderung (Taxi) im Bereich der Beförderungspflicht nach § 47 IV PBefG (Pflichtfahrbereich) ist zur Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes weder erforderlich noch ermessensgerecht. Auf Grund der behördlichen Registrierung eines derartigen Kraftfahrzeugs, des Halters/Unternehmers und des Betriebssitzes sowie der an und in dem Fahrzeug angebrachten Identifikationsmerkmale ist es im Zeitalter der EDV zumutbar, verhältnismäßig und ermessensgerecht, den Verursacher des ordnungswidrigen Zustandes ausfindig zu machen und ihn unmittelbar zur Beseitigung in Anspruch nehmen; das mehrstündige Zuwarten und anschließende Abschleppen ist in einem derartigen Fall ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig in Bezug auf die Zielrichtung der Ermächtigungsgrundlage, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit effektiv und schnell zu beseitigen. Eine unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft angeordnete Abschleppmaßnahme zieht keinen Kostenerstattungsanspruch nach sich (VG Gießen, Urteil vom 22.09.2000 - 10 E 1651/96).
§ 9 Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können Maßnahmen gegen andere Personen als die nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen richten, wenn
1. eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist,
2. Maßnahmen gegen die nach §§ 6 oder 7 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,
3. die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörden die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch beauftragte Dritte abwehren und
4. die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.
(2) Die Maßnahmen nach Abs. 1 dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Für die Beseitigung drohender Obdachlosigkeit ist der Obdachlose nach den §§ 11, 6 HSOG selbst verantwortlich. Die Inanspruchnahme des Eigentümers der Wohnung, deren Räumung dieser betreibt, ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 HSOG (Nichtverantwortlicher) zulässig. Die grundsätzlich nach § 2 Satz 2 HSOG zuständige Verwaltungsbehörde hat nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 HSOG vor der Inanspruchnahme des nichtverantwortlichen Wohnungseigentümers ernsthafte und nachprüfbare Anstrengungen in Bezug auf eine anderweitige Unterbringung des Obdachlosen zu unternehmen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 HSOG verbietet es aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit zivilrechtlicher Räumungstitel zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 06.06.2011 - 8 L 1441/11.F).
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Die Wiedereinweisung einer vierköpfigen Familie in ein Eigenheim verstößt jedenfalls dann gegenüber dem in Anspruch genommenen Eigentümer als Nichtstörer gegen das Übermaßverbot, wenn die Behörde nicht nachgewiesen hat, dass anderweitiger zumutbarer Wohnraum nicht zur Verfügung steht (VG Darmstadt, Beschluss vom 20.07.2009 - 3 L 946/09):
... Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO begründet, wenn eine seitens des Gerichts vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs oder seiner Anfechtungsklage das von der Behörde geltend gemachte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Ob dies der Fall ist, richtet sich primär danach, welche Erfolgsaussichten der Widerspruch beziehungsweise die Anfechtungsklage aufweisen. Erweist sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig und eilbedürftig, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das private Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beziehungsweise der Klage.
Bei Zugrundelegung des vorstehend dargelegten Entscheidungsmaßstabes ergibt sich, dass der Antrag begründet ist.
Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Inanspruchnahmeverfügung des Bürgermeisters der Stadt W. vom 02.07.2009, weil sich die in Ziffer 1) der angefochtenen Verfügung getroffene Regelung nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen als rechtswidrig erweist.
Die Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer zur Abwendung drohender Obdachlosigkeit der Beigeladenen ergibt sich aus §§ 11, 9 HSOG. Nach diesen Vorschriften können die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Dabei können sie Maßnahmen auch gegen andere Personen als die nach den §§ 6 oder 7 Verantwortlichen (Verhaltens- oder Zustandsstörer) richten, wenn 1. eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren ist, 2. Maßnahmen gegen die nach §§ 6 oder 7 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, 3. die Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörden die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch beauftragte Dritte abwehren und die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.
Da die Inanspruchnahme eines Nichtstörers nur in Ausnahmefällen rechtmäßig sein kann, sind die o. g. Voraussetzungen sehr eng auszulegen. Insbesondere müssen sämtliche Voraussetzungen kumulativ, d. h. gleichzeitig, vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zwar stellt Obdachlosigkeit grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der damit einhergehenden Gesundheitsgefahr eine Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Vorliegend fehlt es indes schon an der Darlegung, dass den Beigeladenen ohne die Inanspruchnahme des Antragstellers Obdachlosigkeit drohen könnte. Obdachlos ist jemand, der unfreiwillig ohne Unterkunft und aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln nicht in der Lage ist, die Obdachlosigkeit durch Beschaffung einer Wohn- oder Unterkunftsmöglichkeit zu beseitigen. Diese Voraussetzungen treffen auf die Beigeladenen nicht zu. Diese haben mit Mietvertrag vom 04.01.2006 das im Eigentum des Antragstellers stehende Einfamilienwohnhaus gemietet, wobei das Mietverhältnis im Hinblick auf einen beruflich bedingten Auslandsaufenthalt des Antragstellers auf die Dauer von 36 Monaten befristet abgeschlossen war und zum 15.01.2009 endete. Der Antragsteller hat den Beigeladenen mehrfach vor Ablauf des Mietverhältnisses mitgeteilt, dass er beabsichtigt, nach seiner berufsbedingten Abwesenheit wieder in sein Haus in W. einzuziehen. Da die Beigeladenen sich mit der Zahlung der Miete für die Monate Oktober und November 2008 im Rückstand befanden, kündigte der Antragsteller das Mietverhältnis. Nachdem die Beigeladenen das Einfamilienhaus nicht fristgerecht zum 15.01.2009 geräumt hatten, erhob dieser unter dem 28.01.2009 Räumungsklage zum Amtsgericht Darmstadt. Für den Fall des Anerkenntnisurteils sowie den Verzicht auf Räumungsschutz wegen einer psychischen Erkrankung der Beigeladenen zu 1) erklärte der Antragsteller, dass er von einer Vollstreckung des Anerkenntnisurteils bis Ende April 2009 absehen und den Gerichtsvollzieher anweisen werde, einen Räumungstermin nicht vor dem 01.06.2009 anzuberaumen. Am 24.02.2009 verkündete das Amtsgericht Darmstadt das Anerkenntnisurteil (- ... / ... -). Die Beigeladenen haben das Haus nicht geräumt. Alle vereinbarten Fristen ließen sie verstreichen. Der Antragsteller hat den Beigeladenen mehrfach, zuletzt mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 07.04.2009 Wohnungen nachgewiesen, die für die Beigeladenen in Betracht kommen. Die Beigeladenen haben offenbar keinerlei Anstrengungen unternommen, auf dem Wohnungsmarkt eine Wohnung zu suchen. Nach alledem kann keine Rede davon sein, dass die Beigeladenen unfreiwillig ohne Unterkunft seien und aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln nicht in der Lage seien, die drohende Obdachlosigkeit durch Beschaffung einer Wohn- oder Unterkunftsmöglichkeit zu beseitigen. Im Gegenteil, das Gericht geht mit dem Antragsteller davon aus, dass es den Beigeladenen darum geht, solange als möglich im Hause des Antragstellers ausharren zu können. Ausweislich des von der Antragsgegnerin vorgelegten Aktenvorgangs haben die Beigeladenen selbst es offenkundig nicht für nötig gehalten, bei der Antragsgegnerin wegen einer Unterkunft vorstellig zu werden, denn in dem Aktenvorgang ist kein Gespräch oder sonstige Notiz über einen Kontakt zwischen Antragsgegnerin und den Beigeladenen dokumentiert. Es findet sich dort lediglich der Ausdruck einer E-Mail des Mitarbeiters Schreiber von der Firma DD, C-Stadt, an den zuständigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin, in dem dieser mitteilt, der Beigeladene zu 2) habe am 24.05.2009 an seinem Arbeitsplatz einen totalen psychischen Zusammenbruch erlitten, so dass man den Notarzt habe rufen müssen. Es bestehen schon erhebliche Zweifel, ob dieser Zusammenbruch im Zusammenhang mit der beabsichtigten Räumung steht, da die Mitteilung des Gerichtsvollziehers erst vom 02.06.2009 datiert; die Antragsgegnerin wäre indes gehalten gewesen, diesen Umstand bei der Unterbringung der Familie der Beigeladenen in eine zumutbare Unterkunft zu berücksichtigen. Soweit in diesem Zusammenhang in einem Vermerk des 3. Polizeireviers W. vom 01.07.2009 davon die Rede ist, der Beigeladene zu 2) habe bei der Antragsgegnerin vorgesprochen und dort die Auskunft erhalten, man könne die Familie lediglich in einem Container unterbringen, woraufhin dieser angedroht habe, sich und seine Familie umzubringen, ist ein derartiges Gespräch zwischen dem Ordnungsamtsleiter der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zu 2) in dem Aktenvorgang der Antragsgegnerin nicht dokumentiert.
Soweit die Antragsgegnerin in der angefochtenen Verfügung mitteilt, andere geeignete Wohnungen habe die Sozialverwaltung zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vermitteln können, behauptet sie lediglich, was sie nachvollziehbar darzulegen gehabt hätte. Es geht auch nicht darum, die Beigeladenen in eine andere Wohnung zu vermitteln, es geht darum, diese in einer zumutbaren Unterkunft unterzubringen. In diesem Zusammenhang vermag das Gericht auch nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen dem vorgelegten Aktenvorgang Schriftstücke beigeheftet sind, die erkennbar die Unterbringung einer anderen Familie betreffen und in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren stehen.
Die Antragsgegnerin hat auch nicht dargelegt, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, die Beigeladenen in einem der in W. befindlichen Beherbergungsbetriebe unterzubringen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bereits auf der offiziellen Homepage der Antragsgegnerin neun infrage kommende Betriebe aufgeführt sind. Schließlich hat sie auch nicht dargelegt, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, die Beigeladenen in einer Unterkunft einer Nachbargemeinde unterzubringen (vergleiche hierzu grundlegend BVerwG, 28.09.1972 - BVerwG I B 23.72 -, Buchholz 11 Art 11 GG Nr. 7). Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung im Übrigen darauf hinweist, sie habe bereits eine andere Familie in der Obdachlosenunterkunft im Stadtteil E untergebracht, belegt dies ebenfalls nicht, dass sie alle Mittel ausgeschöpft hat, um die Beigeladenen in einer zumutbaren Unterkunft unterzubringen. Auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 2) bzgl. der Zwangsräumung Suizidabsichten geäußert hat, führt nicht zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung.
Schließlich lässt sich dem Aktenvorgang auch nicht entnehmen, dass die Beigeladenen zwischenzeitlich in das in Anspruch genommene Haus eingewiesen worden sind; dort befindet sich lediglich eine Absichtserklärung vom 01.07.2009.
Die Inanspruchnahme der in dem im Eigentum des Antragstellers stehenden Räume in einem Einfamilienhaus (ca. 110 m 2 , 1 Küche, 1 Diele, 1 Bad, 1 Kellerraum, 3 ½ Zimmer nebst Mitbenutzung von 1 Garage, 2 Einstellplätzen für Pkw, sowie Garten und Terrasse ist darüber hinaus unverhältnismäßig, denn sie verstößt gegen das Übermaßverbot. Die an die Unterkünfte, in denen eine Einweisung zur Abwendung drohender Obdachlosigkeit erfolgen darf, zu stellenden Qualitätsanforderungen werden dadurch bestimmt, dass die gefahrenabwehrrechtliche Beseitigung von Obdachlosigkeit nur vorübergehender Natur sein soll. Dies bedeutet, dass den eingewiesenen Personen Räumlichkeiten nach ihrer Größe und Zahl zur Verfügung stehen müssen, die es jedenfalls im Ansatz ermöglichen, die unterschiedlichen Lebensbedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder so aufeinander abzustimmen, dass es nicht zwingend zu Störungen kommt. Dies bedeutet, dass genügend Schutz vor Witterungsverhältnissen vorhanden ist, wozu namentlich im Winter eine ausreichende Beheizbarkeit gehört, hygienischen Grundanforderungen genügende sanitäre Anlagen, also Waschmöglichkeiten und WC, sowie eine Kochstelle, notdürftige Möblierung, d. h. mindestens ein Schrank bzw. eine Kommode und ein Bett zählen, sowie elektrische Beleuchtung vorhanden sein müssen (vgl. hierzu grundlegend: HessVGH, Urteil vom 25.06.1991 - 11 UE 3675/88 -, DVBl. 1991, 1371). Diese Voraussetzungen für eine menschenwürdige Unterbringung von Obdachlosen werden vorliegend erheblich, insbesondere durch die Inanspruchnahme der Garage, zwei Pkw-Einstellplätzen sowie des Gartens und der Terrasse, überschritten.
Ohne dass es für die vorliegende Entscheidung darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass der Antragsteller, nachdem sein berufsbedingter Auslandsaufenthalt beendet war und die Beigeladenen das Mietobjekt nicht geräumt hatten, seinerseits, für bestimmte Zeit, eine Wohnung gemietet hat. Dieser Mietvertrag wurde mehrfach verlängert, jedoch mit Schreiben vom 27.05.2009 wegen Eigenbedarfs zum 31.07.2009 gekündigt. Nach Ablauf dieses Datums droht dem Antragsteller selbst Obdachlosigkeit. Es dürfte nur schwer vermittelbar sein, den Antragsteller in eine Obdachlosenunterkunft einzuweisen, während er für die Unterbringung der Beigeladenen mit seinem eigenen Haus in Anspruch genommen wird. ..."
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Die Gemeinden sind bei der Bewältigung des Problems von Obdachlosigkeit nicht allein auf die "klassische" Einweisungsverfügung angewiesen; sie können die notwendige Unterkunft auch aufgrund öffentlich-rechtlicher Nutzungsvereinbarung oder privatrechtlichen Mietvertrages bereitstellen. Ein privates Mietverhältnis liegt nur vor, wenn sich die Beteiligten über Mietgegenstand, -dauer und -zins geeinigt haben. Nutzungsentgelt für die Unterbringung kann die Gemeinde nur verlangen, wenn sie dies entweder mit dem Obdachlosen konkret vereinbart oder eine entsprechende Gebührensatzung erlassen hat (VG Darmstadt, Beschluss vom 01.11.2001 - 3 TG 2365/01).
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§ 10 Einschränkung von Grundrechten
Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf
Leben und körperliche Unversehrtheit (en und körperliche Unversehrtheit ( Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Art. 3 der Verfassung des Landes Hessen),
Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Art. 5 der Verfassung des Landes Hessen),
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen),
Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 6 der Verfassung des Landes Hessen),
Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 des Grundgesetzes, Art. 8 der Verfassung des Landes Hessen)
eingeschränkt werden.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine kriminalpolizeiliche Gefährderansprache, mit der der Geschäftsführer eines Inkassounternehmens unter Hinweis auf mögliche Ermittlungsmaßnahmen darüber "bösgläubig" gemacht wird, dass das Einziehen erkennbar unberechtigter Forderungen - etwa aus verbotenen und strafbaren Internet-Glücksspielen - Beihilfe zum Betrug darstellen kann, greift zwar in die Freiheit der Unternehmensbetätigung ein, ist aber zur Verhütung drohender Straftaten geeignet und auch im Übrigen verhältnismäßig. Eine auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel des § 11 HSOG gestützte Gefährderansprache ist in einem solchen Fall nicht durch die Möglichkeit des Widerrufs der Registrierung gemäß § 14 RDG ausgeschlossen (VGH, Beschluss vom 28.11.2011 - 8 A 199/11.Z zu §§ 1 Abs 4, 11,10 H SOG, § 14 RDG, Art 12 Abs 1 GG u.a.).
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Im Falle der Obdachlosigkeit ist diejenige Gefahrenabwehrbehörde örtlich zuständig, in deren Amtsbereich sich der Obdachlose gegenwärtig aufhält und an die er sich mit der Bitte um Unterbringung wendet. Wo die Obdachlosigkeit eingetreten ist und ob sich der Obdachlose zuvor im Amtsbereich einer anderen Gefahrenabwehrbehörde aufgehalten hatte und dort um Zuweisung einer Unterkunft nachgesucht hatte, ist unerheblich (VGH Hessen, Beschluss vom 05.02.2003 - 11 TG 3397/02).
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Zweiter Abschnitt - Befugnisse
§ 11 Allgemeine Befugnisse
Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die folgenden Vorschriften die Befugnisse der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden besonders regeln.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine kriminalpolizeiliche Gefährderansprache, mit der der Geschäftsführer eines Inkassounternehmens unter Hinweis auf mögliche Ermittlungsmaßnahmen darüber "bösgläubig" gemacht wird, dass das Einziehen erkennbar unberechtigter Forderungen - etwa aus verbotenen und strafbaren Internet-Glücksspielen - Beihilfe zum Betrug darstellen kann, greift zwar in die Freiheit der Unternehmensbetätigung ein, ist aber zur Verhütung drohender Straftaten geeignet und auch im Übrigen verhältnismäßig. Eine auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel des § 11 HSOG gestützte Gefährderansprache ist in einem solchen Fall nicht durch die Möglichkeit des Widerrufs der Registrierung gemäß § 14 RDG ausgeschlossen (VGH, Beschluss vom 28.11.2011 - 8 A 199/11.Z zu §§ 1 Abs 4, 11,10 H SOG, § 14 RDG, Art 12 Abs 1 GG u.a.).
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Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist eine "Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" nicht zulässig. Es erscheint zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützte Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird (VGH Hessen, Beschluss vom 30.09.2011 - 8 B 1329/11 zu § 80 Abs 5 VwGO, §§ 31, 11 HSOG, Art 19 Abs 4 GG):
... Auch die vom Antragsgegner hilfsweise beantragte Feststellung, dass die Anordnung des Kontakt- und Annäherungsverbots rechtmäßig ergangen sei und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung daher auch insoweit abzuweisen gewesen sei, läuft dem Zweck des vorläufigen Vollziehungsschutzverfahrens" des § 80 Abs. 5 VwGO zuwider und kann deshalb nicht hier, sondern allenfalls im Hauptsache-, also im Klageverfahren ausgesprochen werden.
Es trifft zwar zu, dass das Bundesverfassungsgericht bei einem gewichtigen Grundrechtsverstoß, dessen unmittelbare Belastung sich typischerweise auf eine Zeitspanne beschränkt, in der nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangt werden kann, zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG eine Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" etwa gegen eine erledigte Unterbringungsmaßnahme zugelassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Mai 1998 - 2 BvR 978/97 - NJW 1998 S. 2432 f. = juris) oder das Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses für eine Verfassungsbeschwerde gegen eine erledigte Fessellungsanordnung angenommen hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. August 2011 - 2 BvR 1739/10 - juris). Damit soll aber überhaupt eine Rechtsschutzmöglichkeit erhalten bleiben, die aber bei einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit dem parallel geführten Hauptsacheverfahren gegeben ist. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht dementsprechend in einem dem vorliegenden vergleichbaren Fall entschieden, dass es Art. 19 Abs. 4 GG nicht gebiete, über die im Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO übliche summarische Prüfung hinauszugehen, denn dem aus der Wohnung Verwiesenen bleibe die Möglichkeit, die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 13 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 GG nachträglich etwa im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltend zu machen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Februar 2002 - 1 BvR 300/02 - NJW 2002 S. 2225 f. = juris Rdnrn. 7 ff.).
Abgesehen davon, dass sich der Antragsgegner als Träger öffentlicher Verwaltung nicht auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen kann, hätte er auch hier eine Klärung im Hauptsacheverfahren suchen können. Er hätte noch während der Geltungsdauer der streitigen polizeirechtlichen Verfügung vom 23. Mai 2011 über den erhobenen Widerspruch in der Sache entscheiden und dadurch die Möglichkeit einer Klageerhebung eröffnen können; einer späteren Erledigungserklärung des Klägers hätte er dann auch unter Berufung auf sein eigenes Fortsetzungsfeststellungsinteresse widersprechen können.
In Fällen der vorliegenden Art muss der Antragsgegner auch grundsätzlich nicht befürchten, dass vor einer Widerspruchserhebung ein einem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO stattgebender verwaltungsgerichtlicher Beschluss ergeht, weil die wiederherzustellende oder anzuordnende aufschiebende Wirkung eine Widerspruchserhebung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO voraussetzt und vorher auch die Erfolgsaussichten des Widerspruchs nicht geprüft werden können.
Es erscheint zwar auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützt Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird, da sich § 31 HSOG auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person an einem bestimmten Ort bezieht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 11 TG 2548/02 - NVwZ 2003 S. 1400 ff. = juris Rdnrn. 4 ff.), während sich das Kontakt- und Annäherungsverbot auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person in der Nähe einer anderen Person, an welchem Ort diese sich auch immer aufhält, und damit auf eine unterschiedliche Gefahrenlage bezieht. Diese Frage kann aber wegen des von vornherein fehlenden Rechtsschutzinteresses für die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde auch nicht einer nur vorübergehenden Klärung zugeführt werden. ..."
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Die Aufhebung einer erst nach Abschluss des erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgten Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes kann vom Beschwerdegericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO angeordnet werden. Die vorübergehende Einweisung in eine Notunterkunft zur Vermeidung unfreiwilliger Obdachlosigkeit begründet keinen Besitzstand und keinen Rechtsanspruch des Eingewiesenen, in der Unterkunft belassen zu werden. Die Gemeinde ist vielmehr in Ausübung ihres Nutzungsrechts befugt, ihn nach pflichtgemäßem Ermessen aus - schlüssig und nachvollziehbar angeführten - sachlichen Gründen in eine andere, den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung genügende Unterkunft umzusetzen (VGH, Urteil vom 07.03.2011 - 8 B 217/11).
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Aus § 16 Abs. 1 der hessischen Hundeverordnung ergibt sich eine umfassende Aufgabenzuweisung an die Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörden für den gesamten Bereich des Haltens und Führens von Hunden zum Zweck des Schutzes Dritter gegen dadurch hervorgerufene Gefahren. Eine generelle Untersagung der Hundehaltung kann auf § 11 HSOG gestützt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass beim Halten und Führen von Hunden durch eine Person gegen das Gebot des § 1 Abs. 1 Satz 1 HundeVO verstoßen wird, wonach Hunde so zu halten und zu führen sind, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht (VGH Hessen, Beschluss vom 29.06.2009 - 8 B 1034/09).
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Zum behördlichen Verbot der Veranstaltung von Pokerturnieren in Gaststätten und der Werbung für solche Veranstaltungen. Von Gastronomen veranstaltete Pokerturniere in Gaststätten sind in Hessen jedenfalls dann verboten und nicht genehmigungsfähig, wenn das Einsatzrisiko pro Spieler bei Wahrnehmung aller vom Veranstalter gebotenen Gewinnchancen die Einkommen Geringverdienender oder etwaige staatliche Transferleistungen übersteigt (hier entschieden für ein maximales Einsatzrisiko von 350,00 EUR pro Woche; VGH Hessen, Beschluss vom 07.08.2008 - 8 B 522/08).
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Bis zu der für den 1. Januar 2008 zu erwartenden Neuregelung der Rechtslage sind die zuständigen Behörden weiterhin befugt, privaten Wettanbietern die Vermittlung von Sportwetten zu untersagen (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung; VGH Hessen, Beschluss vom 30.08.2007 - 7 TG 616/07).
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Das Verbot exzessiver Taubenfütterung - hier bis zu 75 kg Taubenfutter pro Tag - kann auf § 11 HSOG gestützt werden, verhältnismäßig und mit den Anforderungen eines ethischen Tierschutzes vereinbar sein (VGH, Beschluss vom 30.04.2009 - 8 UZ 3006/06).
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Die private Vermittlung von Sportwetten durch nicht vom Lande Hessen zugelassene Annahmestellen kann weiterhin ordnungsrechtlich unterbunden werden (Fortführung der Rechtsprechung des 11. Senats, der Beschlüsse vom 25. Juli 2006 - 11 TG 1465/06 - und vom 14. September 2006 - 11 TG 1653/06 -; VGH Hessen, Beschluss vom 05.01.2007 - 2 TG 2911/06).
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Das in Hessen durch § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Spw/LottoG normierte staatliche Sportwettenmonopol ist in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG und mit der durch Art. 43 und 49 des EG-Vertrages verbürgten Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit von im EU-Ausland konzessionierten privaten Veranstaltern von Sportwetten vereinbar (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff. [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01] bezüglich des bayerischen Staatslotteriegesetzes). Innerhalb der von dem Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 eingeräumten Übergangsfrist bis 31. Dezember 2007 darf auch in Hessen das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht von den zuständigen hessischen Behörden erlaubt werden, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden. Die von dem Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 aufgestellten Anforderungen an die Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz zwischen den Zielen des staatlichen Sportwettmonopols und seiner tatsächlichen Handhabung sind auf Grund der durch die Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen durchgeführten bzw. veranlassten Maßnahmen zur Ausrichtung der Werbung und des Vertriebs für die staatliche Oddset-Wette an die Erfordernisse der Begrenzung problematischen Spielverhaltens, der Bekämpfung der Wettsucht und der Suchtprävention erfüllt (VGH Hessen, Beschluss vom 25.07.2006 - 11 TG 1465/06).
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Wird Piercing unter Anwendung einer örtlichen Betäubung mittels Injektion eines Arzneimittels durchgeführt, stellt dies Ausübung der Heilkunde i. S. des § 1 II HeilpraktikerG dar (VGH Kassel, Beschluss vom 02.02.2000 - 8 TG 713/99, NJW 2000, 2760).
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Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs, dessen Zustand den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung widerspricht, stellt einen Verstoß gegen § 16 StVZO dar und begründet deshalb eine polizeirechtliche Gefahr. Der Verkäufer eines Fahrzeugs verletzt seine Pflicht nach § 27 III 1 StVZO, der Zulassungsstelle unverzüglich die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, auch dann, wenn er fahrlässig eine falsche Adresse des Käufers mitteilt. Der frühere Eigentümer eines Kraftfahrzeugs ist nicht deshalb als Verhaltensstörer für die durch das rechtswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeugs eintretende polizeirechtliche Gefahr verantwortlich, weil er nach dem Verkauf des Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 27 III 1 StVZO der Zulassungsstelle die Adresse des Erwerbers nicht oder fahrlässig eine falsche Adresse mitgeteilt hat. Da sein Pflichtverstoß nicht kausal für den Eintritt der Gefahr ist, die durch das Abschleppen des Kraftfahrzeugs beseitigt wird, ist er nicht zum Ersatz der dadurch entstehenden Kosten verpflichtet (VGH Kassel, Urteil vom 18.05.1999 - 11 UE 343/98).
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Eine "Meldeauflage" für einen angeblich gewaltbereiten Fußballfan für die Zeit eines Fußballspiels, in dessen Zusammenhang gewalttätige Auseinandersetzungen erwartet werden dürfen, setzt regelmäßig die Anhörung des Betroffenen voraus ( VG Oldenburg, Urteil vom 26.06.2012 - 7 A 3177/12):
... Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 ist rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Der Bescheid ist schon aus formellen Gründen rechtswidrig. Die Beklagte hat den Kläger vor dessen Erlass entgegen § 28 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG nicht angehört.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakte erlassen wird, der in die Rechte des Beteiligten eingreift. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht, ihn für den 3. April 2012 zur Meldung bei der Polizeistation zu verpflichten, angehört hat. Das Gericht hat erwogen, ob die Anhörung des Klägers wegen dieser Maßnahme darin zu sehen sein könnte, dass der Kläger sich gegen die vorangegangene weitgehend inhaltsgleiche Verfügung vom 15. Februar 2012 nicht gewehrt hat. Diesem Gedanken ist indes nicht näher zu treten, da der Kläger hierzu keinen Anlass hatte, weil diese Verfügung durch die Verlegung des Spieles VfL gegen - gegenstandslos geworden. Dies ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte den Kläger wohl noch vor Erlass der Verfügung vom 15. Februar 2012 in groben Zügen über den maßgeblichen Sachverhalt und die geplante Maßnahme unterrichtet hat. Hierin ist indes keine Anhörung i.S.v. § 28 VwVfG zu sehen. Der Kläger hat nach der übereinstimmenden Schilderung der Beteiligten von diesem Telefongespräch dadurch nicht die Gelegenheit erhalten, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Belange, die gegen eine Meldeauflage" am 25. Februar 2012 sprechen könnten, vorzubringen. Dazu wäre indes im Hinblick auf den Termin des Fußballspiels am 25. Februar 2012 noch hinreichend Zeit gewesen.
Ebenso wenig sieht das Gericht in dem weiteren Telefongespräch der Beklagten mit dem Kläger am 24. Februar 2012 dessen Anhörung im Hinblick auf die Verfügung vom 12. März 2012. Dem Kläger ist darin nur unbestimmt in Aussicht gestellt worden, dass bei der Durchführung des fraglichen Fußballspiels eine Meldeauflage" gegen ihn wieder in Betracht komme. Weder der genaue Zeitpunkt des Fußballspiels noch die Einzelheiten der Meldeauflage" vom 12. März 2012 konnten naturgemäß Gegenstand des Telefongesprächs der Beteiligten am 24. Februar 2012 sein.
Eine Anhörung i.S.v. § 28 Abs. 1 VwVfG ist auch nicht in dem vorprozessualen Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers (eingeleitet durch dessen Schreiben vom 22. März 2012) und der Beklagten zu sehen. Zwar ist grundsätzlich die Anhörung vor dem Erlass der fraglichen Entscheidung durchzuführen. Indes kann eine fehlende Anhörung gemäß § 45 Abs. 2 und 1 Nr. 3 VwVfG (bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) nachgeholt werden. Diese Möglichkeit ist hier im Hinblick auf den vorbezeichneten Schriftwechsel im Ergebnis nicht in Betracht zu ziehen. Sie wurde nicht von der Beklagten eingeleitet und eröffnete dem Betroffenen auch nicht wie bei einer ordnungsgemäßen Anhörung die Änderung des fraglichen Verwaltungsakts durch das Einbringen seiner Belange. Die Aktenlage spricht eindeutig dagegen, dass die Beklagte ergebnisoffen" in diesem Sinne mit den Einwänden des Prozessbevollmächtigten des Klägers umgegangen ist. Sie hat lediglich bei der Polizeiinspektion nachgefragt und von dieser die Auskunft erhalten, dass diese an der Einschätzung der Gefahrenlage festhalte. Die Beklagte hat auf dieser Grundlage ihre Verfügung vom 12. März 2012 durch das Schreiben vom 27. März 2012 nur wiederholend verteidigt. Vom Ansatz her ist es zwar nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich auf die polizeilichen Auskünfte verlässt. Die Behörde hat grundsätzlich keinen Grund ohne weiteres an der Korrektheit der schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse der polizeilichen Szene kundigen Beamten zu zweifeln. Durch jahrelange Beobachtung der Hooligan-Szene sowie durch die Sachbearbeitung aller Delikte rund um Fußballspiele verfügen szenekundige Beamte über eine umfassende Personenkenntnis und dürften Problemfans differenziert beurteilen können (s. VG Meiningen, Urteil vom 8. Februar 2011 - 2 K 253/09 ME - zitiert nach juris, m.w.N.). Grundsätzlich genügt für die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf die Frage, ob ihr mit einer Meldeauflage für einen Fußballfan zu begegnen ist, die Zugehörigkeit dieser Person zur Hooligans-Szene. Die Straftaten von Hooligans im weiteren Zusammenhang mit Fußballspielen haben ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als ein Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus initiiert und gesteigert wird, und der schon durch die Gegenwart von Gleichgesinnten befördert wird (VGH München, Beschluss vom 9. Juni 2006 - 24 CS 06.1521 - zitiert nach juris).
Auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es indes zu beanstanden, dass die Beklagte hier den Kläger nicht zu der beabsichtigten Meldeauflage angehört hat. Sie hätte ihm Gelegenheit geben müssen, zu dem insoweit maßgeblichen tatsächlichen Vorwurf - den Vorfällen vom 10. September 2011 - Stellung nehmen zu können. Es ist beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass der Kläger dann durch geeignete Nachweise (durch glaubwürdige Zeugen z. B.) hätte belegen können, dass er sich (beispielsweise durch die Mitarbeit in "Fanprojekten") von der gewaltbereiten Fanszene des VfL abgewendet hätte. Es ist auch denkbar, dass er seine Ortsabwesenheit für den 3. April 2012 auf eine Weise hätte belegen können, dass seine Anwesenheit in an diesem Tage ausgeschlossen sei (beispielsweise Vorlage von Unterlagen für eine Fernreise). Möglicherweise hätte ggfs. auch sein Arbeitgeber bestätigt, dass er am 3. April 2012 wegen eines "Jobs" auf keinen Fall in Münster hätte sein können. Ob solche oder vergleichbare Umstände der streitgegenständlichen Anordnung hätten entgegenstehen können, braucht hier nicht geklärt zu werden - jedenfalls hätte die Beklagte sie in ihre Ermessenserwägungen aufnehmen müssen. Diesen Überlegungen steht nicht entgegen, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren solche oder ähnliche Tatsachen vorgetragen hat. Abzustellen ist insoweit bei der rechtlichen Überprüfung einer Maßnahme der Gefahrenabwehr ist auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier: Bescheid der Beklagten vom 13. März 2012 - abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Beklagte nicht wissen, welche Belange zugunsten des Klägers gegen eine Meldeauflage" streiten. Unerheblich ist mithin, was der Beklagten nach dem 13. März 2012 diesbezüglich bekanntgeworden ist. Auch aufgrund der Pflicht der Beklagten, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, war es wohl geboten, den Kläger zu der Meldeauflage" für den 3. April 2012 anzuhören.
Die Voraussetzung für ein ausnahmsweises Absehen von der Anhörung des Klägers sind hier nicht erfüllt. Ernsthaft kommt hier lediglich die Anwendung von § 28 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Betracht. Danach kann von einer Anhörung insbesondere abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Gefahr im Verzug im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät käme, um ihren Zweck zu erreichen, was in jedem Einzelfall ex ante" zu beurteilen ist (BVerwGE, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 3 C 27/82 -, juris zu der gleichlautenden bayerischen Vorschrift). Es ist weder vorgetragen noch im Hinblick auf die Zeit zwischen polizeilicher Anregung der Meldeauflage" (7. März 2012) und dem Fußballbeispiel am 3. April 2012 ansatzweise ersichtlich, dass die Voraussetzungen hier erfüllt sein könnten.
Die Anhörung ist auch nicht mit der Kommunikation der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nachgeholt. Die Anhörung gemäß § 28 VwVfG kann ihren verfahrensrechtlichen Zweck regelmäßig nur dann vollständig erfüllen, wenn sie vor dem Erlass der Entscheidung stattfindet. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in Niedersachsen gemäß § 8 a Abs. 1 Nds. AGVwGO - ein Widerspruchsverfahren, in dessen Rahmen die unterbliebene Anhörung regelmäßig nachgeholt werden kann, nicht mehr stattfindet. Wenn es das Gesetz dennoch zulässt, die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachzuholen, so sind an diese Heilung erhebliche Anforderungen gemäß Sinn und Zweck der Anhörung zu stellen. Es reicht somit nicht aus, wenn im Gerichtsverfahren - wie hier - das Gericht den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und sie auf diesem Wege ihre Auffassungen zur streitigen Maßnahme austauschen. Eine Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren setzt ein formelles Verfahren neben dem bzw. außerhalb des gerichtlichen Verfahrens voraus, das ggf. vorübergehend ausgesetzt werden kann. Eine Heilung des Verfahrensmangels kann jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn die Behörde dem Bürger im Klageverfahren eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme zum Erlass des Verwaltungsakts einräumt und danach klar zu erkennen gibt, ob und in welcher inhaltlichen Reichweite sie nach erneuter Prüfung weiter an dem Verwaltungsakt festhält. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 mit der Kommunikation der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren nicht erfüllt (s. zu alledem Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 -, juris).
Schließlich dürfte das Unterlassen der Anhörung auch nicht gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er u. a. unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dabei lässt das Gericht offen, ob diese Vorschrift bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage überhaupt anwendbar ist. Die Nachholung einer unterlassenen Anhörung ist nur in einem Verwaltungsverfahren möglich, das geeignet ist, zu einer Änderung des betroffenen Verwaltungsaktes zu führen. Dies ist bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht möglich, da sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt hat (s. hierzu VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, a.a.O., m.w.N.). Es scheint zudem sehr fraglich, ob die Voraussetzungen von § 46 VwVfG hier erfüllt sind. Zum einen ist erforderlich, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei einer Anhörung des Klägers vor dem Bescheid vom 12. März 2012 die Entscheidung (Meldeauflage für den 3. April 2012) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hätte anders ausfallen können. Zum anderen muss es auch offensichtlich sein, dass eine Anhörung des Klägers die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Es muss mithin jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen sein, dass es bei Vermeidung des Fehlers zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011 - 7 A 1212/09 - juris, sowie VG Köln, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 20 K 620/10 -, jeweils juris und m.w.N.). Das scheint vorliegend zweifelhaft. Zwar mag im Hinblick auf die Stellungnahmen der Polizeiinspektion und das Schreiben der Beklagten vom 27. März 2012 vieles dafür sprechen, dass auch eine Anhörung des Klägers, in der dieser die nunmehr im gerichtlichen Verfahren gegen die Meldeauflage angeführten Gründe hätte vortragen können, die Beklagte nicht zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätte. Gleichwohl ist die Möglichkeit einer anderen Entscheidung im Rechtssinne hier nicht auszuschließen. Bei der streitigen Verfügung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Anhörung sicherstellen soll, dass der von der beabsichtigten Maßnahme Belastete seine Belange in die Entscheidung einbringen soll (s. Urteil der Kammer vom 14. Januar 2011, a.a.O. - a.A. wohl VG Meiningen, Urteil vom 8. Februar 2011 - 2 K 453/09 - zitiert nach juris). Zur Vermeidung von Missverständnissen sei klargestellt, dass die Feststellung, der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 sei rechtswidrig, allein auf diesen formellen Erwägungen beruht. Das Gericht hält es ausdrücklich für möglich, dass eine Meldeauflage der hier streitigen Art für den Kläger nach ordnungsgemäßer Anhörung rechtmäßig sein könnte.
Mit der Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 zu Nr. 1 seines Tenors rechtswidrig gewesen ist, wird auch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 Euro für jeden nicht beachteten Meldetermin (Nr. 3 des Tenors) hinfällig. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es rechtlich bedenklich erscheint, dass die Beklagte die Festsetzung des Zwangsgeldes mit dessen Androhung und der Verfügung selbst verbindet. Ein Zwangsgeld ist regelmäßig erst dann festzusetzen, wenn der Betroffene die Verfügung gegen ihn nicht beachtet. Im Falle mehrerer Meldeauflagen" über eine Zeit von wenigen Stunden dürfte es in der Regel kaum zulässig sein, ein solches Zwangsgeld festzusetzen und beizutreiben, weil die Meldeauflage" sich mit dem letzten Meldetermin erledigt hat. Das Zwangsgeld kann dann seinen Zweck, dem Willen des Adressaten zu beugen, nicht mehr erfüllen (s. Rachor, in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, S. 704 m.w.N.). ..."
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Für die Beseitigung drohender Obdachlosigkeit ist der Obdachlose nach den §§ 11, 6 HSOG selbst verantwortlich. Die Inanspruchnahme des Eigentümers der Wohnung, deren Räumung dieser betreibt, ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 9 HSOG (Nichtverantwortlicher) zulässig. Die grundsätzlich nach § 2 Satz 2 HSOG zuständige Verwaltungsbehörde hat nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 HSOG vor der Inanspruchnahme des nichtverantwortlichen Wohnungseigentümers ernsthafte und nachprüfbare Anstrengungen in Bezug auf eine anderweitige Unterbringung des Obdachlosen zu unternehmen. § 9 Abs. 1 Nr. 4 HSOG verbietet es aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, für einen längeren Zeitraum oder gar dauerhaft die Wirksamkeit zivilrechtlicher Räumungstitel zu unterlaufen (VG Frankfurt, Beschluss vom 06.06.2011 - 8 L 1441/11.F).
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Solange den Teilnehmern an Mixed Martial Arts (MMA)-Kämpfen nach den Regeln des MMA die Möglichkeit eingeräumt wird, das Kampfgeschehen durch Abklopfen zu beenden, wird der unterlegene Kämpfer nicht zum Objekt von Gewalthandlungen degradiert (VG Gießen, Beschluss vom 03.03.2011 - 4 L 444/11.GI):
... Das öffentliche Vollzugsinteresse hingegen hat die Antragsgegnerin damit begründet, dass den Kämpfen, die am 5. März 2011 dargeboten werden sollen, ein nicht unerhebliches Gewaltpotential innewohne und deshalb zu befürchten sei, dass es hierdurch zu einem Abbau von Hemmschwellen beim Publikum komme; überdies würde durch die besondere Brutalität der Kämpfe der unterliegende Gegner zum Objekt und deshalb die Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG tangiert. Diese Erwägungen der Antragsgegnerin vermögen indes nicht das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zu überwiegen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Veranstaltung am 5. März 2011 gezielt aufgesucht werden muss und nicht von Personen unter 18 Jahren besucht werden darf; ein Eintrittsverbot für Jugendliche bis zu 18 Jahren war vielmehr von der Antragstellerin - nach deren insoweit unstreitigem Vortrag - von Beginn an vorgesehen. Dementsprechend enthält die Ziffer 6 der der Antragstellerin am 18. Januar 2011 von der Antragsgegnerin erteilten Gestattung gemäß § 12 des Gaststättengesetzes auch die Auflage, dass durch geeignete Kontrollmaßnahmen sicherzustellen ist, dass Jugendlichen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist. Damit ist nach Auffassung des Gerichts der Jugendschutz sichergestellt. Würde allerdings von der Antragstellerin auch die Zulassung von Jugendlichen zu ihrer Veranstaltung angestrebt, so wäre nach Ansicht des Gerichts aus Gründen des Jugendschutzes wegen des MMA-Kämpfen wohl innewohnenden Gewaltpotentials im Rahmen der Interessenabwägung von einem überwiegenden öffentlichen Interesse auszugehen gewesen (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2010 -1 BvR 2743/10 -), da dann eine Störung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen wäre. Darüber hinaus - das heißt losgelöst vom Jugendschutz - lässt sich vorliegend nach Ansicht des Gerichts ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse aber nicht ausschließlich mit einem MMA-Kämpfen innewohnenden Gewaltpotential begründen. Zwar stimmt das Gericht der Wertung der Antragsgegnerin, dass den von der Antragstellerin am 5. März 2011 in den Hessenhallen dargebotenen elf MMA-Kämpfen und den vier Combat-Sambo-Kämpfen wohl ein höheres Gewaltpotential innewohnt als den herkömmlichen Kampfsportarten Boxen, Karate, Jiu-Jitsu und Judo, grundsätzlich zu, weil bei den am 5. März 2011 dargebotenen Kämpfen im Gegensatz zu den anderen Vollkontaktsportarten auch im Bodenkampf getreten und geschlagen werden darf. Allerdings vermag das Gericht im Rahmen seiner summarischen Prüfung nicht zu erkennen, dass die geplante Darbietung am 5. März 2011 im Sinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2001 - 6 C 3/01 - (BVerwGE 115, 189) zum Betrieb eines sogenannten Laserdromes mit simulierten Tötungshandlungen eine Tendenz zur Bejahung oder zumindest Bagatellisierung von Gewalt dergestalt innewohnt, dass wegen der auf die Identifikation der Zuschauer mit der Gewaltausübung gegen Menschen" und deren lustvoller Teilnahme" hieran, die Kampfsportveranstaltung am 5. März 2011 mit den allgemeinen Wertevorstellungen in der Gesellschaft und der verfassungsrechtlichen Garantie der Menschenwürde unvereinbar ist. Entscheidend für diese Einschätzung des Gerichts ist, dass den Kämpfern nach den Regeln des MMA die Möglichkeit verbleibt, das Kampfgeschehen durch Abklopfen zu beenden und darüber hinaus nach den Statuten der Antragstellerin sowohl der Ringrichter, der Ringarzt wie auch der jeweilige Trainer den Kampf abbrechen können. Aufgrund dieser Möglichkeiten vermag das Gericht weder zu erkennen, dass der unterlegene Kämpfer zum Objekt von Gewalthandlungen degradiert wird noch, dass bei den Zuschauern eine Einstellung erzeugt oder verstärkt wird, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt. ..."
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Anspruch auf polizeiliches Einschreiten bei Lärm von öffentlichem Platz (VG Frankfurt, Urteil vom 11.02.2011 - 5 K 4817/10.F):
... Allerdings dürften die Tatbestandsvoraussetzungen der Generalklausel (§ 11 HSOG) grundsätzlich erfüllt sein, auch wenn auf der Rechtsfolgenseite keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.
Zunächst dürfte eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehen. Konkret steht zu befürchten, dass mit der Störung der Nachtruhe der Klägerin ihre körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt werden kann. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Lärmgutachten ergibt sich eine erhebliche und massive Überschreitung der für die Nachtzeit tolerablen Geräuschbelastung. Dies wird von der Beklagten im Grundsatz auch nicht bestritten. Im Schreiben vom ...10.2010 heißt es vielmehr, die Lärmbelästigung an den Freitagen nach 22.00 Uhr werde durch eigene Schallpegelmessungen bestätigt.
Entgegen dem Vortrag der Beklagten bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken, vorliegend in der Form einer Allgemeinverfügung zu handeln. Insbesondere würde sich eine solche Allgemeinverfügung nicht auf eine Vielzahl von Gefahrenlagen oder einen unbestimmten Adressatenkreis beziehen, so dass eine abstrakt-generelle Regelung vorläge und nur eine Polizeiverordnung erlassen werden könnte. Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen (VGH Mannheim, Beschl. v. 04.10.2002 - 1 S 1963/02 -; VG Osnabrück, Beschl. v. 11.02.2010 - 6 B 9/10 - Juris) treffen nicht den vorliegenden Fall. In diesen Entscheidungen sollte durch ein Alkoholverbot konkreten Störungen wie Vandalismus, Verunreinigungen, Körperverletzungen und Ruhestörungen entgegengewirkt werden; durch diese Maßnahme wäre unter Verzicht auf eine Einzelfallprüfung eine Vielzahl von Adressaten betroffen gewesen, die sich friedlich und unauffällig verhalten und keine Störer sind. Der vorliegende Sachverhalt ist jedoch konkret eingrenzbar; Adressaten einer Allgemeinverfügung wären die Personen, die sich zu einem konkreten Zeitpunkt an einem konkreten Ort, dem E, treffen. Allein durch dieses Zusammentreffen und die Unterhaltung verursachen diese Personen - was der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 08.02.2011 zutreffend darlegt - eine Geräuschbelastung, die die Nachtruhe und damit die körperliche Unversehrtheit der Klägerin möglicherweise gefährdet. Es geht damit nicht um eine Differenzierung zwischen Bürgern, die sich unauffällig verhalten und Störern. Die Frage der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten und der Verzicht auf eine Einzelfallprüfung spielen hier keine Rolle. Anknüpfungspunkt für die Allgemeinverfügung wäre allein, dass sich C Bürger auf dem E nach 22.00 Uhr treffen und durch ihre normale Kommunikation Geräusche verursachen, die für Anwohner möglicherweise gesundheitsgefährdend sind.
Erhebliche Zweifel bestehen allerdings, ob die große Vielzahl der Bürger, die sich auf dem E treffen und unterhalten, als Störer im polizeirechtlichen Sinne zu verstehen sind und damit in Anspruch genommen werden könnten. Hiergegen sprechen sicher die von der Beklagten angeführten vielen Erwägungen, dass diese Bürger sich im Rahmen ihres Grundrechts auf Handlungsfreiheit und im Rahmen des Gemeingebrauchs an diesem Platz bewegen dürften und jeder für sich genommen nichts Unerlaubtes tut. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Bürger allein durch ihre Vielzahl dadurch zu Störern werden, dass sie in dieser großen Menge zu Lärmbeeinträchtigungen führen, die für die Klägerin möglicherweise nicht mehr hinzunehmen sind. Der Klägerbevollmächtigte führt insoweit aus, dass diese Vielzahl von Menschen mit ihrer normalen Unterhaltung ohne jeden Zwischenschritt zwangsläufig zu einer nicht mehr hinnehmbaren Geräuschentwicklung beitragen und damit die Gefahrengrenze überschreiten.
Diese Frage und auch die damit verbundene Frage, ob die sich friedlich auf dem E treffenden Bürger als Nichtstörer nach § 9 HSOG in Anspruch genommen werden können, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls ist das Ermessen der Beklagten hinsichtlich des ob" des Einschreitens und vor allem auch des wie" nicht auf Null reduziert. Das Gericht kann damit keine Verpflichtung aussprechen, dass die Beklagte überhaupt einschreiten muss noch sie gar zu konkreten polizeilichen Maßnahmen verpflichten.
Gegen eine Ermessensreduzierung auf Null spricht, dass die Lärmbelastung für die Klägerin nur an wenigen Tagen im Jahr besteht, und zwar nur freitags wohl überwiegend an Sommertagen während weniger Stunden. Aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Lärmgutachten ergibt sich zudem, dass die Geräuschentwicklung bei geschlossenem (!) Fenster in der Wohnung bei 42 db (A) liegt und damit den anzunehmenden Immissionsrichtwert für ein Mischgebiet von 45 db (A) nicht überschreitet. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es eine erhebliche Zumutung sein kann, gerade im Sommer abends die Fenster zu schließen. Damit ist aber jedenfalls insgesamt nicht zwingend davon auszugehen, dass für die Klägerin in Folge mangelnder Nachtruhe gar Schäden für die körperliche Unversehrtheit konkret drohen. Dies zumal - wie gesagt - die Belastung nur für wenige Stunden und wenige Tage im Jahr besteht. Dies spricht dafür, dass jedenfalls eine Ermessensreduzierung auf Null in Richtung eines Einschreitens nicht vorliegt. Hierfür spricht zudem, dass die Beklagte nicht gänzlich untätig geblieben ist. Aus ihrem Vortrag und dem Bericht des Ordnungsamtes vom ...01.2011 ergibt sich vielmehr, dass in Einzelfällen sehr wohl immer wieder eingeschritten wird. Darüber hinaus ist bei einer Beurteilung, ob das Ermessen auf Null reduziert ist, von Bedeutung, dass dem Ruhebedürfnis der Klägerin und der Anwohnern das Interesse vieler Bürger gegenübersteht, sich auf dem E zu treffen und zu kommunizieren. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom ...10.2010 diesen Sachverhalt dahin zusammengefasst, dass dieses urbane Geschehen dem sommerlichen Freizeitverhalten des überwiegenden Bevölkerungsteils der weltoffenen und liberalen Großstadt C-Stadt entspreche. Zu berücksichtigen ist dabei schließlich, dass jedenfalls der einzelne Bürger, der sich auf den E begibt, sich auf seine Handlungsfreiheit und den Gemeingebrauch an diesem Platz berufen kann und es für eine Großstadt wie C sicher wünschenswert ist, wenn es derartige Plätze als Treffpunkt für die Bevölkerung gibt. Damit ist das Ermessen der Beklagten, ob sie überhaupt einschreitet, jedenfalls nicht auf Null reduziert.
Dies gilt in noch stärkerem Maße für die konkret zu ergreifenden Maßnahmen. Die meisten vorstellbaren und sinnvollen Maßnahmen entspringen ohnehin nicht dem Polizeirecht und lassen sich nicht mit einer Klage auf polizeirechtliches Einschreiten durch den Bürger erzwingen.
Um aus der Vielzahl der vorstellbaren Maßnahmen einige herauszugreifen, sei auf die Verlegung des Marktes hingewiesen, sei es auf einen anderen Wochentag oder auf eine frühere Tageszeit am Freitag. Denkbar wäre auch ein Alkoholverbot, was das nächtliche Treiben auf dem E erheblich unattraktiver machen würde. Schließlich kämen bauliche Maßnahmen in Betracht, um die Attraktivität dieses Platzes zu senken. All diese Erwägungen, die in diesem Gerichtsverfahren nicht zu vertiefen sind, zeigen, dass weder hinsichtlich des ob" des Einschreitens noch des wie" eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt. Es geht letztlich um Maßnahmen, die nur im politischen Raum getroffen werden können und auf die der einzelne Bürger keinen Rechtsanspruch - gar im Wege des polizeilichen Einschreitens - hat.
Die konkret beantragte Maßnahme, Ansammlungen von mehr als 10 Personen zu einer bestimmten Uhrzeit zu untersagen, wäre nicht hinreichend bestimmt und damit vollstreckbar. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Erwägungen der Beklagten verwiesen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch, dass sie von der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beschieden wird.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom ...10.2010 ein Einschreiten bereits abgelehnt. Diese Ablehnung ist nicht zu beanstanden. Wie dargelegt ist das Ermessen, ob eingeschritten werden muss, nicht auf Null reduziert. Die von der Beklagten angestellten Erwägungen sind im Rahmen ihres Ermessens vertretbar. ..."
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Sucht ein wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mehrfach vorbestrafter Mann wiederum Kontakt zu Kindern in der seinen vergangenen Straftaten bevorzugten Altersklasse, rechtfertigt dies ein umfassendes Kontakt- und Annäherungsverbot zu allen Kindern in dem entsprechenden Alter. Ein Aufenthaltsverbot für einen privaten Raum ist nicht zulässig (VG Darmstadt, Beschluss vom 16.10.2009 - 3 L 1179/09.DA).
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Die Wiedereinweisung einer vierköpfigen Familie in ein Eigenheim verstößt jedenfalls dann gegenüber dem in Anspruch genommenen Eigentümer als Nichtstörer gegen das Übermaßverbot, wenn die Behörde nicht nachgewiesen hat, dass anderweitiger zumutbarer Wohnraum nicht zur Verfügung steht (VG Darmstadt, Beschluss vom 20.07.2009 - 3 L 946/09).
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Der Tatbestand des Werbens für ein öffentliches Glücksspiel i.S. des § 284 IV StGB ist bereits dann erfüllt, wenn von einem Veranstalter elektronische Verbindungsdaten wie Name, E-Mail-Anschrift etc. mit dem Angebot einer kostenlosen Teilnahme an einem Pokerturnier eingefordert werden (VG Frankfurt, Beschluss vom 11.10.2007 - 7 G 3111/07, NJW 2008, 1096).
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Zur Rechtmäßigkeit einer polizeirechtlichen Verfügung, mit der einem Angehörigen der "Hütchenspieler-Szene" untersagt worden ist, am "Hütchenspiel" mitzuwirken (VG Frankfurt, Beschluss vom 07.04.2003 - 5 G 639/03 (3)).
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Die Gemeinden sind bei der Bewältigung des Problems von Obdachlosigkeit nicht allein auf die "klassische" Einweisungsverfügung angewiesen; sie können die notwendige Unterkunft auch aufgrund öffentlich-rechtlicher Nutzungsvereinbarung oder privatrechtlichen Mietvertrages bereitstellen. Ein privates Mietverhältnis liegt nur vor, wenn sich die Beteiligten über Mietgegenstand, -dauer und -zins geeinigt haben. Nutzungsentgelt für die Unterbringung kann die Gemeinde nur verlangen, wenn sie dies entweder mit dem Obdachlosen konkret vereinbart oder eine entsprechende Gebührensatzung erlassen hat (VG Darmstadt, Beschluss vom 01.11.2001 - 3 TG 2365/01).
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Die Polizei ist weder nach dem Telekommunikationsgesetz noch nach allgemeinem Polizeirecht berechtigt, von einer Telekommunikationsbetreiberin zu verlangen, eine Standortermittlung hinsichtlich eines ihrer Kunden vorzunehmen (Mitteilung der Funkzelle, in welcher sich der Mobilfunktelefon-Besitzer befindet). Die Kenntnis der Funkzelle, in der sich ein Mobilfunktelefon-Besitzer mit eingeschalteten Gerät befindet, ist Folge eines bereits eingeleiteten Kommunikationsvorganges, der in den Schutzbereich des Art. 10 I GG fällt. Der Besitzer des Mobilfunktelefons breitet sich konkret auf den Empfang einer bestimmten erwarteten Nachricht oder allgemein von Anrufen vor. Die Befugnisgeneralklausel des allgemeinen Polizeirechts ist nicht geeignet den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 I GG einzuschränken (VG Darmstadt, Urteil vom 16.11.2000 - 3 E 915/99).
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Die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Beerdigung eines Verstorbenen zu sorgen, ist nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch, die Bestattungskosten zu tragen. Die notwendigen Kosten einer im Wege der Ersatzvornahme von der zuständigen Behörde veranlassten Bestattung können deshalb auch von den nach öffentlichem Recht bestattungspflichtigen Angehörigen erhoben werden, wenn diese nicht Erben sind. Es ist nicht "grob unbillig", Angehörige zur Kostenerstattung heranzuziehen, denen gegenüber sich der Verstorbene der Verletzung seiner Unterhaltspflichten strafbar gemacht hat (entgegen OVG Münster, NVwZ-RR 1997, 99). Im Falle der Bestattung im Wege der Ersatzvornahme kann dem Bestattungspflichtigen nur der notwendige Mindestaufwand für ein einfaches Begräbnis ohne Beerdigungsfeierlichkeiten auferlegt werden. Die eine Ersatzvornahme anordnende Behörde muss sich für die Feuerbestattung entscheiden, wenn diese kostengünstiger als eine Erdbestattung ist und eine anderslautende Willensbekundung des Verstorbenen oder der Angehörigen nicht vorliegt (VG Gießen, Urteil vom 05.04.2000 - 8 E 1777/98).
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§ 12 Befragung und Auskunftspflicht
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Person befragen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben zur Aufklärung des Sachverhalts in einer bestimmten gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Angelegenheit machen kann. Im Fall der Abwehr einer Gefahr kann sie zum Zwecke der Befragung angehalten werden.
(2) Eine Auskunftspflicht besteht für die in den §§ 6 und 7 genannten, unter den Voraussetzungen des § 9 auch für die dort genannten Personen. Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozessordnung genannten Voraussetzungen ist die betroffene Person zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, wenn die Auskunft für die Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Auskünfte, die gemäß Satz 3 erlangt wurden, dürfen nur zu Zwecken der Gefahrenabwehr nach § 1 Abs. 1 und 4 verwendet werden. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
(3) Werden bei der Befragung personenbezogene Daten erhoben, sind die nachfolgenden Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten anzuwenden.
(4) § 136a der Strafprozessordnung gilt entsprechend.
§ 13 Erhebung personenbezogener Daten
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben erheben, wenn
1. die Person in Kenntnis des Zwecks der Erhebung eingewilligt hat oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies im Interesse der Person liegt und sie in Kenntnis des Zwecks einwilligen würde,
2. die Daten allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können,
3. es zur Abwehr einer Gefahr, zur Erfüllung der ihnen durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen weiteren Aufgaben (§ 1 Abs. 2) oder zum Schutz privater Rechte (§ 1 Abs. 3) erforderlich ist, auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen, oder
4. eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt.
(2) Die Polizeibehörden können ferner personenbezogene Daten erheben, wenn
1. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person Straftaten mit erheblicher Bedeutung begehen wird,
2. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person mit einer in Nr. 1 genannten Person in einer Weise in Verbindung steht oder treten wird, die die Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erfordert,
3. die Person sich im räumlichen Umfeld einer Person aufhält, die in besonderem Maße als gefährdet erscheint, und tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme zum Schutz der gefährdeten Person rechtfertigen, oder
4. dies zur Leistung von Vollzugshilfe (§ 1 Abs. 5) erforderlich ist.
(3) Straftaten mit erheblicher Bedeutung im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Verbrechen und
2. Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie
a) sich gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- oder Vermögenswerte richten,
b) auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- und Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes) begangen werden oder
c) gewerbs-, gewohnheits-, serien- oder bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden.
(4) Die Erhebungsbefugnisse aus den §§ 14 bis 19 bleiben unberührt.
(5) Die Erhebung zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken ist unzulässig. Die Erhebung nicht gefahren- oder tatbezogener persönlicher Merkmale wie über Erkrankungen oder besondere Verhaltensweisen ist nur soweit zulässig, als dies für Identifizierungszwecke oder zum Schutz der Person oder der Bediensteten der Gefahrenabwehrund der Polizeibehörden erforderlich ist. Die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten für andere Zwecke ohne Zustimmung der betroffenen Person ist unzulässig.
(6) Personenbezogene Daten sind mit Ausnahme der Fälle des Abs. 1 Nr. 1 und 2 grundsätzlich bei der betroffenen Person zu erheben. Ohne ihre Mitwirkung können sie von anderen Behörden oder öffentlichen Stellen oder von Dritten beschafft werden, wenn sonst die Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde; besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen bleiben unberührt.
(7) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich offen zu erheben. Eine Datenerhebung, die nicht als gefahrenabwehrbehördliche oder polizeiliche Maßnahme erkennbar sein soll (verdeckte Datenerhebung), ist nur soweit zulässig, als auf andere Weise die Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben erheblich gefährdet würde oder wenn anzunehmen ist, dass dies dem überwiegenden Interesse der betroffenen Person entspricht.
(8) Werden die personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person oder Dritten erhoben, sind diese auf die Freiwilligkeit der Auskunft oder auf eine bestehende Auskunftspflicht hinzuweisen. Erfolgt die Erhebung bei der betroffenen Person, ist die beabsichtigte Verarbeitung mitzuteilen. Der Hinweis und die Mitteilung können im Einzelfall unterbleiben, wenn sie die Erfüllung der gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Aufgaben gefährden oder erheblich erschweren würden.
§ 14 Datenerhebung und sonstige Datenverarbeitung an öffentlichen Orten und besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen
(1) Die Polizeibehörden können personenbezogene Daten auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass bei oder im Zusammenhang mit der Veranstaltung oder Ansammlung Straftaten oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten drohen. Die Unterlagen sind spätestens zwei Monate nach Beendigung der Veranstaltung oder Ansammlung zu vernichten, soweit sie nicht zur Abwehr einer Gefahr, zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder zur Strafvollstreckung benötigt werden. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist unzulässig. § 20 Abs. 7 bleibt unberührt.
(2) Die Polizeibehörden können personenbezogene Daten auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung oder dem Aufzug Straftaten drohen. Die Unterlagen sind unverzüglich nach Beendigung der Versammlung oder des Aufzuges oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Geschehnisse zu vernichten, soweit sie nicht zur Abwehr einer Gefahr, zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder zur Strafvollstreckung benötigt werden. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist unzulässig. § 20 Abs. 7 bleibt unberührt.
(3) Die Polizeibehörden können zur Abwehr einer Gefahr oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten drohen, öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen. Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie § 15 des Hessischen Datenschutzgesetzes gelten entsprechend.
(4) Die Gefahrenabwehrbehörden können mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen
1. zur Sicherung öffentlicher Straßen und Plätze, auf denen wiederholt Straftaten begangen worden sind, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für weitere Straftaten bestehen,
2. zum Schutz besonders gefährdeter öffentlicher Einrichtungen,
3. zur Steuerung von Anlagen zur Lenkung oder Regelung des Straßenverkehrs, soweit Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts nicht entgegenstehen.
Gefahrenabwehrbehörde im Sinne der Nr. 2 ist auch der Inhaber des Hausrechtes. Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie § 15 des Hessischen Datenschutzgesetzes gelten entsprechend.
(5) Die Polizeibehörden können auf öffentlichen Straßen und Plätzen Daten von Kraftfahrzeugkennzeichen zum Zwecke des Abgleichs mit dem Fahndungsbestand automatisiert erheben. Daten, die im Fahndungsbestand nicht enthalten sind, sind unverzüglich zu löschen.
(6) Die Polizeibehörden können an öffentlich zugänglichen Orten eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, mittels Bildübertragung offen beobachten und dies aufzeichnen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Dabei können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Maßnahme nach Satz 1 durchführen zu können. Sind die Daten für Zwecke der Eigensicherung oder der Strafverfolgung nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen.
Leitsätze/Entscheidungen:
§ 14 Absatz 5 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2005 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I, Seite 14) ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. § 184 Absatz 5 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG -) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b des Gesetzes zur Anpassung gefahrenabwehrrechtlicher und verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 13. April 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein, Seite 234) ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern zu 1, das Land Schleswig-Holstein dem Beschwerdeführer zu 2 deren notwendige Auslagen zu erstatten (BVerfG, Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 1254/07).
***
Eine automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen zwecks Abgleichs mit dem Fahndungsbestand greift dann, wenn der Abgleich nicht unverzüglich erfolgt und das Kennzeichen nicht ohne weitere Auswertung sofort und spurenlos gelöscht wird, in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ein. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage richten sich nach dem Gewicht der Beeinträchtigung, das insbesondere von der Art der erfassten Informationen, dem Anlass und den Umständen ihrer Erhebung, dem betroffenen Personenkreis und der Art der Verwertung der Daten beeinflusst wird. Die bloße Benennung des Zwecks, das Kraftfahrzeugkennzeichen mit einem gesetzlich nicht näher definierten Fahndungsbestand abzugleichen, genügt den Anforderungen an die Normenbestimmtheit nicht. Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben. Die stichprobenhafte Durchführung einer solchen Maßnahme kann gegebenenfalls zu Eingriffen von lediglich geringerer Intensität zulässig sein (BVerfG, Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05).
***
§ 15 Datenerhebung durch Observation und Einsatz technischer Mittel
(1) Im Sinne dieser Bestimmung ist
1. Observation die planmäßig angelegte Beobachtung einer Person länger als vierundzwanzig Stunden innerhalb einer Woche oder über den Zeitraum einer Woche hinaus,
2. Einsatz technischer Mittel ihre für die betroffene Person nicht erkennbare Anwendung, insbesondere zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen sowie zum Abhören oder Aufzeichnen des gesprochenen Wortes.
(2) Die Polizeibehörden können durch Observation oder den Einsatz technischer Mittel personenbezogene Daten erheben
1. auch über andere als die in den § 6 und 7 genannten Personen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist,
2. über Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen werden,
3. über Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Personen in Verbindung stehen, die Straftaten der in Nr. 2 genannten Art begehen werden, und die Datenerhebung zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist,
4. über die in § 13 Abs. 2 Nr. 3 genannten Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme zum Schutz der gefährdeten Person rechtfertigen.
Die Datenerhebung durch Observation oder den Einsatz technischer Mittel ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen mit Ausnahme der in den §§ 15a, 16 und 17 genannten erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. Im Rahmen der Aufgabenerfüllung können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Satz 1 durchführen zu können.
(3) Außer bei Gefahr im Verzug erfolgt die Anordnung der Observation oder des Einsatzes technischer Mittel durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten, soweit nach Abs. 5 nicht eine richterliche Anordnung erforderlich ist. Für eine Observation über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ist die Zustimmung des Ministeriums des Innern oder einer von ihm benannten Stelle erforderlich.
(4) In oder aus Wohnungen können die Polizeibehörden ohne Kenntnis der betroffenen Person Daten nur erheben, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegen einem Verwertungsverbot. § 38 Abs. 7 gilt entsprechend, soweit die Datenerhebung nicht mit technischen Mitteln erfolgt.
(5) Maßnahmen nach Abs. 4 sowie das Abhören oder Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch den Einsatz technischer Mittel dürfen außer bei Gefahr im Verzug nur durch richterliche Anordnung getroffen werden. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass, soweit es sich nicht um Maßnahmen nach Abs. 4 handelt, das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Die Anordnung ergeht schriftlich. Sie muss die Personen, gegen die sich die Maßnahmen richten sollen, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. Art und Dauer der Maßnahmen sind festzulegen. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen und, soweit möglich, räumlich zu begrenzen. Eine dreimalige Verlängerung um jeweils höchstens drei weitere Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. Hat die Polizeibehörde bei Gefahr im Verzug die Anordnung getroffen, so beantragt sie unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen richterlich bestätigt wird.
(6) Abs. 2 bis Abs. 5 gelten nicht für das Abhören und Aufzeichnen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben einer bei einem polizeilichen Einsatz tätigen Person geschieht. Das Abhören und Aufzeichnen in oder aus Wohnungen ordnet die Polizeibehörde an. Erlangte Erkenntnisse aufgrund von Anordnungen nach Satz 2 dürfen anderweitig nur verarbeitet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist und wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt worden ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen, § 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Für Zwecke der Strafverfolgung dürfen die Erkenntnisse aufgrund von Anordnungen nach Satz 2 nach Maßgabe des § 161 Abs. 2 der Strafprozessordnung verarbeitet werden.
(7) Die Befugnis der Gefahrenabwehrund der Polizeibehörden, bestimmte Mittel zur Überwachung der Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften zu verwenden, bleibt unberührt.
(8) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über die nach Abs. 4 und Abs. 6 Satz 3 und 4 getroffenen Maßnahmen. Die parlamentarische Kontrolle wird auf der Grundlage dieses Berichts von einer parlamentarischen Kontrollkommission ausgeübt. § 20 Abs. 2 bis 4, § 21 sowie § 22 Abs. 4 des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz vom 19. Dezember 1990 (GVBl. I S. 753), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. April 2002 (GVBl. I S. 82), in der jeweils geltenden Fassung gelten entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
... 1. Artikel 21 Nummer 1, 2, 7, 13 und 14 des Bayerischen Versammlungsgesetzes vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 421) wird einstweilen außer Kraft gesetzt.
2. Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Versammlungsgesetzes ist einstweilen mit der Maßgabe anzuwenden, dass zugleich die Voraussetzungen des Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes vorliegen müssen. Eine Auswertung der Übersichtsaufzeichnungen ist nur unverzüglich nach Beendigung der Versammlung zulässig. Soweit danach die Daten nicht in Bezug auf einzelne Personen zur Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der aufgezeichneten Versammlung oder zur Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren gemäß Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 des Bayerischen Versammlungsgesetzes benötigt werden, müssen sie innerhalb von zwei Monaten gelöscht oder irreversibel anonymisiert werden. Soweit Artikel 9 Absatz 2 und 4 des Bayerischen Versammlungsgesetzes weitergehende Nutzungen zulässt, wird die Vorschrift einstweilen außer Kraft gesetzt.
3. Artikel 9 Absatz 2 Satz 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes ist einstweilen mit der Maßgabe anzuwenden, dass Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nur zulässig sind, wenn sie wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich sind.
4. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
5. ...
A. Die Beschwerdeführer begehren mit ihrem Eilantrag, das Bayerische Versammlungsgesetz (BayVersG) vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 421) als Ganzes, mit Ausnahme von Art. 15 Abs. 2 Nr. 1a und 2 sowie - bezogen hierauf - Abs. 3 BayVersG, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einstweilen außer Kraft zu setzen.
I. Im Zuge der Föderalismusreform ging die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder über (vgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034). Mit dem am 1. Oktober 2008 in Kraft getretenen Bayerischen Versammlungsgesetz hat der Freistaat Bayern von dieser Kompetenz als erstes Bundesland Gebrauch gemacht. Dessen Vorschriften lauten auszugsweise:
Art. 2 Begriffsbestimmungen, Anwendungsbereich
(1) Eine Versammlung ist eine Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.
(2) Eine Versammlung ist öffentlich, wenn die Teilnahme nicht auf einen individuell feststehenden Personenkreis beschränkt ist.
(3) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt dieses Gesetz nur für öffentliche Versammlungen.
Art. 3 Versammlungsleitung und Einladung
(1)1 Jede Versammlung muss eine natürliche Person als Leiter haben.2 Dies gilt nicht für Spontanversammlungen nach Art. 13 Abs. 4.
(2)1 Der Veranstalter leitet die Versammlung.2 Veranstaltet eine Vereinigung die Versammlung, ist Leiter die Person, die den Vorsitz der Vereinigung führt.3 Der Veranstalter kann die Leitung einer anderen Person übertragen.
(3) Die Bekanntgabe oder Einladung zu einer Versammlung muss Ort, Zeit, Thema sowie den Namen des Veranstalters enthalten.
Art. 4 Veranstalterpflichten, Leitungsrechte und -pflichten
(1) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass die Versammlung einen gewalttätigen Verlauf nehmen kann, hat der Veranstalter im Vorfeld der Versammlung geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu verhindern.
(2) Der Leiter
1. bestimmt den Ablauf der Versammlung, insbesondere durch Erteilung und Entziehung des Worts,
2. hat während der Versammlung für Ordnung zu sorgen,
3. kann die Versammlung jederzeit schließen und
4. muss während der Versammlung ständig anwesend und für die zuständige Behörde erreichbar sein.
(3)1 Der Leiter hat geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass aus der Versammlung heraus Gewalttätigkeiten begangen werden.2 Geeignete Maßnahmen können insbesondere Aufrufe zur Gewaltfreiheit und Distanzierungen gegenüber gewaltbereiten Anhängern sein.3 Vermag der Leiter sich nicht durchzusetzen, ist er verpflichtet, die Versammlung für beendet zu erklären.
(4)1 Der Leiter kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der Hilfe einer angemessenen Anzahl volljähriger Ordner bedienen.2 Die Ordner müssen weiße Armbinden mit der Aufschrift "Ordner" oder "Ordnerin" tragen; zusätzliche Kennzeichnungen sind nicht zulässig.3 Der Leiter darf keine Ordner einsetzen, die Waffen oder sonstige Gegenstände mit sich führen, die ihrer Art nach geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Personen zu verletzen oder Sachen zu beschädigen.
(5)1 Werden Polizeibeamte in eine Versammlung entsandt, haben sie oder hat sich die polizeiliche Einsatzleitung vor Ort dem Leiter zu erkennen zu geben.2 Ihnen muss ein angemessener Platz eingeräumt werden.
Art. 7 Uniformierungsverbot, Militanzverbot
(1) Es ist verboten, in einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen, sofern damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist.
(2) Es ist verboten, an einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Versammlung in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beiträgt, dass die Versammlung oder ein Teil hiervon nach dem äußeren Erscheinungsbild
1. paramilitärisch geprägt wird oder
2. sonst den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelt
und dadurch eine einschüchternde Wirkung entsteht.
Art. 9 Datenerhebung, Bild- und Tonaufzeichnungen, Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen
(1)1 Die Polizei darf bei oder im Zusammenhang mit Versammlungen personenbezogene Daten von Teilnehmern erheben und Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.2 Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2)1 Die Polizei darf Übersichtsaufnahmen von der Versammlung und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes anfertigen.2 Sofern es zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens erforderlich ist, darf die Polizei auch Übersichtsaufzeichnungen anfertigen.3 Diese dürfen auch zu Zwecken der polizeilichen Aus- und Fortbildung genutzt werden.4 Die Identifizierung einer auf den Aufnahmen oder Aufzeichnungen abgebildeten Person ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Abs. 1 vorliegen.
(3) Für Maßnahmen nach Abs. 1 und 2 gilt Art. 30 Abs. 3 des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) entsprechend.
(4)1 Die nach Abs. 1 oder 2 erhobenen Daten und Bild-, Ton- und Übersichtsaufzeichnungen sind nach Beendigung der Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu löschen oder zu vernichten, soweit sie nicht benötigt werden
1. zur Verfolgung von Straftaten oder
2. im Einzelfall zur Gefahrenabwehr, weil die betroffene Person verdächtig ist, Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung vorbereitet oder begangen zu haben, und deshalb zu besorgen ist, dass von dieser Person erhebliche Gefahren für künftige Versammlungen ausgehen.
2 Nach Abs. 2 Satz 2 angefertigte Übersichtsaufzeichnungen dürfen darüber hinaus aufbewahrt werden, soweit sie zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens benötigt werden.3 Erhobene Daten sowie Bild-, Ton- und Übersichtsaufzeichnungen, die aus den in Satz 1 Nr. 2 oder in Satz 2 genannten Gründen nicht gelöscht oder vernichtet wurden, sind spätestens nach Ablauf von einem Jahr seit ihrer Entstehung zu löschen oder zu vernichten, es sei denn, sie werden inzwischen zur Verfolgung von Straftaten benötigt.4 Eine Pflicht zur Löschung oder Vernichtung besteht nicht für nach Abs. 2 Satz 2 gefertigte Übersichtsaufzeichnungen, soweit diese zu Zwecken der polizeilichen Aus- und Fortbildung verwendet werden; die Identifizierung einer auf diesen Übersichtsaufzeichnungen abgebildeten Person ist nach Ablauf von einem Jahr seit Entstehung der Aufzeichnungen abweichend von Abs. 2 Satz 4 nicht mehr zulässig.
(5) ...
Art. 10 Veranstalterrechte und -pflichten
(1) - (2) ...
(3)1 Der Veranstalter hat der zuständigen Behörde auf Anforderung Familiennamen, Vornamen, Geburtsnamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift (persönliche Daten) des Leiters mitzuteilen.2 Die zuständige Behörde kann den Leiter als ungeeignet ablehnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er die Friedlichkeit der Versammlung gefährdet.
(4)1 Die zuständige Behörde kann Ordner als ungeeignet ablehnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die Friedlichkeit der Versammlung gefährden.2 Die zuständige Behörde kann die Anzahl der Ordner beschränken oder dem Veranstalter aufgeben, die Anzahl der Ordner zu erhöhen.3 Die zuständige Behörde kann im Rahmen ihrer Befugnisse nach Sätzen 1 und 2 verlangen, dass der Veranstalter ihr die Zahl der Ordner und deren persönliche Daten im Sinn des Abs. 3 Satz 1 mitteilt.
Art. 13 Anzeige- und Mitteilungspflicht
(1)1 Wer eine Versammlung unter freiem Himmel veranstalten will, hat dies der zuständigen Behörde spätestens 72 Stunden, bei überörtlichen Versammlungen im Sinn des Art. 24 Abs. 3 Satz 1 spätestens 96 Stunden vor ihrer Bekanntgabe anzuzeigen.2 Eine wirksame Anzeige kann nur schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift erfolgen; sie ist frühestens zwei Jahre vor dem beabsichtigten Versammlungsbeginn möglich.3 Entspricht die Anzeige nicht den Anforderungen nach Abs. 2, weist die zuständige Behörde den Veranstalter darauf hin und fordert ihn auf, die Anzeige unverzüglich zu ergänzen oder zu berichtigen.4 Bekanntgabe einer Versammlung ist die Mitteilung des Veranstalters von Ort, Zeit und Thema der Versammlung an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis.
(2)1 In der Anzeige sind anzugeben
1. der Ort der Versammlung,
2. der Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Versammlung,
3. das Versammlungsthema,
4. der Veranstalter und der Leiter mit ihren persönlichen Daten im Sinn des Art. 10 Abs. 3 Satz 1 und telefonischer Erreichbarkeit,
5. die erwartete Anzahl der teilnehmenden Personen,
6. der beabsichtigte Ablauf der Versammlung,
7. die zur Durchführung der Versammlung mitgeführten Gegenstände oder die verwendeten technischen Hilfsmittel und
8. die vorgesehene Anzahl von Ordnern.
2 Bei sich fortbewegenden Versammlungen ist auch der beabsichtigte Streckenverlauf mitzuteilen.3 Der Veranstalter hat Änderungen der Angaben nach den Sätzen 1 und 2 der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(3) Entsteht der Anlass für eine geplante Versammlung kurzfristig (Eilversammlung), ist die Versammlung spätestens mit der Bekanntgabe fernmündlich, schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde oder bei der Polizei anzuzeigen.
(4) Die Anzeigepflicht entfällt, wenn sich die Versammlung aus einem unmittelbaren Anlass ungeplant und ohne Veranstalter entwickelt (Spontanversammlung).
(5) Die zuständige Behörde kann den Leiter ablehnen, wenn er unzuverlässig ist oder ungeeignet ist, während der Versammlung für Ordnung zu sorgen, oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass durch seinen Einsatz Störungen der Versammlung oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können.
(6)1 Die zuständige Behörde kann Ordner ablehnen, wenn
1. sie ungeeignet sind, den Leiter darin zu unterstützen, während der Versammlung für Ordnung zu sorgen, oder
2. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass durch den Einsatz dieser Personen als Ordner Störungen der Versammlung oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können.
2 Die zuständige Behörde kann die Anzahl der Ordner beschränken oder dem Veranstalter aufgeben, die Anzahl der Ordner zu erhöhen.3 Die zuständige Behörde kann im Rahmen ihrer Befugnisse nach Sätzen 1 und 2 verlangen, dass der Veranstalter ihr die Zahl der Ordner und deren persönliche Daten im Sinn des Art. 10 Abs. 3 Satz 1 mitteilt.
Art. 21 Bußgeldvorschriften
Mit Geldbuße bis zu dreitausend Euro kann belegt werden, wer
1. entgegen Art. 3 Abs. 3 Ort, Zeit, Thema oder den Namen des Veranstalters einer Versammlung nicht angibt,
2. entgegen Art. 4 Abs. 3 Satz 1 oder 3 keine geeigneten Maßnahmen ergreift oder die Versammlung nicht oder nicht rechtzeitig für beendet erklärt,
3. als Leiter Ordner einsetzt, die anders gekennzeichnet sind, als es nach Art. 4 Abs. 4 Satz 2 zulässig ist,
4. als Leiter entgegen Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Polizeibeamten keinen oder keinen angemessenen Platz einräumt,
5. - 6. ...
7. entgegen Art. 7 Abs. 2 an einer Versammlung teilnimmt,
8. - 9. ...
10. als Veranstalter
a) entgegen Art. 10 Abs. 3 Satz 1 persönliche Daten nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig mitteilt oder
b) Personen als Leiter der Versammlung einsetzt, die von der zuständigen Behörde nach Art. 10 Abs. 3 Satz 2 oder Art. 13 Abs. 5 abgelehnt wurden,
11. als Veranstalter
a) Ordner einsetzt, die von der zuständigen Behörde nach Art. 10 Abs. 4 Satz 1 oder nach Art. 13 Abs. 6 Satz 1 abgelehnt wurden,
b) einer vollziehbaren Anordnung nach Art. 10 Abs. 4 Satz 2 oder Art. 13 Abs. 6 Satz 2 zuwiderhandelt, oder
c) entgegen Art. 10 Abs. 4 Satz 3 oder Art. 13 Abs. 6 Satz 3 persönliche Daten nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig mitteilt,
12. ...
13. entgegen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 eine Anzeige nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet,
14. entgegen Art. 13 Abs. 2 Satz 3 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht,
15. als Veranstalter oder als Leiter eine Versammlung unter freiem Himmel ohne Anzeige nach Art. 13 Abs. 3 durchführt,
16. entgegen Art. 16 Abs. 2 Nr. 2 einen Gegenstand mit sich führt oder
17. ...
II.
Die Beschwerdeführer sind Landesverbände von Gewerkschaften, Parteien und anderen nichtstaatlichen Organisationen, die regelmäßig Versammlungen veranstalten. Sie rügen eine Verletzung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG sowie - bezogen auf Art. 9, Art. 10 und Art. 13 Abs. 5 und 6 BayVersG - des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Sie seien unmittelbar durch das Gesetz als Ganzes betroffen. Dieses entfalte in der Gesamtheit der belastenden Neuregelung einschüchternde Wirkung, da nicht mehr abschätzbar sei, welche Belastungen und Risiken sich mit der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit verbänden. Auch seien sie durch die Vorschriften selbst und gegenwärtig betroffen, ohne dass es darauf ankäme, ob diese sich an den Veranstalter, den Leiter oder den Teilnehmer einer Versammlung richteten. Ihre Rechte als Veranstalter hingen von der Rechtsstellung der Leiter und Teilnehmer an einer Versammlung maßgeblich ab. Der Verfassungsbeschwerde stehe auch der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen, da im fachgerichtlichen Verfahren nicht die einschüchternde Wirkung des Gesetzes als Ganzes angegriffen werden könne.
In der Sache machen die Beschwerdeführer einen versammlungsfeindlichen Charakter des Gesetzes geltend. Im Zusammenwirken der Vorschriften sei das Gesetz insgesamt gesehen nicht versammlungsfreundlich, sondern behördenfreundlich. Es führe zu bürokratischer Gängelei und Kontrolle der Bürger, die von der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit abschreckten.
Die Vorschriften seien auch im Einzelnen verfassungswidrig. Dies gelte schon für die dem bisherigen Recht entsprechende, aber in der Literatur zu Recht in Frage gestellte nahezu ausnahmslose Pflicht, für jede Versammlung einen Leiter zu bestimmen (Art. 3 Abs. 1 BayVersG), sowie erst recht für die neu geschaffenen, gegen den Grundsatz der Normenklarheit verstoßenden weitreichenden Vorfeldpflichten des Veranstalters gemäß Art. 4 Abs. 1 BayVersG.
Weiterhin verpflichte der nun bußgeldbewehrte Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 2 BayVersG den Leiter, die Versammlung für beendet zu erklären, wenn er sich nicht durchzusetzen vermöge, auch wenn es sich unter Umständen nur um einzelne Gewalttätigkeiten handele, die im Rahmen der Versammlung drohten. Dabei lege das Gesetz keine Pflicht der anwesenden Polizei fest, ihn bei der Wiederherstellung der Ordnung zu unterstützen. Seine Möglichkeiten, mit der Polizei zu kooperieren und diese um Hilfe zu bitten, würden vielmehr erschwert, weil sich nach Art. 4 Abs. 5 BayVersG im Gegensatz zur alten Rechtslage unter Umständen nur noch die Einsatzleitung der Polizei dem Versammlungsleiter gegenüber zu erkennen geben müsse. Der Leiter wisse dann nicht mehr, wie viele Polizisten anwesend seien. Gemäß Art. 4 Abs. 5 BayVersG könnten überdies in jede Versammlung, sogar wenn sie in geschlossenen Räumen stattfinde, unbeschränkt Polizeibeamte entsendet werden, ohne dass hierbei eine Gefahrenprognose erforderlich sei.
Das Militanzverbot des nun gleichfalls bußgeldbewehrten Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG in Verbindung mit Art. 21 Nr. 7 BayVersG verstoße gegen das Prinzip der Normenklarheit. Da es weder auf den Inhalt noch auf die Form, sondern auf den Gesamteindruck eines bedrohlichen militanten Charakters der Versammlung oder Teile von ihr ankomme, könne der Bürger nicht wissen, welches Verhalten vom Gesetzgeber als illegal angesehen werde.
Art. 9 BayVersG, der offene und verdeckte Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen für alle Arten von Versammlungen erlaube, sei unverhältnismäßig. Auch die Bestimmungen zur Nutzung und Löschung der gewonnenen Daten genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen und hätten abschreckende Wirkung. Für Versammlungen in geschlossenen Räumen werde bereits die bisher in § 12a des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz - VersG) geregelte polizeiliche Datenerhebung von einem beträchtlichen Teil der Literatur für verfassungswidrig gehalten, da Art. 8 GG für derartige Versammlungen keinen Gesetzesvorbehalt vorsehe.
Die Pflicht des Veranstalters, auf Anforderung die persönlichen Daten des Leiters gemäß Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BayVersG und der Ordner nach Art. 10 Abs. 4 Satz 3 BayVersG mitzuteilen, wobei die Behörde jeweils nach Art. 10 Abs. 3 Satz 2 beziehungsweise Art. 10 Abs. 4 Satz 1 BayVersG die Möglichkeit habe, den Leiter oder die Ordner abzulehnen, entfalte gleichfalls abschreckende Wirkung. Die Anforderung sei nicht von einer auf Fakten gestützten Gefahrenprognose abhängig. Die Behörde sei an keinerlei gesetzliche Vorgaben gebunden. Auch auf die Größe der geplanten Veranstaltung komme es nicht an. Das Abfragen der persönlichen Daten des Leiters diene erkennbar dazu, diese Daten mit Erkenntnissen über die Person aus allen der Behörde zur Verfügung stehenden Quellen abzugleichen. Es drohe die Gefahr politischer Persönlichkeitsprofile.
Die in Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 sowie Art. 13 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 Satz 3 BayVersG niedergelegten Pflichten bedeuteten insbesondere für kleine Versammlungen eine große bürokratische Hürde. Die Sanktionsbewehrung entfalte eine abschreckende Wirkung speziell für kleinere, lokale Gruppierungen der Beschwerdeführer, die sich professionellen Rechtsrat nicht leisten könnten. Die übermäßig bürokratische Ausgestaltung der Anzeigeformalitäten sei jedenfalls dann verfassungswidrig, wenn sie umstandslos für alle Arten von Versammlungen gelte, ohne dass Gefahren zu besorgen seien. Obwohl ein Zwang zur Mitteilung personenbezogener Daten festgesetzt werde, habe der Gesetzgeber den Verwendungszweck nicht bereichsspezifisch und präzise bestimmt sowie nicht sichergestellt, dass die Angaben für diesen Zweck geeignet und erforderlich seien. Die Datenverarbeitung stelle nicht nur einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, sondern halte interessierte Staatsbürger von der Übernahme verantwortlicher Aufgaben bei Versammlungen ab. Art. 13 Abs. 5 BayVersG sei nicht zu entnehmen, wann eine Behörde einen Bürger für unzuverlässig oder für ungeeignet halte, als Leiter einer Versammlung für Ordnung zu sorgen. Die Überprüfung des Bürgers komme damit einem Gesinnungs-TÜV gleich. Dies verkehre die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts in ihr Gegenteil, wonach der hoheitliche Eingriff in ein Grundrecht der Rechtfertigung bedürfe, nicht aber die Ausübung des Grundrechts. Die Beurteilung eines Bürgers als ungeeignet oder unzuverlässig stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dar, der eine zumindest teilweise Aberkennung des Grundrechts bedeute. Für eine solche Entscheidung sei aber nach dem Grundgesetz nicht die Ordnungsbehörde, sondern ausschließlich das Bundesverfassungsgericht nach Art. 18 GG zuständig. Auch die Ausdehnung der Anzeigefrist von 48 auf 72 Stunden vor der Bekanntgabe nach Art. 13 Abs. 1 BayVersG sei verfassungswidrig, weil sie nicht notwendig sei. Die amtliche Begründung nenne keine konkreten Fälle, in denen die 48-Stundenfrist bei kleineren lokalen Versammlungen nicht ausgereicht hätte. Die Ausdehnung der Anzeigefrist für überörtliche Versammlungen von 48 auf 96 Stunden vor der Bekanntgabe sei ebenfalls verfassungswidrig, weil sie nicht notwendig sei. Auch hier könne die amtliche Begründung keinen einzigen Fall in der Vergangenheit nennen, bei dem die Behörden nicht ausreichend Zeit gehabt hätten, sich vorzubereiten. Anders als bisher könne die Anzeige nunmehr allein bei Eilversammlungen fernmündlich erfolgen; auch hierin liege eine unverhältnismäßige Erschwerung der Versammlungsfreiheit.
Art. 16 BayVersG verschärfe die bisherige Vorschrift des § 17a VersG, obwohl schon gegen diese von Anfang an erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden seien. Denn ein zwingender Zusammenhang zwischen Vermummung oder Schutzkleidung und der Unfriedlichkeit der Versammlung bestehe nicht. Art. 16 BayVersG sei im Vergleich zu dem bisherigen § 17a VersG auch insoweit unverhältnismäßig, als er nun auch Demonstranten beim Abmarsch von einer Versammlung betreffe. Wenn eine Versammlung beendet sei, könne es nicht mehr darum gehen, die Friedlichkeit der Versammlung zu gewährleisten.
III. Zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen.
Der Antrag könne keinen Erfolg haben, weil die Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig sei. Als Personenverbände könnten sich die Beschwerdeführer allenfalls gegen solche Vorschriften wenden, die sie als Veranstalter beträfen. Auch insoweit aber fehle es an einer unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit und der Erschöpfung des Rechtswegs. Darüber hinaus sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht das Bayerische Versammlungsgesetz als Ganzes angegriffen werden könne.
Im Übrigen könne der Antrag aber auch nach Maßgabe einer Interessenabwägung keinen Erfolg haben. Das Bayerische Versammlungsgesetz beruhe auf einem eigenen rechts- und ordnungspolitischen Konzept, das sich als eine den tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen angepasste Konkretisierung der bisherigen Rechtslage verstehe und hierbei zum Teil strengere, zum Teil aber auch geringere Anforderungen stelle. Die Außerkraftsetzung eines solchen Gesetzes sei nur unter besonders strengen Voraussetzungen zulässig, die vorliegend nicht gegeben seien.
So schränke Art. 9 Abs. 2 BayVersG die Zulässigkeit von Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen gegenüber der bisherigen Rechtslage nach §§ 12a, 19a VersG deutlich ein. Die bayerische Polizei dürfe Übersichtsaufnahmen nur zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes in die Einsatzzentrale senden, wobei diese Bilder insoweit nicht gespeichert werden dürften. Eine Speicherung dürfe nur unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG erfolgen. Weiter dürften sowohl Individualaufzeichnungen als auch Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 3 BayVersG in Verbindung mit Art. 30 Abs. 3 BayPAG grundsätzlich nur offen und nur unter besonderen Bedingungen verdeckt erfolgen, während §§ 12a, 19a VersG diese Einschränkung nicht vorsähen. Auch reduziere Art. 9 Abs. 4 Satz 3 BayVersG die Höchstspeicherfrist für Aufzeichnungen auf ein Jahr, während § 12a Abs. 2 Satz 2 VersG hierfür noch drei Jahre vorsehe.
Die in Art. 13 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVersG genannten Angaben entsprächen denjenigen, die nach der Rechtspraxis bereits gemäß § 14 VersG erforderlich gewesen seien. Sie beschränkten sich auf die Informationen, die notwendig seien, um einschätzen zu können, ob Maßnahmen zum Schutz der Versammlung selbst oder von Dritten vorbereitet oder getroffen werden müssten.
Art. 4 BayVersG sei eine Reaktion auf die Entwicklung, dass Veranstalter gewaltbereite Gruppierungen ausdrücklich zur Teilnahme einlüden und dass Versammlungsleiter im Rahmen von Versammlungen zu Gewalttätigkeiten aufriefen oder die Teilnehmer aufforderten, gewaltbereite Gruppierungen gegen den Zugriff der Polizei zu schützen. Da von einem Versammlungsveranstalter und -leiter weder tatsächlich noch rechtlich Unmögliches verlangt werden könne, erschöpften sich deren Pflichten regelmäßig in bloßen Appellen, wie aus den Regelbeispielen des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BayVersG ersichtlich sei. Diese Inpflichtnahme, die letztlich aus dem Friedlichkeitsgebot des Art. 8 GG folge, schränke die Versammlungsfreiheit des Veranstalters und des Leiters nicht unverhältnismäßig ein. Die Voraussetzungen für deren Inpflichtnahme nach Art. 4 Abs. 1 und 3 BayVersG seien so hoch, dass sie nur selten erfüllt sein dürften. Denn aufgrund der Schutzpflicht des Staates gegenüber Versammlungen könnten Veranstalter und Leiter zu Maßnahmen nach Art. 4 Abs. 1 und 3 BayVersG nur und erst dann verpflichtet sein, wenn auch ein - stets vorrangiges - polizeiliches Einschreiten gegen einzelne Störer die Friedlichkeit der Versammlung nicht wiederherzustellen vermöge. Hinzu komme, dass selbst in einem solchen Fall den Veranstaltern und Leitern nur das abverlangt werden dürfe, was ihnen nach den Umständen des Einzelfalls tatsächlich und rechtlich möglich sei.
Nach den bisherigen Erfahrungen der bayerischen Versammlungsbehörden habe sich die von den Beschwerdeführern befürchtete abschreckende Wirkung nicht eingestellt. Die Gesamtabwägung ergebe daher, dass das Bayerische Versammlungsgesetz für die von ihm Betroffenen keine schweren und irreparablen Nachteile zur Folge habe.
B. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist teilweise stattzugeben.
I. 1. Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als insgesamt unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 112, 284 (291)).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein insgesamt unzulässig.
a) Die Beschwerdeführer können sich als Personenvereinigungen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf Art. 8 Abs. 1 GG berufen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Grundrecht seinem Wesen nach auf Personenvereinigungen anwendbar ist, ist in erster Linie darauf abzustellen, ob es nur individuell oder auch korporativ betätigt werden kann (vgl. BVerfGE 42, 212 (219)). Kennzeichnend für die in Art. 8 GG gewährleistete Versammlungsfreiheit ist das kollektive Element der Grundrechtsausübung, da sie Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung ist (vgl. BVerfGE 69, 315 (342 f.)). Daher treten häufig Personenvereinigungen als Veranstalter von Versammlungen auf und sind insoweit hinsichtlich des Art. 8 Abs. 1 GG beschwerdefähig. Das gilt auch für Personenvereinigungen, die keine juristischen Personen sind, sofern sie eine festgefügte Struktur haben und auf gewisse Dauer angelegt sind (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 11. Januar 1984 - 21 B 28 A 2250 -, NJW 1984, S. 2116; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Bei den Beschwerdeführern ist dies der Fall.
b) Die Beschwerdeführer sind zumindest hinsichtlich eines Teils der angegriffenen Vorschriften auch beschwerdebefugt.
aa) Den Beschwerdeführern fehlt es nicht insgesamt an der unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit.
Grundsätzlich muss ein Beschwerdeführer, der sich gegen Rechtsvorschriften wendet, welche rechtsnotwendig oder auch nur der tatsächlichen Verwaltungspraxis nach einen besonderen Vollzugsakt voraussetzen, zunächst diesen Akt angreifen und den hiergegen eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er Verfassungsbeschwerde erheben kann (vgl. BVerfGE 1, 97 (102 f.); stRspr, zuletzt 101, 54 (74); 109, 279 (306)). Nicht verlangt werden kann das jedoch dann, wenn die angegriffenen Rechtsvorschriften den Beschwerdeführer unmittelbar betreffen, das heißt, wenn sie ohne das Dazwischentreten eines weiteren Vollzugsakts bereits in den Rechtskreis des Beschwerdeführers einwirken und es ihm nicht möglich oder zuzumuten ist, hiergegen zunächst Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Beschwerdeführer von der Maßnahme keine Kenntnis erlangt, weil sie heimlich erfolgt (vgl. BVerfGE 30, 1 (16 f.); 67, 157 (169 f.); 100, 313 (355); 109, 279 (306 f.)), oder wenn Vorschriften eine Verpflichtung begründen, die unmittelbar als solche mit einer Geldbuße oder Strafe bewehrt ist (vgl. BVerfGE 20, 283 (290); 46, 246 (256); 81, 70 (82 f.); 97, 157 (165)).
(1) Danach unterliegen jedenfalls die Rügen bezüglich Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 und 2 (hierüber mittelbar auch Art. 2 Abs. 1, Art. 10 Abs. 3) BayVersG unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit der Grundrechtsbetroffenheit keinen Bedenken. Die Vorschriften begründen unmittelbare Rechtspflichten, die ohne das Erfordernis eines dazwischen tretenden Verwaltungsakts nach Art. 21 Nr. 1, 2, 7, 13 und 14 BayVersG bußgeldbewehrt sind. Nach § 30 OWiG können dabei auch Personenvereinigungen mit einer Geldbuße belegt werden. Dies gilt gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG jedenfalls für die Beschwerdeführer zu 1) bis 11), die als juristische Personen beziehungsweise nicht eingetragene Vereine organisiert sind. Ob das auch auf die über untypische Organisationsstrukturen verfügenden Beschwerdeführer zu 12) und 13) zutrifft oder ob diese von dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht mehr erfasst sind und damit das Analogieverbot greift, ist nicht eindeutig, braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn zumindest ist nicht ausgeschlossen, dass auch ihnen gegenüber in der Praxis entsprechende Sanktionen verhängt werden. Die Begründung zum Gesetzesentwurf für das Bayerische Versammlungsgesetz jedenfalls geht ganz generell davon aus, dass Personenverbände Veranstalter sein können, ohne zwischen verschiedenen Typen von Personenmehrheiten zu differenzieren (vgl. LTDrucks 15/10181, S. 13). Daher müssen auch die Beschwerdeführer zu 12) und 13) damit rechnen, sich bei Nichtbefolgung der Vorschriften unter Umständen gegen den Vorwurf der Begehung einer Ordnungswidrigkeit zur Wehr setzen zu müssen.
Auch die Rüge bezüglich des Art. 9 Abs. 1 bis 4 BayVersG ist nicht wegen fehlender Unmittelbarkeit der Grundrechtsbetroffenheit unzulässig. Die dort geregelten Maßnahmen können gemäß Art. 9 Abs. 3 BayVersG in Verbindung mit Art. 30 Abs. 3 Satz 2 BayPAG unter Umständen heimlich erfolgen, so dass fachgerichtlicher Rechtsschutz nicht in allen Fällen gewährleistet ist.
(2) Von vornherein unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde hingegen in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 BayVersG, da die betreffenden Pflichten nicht bußgeldbewehrt sind. Den Beschwerdeführern ist insoweit zuzumuten, zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch hinsichtlich Art. 4 Abs. 5 BayVersG. Die Beschwerdeführer können sich gegen die konkrete Entsendung von Polizeibeamten, die nach Art. 4 Abs. 5 BayVersG dem Versammlungsleiter gegenüber zu offenbaren ist, zur Wehr setzen. Hierbei kann auch geklärt werden, ob, wie die Beschwerdeführer meinen, die Vorschrift tatsächlich auch einen teilweise verdeckten Einsatz von Polizeibeamten erlaubt und ob sie - entgegen der herrschenden Auffassung zur entsprechenden Vorläufervorschrift des § 12 VersG (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 10 BV 07.2143 -, DÖV 2008, S. 1006 f.; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, J Rn. 385) - so verstanden werden muss, dass sie der Polizei ein anlassloses Zutrittsrecht verschafft. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offen gelassen werden kann hingegen, ob - auch unter Berücksichtigung von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG - hinsichtlich Art. 10 Abs. 3 und 4, Art. 13 Abs. 5 und 6 BayVersG auf den Vorrang fachgerichtlichen Rechtsschutzes zu verweisen ist. Da auch diese Vorschriften zunächst einen konkretisierenden Verwaltungsakt voraussetzen, der fachgerichtlich angegriffen werden kann, fehlt es jedenfalls an einer hinreichenden Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
bb) Die Beschwerdeführer sind auch selbst grundrechtsbetroffen.
Selbst betroffen sind die Beschwerdeführer ohne weiteres, soweit sie sich gegen veranstalterbezogene Vorschriften wenden, das heißt gegen Art. 3 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 1 und 2 (hierüber mittelbar auch gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 3) BayVersG. Die Beschwerdeführer sind weiterhin aber auch durch die hier in Frage stehenden leiter- und teilnehmerbezogenen Vorschriften als selbst grundrechtsbetroffen anzusehen. Allerdings ist im Hinblick auf die Frage der Selbstbetroffenheit grundsätzlich zwischen den Rechten einer Vereinigung und den Rechten ihrer Mitglieder zu trennen. Die Rechte ihrer Mitglieder wachsen einer Vereinigung in der Regel nicht auch als eigene zu. Für das Versammlungsrecht sind hier indes Besonderheiten anzuerkennen. Die Rechte von Veranstalter, Leiter und Teilnehmern einer Versammlung sind in spezifischer Weise miteinander verschränkt. So ist einerseits die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit seitens der einzelnen Bürger von vornherein nur mit anderen zusammen möglich und dabei regelmäßig auf eine Koordination angewiesen. Hierbei kommt dem Veranstalter der Versammlung eine hervorgehobene Bedeutung zu, weil dieser die Versammlung initiiert, ihren Rahmen absteckt und die personellen (Leiter, Ordner, Redner) sowie sachlichen (etwa Bühne, Mikrofon) Voraussetzungen für ihre Durchführung schafft. Umgekehrt sind die Rechte des Veranstalters durch die Rechte und Pflichten des Versammlungsleiters und der Teilnehmer bestimmt. Für das Verhältnis von Veranstalter und Leiter wird dieser enge Zusammenhang schon darin deutlich, dass der Gesetzgeber für den Regelfall den Veranstalter selbst oder, sofern es sich um eine Vereinigung handelt, dessen Vorsitzenden als Versammlungsleiter bestimmt (Art. 3 Abs. 2 BayVersG). Wechselseitige Einflüsse bestehen auch zwischen den Rechten und Pflichten von Veranstalter und Teilnehmern, etwa wenn das an die Teilnehmer gerichtete Militanz- oder Vermummungsverbot (Art. 7 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 BayVersG) dazu führt und führen soll, dass hierdurch bestimmte Ausgestaltungen von Versammlungen wegen ihrer einschüchternden Wirkung verhindert werden, oder wenn Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen in Form von Übersichtsaufzeichnungen die Gesamtveranstaltung in den Blick nehmen und hierbei Teilnehmer an einer unbefangenen Mitwirkung in der vom Veranstalter vorgesehenen Weise hindern. Von daher ist den Beschwerdeführern als Veranstaltern nicht versagt, sich auch gegen die an den Leiter und die Versammlungsteilnehmer gerichteten Vorschriften zu wenden (vgl. ebenso Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 8 Rn. 10). Durch die in Frage stehenden Vorschriften des Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 bis 4 und Art. 16 BayVersG sind die Beschwerdeführer damit selbst in ihrer Versammlungsfreiheit betroffen.
cc) Die Beschwerdeführer haben auch sachlich eine mögliche Grundrechtsverletzung hinreichend substantiiert geltend gemacht. Sie legen eingehend dar, durch Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 1, Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 2, Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 21 Nr. 7, Art. 13 Abs. 1 und 2 (hierüber mittelbar auch durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 3) in Verbindung mit Art. 21 Nr. 13 und 14 BayVersG sowie Art. 9 Abs. 2 bis 4 BayVersG in ihrer Versammlungsfreiheit verletzt zu sein.
Dahinstehen kann, ob sich die Beschwerdeführer hier auch auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG berufen können (vgl. BVerfGE 118, 168 (202 ff.)). Die insoweit erhobenen Rügen betreffen sämtlich die spezifischen Auswirkungen der angegriffenen Vorschriften auf die Versammlungsfreiheit. In dieser Hinsicht ergeben sich vorliegend aus Art. 2 Abs. 1 GG keine weitergehenden Anforderungen als aus Art. 8 Abs. 1 GG.
c) Hinsichtlich der übrigen Vorschriften ist die Verfassungsbeschwerde demgegenüber unzulässig. Zwar erstreckt sich der Antrag der Beschwerdeführer auf grundsätzlich das gesamte Bayerische Versammlungsgesetz, jedoch fehlt es hinsichtlich weiterer Vorschriften an einem substantiierten Vorbringen. Nicht Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens sind weiterhin Art. 15 Abs. 2 Nr. 1a und 2 sowie - hierauf bezogen - Art. 15 Abs. 3 BayVersG, die die Beschwerdeführer in ihrem Antrag ausdrücklich von ihren Angriffen ausnehmen.
3. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften werfen Rechtsfragen auf, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung nicht ohne weiteres beantworten lassen.
Das Bayerische Versammlungsgesetz versteht sich als Verwirklichung eines eigenständigen rechts- und ordnungspolitischen Konzepts, das gezielt dem Versammlungsrecht eigene Akzente verleihen will. Es knüpft zwar vielfach an bestehende Regelungen an, sucht hierbei aber mit den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Normen bewusst, diese weiterbildend zu konkretisieren und bisher offene Streitfragen zu klären. Dabei stellt es in verschiedenen Regelungen erhöhte Anforderungen an die Veranstaltung von Versammlungen. So sind die Bekanntmachungs- und Anzeigepflichten ausführlicher und formalisierter gestaltet als nach bisher geltendem Recht, die Anforderungen an die Versammlungsleitung erhöht, ein allgemeines Militanzverbot eingeführt, der Katalog für polizeiliche Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen erweitert sowie daran anknüpfend zahlreiche neue Ordnungswidrigkeitentatbestände unmittelbar für Verstöße gegen gesetzliche Ge- und Verbote in das Versammlungsrecht aufgenommen worden. All diese Regelungen betreffen unmittelbar die Ausübung des durch Art. 8 Abs. 1 GG gewährleisteten Versammlungsrechts und werfen verfassungsrechtliche Fragen auf, die noch nicht abschließend geklärt sind. Für die Erfolgsaussichten wird es darauf ankommen, ob und gegebenenfalls mit welchen Maßgaben diese Begrenzungen, in denen die Beschwerdeführer einen grundlegenden Paradigmenwechsel hin zu einem Präventionskonzept sehen, mit der Versammlungsfreiheit vereinbar sind. Es wird hierbei auf die Bedeutung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Anmelde- und Erlaubnisfreiheit von Versammlungen einzugehen sein und auf die Frage, ob derartige Pflichten für alle Arten von Versammlungen, unabhängig von ihrem Gefahrenpotential und ihrer Größe, gleich zu beurteilen sind. Zu klären ist weiter, welche Bestimmtheitsanforderungen an versammlungsbezogene Pflichten zu stellen sind und welche Bedeutung hierbei deren Konkretisierung durch Verwaltungsakt beziehungsweise deren Sanktionierung durch Bußgeldvorschriften zukommt. Auch werfen die angegriffenen Vorschriften ungeklärte Fragen zu den Anforderungen an die Erhebung und Nutzung von Daten im Zusammenhang mit Versammlungen auf wie insbesondere die Anfertigung, Speicherung und Nutzung von Übersichtsaufzeichnungen, mit welchen insbesondere auch nichtstörende Versammlungsteilnehmer erfasst werden, sowie die Heimlichkeit von Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen. All diese Fragen bedürfen näherer Prüfung und sind dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
II. 1. Kann, wie hier, nicht festgestellt werden, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist und muss der Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens folglich als offen angesehen werden, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfGE 117, 126 (135)).
Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, ist bei der Folgenabwägung ein besonders strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 3, 41 (44); 104, 51 (55); 112, 284 (292); 117, 126 (135)). Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, das Inkrafttreten eines Gesetzes zu verzögern oder ein in Kraft getretenes Gesetz wieder außer Kraft zu setzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, da der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist. Ein Gesetz darf deshalb nur dann vorläufig außer Kraft gesetzt werden, wenn die Nachteile, die mit seiner Geltung nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, ganz besonderes Gewicht haben und in Ausmaß und Schwere deutlich die Nachteile überwiegen, die im Falle der vorläufigen Außerkraftsetzung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten (vgl. BVerfGE 104, 23 (27 f.); 112, 284 (292); 117, 126 (135)). Bei dieser Folgenabwägung sind die Auswirkungen auf alle von dem Gesetz Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur Folgen, die sich für die Beschwerdeführer ergeben (vgl. BVerfGE 112, 284 (292)).
2. Nach diesen Maßstäben ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise stattzugeben. Die Folgenabwägung ergibt, dass die Bußgeldvorschriften des Art. 21 Nr. 1, 2, 7, 13 und 14 BayVersG einstweilen außer Kraft zu setzen sind (a). Demgegenüber ist eine einstweilige Außerkraftsetzung der mit diesen Vorschriften korrespondierenden verwaltungsrechtlichen Pflichten gemäß Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG nicht geboten (b). Mit einschränkenden Maßgaben zu versehen ist hingegen weiterhin die Anwendung des Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG (c), nicht aber des Art. 9 Abs. 3 BayVersG (d).
a) Von besonderem Gewicht sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung der Bußgeldvorschriften des Art. 21 Nr. 1, 2, 7, 13 und 14 BayVersG ergeben. Sie sind so erheblich, dass sie auch die strengen Voraussetzungen für eine vorläufige Außerkraftsetzung eines Gesetzes erfüllen.
Die genannten Vorschriften erheben den Verstoß gegen weitreichende versammlungsrechtliche Mitwirkungspflichten und Verbote zu einer Ordnungswidrigkeit. Erfasst sind hiervon die Anforderungen an die Bekanntgabe und Einladung zu Versammlungen nach Art. 3 Abs. 3 BayVersG und an die Anzeige von Versammlungen unter freiem Himmel nach Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG einschließlich ihrer gesetzlichen Detaillierungen, die Pflichten des Versammlungsleiters nach Art. 4 Abs. 3 BayVersG und die Verhaltenspflichten von Teilnehmern nach Art. 7 Abs. 2 BayVersG. Durch die Sanktionierung ihrer Verletzung als Ordnungswidrigkeiten werden diese Pflichten zu einer unmittelbar aus sich heraus bewehrten Rechtspflicht. Unabhängig von der Bedeutung des jeweiligen Verstoßes für die Durchführung der konkreten Versammlung kann jeder Verstoß gegen diese Pflichten staatliche Sanktionen auslösen. Zwar setzt die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 10 OWiG grundsätzlich Vorsatz voraus. Dies lässt jedoch unberührt, dass die sanktionsbewehrten Rechtspflichten nach strafrechtlichen Grundsätzen als solche grundsätzlich von jedermann erkannt werden müssen und ein Verbotsirrtum in der Regel als vermeidbar und damit unbeachtlich gilt. Damit liegt die Verantwortung für die vollständige Kenntnis dieser Pflichten, die Erfassung ihrer Bedeutung im Einzelfall und die Ableitung der sich aus ihnen ergebenden Folgen ohne jeden Vorbehalt bei dem Bürger. Fehlentscheidungen werden ohne weitere Mahnung oder Warnung unmittelbar sanktioniert. Mit der Veranstaltung, Leitung oder Teilnahme an einer Versammlung verbindet sich so das Risiko, wegen Fehler und Fehleinschätzungen ex post mit einer Geldbuße belegt zu werden.
Die Verhängung einer Geldbuße bedeutet dabei die Verhängung einer repressiven Sanktion, verbunden mit dem staatlichen Tadel rechtswidrigen vorwerfbaren Fehlverhaltens (vgl. § 1 Abs. 1 OWiG). Zwar bleibt der mit einer Ordnungswidrigkeit erhobene Schuldvorwurf gegenüber Sanktionen, die als Strafe ausgestaltet sind, deutlich zurück (vgl. BVerfGE 27, 18 (33)). Jedoch liegt auch in der Belegung mit einer Geldbuße eine nachdrückliche Pflichtenmahnung und eine förmliche Missbilligung des Betroffenen als der Rechtsgemeinschaft verantwortlicher Person, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Ahndung grundsätzlich nur im Rahmen der verfahrensrechtlichen Garantien des Strafrechts und unter Beachtung der damit gewährleisteten rechtsstaatlichen Verbürgungen erlaubt ist. Dabei kann eine Geldbuße in Höhe von bis zu 3.000 gemäß Art. 21 BayVersG eine empfindliche Belastung darstellen. Überdies wird die Belegung mit einer Geldbuße für ein Verhalten bei einer früheren Versammlung in der Praxis zur Stützung verwaltungsrechtlicher Gefahrenprognosen herangezogen, so dass sich hieraus auch für die künftige Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit weitreichende Folgen ergeben können.
Die Wirkung der Bußgeldbewehrung unterscheidet sich damit grundlegend von der Statuierung allein verwaltungsrechtlicher Pflichten und Verbote. Diese werden gegenüber dem Bürger grundsätzlich auf der Grundlage eines Verwaltungsakts durchgesetzt. Was in der jeweiligen Situation für den Einzelnen verbindlich ist, wird damit zunächst einzelfallbezogen festgestellt und dem Bürger, Rechtsklarheit schaffend und mit Rechtsmitteln überprüfbar, vor Augen gehalten. Die jeweiligen Rechtspflichten werden so durch die Verwaltung für den Einzelnen konkretisiert, ohne dass ein Schuldvorwurf erhoben wird. Das Risiko der Unkenntnis oder der Fehleinschätzung von Rechtspflichten angesichts der jeweiligen Umstände wird dem Bürger damit weitgehend genommen.
Diese rechtsstaatliche Funktion des Verwaltungsakts ist gerade in Bezug auf die hier in Rede stehenden Pflichten - unbeschadet der erst im Hauptsacheverfahren zu entscheidenden Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit - von Bedeutung. Denn diese sind vom Gesetzgeber teils detailgenau ausdifferenziert, teils konkretisierungsbedürftig offen ausgestaltet und setzen damit fachliche Kenntnisse oder adäquate Situationseinschätzungen voraus. Dass sich darüber Unsicherheiten und Fehleinschätzungen hinsichtlich der im Einzelfall geltenden Anforderungen auch für Bürger ergeben können, die sich rechtstreu verhalten wollen, liegt nicht fern. So bezieht sich die Pflicht zur Angabe von Ort, Zeit, Thema sowie Namen des Veranstalters bei einer Einladung oder Bekanntgabe auf jede öffentliche Versammlung ab zwei Personen, unabhängig davon, ob sie klein oder groß ist, im Freien oder in geschlossenen Räumen stattfindet, spontan oder geplant abgehalten wird (Art. 3 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 BayVersG). Jede offene Einladung zu einem politischen Stammtisch seitens einer Studentengruppe oder zu einer öffentlichen Diskussion in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen kann hiervon betroffen sein. Auch wenn die erforderlichen Angaben für sich gesehen einfach sind, kann die Frage, was als Einladung oder Bekanntmachung zu qualifizieren ist, welche Genauigkeit erforderlich ist oder wie die Angaben bei zeitgemäßen Formen der elektronischen Kommunikation - wie SMS - zu gewährleisten sind, ernsthaft fraglich sein. Vielfach werden sich Veranstalter - bei denen keine Verwaltungsrechtskenntnisse vorausgesetzt werden können - solche Fragen überhaupt nicht stellen. Entsprechendes gilt für die Anzeigepflichten des Art. 13 Abs. 1 BayVersG und die in Bezug genommenen Anforderungen des Absatzes 2. Wann Angaben etwa zum beabsichtigten Ablauf der Versammlung vollständig sind (Abs. 2 Satz 1 Nr. 6) oder wann unverzüglich mitzuteilende Änderungen rechtzeitig übermittelt werden (Abs. 2 Satz 3), ist wertungsabhängig und konkretisierungsbedürftig. Erst recht beruhen die Pflichten des Versammlungsleiters nach Art. 4 Abs. 3 BayVersG auf unsicheren Einschätzungen. Was "geeignete Maßnahmen" sind, um "Gewalttätigkeiten" "aus der Versammlung heraus" zu "verhindern", und wann eine Versammlung mangels Durchsetzungsfähigkeit aufzulösen ist, ist von schwierigen Bewertungen in oftmals unübersichtlichen, volatilen und emotionsgeladenen Situationen abhängig. Nichts anderes gilt für die an den einzelnen Teilnehmer adressierte Pflicht, an Versammlungen nicht in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beiträgt, dass die Versammlung ein bestimmtes Erscheinungsbild mit einschüchternder Wirkung erhält. Dabei wird die Konkretisierungsbedürftigkeit dieser Pflichten nicht dadurch gemindert, dass das Gesetz seiner Begründung nach vor allem auf die extremistischen Spektren abzielt (vgl. Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung, LTDrucks 15/10181, S. 1 f.). Eine Anknüpfung daran, ob Versammlungen links- oder rechtsradikales Gedankengut verbreiten, ist sowohl für die Schaffung als auch für die Auslegung von die Versammlungsfreiheit einschränkenden Vorschriften verfassungsrechtlich ausgeschlossen.
Die Anwendbarkeit von Bußgeldvorschriften, die den Verstoß gegen diese Pflichten zur Ordnungswidrigkeit erheben, wäre ein Nachteil von ganz besonderem Gewicht. Verbindet sich die Wahrnehmung des Versammlungsrechts in dieser Weise mit einem schwer kalkulierbaren Risiko persönlicher Sanktionen, drohte dies der Inanspruchnahme eines elementaren demokratischen Kommunikationsgrundrechts die Unbefangenheit zu nehmen. Damit verbundene Einschüchterungseffekte wiegen auch für die Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung schwer.
Demgegenüber sind die Nachteile einer vorläufigen Außerkraftsetzung der fraglichen Bußgeldbestimmungen nicht von vergleichbarem Gewicht. Zwar entfällt mit ihrer Nichtanwendbarkeit für die Übergangszeit ihre abschreckende Funktion. Die versammlungsrechtlichen Pflichten selbst bleiben durch die Außerkraftsetzung allein der Bußgeldbewehrung jedoch unberührt. Ebenso wenig wie nach alter Rechtslage drohen diese deshalb in faktischer Hinsicht leerzulaufen. Falls erforderlich sind sie vielmehr weiterhin nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchsetzbar. Im Übrigen kann ihre Verletzung vor allem Bedeutung im Rahmen von Entscheidungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG, gegebenenfalls in Verbindung auch mit Art. 14 Abs. 1 und 2 BayVersG gewinnen. Die versammlungsrechtliche Grundkonzeption des Gesetzgebers zur Gewährleistung eines den Sicherheitsanforderungen genügenden Versammlungsrechts wird durch eine Außerkraftsetzung allein der Bußgeldnormen nicht berührt.
b) Eine vorläufige Außerkraftsetzung auch der den Bußgeldvorschriften zugrunde liegenden verwaltungsrechtlichen Ge- und Verbote selbst ist demgegenüber nicht geboten. Die strengen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung unmittelbar gegen Gesetze liegen insoweit nicht vor.
Allerdings sind die Nachteile, die eine vorläufige Anwendbarkeit zur Folge hat, auch insoweit noch erheblich: So wird den Veranstaltern die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit durch die Erweiterung und Formalisierung der Bekanntmachungs- und Anzeigepflichten, die nicht nach Größe und Gefahrenpotential der Versammlung unterscheiden, erheblich erschwert. Das gilt insbesondere für den Katalog des Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG. Den Bürger trifft danach nicht nur eine Anzeigepflicht hinsichtlich der äußeren Kerninformationen der Versammlung, sondern auch eine Pflicht zur Mitteilung ihres genauen Ablaufs und möglicherweise auch ihres Inhalts. Der Veranstalter kann damit auch inhaltlich hinsichtlich seiner Freiheitswahrnehmung detailliert erklärungspflichtig werden. Weiterhin steht er in der Pflicht, sich zum Zwecke einer behördlichen Geeignetheitsprüfung bereits frühzeitig auf den genauen Ablauf und den organisatorischen Rahmen festzulegen und hierbei zahlreiche personenbezogene Daten der Ordner und des Versammlungsleiters mitzuteilen. Auch sind an die von situationsbezogenen Einschätzungen abhängigen Pflichten nach Art. 4 Abs. 3 BayVersG, der für den Leiter nicht nur Obliegenheiten, sondern eine echte Ordnungsverantwortung begründet, und nach Art. 7 Abs. 2 BayVersG Nachteile geknüpft, die auch unabhängig von der Bußgeldbewehrung erheblich sind. Sollten sich diese Pflichten ganz oder zum Teil als verfassungswidrig erweisen, wäre deren vorläufige Anwendung ein Nachteil, der die persönliche Wahrnehmung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit erheblich behinderte und auch eine Beeinträchtigung der demokratischen Funktion des Versammlungsrechts zur Folge hätte.
Diese Nachteile haben jedoch nicht ein solches Gewicht, dass sie gegenüber den Nachteilen, die mit einer Außerkraftsetzung dieser Vorschriften verbunden wären, überwiegen. Denn mit einer Außerkraftsetzung dieser Normen wäre nicht nur ein vorläufiger Verlust an routinemäßiger Vereinfachung und Effizienzsteigerung durch frühzeitige wie vollständige Vorabinformation der Verwaltungsbehörden verbunden, sondern würden zentrale Grundlagen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sowie der Friedlichkeit von Versammlungen betroffen. Da das Versammlungsgesetz des Bundes durch eine vorläufige Aussetzung nicht wieder aufleben würde, fehlte es dem Bayerischen Versammlungsrecht bis zur Entscheidung über die Hauptsache an zentralen Vorschriften, wie etwa schon generell an einer Anzeigepflicht. Damit wäre eine sichere Wahrnehmung des Versammlungsrechts zumindest erheblich gefährdet. Das Bundesverfassungsgericht müsste wenigstens einige der angegriffenen Vorschriften durch eine gerichtliche Anordnung ersetzen. Das aber kann allenfalls in Sonderkonstellationen gerechtfertigt sein, die hier nicht gegeben sind. Durch die vorläufige Außerkraftsetzung der Bußgeldbewehrung sind die Nachteile der angegriffenen Vorschriften vielmehr so weit aufgefangen, dass in Respekt vor der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eine weitergehende einstweilige Anordnung in Bezug auf Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG nicht geboten ist.
c) Teilweise Erfolg muss der Antrag hingegen haben, soweit er sich auf Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG erstreckt. Eine Folgenabwägung ergibt hier, dass die Nachteile einer vorläufigen Anwendbarkeit die Nachteile einer - sachlich beschränkten - vorläufigen Außerkraftsetzung überwiegen.
aa) Die Nachteile der uneingeschränkten vorläufigen Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG sind gravierend: Bei jeder Versammlung muss jeder Teilnehmer damit rechnen, dass das gesamte Geschehen an eine Leitstelle übermittelt und zugleich aufgezeichnet wird. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayVersG erlaubt zunächst Übersichtsaufnahmen (Kamera-Monitor-Übertragungen) von jeder Versammlung unabhängig von deren Größe und Gefahrenpotential, auch in geschlossenen Räumen, soweit dies nur dem Ziel der "Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes" dient. Dass aus dieser Zielsetzung irgendeine tatbestandliche Begrenzung folgt oder folgen soll, ist nicht ersichtlich. Auch die Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG ist der Polizei praktisch immer erlaubt. Die gesetzliche Maßgabe, nach der die Übersichtsaufzeichnung zur "Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens" erforderlich sein muss, begrenzt diese Befugnis nicht, da eine Auswertung des Polizeieinsatzes als solche rechtlich immer zulässig und auf eine Fixierung der Aufnahmen notwendigerweise auch angewiesen ist. Der Sache nach ermächtigt Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG zu einer anlasslosen Bildaufzeichnung des gesamten Versammlungsgeschehens.
Dabei ist die Anfertigung solcher Übersichtsaufzeichnungen nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Grundrechtseingriff, da auch in Übersichtsaufzeichnungen die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind (vgl. Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 3. Aufl. 2007, S. 236; Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 15. Aufl. 2008, S. 245 f., 252; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, J Rn. 372; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2001, § 12a Rn. 3, 8). Sie können, ohne dass technisch weitere Bearbeitungsschritte erforderlich sind, durch schlichte Fokussierung erkennbar gemacht werden, so dass einzelne Personen identifizierbar sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufzeichnungen und personenbezogenen Aufzeichnungen besteht diesbezüglich, jedenfalls nach dem Stand der heutigen Technik, nicht.
Eine so weite Befugnis zur Erstellung von Übersichtsaufzeichnungen führt zu gewichtigen Nachteilen. Sie begründet für Teilnehmer an einer Versammlung das Bewusstsein, dass ihre Teilnahme und die Form ihrer Beiträge unabhängig von einem zu verantwortenden Anlass festgehalten werden können und die so gewonnenen Daten über die konkrete Versammlung hinaus verfügbar bleiben. Dabei handelt es sich überdies um sensible Daten. In Frage stehen Aufzeichnungen, die die gesamte - möglicherweise emotionsbehaftete - Interaktion der Teilnehmer optisch fixieren und geeignet sind, Aufschluss über politische Auffassungen sowie weltanschauliche Haltungen zu geben. Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken. Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 (43)).
Die Schwere des Grundrechtseingriffs einer anlasslosen Datenerhebung nimmt dabei mit der Möglichkeit der Nutzung der Daten für Folgeeingriffe in Grundrechte der Betroffenen zu (vgl. BVerfGE 120, 378 (403)). Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG hegen die sich insoweit ergebenden Nachteile nur begrenzt ein. Zwar ist eine Identifikation einzelner Personen nur zulässig, wenn die strengeren Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 BayVersG vorliegen (Art. 9 Abs. 2 Satz 4 BayVersG), so dass, soweit es um die Auswertung der Aufzeichnungen zu Zwecken des polizeitaktischen Vorgehens im direkten Zusammenhang mit der aufgenommenen Versammlung geht, die Nutzung der Daten und damit der Nachteil für den Einzelnen begrenzt gehalten wird. Die maßgebliche Belastung der Übersichtsaufzeichnungen liegt jedoch darin, dass die gesamten Versammlungsdaten gemäß Art. 9 Abs. 4 BayVersG auch über die konkrete Versammlung hinaus verfügbar gehalten werden, unter Umständen sogar zeitlich unbegrenzt. Die Übersichtsaufzeichnungen werden damit zu einem Datenvorratsspeicher, auf den über die Aufarbeitung des aufgezeichneten Versammlungsgeschehens hinaus allgemein zur Verfolgung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr bei künftigen Versammlungen zurückgegriffen werden kann. Auch nachträglich kann damit eine zunächst unauffällige Teilnahme an einer Versammlung aufgegriffen, neu interpretiert und zum Anknüpfungspunkt weiterer Maßnahmen gemacht werden, ohne dass dieses gesetzlich klar und sachhaltig begrenzt würde. Sachlich werden die Nutzungsmöglichkeiten der Daten in Art. 9 Abs. 4 Satz 1 BayVersG nur indirekt im Rahmen der Löschungspflicht bezüglich dieser Daten aufgeführt, nicht aber eigens näher geregelt. Sie erstrecken sich dabei insbesondere auf die Strafverfolgung ganz allgemein. Zeitlich erlaubt das Gesetz die Speicherung und den Rückgriff auf Übersichtsaufzeichnungen zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens und zu Zwecken der Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren bis zu einem Jahr ab Entstehung, zu Zwecken der Strafverfolgung sogar noch darüber hinaus (Art. 9 Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayVersG; siehe auch §§ 483 ff. StPO). Unbegrenzt gespeichert werden können Übersichtsaufzeichnungen überdies zu Zwecken der polizeilichen Aus- und Fortbildung und damit nach freiem Ermessen der Behörde. Die Identifizierung einer abgebildeten Person ist insoweit zwar auf ein Jahr beschränkt. Eine solche allein auf die Datennutzung bezogene Befristung hebt die durch die unbefristete Speicherung begründete Beeinträchtigung des Betroffenen jedoch nicht auf. Denn technisch bleiben die Daten verfügbar, und trotz der hindernisfreien Identifizierbarkeit von Einzelpersonen in Übersichtsaufzeichnungen sieht das Gesetz hiergegen eine nachvollziehbare und strukturelle Sicherung nicht vor. Angesichts der Streubreite der erhobenen Daten trägt dies dazu bei, dass sich hierdurch das Risiko des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens verfestigen kann (vgl. BVerfGE 107, 299 (328); 115, 320 (354 f.); 120, 378 (402)).
Eine solche anlasslose Datenbevorratung, die allein an die Wahrnehmung des Versammlungsrechts und damit an das Gebrauchmachen von einem für die demokratische Meinungsbildung elementaren Grundrecht anknüpft, führt zu durchgreifenden Nachteilen. Die vorläufige Hinnahme hierdurch begründeter Einschüchterungseffekte hat im Rahmen der Folgenabwägung auch bei Anlegung besonders strenger Maßstäbe höheres Gewicht als die Nachteile einer einstweiligen Außerkraftsetzung dieser Vorschriften. So sind die Nachteile eines teilweisen Verzichts auf Übersichtsaufzeichnungen für die Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens jedenfalls dann von geringerem Gewicht, wenn von einer Versammlung keine erheblichen Gefahren ausgegangen sind. Auch der vorläufige Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Aufzeichnungen für die polizeiliche Aus- und Fortbildung, für die auch auf viele andere Mittel zurückgegriffen werden kann, wiegt die Nachteile der anlasslosen Datenbevorratung nicht auf. Dasselbe gilt aber auch für den - vom Gesetzgeber selbst nicht als Ziel, sondern nur als Anschlussnutzungseffekt vorgesehenen - Rückgriff auf die Übersichtsaufzeichnungen für die Strafverfolgung und die Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren. Diese Aufgaben haben nicht schon allgemein ein solches Gewicht, dass deshalb über Art. 9 Abs. 1 BayVersG hinaus mit Hilfe von Übersichtsaufzeichnungen vorsorglich alle Versammlungen aufgezeichnet werden können und damit die Daten auch all derer vorrätig gehalten werden dürfen, deren Verhalten hierzu keinerlei Anlass gegeben hat. Im Übrigen lässt ein Verzicht auf anlasslose Übersichtsaufzeichnungen die allgemeinen Befugnisse der zuständigen Behörden unberührt.
bb) Angesichts der besonders strengen Anforderungen an die vorläufige Außerkraftsetzung von Gesetzen ist allerdings nicht eine vollständige Außerkraftsetzung des Art. 9 Abs. 2 und 4 BayVersG geboten. Für eine vorläufige Regelung reicht es - in Anknüpfung an die herrschende Auffassung zu § 12a VersG (vgl. Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, 3. Aufl. 2007, S. 237; Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 15. Aufl. 2008, S. 246; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl. 2001, § 12a Rn. 3, 8; Hase, in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, 1992, § 12a Rn. 21; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, J Rn. 372) - aus, die Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayVersG unter die Bedingungen des Art. 9 Abs. 1 BayVersG zu stellen. Übersichtsaufzeichnungen sind danach nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von der Versammlung erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Im Ergebnis können bei Versammlungen, von denen nach diesen Maßstäben eine Gefahr ausgeht, mittels Übersichtsaufzeichnungen auch die Bilddaten von rechtstreuen Versammlungsteilnehmern erhoben werden. Dies bleibt ein gewichtiger Nachteil, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch im Respekt vor dem Gesetzgeber hinzunehmen. Durch die einstweilige Anordnung ist jedoch sicherzustellen, dass Teilnehmer nicht fürchten müssen, ihre Teilnahme werde über die konkrete Versammlung hinaus anlasslos festgehalten, und dass die Daten nicht für Zwecke genutzt werden, die mit der Versammlung in keinem Zusammenhang stehen. Es ist deshalb anzuordnen, dass eine Auswertung der Daten unverzüglich zu erfolgen hat. Soweit die Daten nach dieser Auswertung nicht in Bezug auf einzelne Personen zur Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der aufgezeichneten Versammlung oder zur Abwehr künftiger versammlungsspezifischer Gefahren nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayVersG benötigt werden, müssen sie spätestens innerhalb von zwei Monaten gelöscht oder zumindest irreversibel anonymisiert werden.
Von deutlich geringerem Gewicht sind demgegenüber die Nachteile von Übersichtsaufnahmen in Echtzeitübertragung, die nicht gespeichert werden und damit nur flüchtiger Natur sind. Möglichen Einschüchterungseffekten durch die Präsenz einer Kamera, die das Geschehen an eine andere, nicht übersehbare Stelle überträgt, kommt hier nur dann Durchschlagskraft zu, wenn eine durch Übersichtsaufnahmen zentralisierte Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes den jeweiligen Umständen nach von vornherein nicht erforderlich ist wie in der Regel in geschlossenen Räumen. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ist deshalb auf Fälle zu beschränken, in denen Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich sind.
d) Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht außer Kraft zu setzen ist schließlich Art. 9 Abs. 3 BayVersG. Zwar erlaubt dieser, wie der Verweis auf Art. 30 Abs. 3 BayPAG zeigt, unter Umständen auch verdeckte Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen, wodurch die Einschüchterungswirkung solcher Befugnisse nochmals verstärkt wird. Denn wenn der Staat verdeckte Maßnahmen gerade dann einsetzt, wenn Bürger von ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit Gebrauch machen und sich mit eigenen Überzeugungen in die demokratische Öffentlichkeit begeben - zugleich unter der Verpflichtung, sich nicht zu vermummen -, ist dies in besonderer Weise geeignet, vom Gebrauch dieses Grundrechts abzuschrecken. Das gilt umso mehr, wenn mangels Benachrichtigungspflichten oder Einsichtsmöglichkeiten Rechtsschutz hiergegen praktisch ausgeschlossen ist. Im Hauptsacheverfahren wird diese Frage materiell verfassungsrechtlich näherer Prüfung bedürfen. Nach den besonders strengen Anforderungen an die Aussetzung eines Gesetzes ist eine vorläufige Außerkraftsetzung dieser Vorschrift jedoch nicht geboten. Der durch Art. 9 Abs. 3 BayVersG in Bezug genommene Art. 30 Abs. 3 Satz 1 BayPAG verpflichtet die Behörden, Datenerhebungen grundsätzlich offen zu gestalten. Die Möglichkeit verdeckter Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen ist damit gesetzlich als enge Ausnahme gefasst. Ihre Handhabung muss dabei der grundlegenden Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG Rechnung tragen und auf eng begrenzte Sondersituationen beschränkt bleiben. Für den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist diese Rechtslage, nicht zuletzt angesichts der insoweit unklaren bisherigen Rechtspraxis unter Geltung des Bundesversammlungsgesetzes, hinzunehmen. ..." ( BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 17.02.2009 - 1 BvR 2492/08)
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Zur Videobeobachtung einer Versammlung von etwa 40 bis 70 Teilnehmern (OVG NRW, Beschluss vom 23.11.2010 - 5 A 2288/09):
... Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Videobeobachtung der Versammlung am 4. Juni 2008 in N. zum Thema: "Urantransporte stoppen" rechtswidrig war. Es ist zutreffend davon ausgegangen, das Richten einer aufnahmebereiten Kamera auf die Demonstrationsteilnehmer und das Übertragen der Bilder auf einen Monitor habe den Kläger in seinem Versammlungsgrundrecht (Art. 8 Abs. 1 GG) und in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt.
Auch wenn die Bilder lediglich in Echtzeit übertragen und nicht gespeichert worden sind und dies dem Versammlungsleiter mitgeteilt worden ist, war die aufnahmebereite Kamera über die gesamte Dauer der Veranstaltung von einem ausgefahrenen Kameraarm eines unmittelbar vorausfahrenden Beweissicherungsfahrzeugs der Polizei auf die nur etwa 40 bis 70 Versammlungsteilnehmer gerichtet. Bei dieser Ausgangslage ist die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, die Videobeobachtung habe die grundrechtlich relevante Eingriffsschwelle überschritten und die innere Versammlungsfreiheit der Teilnehmer beeinträchtigt. Bürger hätten aus Sorge vor staatlicher Überwachung von der Teilnahme an der Versammlung abgeschreckt werden können. Durch die Kameraübertragung war auch ohne Speicherung eine intensive, länger andauernde und nicht nur flüchtige Beobachtung selbst einzelner Versammlungsteilnehmer auf einem Monitor im Fahrzeuginnenraum möglich. Zudem war bei der aufnahmebereiten Kamera aus Sicht eines (verständigen) Versammlungsteilnehmers zu befürchten, die Aufnahme könne beabsichtigt oder versehentlich jederzeit ausgelöst werden.
Unter diesen Gesichtspunkten war der konkrete Einsatz der Kameraübertragung geeignet, bei den Versammlungsteilnehmern das Gefühl des Überwachtwerdens mit den damit verbundenen Unsicherheiten und Einschüchterungseffekten zu erzeugen. So unterschied sich der Einsatz signifikant sowohl von bloßen Übersichtsaufnahmen, die erkennbar der Lenkung eines Polizeieinsatzes namentlich von Großdemonstrationen dienen und hierfür erforderlich sind, als auch von einer reinen Beobachtung durch begleitende Beamte oder sonstige Dritte. Anders als solche Maßnahmen ohne Eingriffsqualität wäre der in Rede stehende Kameraeinsatz mit Blick auf den grundrechtlich geschützten staatsfreien Charakter von Versammlungen allenfalls auf der Grundlage einer auf das notwendige Maß beschränkten gesetzlichen Ermächtigung zulässig gewesen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315, 349; so ist wohl auch BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 372 f. zu verstehen; siehe ferner Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, 15. Aufl. 2008, § 12 a Rn. 14, und Söllner, Anmerkung zum Urteil des VG Berlin vom 5. Juli 2010 - 1 K 905.09 -, DVBl. 2010, 1248, 1249 f.
Einer gesetzlichen Ermächtigung hätte es ferner deshalb bedurft, weil die Videobeobachtung der Versammlung zugleich in das Recht der Teilnehmer auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG. i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingriff. Diesbezüglich war die Eingriffsschwelle unabhängig von einer Speicherung der Bilder überschritten, weil die die Versammlung begleitende Beobachtung eine Individualisierung von Versammlungsteilnehmern ermöglichte, von großer Streubreite war und der Beklagte mit ihr zudem eine gewisse Beeinflussung der inneren Versammlungsfreiheit beabsichtigt hatte. Hiervon waren zahlreiche Personen betroffen, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten standen.
Vgl. zu diesen Kriterien für einen Eingriff BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05, 1254/07 -, BVerfGE 120, 378, 397 ff., 402 f. sowie Beschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBl. 2007, 497, 501; siehe ferner BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 -, juris, Rn. 16 f.; OVG NRW, Urteil vom 8. Mai 2009 - 16 A 3375/07 -, OVGE 52, 122 = juris, Rn. 39 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Juli 2003 - 1 S 377/02 -, NVwZ 2004, 498, 500.
Für die allein an den Grundrechten auszurichtende Bewertung der Eingriffsqualität ist es im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, welche Gründe dafür maßgeblich waren, dass der Gesetzgeber mit Geltung für Nordrhein-Westfalen (anders z. B. in Bayern nach Art. 9 BayVersG) neben den §§ 19 a, 12 a VersG keine weiteren Ermächtigungen mit niedrigeren Eingriffsvoraussetzungen geschaffen hat. Entscheidend ist nur, dass die Voraussetzungen dieser als Ermächtigungsgrundlage allein in Betracht kommenden Vorschriften nicht vorlagen. Hiernach wären Bild- und Tonaufnahmen von Versammlungsteilnehmern nur zulässig gewesen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme gerechtfertigt hätten, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Diese qualifizierten Voraussetzungen waren aus den vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend genannten Gründen (S. 8, dritter Absatz bis S. 10, erster Absatz) nicht gegeben. Hierfür genügte entgegen der Auffassung des Beklagten insbesondere nicht, dass nach Erfahrungen von früheren Urantransporten Restrisiken und Störungen des Transports am 4. Juni 2008 nicht von vornherein mit Sicherheit auszuschließen waren. Auch wenn sich die Rechtmäßigkeit der Gefahrenprognose des Beklagten nach der maßgeblichen ex-ante-Sicht der eingesetzten Beamten richtet, ergibt sich daraus kein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Beurteilungsspielraum, der allein auf Grund der Unberechenbarkeit von Versammlungsverläufen eine andere Einschätzung rechtfertigen könnte.
Vgl. zu den ähnlichen Anforderungen an beschränkende Verfügungen nach § 15 Abs. 1 VersG BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, 671, 672.
Der in Rede stehende Kameraeinsatz stellt sich auch nicht gegenüber zulässigen Maßnahmen nach §§ 19 a, 12 a VersG als reine Vorbereitungshandlung dar. Insbesondere greift der Einwand des Beklagten nicht durch, das Aufzeichnungssystem habe lediglich in einen jederzeit arbeitsfähigen Zustand versetzt werden sollen. Zum einen sind Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf die Ermächtigung in §§ 19 a, 12 a VersG erst dann veranlasst, wenn einzelne Versammlungsteilnehmer ein Verhalten erkennen lassen, das den Eintritt erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung konkret erwarten lässt. Hierzu ist es unstrittig im gesamten Versammlungsverlauf nicht gekommen. Zum anderen hätte sich der Eingriff in Grundrechte von Versammlungsteilnehmern ohne wesentliche Einschränkung des polizeilichen Vorsorgekonzepts vermeiden lassen, indem eine im Stand-by-Modus geschaltete Kamera erkennbar von der Versammlung abgewendet worden wäre. Bereits hierdurch wären die eingesetzten Beamten innerhalb weniger Sekunden in der Lage gewesen, etwaige von ihnen wahrgenommene Gefahrenlagen im Bild einzufangen, ohne dass hierfür anlasslos durchgehend Bilder der Versammlung auf einen Monitor hätten übertragen werden müssen. Um einen Grundrechtseingriff zu vermeiden, hätte der Beklagte insbesondere nicht auf veraltete Systeme zurückgreifen oder den Kamerawagen im Bedarfsfall erst herbeiholen müssen.
Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachte grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob schon eine reine Videobeobachtung unmittelbar am Ort des Geschehens - ohne Aufzeichnung und ohne Weiterleitung an eine Zentralstelle - bei einer Versammlung unter Anwesenheit bzw. Begleitung von Polizeivollzugsbeamten einen Grundrechtseingriff begründen kann,
lässt sich bereits ohne Weiteres auf der Grundlage der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts im bejahenden Sinne beantworten. Danach ist jeweils durch eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob eine Videobeobachtung ein Betroffensein in einer den Grundrechtsschutz auslösenden Qualität zur Folge hat. Dabei ist maßgeblich auch zu berücksichtigen, ob die Videobeobachtung in ihrer konkreten Ausgestaltung geeignet ist, einzelne Bürger von der rechtmäßigen Ausübung ihrer Grundrechte wie z. B. der Versammlungsfreiheit abzuhalten, weil sie nicht übersehen können, ob ihnen daraus Risiken entstehen können.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 -, juris, Rn. 16; Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u. a. -, BVerfGE 65, 1, 43. ..."
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... Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtsgerichts Leipzig vom 8.10.2009 zuzulassen, hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Beklagten, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 sowie Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, lässt nicht erkennen, dass der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gegeben ist.
Grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage, deren Beantwortung sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder höchstrichterlich geklärt ist. Etwas anderes könnte ausnahmsweise dann gelten, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung erheblicher Kritik ausgesetzt ist oder neue erhebliche Gesichtspunkte vorgetragen werden, die in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht berücksichtigt wer- den konnten und geeignet sind, ein anderes Ergebnis herbeizuführen (vgl. zu allem Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 124 Rn. 10 m. w. N.).
Hieran gemessen ist die vom Beklagten sinngemäß aufgeworfene Frage, ob eine Klagefrist für eine Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 74 VwGO gilt, wenn aufgrund der die Vernichtung von Bild- und Tonaufnahmen nach zwei Monaten bzw. unverzüglich anordnenden Vorschriften der § 12a Abs. 2 Satz 1 VersammlG, § 38 Abs. 3 SächsPolG kein Nachweis mehr darüber geführt werden kann, ob eine auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes oder des Sächsischen Polizeigesetzes erlassene polizeiliche Maßnahme rechtmäßig war, nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist nämlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt; das Vorbringen des Beklagten ergibt vorliegend auch keine Gesichtspunkte, die bislang noch nicht berücksichtigt wurden und geeignet sind, ein anderes Ergebnis herbeizuführen.
Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte der Feststellungsklage des Klägers, mit der sich dieser nachträglich gegen seine Identitätsfeststellung und seinen Platzverweis im Zusammenhang mit einer Kundgebung in Leipzig gewandt hatte, stattgegeben, weil nicht ersichtlich und auch vom Beklagten nicht vorgetragen worden sei, inwiefern vom Kläger eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen sei oder welche Umstände dessen Störereigenschaft hätten begründen können. Der Platzverweis sei überdies schon deshalb formell rechtswidrig, weil ein solcher nur für einen eng begrenzten Ort ausgesprochen werden könne. Gegenüber dem Kläger sei aber ein Gebietsverweis" mit Geltung für einen Umkreis von 500 m erteilt worden, so dass nicht mehr von einem eng begrenzten Ort ausgegangen werden könne; zudem sei er zu unbestimmt gewesen. Der Beklagte hatte sich gegen die Klage mit dem Hinweis verteidigt, dass die Klagefrist des § 74 VwGO, der vorliegend entsprechend herangezogen werden müsse, nicht eingehalten sei; jedenfalls sei aber das Klagerecht verwirkt. Im Übrigen hätte noch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden müssen. Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte das Verteidigungsvorbringen mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es im Fall eines sich vor Ablauf der Widerspruchsfrist erledigenden Verwaltungsakts nicht der Einhaltung einer Klagefrist bedarf (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urt. v. 14.7.1999, BVerwGE 109, 203; std. Rspr.), zurückgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass weder die Voraussetzungen einer Verwirkung vorlägen noch ein nachträgliches Widerspruchsverfahren einzuleiten gewesen wäre.
Es besteht kein Anlass, von der vom Verwaltungsgericht Leipzig zutreffend herangezogenen Rechtsprechung im vorliegenden Fall abzuweichen. Der Hinweis des Beklagten, die nach Ablauf der von § 12a Abs. 2 Satz 1 VersammlG, § 38 Abs. 3 SächsPolG vorgegebenen unverzüglich bzw. binnen einer Frist von spätestens zwei Monaten vorzunehmende Löschung von Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei bewirke faktisch, dass nach Ablauf der Löschungsfristen die Dokumentation und Rekonstruktion der gegenüber bestimmten Personen getroffenen polizeilichen Maßnahmen erschwert bzw. unmöglich gemacht würden, betrifft nämlich keine Frage im Hinblick auf die Zulässigkeit des gegen solche Maßnahmen ergriffenen Rechtsbehelfs. Der Hinweis richtet sich vielmehr auf das materiell-rechtliche Problem, wem die Beweis- bzw. Darlegungslast im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen obliegt, wenn der Polizei einzelne Erkenntnismittel aufgrund gesetzlicher Löschungsverpflichtungen nicht mehr zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte auch in der von ihm beschriebenen Situation durchaus weitere Möglichkeiten hat, um die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme zu belegen. So könnte etwa ein polizeilicher Einsatzbericht vorgelegt werden, aus dem sich ergibt, aufgrund welcher Vorfälle bzw. unter welchen Umständen an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt Identitätskontrollen vorgenommen bzw. Platzverweise ausgesprochen worden sind. Darüber hinaus könnten einzelne Polizeibeamte zu einer Zeugenaussage oder zur Abgabe einer dienstlichen Stellungnahme herangezogen werden. Schließlich könnte es sich in geeigneten Fällen auch anbieten, polizeiliche Erkenntnisse über den von einer polizeilichen Maßnahme Betroffenen vorzulegen, die schon bei einer damals durchgeführten Datenabfrage etwa zu einem Platzverweis geführt haben konnten, etwa weil der Betroffene als Störer bei vorangegangenen Demonstrationen registriert gewesen war. Hieraus ergibt sich zusammenfassend, dass der Nachweis der Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns auch nach Ablauf gesetzlicher Löschungsfristen nicht immer tatsächlich unmöglich geworden sein muss, sondern von den Umständen der jeweiligen Fallgestaltung abhängt. Nachdem im vorliegenden Fall solche Darlegungen gänzlich unterblieben sind, ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig nicht zu beanstanden; im Übrigen hätte selbst die Vorlage entsprechender Bild- bzw. Tonaufnahmen vorliegend wohl nur die durch die Einvernahme eines Zeugen bewiesene Tatsache belegen können, dass sich der Kläger tatsächlich der von ihm angegriffenen Maßnahmen unterziehen musste. ..." (OVG Sachsen, Beschluss vom 30.08.2010 - 3 A 687/09 zu §§ 74, 154 II VwGO, 20 VersammlG, 38 III PolG SN).
§ 15a Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung
(1) Die Polizeibehörden können von einem Dienstanbieter, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, verlangen, dass er die Kenntnisnahme des Inhalts der Telekommunikation ermöglicht und die näheren Umstände der Telekommunikation einschließlich des Standorts aktiv geschalteter nicht ortsfester Telekommunikationsanlagen übermittelt, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist.
(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 können die Polizeibehörden auch Auskunft über die Telekommunikation in einem zurückliegenden oder einem zukünftigen Zeitraum sowie über Inhalte verlangen, die innerhalb des Telekommunikationsnetzes in Speichereinrichtungen abgelegt sind.
(3) Die Polizeibehörden können technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräte- und Kartennummern einsetzen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist.
(4) Die Maßnahmen bedürfen außer bei Gefahr im Verzug der richterlichen Anordnung. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Die Anordnung muss Namen und Anschrift der Person, gegen die sie sich richtet, oder die Rufnummer oder eine andere Kennung ihres Telekommunikationsanschlusses oder ihres Telekommunikationsgeräts enthalten. § 15 Abs. 5 Satz 3 und 5 bis 9 gilt entsprechend.
(5) Soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Tatsachen ergeben, die einen anderen Sachverhalt betreffen, dürfen die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten nur verarbeitet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. Bundesrechtliche Übermittlungspflichten bleiben unberührt.
(6) § 17 Abs. 1 und 3 des Artikel 10- Gesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2836), gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Bei der Telekommunikationsüberwachung nach § 15a HSOG sind mehr als drei Verlängerungen nicht zulässig. Die vor einer kurzfristigen Unterbringung des Betroffenen angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen zählen bei der Zahl der Verlängerungen für weitere Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen mit. § 15a HSOG dient nicht zur Bekämpfung von Straftaten im Vorfeld einer konkreten Gefahr(OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.11.2009 - 20 W 330/09):
... Die Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet. § 15a HSOG gestattet die Telekommunikationsüberwachung durch richterliche Anordnung, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist. Diese Maßnahme ist nach § 15a Abs. 4 S. 3 HSOG i.V.m. § 15 Abs. 5 S. 6 HSOG auf höchstens drei Monate zu befristen, wobei eine dreimalige Verlängerung um jeweils höchstens drei Monate zulässig ist, soweit die Voraussetzungen fortbestehen.
Diese Verlängerungsmöglichkeiten hat der Antragsteller bereits ausgeschöpft, wie schon das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, denn der Antragsteller hat folgende gerichtlichen Überwachungsanordnungen nach dem HSOG hinsichtlich des Betroffenen erwirkt:
Zuerst hat das Amtsgericht Hanau durch Beschluss vom 05.12.2008 (52 Gs 97/08) eine Telekommunikationsüberwachungsanordnung gem. § 15a HSOG bis zum 04.01.2009 erlassen. Als Grund ist im Beschluss angeführt, der Betroffene werde am 10.oder 12.12.2008 aus der Strafhaft nach der Endzeitverbüßung seiner Strafe wegen Vergewaltigung entlassen. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sei vom Landgericht in Hanau durch Urteil vom 13.11.2008 aus Rechtsgründen abgelehnt worden, die Entscheidung sei aber noch nicht rechtskräftig. Aus dem Urteil in Verbindung mit den Darlegungen der vor Gericht angehörten Gutachter bestehe jedoch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Betroffene nach seiner Entlassung ein Verbrechen der Vergewaltigung oder der sexuellen Nötigung begehen werde. Die Anordnung sei zum Schutz der etwa betroffenen Frauen unerlässlich.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 11.12.2008 (52 Gs 97/08) ist die Telekommunikationsanordnung auf einen Mobilfunkanschluss, der der Kriminalpolizei nachträglich bekannt geworden ist, für den nämlichen Zeitraum erweitert worden. Mit Beschluss vom 15.12.2008 hat das Amtsgericht Hanau für die Dauer von drei Wochen zusätzlich die Sicherstellung von Postsendungen angeordnet, die der Betroffene an weibliche Personen adressiert hat.
Wiederum durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 22.12.2008 (52 Gs 97/08) ist die Telekommunikationsüberwachungsanordnung bis zum 31.01.2009 verlängert und darüber hinaus die Sicherstellung von Postsendungen angeordnet worden, die der Betroffene an weibliche Personen adressiert hat bzw. von weiblichen Personen erhält.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 20.01.2009 (52 Gs 97/08) sind diese Maßnahmen bis zum 15.02.2009 verlängert worden.
Am 03.02.2009 hat der entscheidende Richter beim Amtsgericht Hanau dem Antragsteller auf dessen Antrag vom 28.01.2009, mit dem er u. a. die Sicherstellung von Adressbüchern des Betroffenen beantragt hatte, mitgeteilt, dass er mit der Einlieferung des Betroffenen in das PKH das unter 52 Gs 97/09 geführte Verfahren als beendet angesehen habe. Die vorausgegangenen Entscheidungen habe er nur wegen der zeitlichen Nähe zum landgerichtlichen Urteil erlassen. Weitere Anträge seien an das örtlich zuständige Amtsgericht in Offenbach zu richten.
Durch Beschluss vom 04.05.2009 des Amtsgerichts Offenbach (20 Gs 34/09) wurde die Telekommunikationsüberwachung für den Festnetzanschluss bis zum 18.05.2009 angeordnet. Dabei hat der Richter unter Verweisung auf das in einem psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 28.10.2008 festgestellte hohe Rückfallrisiko des Betroffenen und den Umstand, dass der Betroffene bis zum 29.04. 2009 untergebracht war, ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass sich beim Betroffenen ein Triebstau" entwickelt habe und er sich in unmittelbar bevorstehender Zeit besonders intensiv um Sexualkontakte bemühen werde, die sexuelle Gewalttaten als wahrscheinlich erscheinen ließen.
Den Verlängerungsantrag des Antragstellers vom 13.05.2009, nunmehr wieder den Festanschluss und einen Mobilfunkanschluss betreffend, hat das Amtsgericht Offenbach mit Beschluss vom 13.05.2009 (20 Gs 93/09) zurückgewiesen. Auf die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht Darmstadt durch Beschluss vom 19.05.2009 (5 T 246/09) die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die Telekommunikationsüberwachungsanordnung befristet bis zum 03.08.2009 erlassen.
Durch Beschluss vom 30.07.2009 hat das Amtsgericht Offenbach (20 Gs 128/09) den erneuten Verlängerungsantrag des Antragstellers vom 29.07.2009 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte wiederum Erfolg. Das Landgericht Darmstadt hat durch Beschluss vom 06.08.2009 (5 T 396/09) den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und die beantragte Überwachungsmaßnahme bis zum 02.11.2009 angeordnet.
Mit diesen Anordnungen sind alle Verlängerungsmöglichkeiten verbraucht. Eine weitere Verlängerung ist nach § 15a HSOG nicht möglich und zwar ganz unabhängig davon, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist oder nicht, bzw. wie man die Gefährdungssituation im Übrigen beurteilt. Die seit Dezember 2008 angeordneten Überwachungsmaßnahmen haben mit der Unterbringung des Betroffenen in der Zeit vom 22.01.2009 bis 28.04.2009 in der A- Klinik in O2 aufgrund eines Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Gelnhausen kein Ende gefunden. Die Unterbringung hat lediglich die Telekommunikationsüberwachung durch einen noch intensiveren staatlichen Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen überflüssig gemacht und zwar aufgrund von Verdachtsmomenten, die überdies nicht zu einer Verurteilung, sondern zu einem Freispruch geführt haben.
Die Verlängerungsmöglichkeiten für Überwachungsmaßnahmen sind Eingriffe in die grundgesetzlich geschützten Freiheitsrechte. § 15a HSOG stellt eine Regelung zur Abwendung ganz konkreter Gefahren dar. Als Ausnahmeregelung verbietet sich auch für die Verlängerungsmöglichkeiten jede ausweitende Interpretation. Der Gesetzgeber hat die Verlängerungsmöglichkeiten auf drei beschränkt, was in Verbindung mit der Dreimonatshöchstfrist einem Rahmen von einem Jahr gleichkommt und zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Höchstzeitraum von drei Monaten ausgeschöpft ist oder nicht. Selbst wenn in einem Fall dieser Zeitraum jeweils ausgeschöpft worden und ein Ende der Gefahrenlage binnen Jahresfrist nicht eingetreten wäre, könnten weitere Überwachungsanordnungen auf diese Regelung nicht gestützt werden. Ebenso wäre es, wenn nur kurzfristige Anordnungen erlassen worden wären, die Dreimonatsfrist also jeweils nicht ausgeschöpft worden wäre und die Gefahrenlage sich nachträglich weiter zugespitzt hätte. Das Gesetz sieht auch keine Möglichkeit für die Polizei vor, den Zeitrahmen bzw. die Zahl der Verlängerungsmöglichkeiten durch zeitweisen Verzicht auf die Stellung eines Antrags zu erweitern. Im Gegenteil: Wäre der Verzicht auf die Überwachungsmaßnahme bei gleicher Gefahrenlage zeitweise möglich, so müsste dies denknotwendig zu Zweifeln wenigstens an der Unerlässlichkeit der Maßnahme führen.
Die Frage, wie viele Verlängerungen vorliegen, kann daher nur unter Berücksichtigung des natürlichen Sachzusammenhangs beantwortet werden. Abzustellen ist auf den konkreten Anlass, der zu den beantragten Maßnahmen geführt hat. Dies ist hier in mehrfacher Folge die Gefährlichkeit des Betroffenen aufgrund seiner sexuellen Neigungen in Verbindung mit seiner Persönlichkeitsstruktur gewesen und zwar vor dem Hintergrund, dass eine Sicherungsverwahrung aus Rechtsgründen nicht (mehr) möglich war, was auch vom Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 22.04.2009 (2 StR 21/09) bestätigt worden ist.
Die Unterbringungsanordnung des Amtsgerichts Gelnhausen vom 21.01.2009 (1101 Js 1027/09) und den diese bestätigenden Beschluss des Landgerichts Hanau vom 19.02.2009 (2 KLs 1101 Js 1027/09) hat das Oberlandesgericht - 1. Strafsenat - durch Beschluss vom 28.04.2009 (3 Ws 24/09) mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 63 StGB, 126a StPO aufgehoben. Anlass für die Unterbringung war nach Aktenlage ein körperlicher Übergriff des Betroffenen auf seinen Vater. Das entsprechende Strafverfahren endete mit einem freisprechenden Urteil vom 11.05.2009. Diese Unterbringung des Betroffenen ist nicht geeignet, den Sachzusammenhang zu den früheren Anordnungen zu unterbrechen mit der Folge, dass die volle Anzahl von Verlängerungsmöglichkeiten wie bei einer Erstanordnung wieder zur Verfügung steht. Deswegen war der die weitere Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung ablehnende amtsgerichtliche Beschluss zu bestätigen.
Das Amtsgericht hat darüber hinaus auch verneint, dass eine gegenwärtige Gefahr vorliegt, wie sie § 15a HSOG für eine Telekommunikationsüberwachung voraussetzt. Diese Frage braucht hier nicht mehr abschließend geprüft und entschieden werden, da die Anordnung schon aus den genannten formalen Gründen nicht mehr möglich ist. Wegen der Beschwerderügen des Antragstellers bemerkt der Senat lediglich, dass Zweifel bestehen, ob vorliegend von einer gegenwärtigen Gefahr i. S. der Eingriffsvoraussetzung des § 15a HSOG gesprochen werden kann. Der Gesetzgeber hat die Eingriffsvoraussetzungen im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 113, 348 ff) bewusst eng gefasst. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass mit § 15a HSOG nicht die Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten geregelt werde, sondern es handele sich um Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben bei akuten Gefahren, z.B. in Fällen der Entführung, der Geiselnahme sowie bei Gefahr der Selbsttötung, die nicht auf einen freien Entschluss zurückzuführen sei. Die Telekommunikationsüberwachung solle lediglich der Abwehr unmittelbar bevorstehender Gefahren für bestimmte hochwertige Rechtsgüter dienen, wobei die Maßnahme unerlässlich sein müsse. Eine Überwachung zur Bekämpfung von Straftaten im Vorfeld einer konkreten Gefahr solle es in Hessen nicht geben (Landtagsdrucksache 16/2352, S. 118). ..."
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Bei einer Überwachungsanordnung nach § 15 a HSOG kann sich das beteiligte Telekommunikationsunternehmen nur gegen fehlerhafte Überwachungsanweisungen zur Wehr setzen, soweit es um die technische Umsetzung der Überwachungsanordnung geht. Für Beanstandungen hinsichtlich der materiellrechtlichen Richtigkeit der Überwachungsanordnung ist im Beschwerdeverfahren des Telekommunikationsunternehmens kein Raum (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2006 - 20 W 128/05).
§ 16 Datenerhebung durch Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist, und durch verdeckt ermittelnde Personen
(1) Die Polizeibehörden können durch Personen, deren Zusammenarbeit mit ihnen Dritten nicht bekannt ist (V-Personen), personenbezogene Daten erheben. § 15 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(2) Die Polizeibehörden können durch Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, die unter einer Legende eingesetzt werden (verdeckt ermittelnde Personen - VE-Personen -), personenbezogene Daten auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen erheben, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass in § 15 Abs. 2 Satz 1 genannte Straftaten begangen werden sollen und dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist.
(3) Die Datenerhebung durch den Einsatz von V-Personen oder VE-Personen ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen mit Ausnahme der in den §§ 15, 15a und 17 genannten erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. Im Rahmen der Aufgabenerfüllung können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Abs. 1 und 2 durchführen zu können. Soweit es für den Aufbau oder zur Aufrechterhaltung der Legende unerlässlich ist, dürfen für den Einsatz von VE-Personen entsprechende Urkunden hergestellt oder verändert werden. VE-Personen dürfen unter der Legende zur Erfüllung ihres Auftrags am Rechtsverkehr teilnehmen.
(4) VE-Personen dürfen unter ihrer Legende mit Einwilligung der berechtigten Person deren Wohnung betreten. Die Einwilligung darf nicht durch ein über die Nutzung der Legende hinausgehendes Vortäuschen eines Zutrittsrechts herbeigeführt werden. Eine heimliche Durchsuchung ist unzulässig. Im Übrigen richten sich die Befugnisse von VE-Personen nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften.
(5) Die Anordnung über den Einsatz von V-Personen und VE-Personen erfolgt außer bei Gefahr im Verzug durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten. Der Einsatz von VE-Personen mit einer auf Dauer angelegten Legende bedarf außer bei Gefahr im Verzug der richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten getroffen werden. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Die Anordnung durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten ergeht schriftlich. Sie muss die Personen, gegen die sich der Einsatz richten soll, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. Die Dauer des Einsatzes ist festzulegen. Eine Verlängerung ist zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. Ist eine Anordnung nach Satz 3 ergangen, so ist unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung zu beantragen. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn nicht binnen drei Tagen eine richterliche Bestätigung erfolgt. Über die Anordnung des Einsatzes von V-Personen und VE-Personen im Sinne des Satz 2 ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.
§ 17 Polizeiliche Beobachtung
(1) Die Polizeibehörden können die Personalien einer Person sowie das amtliche Kennzeichen und sonstige Merkmale des von ihr benutzten oder eingesetzten Kraftfahrzeugs im polizeilichen Fahndungsbestand automatisiert zur polizeilichen Beobachtung speichern (Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung), damit andere Polizeibehörden des Landes, Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes und der anderen Länder sowie, soweit sie Aufgaben der Grenzkontrolle wahrnehmen, die Zollbehörden das Antreffen der Person oder des Fahrzeugs melden können, wenn dies bei Gelegenheit einer Überprüfung aus anderem Anlass festgestellt wird.
(2) Die Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung ist zulässig, wenn
1. die Gesamtwürdigung der Person und ihre bisherigen Straftaten erwarten lassen, dass sie auch künftig Straftaten mit erheblicher Bedeutung begehen wird, oder
2. die Voraussetzungen für die Anordnung einer Observation (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2) gegeben sind
und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die aufgrund der Ausschreibung gemeldeten Erkenntnisse über Ort und Zeit des Antreffens der Person, etwaiger Begleitpersonen, des Kraftfahrzeugs und der Führerin oder des Führers des Kraftfahrzeugs sowie über mitgeführte Sachen, Verhalten, Vorhaben und sonstige Umstände des Antreffens für die Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich sind.
(3) Gegen eine Person, die unter Polizeilicher Beobachtung steht oder ein nach Abs. 1 ausgeschriebenes Kraftfahrzeug führt, sind beim Antreffen andere Maßnahmen nur zulässig, wenn jeweils die besonderen rechtlichen Voraussetzungen für diese Maßnahmen erfüllt sind.
(4) Die Ausschreibung darf nur durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten angeordnet werden. Die Anordnung ergeht schriftlich und ist auf höchstens zwölf Monate zu befristen. Sie muss die Person, die ausgeschrieben werden soll, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist. Spätestens nach Ablauf von jeweils drei Monaten ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung noch bestehen; das Ergebnis dieser Prüfung ist aktenkundig zu machen.
(5) Zur Verlängerung der Laufzeit über zwölf Monate hinaus bedarf es einer richterlichen Anordnung. Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die ausschreibende Polizeibehörde ihren Sitz hat.
(6) Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung nicht mehr vor, ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, dass er nicht erreicht werden kann, ist die Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung unverzüglich zu löschen.
§ 18 Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können die Identität einer Person feststellen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr, zur Erfüllung der ihnen durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen weiteren Aufgaben (§ 1 Abs. 2) oder zum Schutz privater Rechte (§ 1 Abs. 3) erforderlich ist.
(2) Die Polizeibehörden können die Identität einer Person feststellen, wenn
1. die Person sich an einem Ort aufhält,
a) von dem aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort
aa) Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben,
bb) sich Personen ohne erforderlichen Aufenthaltstitel treffen oder
cc) sich Straftäterinnen oder Straftäter verbergen, oder
b) an dem Personen der Prostitution nachgehen,
2. dies zur Leistung von Vollzugshilfe (§ 1 Abs. 5) erforderlich ist,
3. die Person sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass in oder an diesen Objekten Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und dies aufgrund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist,
4. die Person sich im räumlichen Umfeld einer Person aufhält, die in besonderem Maße als gefährdet erscheint, und tatsächliche Anhaltspunkte die Maßnahme zum Schutz der Person rechtfertigen,
5. die Person an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Polizeibehörde auf öffentlichen Straßen oder Plätzen oder an anderen öffentlich zugänglichen Orten eingerichtet worden ist, um eine der in § 100a der Strafprozessordnung bezeichneten Straftaten oder eine Straftat nach § 27 des Versammlungsgesetzes zu verhüten. Die Einrichtung von Kontrollstellen ist nur mit Zustimmung des für die Polizei zuständigen Ministeriums oder von ihm benannter Stellen zulässig, es sei denn, dass Gefahr im Verzug vorliegt, oder
6. die Person in Einrichtungen des internationalen Verkehrs, auf Straßen oder auf Bundeswasserstraßen, soweit aufgrund von Lageerkenntnissen oder polizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass diese von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität sind, angetroffen wird zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.
(3) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie können insbesondere die Person anhalten, den Ort der Kontrolle absperren, die Person nach ihren Personalien befragen, verlangen, dass die Person mitgeführte Ausweispapiere aushändigt, und erkennungsdienstliche Maßnahmen anordnen.
(4) Die Polizeibehörden können die Person festhalten, sie und die von ihr mitgeführten Sachen nach Gegenständen durchsuchen, die zur Identitätsfeststellung dienen, sowie die Person zur Dienststelle bringen.
(5) Erkennungsdienstliche Maßnahmen können nur angeordnet und Maßnahmen nach Abs. 4 können nur durchgeführt werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Gegen eine Person, die nicht nach den §§ 6 oder 7 verantwortlich ist, können erkennungsdienstliche Maßnahmen gegen ihren Willen nicht durchgeführt werden, es sei denn, dass sie Angaben über die Identität verweigert oder bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Täuschung über die Identität begründen.
(6) Werden die Personalien bei der betroffenen Person erhoben, ist diese auf den Grund für die Identitätsfeststellung hinzuweisen, sofern der Zweck der Maßnahme hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
(7) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können verlangen, dass Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn die betroffene Person aufgrund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Verletzung von Art 2 Abs 2 S 2 GG und Art 104 Abs 2 GG durch gerichtlichen Beschluss, durch den eine mehrstündige Ingewahrsamnahme durch die Polizei zur Identitätsfeststellung für rechtmäßig erklärt wurde (BVerfG, Beschluss vom 08.03.2011 - 1 BvR 47/05 - LG Hamburg):
... II. Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.
1. In Bezug auf die angegriffenen Prozesskostenhilfeentscheidungen ist die Verfassungsbeschwerde allerdings unzulässig und ist deshalb insoweit nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Der Beschwerdeführer hat insoweit den Grundsatz der materiellen Subsidiarität, der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 77, 275 (282); 85, 80 (86)), nicht eingehalten. Dieser verlangt über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Zumutbaren die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 84, 203 (208); 85, 80 (86); 112, 50 (60)). Diesen Anforderungen wird der Beschwerdeführer nicht gerecht, denn er legt nicht dar, dass - abgesehen von der Beantragung von Prozesskostenhilfe - keine weitere Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der öffentlichen Hand bestand. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers analog § 140 Abs. 2, § 141 StPO stellen können (vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 27. April 2001 - 6 Qs 18/01 -, StV 2001, S. 390; Laufhütte, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 141 Rn 11; Lüderssen/Jahn, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 140 Rn 117 ff. (131c)).
2. Im Übrigen, also in Bezug auf den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt für die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG einschließlich der besonderen Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 10, 302 (322); 29, 312 (316); 94, 166 (198); 105, 239 (249 f.)).
a) Die Verfassungsbeschwerde, die sich bei verständiger Würdigung nur gegen den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts und nicht auch unmittelbar gegen die polizeilichen Maßnahmen selbst richtet, ist insoweit zulässig. Dem Beschwerdeführer fehlt es insbesondere nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzinteresse, weil der Freiheitseingriff beendet ist. Es würde der Bedeutung des Schutzes der persönlichen Freiheit in der im Grundgesetz garantierten Form nicht entsprechen, wenn das Recht auf eine verfassungsgerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Freiheitsrecht bei Wiedergewährung der Freiheit ohne Weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 9, 89 (93 f.); 10, 302 (308); stRspr).
b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch offensichtlich begründet.
aa) Der Beschluss des Landgerichts verletzt, insoweit er die gegen den Beschwerdeführer gerichteten polizeilichen Maßnahmen bestätigt, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
(1) Der Schutzbereich des Grundrechts umfasst sowohl freiheitsbeschränkende als auch freiheitsentziehende Maßnahmen. Eine Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Eine Freiheitsentziehung als schwerste Form der Freiheitsbeschränkung ist nur dann gegeben, wenn die tatsächlich und rechtlich an sich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)).
Eingriffe in die Freiheit der Person bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 2, 118 (119); 29, 183 (195)), wobei die Formvorschriften dieser Gesetze von den Gerichten so auszulegen sind, dass ihnen eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97)). Bei der Beschränkung im Einzelfall muss die Stellung des Grundrechts auch im Rahmen des Abwägungsprozesses angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere ist sorgfältig abzuwägen, ob ein Eingriff in den Grenzen bleibt, die ihm durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden, mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen werden (vgl. BVerfGE 29, 312 (316)). Diesen zu beachten, ist bei allen Eingriffen durch die öffentliche Gewalt ein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot (vgl. BVerfGE 30, 173 (199)). Ein Eingriff ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn er nicht zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist. Dies wiederum ist nicht der Fall, wenn ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks ausreichend ist (vgl. BVerfGE 67, 157 (173); 81, 156 (192) m.w.N.).
(2) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss des Landgerichts nicht, der das Festhalten des Beschwerdeführers und die Aufrechterhaltung der Ingewahrsamnahme bis zur Entlassung durch die Polizei gegen 1.30 Uhr für rechtmäßig erklärt. Es kann im Ergebnis dahin stehen, ob die Polizei den Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO oder aufgrund von § 81b StPO festgehalten hat, denn die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls nicht als erforderlich.
Die Vorschrift des § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO lässt ein Festhalten zur Identitätsfeststellung nur zu, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift stellt insofern eine gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots dar und soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. § 163b Abs. 1 Satz 1 StPO ermächtigt Polizeibeamte, gegenüber einem Verdächtigen die notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu treffen, also den Betreffenden nach seinen Personalien zu befragen und diesen aufzufordern, mitgeführte Ausweisdokumente auszuhändigen. Nur dann, wenn die Identität des Betreffenden auch unter Ausschöpfung dieser Maßnahmen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden kann oder dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, kommt ein weiteres Festhalten nach Satz 2 in Betracht. Ein weiterer Eingriff in das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf also nur dann erfolgen, wenn die Polizei auf der Basis der bereits bekannten Daten berechtigte Zweifel an der Identität der Person hat. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat sich gegenüber der Polizei vor Ort mit einem Bundespersonalausweis ausgewiesen. Der Bundespersonalausweis ist dabei in besonderer Weise als Dokument zur Feststellung der Identität geeignet, da er gemäß § 1 PAuswG die erforderlichen Daten für eine Identifikation und strafrechtlich relevante Erfassung der Person enthält und darüber hinaus mit besonderen Fälschungssicherungen versehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweis des Beschwerdeführers gefälscht war oder seine Person nicht mit dem Ausweisinhaber übereinstimmte, etwa, weil das Foto keine oder nur geringe Ähnlichkeit mit ihm aufwies, sind weder von der Polizei noch vom Landgericht benannt worden noch sind sie ansonsten ersichtlich. Daher ist - insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich fundierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen bloßer Identitätsfeststellung und weiterem Festhalten - davon auszugehen, dass es den Polizeibeamten möglich war, die Identität aufgrund des vorgelegten Bundespersonalausweises vor Ort hinreichend sicher festzustellen. Ein Festhalten aus reinen Praktikabilitätserwägungen vermag schon die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht zu begründen und dürfte im Übrigen auch auf die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme keinen Einfluss haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1992 - 2 BvR 658/90 -, NVwZ 1992, S. 767 (768)).
Auch ein Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 81b Alt. 2 StPO war jedenfalls unverhältnismäßig, denn es verkannte die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Insoweit ist zwischen der Anordnung der Maßnahme und der Durchführung zu unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, S. 381 (382)). Selbst wenn man in Bezug auf die Anordnung der Maßnahme mit dem Landgericht davon ausgeht, dass trotz eindeutig festgestellter Identität des Beschwerdeführers und aller anderen Personen die Erinnerung der einzelnen Polizisten als Zeugen vor Gericht aufgrund der Vielzahl an Personen ohne weitere Fotos möglicherweise nicht hinreichend gewährleistet gewesen wäre und es als Erinnerungsstütze noch ein Bedürfnis an weiteren im Strafprozess zu verwertenden Beweismitteln gab, rechtfertigt dies für die Durchführung jedenfalls nicht ein stundenlanges Festhalten und Einsperren des Beschwerdeführers auf verschiedenen Polizeiwachen. Das Landgericht verkennt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass in der Formulierung "soweit ( ) notwendig" in § 81b StPO seinen Niederschlag auch in der einfachgesetzlichen Regelung gefunden hat. Es hat insoweit nicht ausgeführt, dass ein stundenlanges Festhalten des Beschwerdeführers für das Anfertigen der Lichtbilder des Beschwerdeführers notwendig war. Zwar kann die Masse der zu bearbeitenden Fälle eine zeitliche Verzögerung rechtfertigen, jedoch hat das Landgericht keine Ausführungen zum Vorliegen von Erschwernissen gemacht, die die Dauer in dem hier festgestellten Umfang rechtfertigten. Allerdings ist die Polizei als Strafverfolgungsbehörde - soweit nicht ein genereller entsprechender Bedarf besteht - nicht gezwungen, Personal und Material für erkennungsdienstliche Maßnahmen in solchem Maß vorzuhalten, dass eine Bearbeitung in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe erfolgen kann. Vielmehr kann es durchaus verhältnismäßig sein, derartige spezielle Ressourcen insbesondere räumlich zusammenzufassen. Eine Verbringung an diesen Ort und eine organisatorisch nicht zu vermeidende und gemäßigte Wartefrist können jedenfalls bei hinreichend gewichtigen Straftaten angemessene Eingriffe im Verhältnis zur Bedeutung des staatlichen Strafanspruches sein. Ein solcher Fall liegt aber auf der Basis des festgestellten Sachverhalts nicht vor. Der Beschwerdeführer ist im Polizeipräsidium nach mehreren Stunden ausschließlich in der Art erkennungsdienstlich behandelt worden, dass von ihm drei einfache Fotos angefertigt wurden. Weitere Aufnahmen insbesondere solche, die besondere fotografische oder kriminalistische Erfahrung oder Ausrüstung erforderten, sind vom Landgericht weder festgestellt noch Teil seiner Verhältnismäßigkeitserwägungen geworden. Insofern stellt sich die erkennungsdienstliche Behandlung als die Anfertigung von einfachen, alltäglichen Fotoaufnahmen dar. Für die Annahme der Erforderlichkeit in diesem Fall hätte es einer genaueren Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten bedurft, zeitlich früher Aufnahmen des Beschwerdeführers in der gleichen Qualität und Machart anzufertigen, die den Zweck des § 81b StPO nicht schlechter erfüllt hätten. Hierbei hätte das Landgericht insbesondere prüfen müssen, ob die Beamten entsprechende Aufnahmen nicht mit einer verfügbaren oder kurzfristig herbeizuschaffenden Kamera auch vor Ort, als die Personen einzeln aus dem Kessel zur Identitätsfeststellung herausgeführt wurden, hätten machen können oder sonst spätestens auf den einzelnen Polizeiwachen.
bb) Der das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Polizeiwache sowie dem Polizeipräsidium einschließlich der Verbringung dorthin bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 2 GG.
(1) Das Einsperren des Beschwerdeführers in eine Gewahrsamszelle auf der Polizeiwache beziehungsweise auf dem Polizeipräsidium sowie als Verbindungsglied zwischen beiden das Verbringen dorthin mittels Polizeifahrzeugen stellen eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG und nicht lediglich eine Freiheitsbeschränkung dar. Während eine Freiheitsbeschränkung schon dann anzunehmen ist, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist, liegt eine Freiheitsentziehung erst dann vor, wenn die tatsächlich und rechtlich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit nach allen Seiten hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)). Die Freiheitsentziehung ist der schwerste Fall der Freiheitsbeschränkung (vgl. BVerfGE 10, 302 (323)). Beide Begriffe sind entsprechend ihrer Intensität abzugrenzen (vgl. BVerfGE 105, 239 (248)). Jedenfalls muss die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen in einem Haftraum als Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG angesehen werden (vgl. BGHZ 82, 261 (264) und BVerwGE 62, 317 (318)). Nur kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen dagegen keine Freiheitsentziehung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Mai 2004 - 2 BvR 715/04 -, NJW 2004, S. 3697).
Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2, 3 GG ist die Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung allein dem Richter vorbehalten, wobei bei nicht vorgelagerter richterlicher Entscheidung diese unverzüglich nach Beginn der Freiheitsentziehung zu bewirken ist.
(2) Die Polizei hat den Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls von 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr festgehalten und von dem Ort der Festsetzung zunächst zur Polizeiwache und dann zum Polizeipräsidium verbracht, wobei er zweimal für jeweils zumindest eine Stunde in eine Gewahrsamszelle eingesperrt und einmal circa eine Stunde lang in einem Polizeifahrzeug untergebracht wurde. Das Festhalten des Beschwerdeführers in Gewahrsamszellen auf der Polizeiwache und im Polizeipräsidium sowie die jeweilige Verbringung dahin stellen eine vollständige Aufhebung seiner Bewegungsfreiheit dar. Dabei stellt der Einschluss in Zellen den typischen Fall der hoheitlichen Freiheitsentziehung dar, den das Grundgesetz unter die besonderen Voraussetzungen des Art. 104 Abs. 2 GG stellen wollte (vgl. BVerwGE 62, 317 (318)). Anders als im Regelfall von § 81b StPO wurde der Beschwerdeführer nicht allein zur Dienststelle verbracht und im Weiteren umgehend erkennungsdienstlich behandelt, sondern über eine Dauer von mehreren Stunden allein verwahrt für eine nachfolgende erkennungsdienstliche Behandlung. Dies hat aber - umso mehr im Vergleich zu dem verfolgten Ziel, nämlich der Anfertigung von drei Fotos - eigenes Gewicht. Insbesondere ist die Gesamtdauer der Freiheitsentziehung nicht nur als kurzfristig anzusehen, denn sie umfasst jedenfalls einen Zeitraum, der nicht mehr unbedeutend ist.
Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass das Festhalten des Beschwerdeführers weder eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO dargestellt habe, sondern allein eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs. Damit hat es die Auswirkungen des Festhaltens des Beschwerdeführers in tatsächlicher und in der Folge auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht verkannt und sich nicht mit den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auseinandergesetzt. Bei der gebotenen Qualifikation der Maßnahme als Freiheitsentziehung hätte sich das Landgericht mit der Frage der Notwendigkeit der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung sowie den hierzu getroffenen organisatorischen Voraussetzungen sowie den Maßnahmen im Einzelfall befassen müssen.
c) Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, ist die Sache zur erneuten Rechtsprüfung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
d) Ob die angegriffene Entscheidung zugleich gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verstößt, kann dahinstehen. ..."
*** (OVG; OLG)
Zu den Voraussetzungen einer Identitätsfeststellung und Durchsuchung bei Verdacht des Ausspähens polizeilicher Maßnahmen durch gewaltbereite Demonstranten vor einer Versammlung mit entsprechender Gefahrenprognose (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.06.2012 - OVG 1 N 28.11):
... I. Der Kläger wendet sich im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Feststellung seiner Identität und die Durchsuchung seiner Person und seiner Tasche im Vorfeld einer am Potsdamer Platz beginnenden und endenden Versammlung am 12. September 2009 zum Thema Stopp den Überwachungswahn - Gegen zunehmende Überwachungsmaßnahmen und Zensurbestrebungen in Staat und Wirtschaft", bei der mit der Teilnahme einer größeren Anzahl gewaltbereiter Personen aus dem sog. schwarzen Block gerechnet wurde. Der Kläger und sein Begleiter waren vom Veranstalter der Demonstration als eines von fünf mit Funkgeräten ausgestatteten Beobachterteams eingesetzt und beobachteten die polizeiliche Vorkontrolle potentieller Versammlungsteilnehmer im Bereich E straße. Dies nahmen Beamte einer in der V straße positionierten Einsatzhundertschaft in Unkenntnis von dem Einsatz der Beobachter durch den Veranstalter der Versammlung zum Anlass für die streitgegenständlichen Maßnahmen. Nach Durchführung der Maßnahmen und Klärung des Sachverhalts konnten der Kläger und sein Begleiter ihre Tätigkeit fortsetzen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Tatbestandsvoraussetzungen der beanstandeten Standardmaßnahmen nach § 21 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 Nr. 1, § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 38 Nr. 1 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) seien erfüllt. Die Identitätsfeststellung sei zur Abwehr einer konkreten Gefahr erforderlich gewesen; die Durchsuchung sei in diesem Zusammenhang zulässig gewesen, weil danach die Annahme des Mitführens von Gegenständen berechtigt gewesen sei, die zur Gefahrenabwehr sicherzustellen gewesen wären. Wegen des auffälligen Verhaltens des Klägers und seines Begleiters, die für die Polizei nicht als von dem Veranstalter eingesetztes Beobachterteam erkennbar gewesen seien, sowie wegen des Mitführens eines Funkgeräts habe die auf Tatsachen beruhende Anscheinsgefahr bzw. zumindest ein ausreichender Gefahrenverdacht bestanden, dass es sich um dem schwarzen Block" zuzurechnende gewaltbereite Personen gehandelt habe, die das Einsatzverhalten der Polizei ausspähen wollten.
Hiergegen wendet der Kläger ein, es habe keine für ein Eingreifen der Polizei erforderliche Gefahr vorgelegen. Die Polizei hätte ohne die beanstandeten Eingriffe durch Nachfrage beim Veranstalter leicht aufklären können und müssen, dass er und sein Begleiter als Beobachter eingesetzt gewesen seien. Ein bloßer Gefahrenverdacht reiche für eine Identitätsfeststellung und Durchsuchung insbesondere vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht aus; diese Maßnahmen der Gefahrenabwehr seien zur Gefahrerforschung nicht zulässig, jedenfalls hier nicht erforderlich gewesen.
II. 1. Mit diesem Vorbringen ist der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt. Der Kläger hat die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass aus der maßgeblichen Sicht der Polizeibeamten vor Ort (sog. ex-ante-Beurteilung, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36, juris Rn. 32) unter Berücksichtigung des Polizeieinsatzes im Vorfeld der Versammlung die Maßnahmen zur Abwehr einer Gefahr erforderlich waren, nicht durch eine auf ein anderes Entscheidungsergebnis führende schlüssige Gegenargumentation erschüttert. Das Verhalten des Klägers und seines Begleiters, der sichtbar den Schallschlauch eines Funkgeräts trug, ist von den Beamten objektiv zutreffend als Beobachtung der polizeilichen Vorkontrolle potentieller Versammlungsteilnehmer gedeutet worden. Der anzunehmende Einsatz eines Funkgerätes sprach dafür, dass sie Informationen über das Geschehen an Dritte weitergaben. Das ließ die Schlussfolgerung zu, dass auf diese Weise ein Umgehen der Vorkontrollen ermöglicht und der Standort eingesetzter Polizeikräfte weitergegeben werden sollte, um gewaltbereiten Personen Ausschreitungen im Verlauf der Versammlung zu ermöglichen, was wiederum den Rückschluss auf die Zugehörigkeit des Klägers und seines Begleiters zu diesem Personenkreis zuließ. Die Weitergabe in solcher Weise erlangter Informationen über den Polizeieinsatz an gewaltbereite Versammlungsteilnehmer beeinträchtigt mit der Funktionsfähigkeit des Staates - hier die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben im Zusammenhang mit der angemeldeten Versammlung - ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Juni 1978 - IV A 330/77 - NJW 1980, 138 und nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 1980 - 1 B 327/78 - juris). Diese konkrete Gefahrenlage entfällt nicht dadurch, dass sich mit dem Hinzutreten weiterer Informationen, u.a. infolge der Identitätsfeststellung und der Durchsuchung, herausstellte, dass tatsächlich keine Weitergabe von Informationen an potentielle Störer erfolgte, letztlich also eine - für die in Rede stehenden Maßnahmen tatbestandlich ausreichende - Anscheinsgefahr gegeben war (vgl. zur Anscheinsgefahr als konkreter Gefahr: BVerwG, a.a.O., juris Rn. 33 f.).
In diesem Zusammenhang führt es nicht weiter, wenn der Kläger sich auf das Vorliegen eines auch vom Verwaltungsgericht gesehenen konkreten Gefahrenverdachts" berufen möchte und die Auffassung vertritt, dass ein solcher für die Maßnahmen nach dem Gesetz nicht ausreiche. Das übersieht zunächst in tatsächlicher Hinsicht, dass die Polizei von einer Sprechfunkverbindung und damit einer laufenden Weitergabe von Informationen und deshalb nicht mehr nur von einer Gefahr im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - I C 31.72 - BVerwGE 45, 51, juris Rn. 32 m.w.Nachw.), sondern bereits von einer Störung auszugehen hatte und deshalb auch nicht zuwarten konnte, bis etwa eine über die Einsatzleitung zu stellende Anfrage beim Veranstalter den Kläger entlastende Umstände ergeben hätte. Im Übrigen verkennt das Vorbringen, dass die Identitätsfeststellung und die Durchsuchung ihrer Natur nach Maßnahmen sind, die der weiteren Aufklärung der Gefahrenlage dienen, indem am Geschehen beteiligte Personen namhaft gemacht werden und ihr Gefährdungspotential näher festgestellt wird, also nicht immer als Maßnahme der unmittelbaren Gefahrenabwehr, sondern auch als dieser vorgelagerte, oftmals und typischerweise miteinander einhergehende Gefahrerforschungseingriffe zu verstehen sind (vgl. auch Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2010, § 18 Rn. 9). Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bln werden die Ordnungsbehörden und die Polizei zur Feststellung der Identität einer Person ermächtigt, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur Erfüllung der ihnen durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Das bedeutet nicht zwingend, dass die Gefahr bereits durch die Identitätsfeststellung abgewehrt werden muss; die Maßnahme kann auch der Vorbereitung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr dienen.
Auf die vom Kläger anstelle dieser Maßnahmen präferierte Befragung seiner Person bzw. eine telefonische Rückfrage beim Veranstalter hätte - ohne die vorherige Feststellung der Identität - bei objektiver Betrachtung keinen vergleichbar verlässlichen Informationswert gehabt, um die zu besorgende Gefahr sicher entkräften zu können. Schließlich war auch bei einer Beauftragung durch den Veranstalter denkbar, dass die Beobachtungs- und Meldetätigkeit nicht auf diesen Auftrag beschränkt war. Allerdings konnte aufgrund der Kennziffer des bei der Durchsuchung gefundenen Funkgeräts sicher festgestellt werden, dass die Angabe des Klägers, vom Veranstalter beauftragt zu sein, zutraf. Die Bewertung des Klägers könnte nur greifen, wenn seine Tätigkeit im Dienste des Veranstalters nach außen erkennbar gewesen wäre, etwa, wenn er sich - wie dies in § 9 Abs. 1 Satz 2 Versammlungsgesetz für Ordner vorgeschrieben ist - entsprechend kenntlich gemacht hätte. Durch sein insoweit verdecktes Auftreten hat der Kläger selbst dazu beigetragen, dass die beanstandeten Maßnahmen vorgenommen wurden.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne auch angesichts der hohen Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob unter den hier obwaltenden Umständen das Versammlungsrecht das allgemeine Polizeirecht verdrängt und hat diese Frage zutreffend verneint (Urteilsabdruck S. 5). Der Kläger war zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen noch nicht Teilnehmer der Versammlung, sondern konnte sich im Vorfeld der Versammlung nur auf Vorwirkungen des Versammlungsgrundrechts berufen. Dass die Maßnahmen der Identitätsfeststellung und Durchsuchung auf ihn oder andere Versammlungsteilnehmer einschüchternd oder diskriminierend gewirkt haben könnten, ist nicht hinreichend dargetan. Er und sein Begleiter konnten nach Klärung des Sachverhalts ihre Tätigkeit unbehelligt fortsetzen. Im Übrigen waren die Maßnahmen - wie ausgeführt - durch eine konkrete Gefahrenlage veranlasst, so dass sie in ihrer Wirkung schon nicht mit Identitätskontrollen von potentiellen Versammlungsteilnehmern im Vorfeld einer Versammlung gleichgesetzt werden können.
2. Der Kläger zeigt auch keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn in der Rechtssache eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage aufgeworfen wird, deren Beantwortung in einem künftigen Berufungsverfahren zur Wahrung der Einheitlichkeit oder zur Fortentwicklung des Rechts geboten ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Frage, ob nach § 21 und §§ 34 f. ASOG Bln - auch im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 GG - der Verdacht des Bestehens einer Gefahr ausreicht, ist allgemein zu bejahen und bedarf daher keiner obergerichtlichen Klärung. Ob ein solcher Verdacht allein darauf gestützt werden kann, dass sich die betroffene Person in der Nähe einer polizeilichen Vorkontrolle unter Mitführen eines Funkgerätes aufhält, wäre - abgesehen davon, dass dies vom Verwaltungsgericht so nicht festgestellt worden ist - eine Frage des Einzelfalls und schon deswegen einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Sofern die Zulassungsbegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit dem Fehlen von obergerichtlicher Judikatur jedenfalls in Bezug auf Durchsuchungen bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts begründen will, so greift auch dieser Ansatz nicht durch. Die in diesem Zusammenhang als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob es für die Feststellung der Identität von Versammlungsteilnehmern, deren Durchsuchung und der von ihnen mitgeführten Sachen, ohne dass eine konkrete personenbezogene Gefahr vorliegt, eine dem sächsischen Polizeirecht (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 4, § 24 Nr. 7 SächsPolG) vergleichbare Ermächtigungsgrundlage bedarf, würde sich in dem beantragten Berufungsverfahren nicht stellen, weil die Polizeibeamten nach den unstreitigen Umständen des vorliegenden Falles vom Vorliegen einer konkreten Gefahr ausgehen konnten. Insofern kann auch die Richtigkeit der zum Beleg einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aufgestellten Behauptung des Klägers dahinstehen, dass sich in Berlin eine polizeiliche Praxis eingebürgert habe, nach der unabhängig von konkreten, die Annahme eine Gefahr begründenden Tatsachen Versammlungsteilnehmer auf dem Weg zu einer Versammlung durchsucht und deren Identität festgestellt werde. Denn die den Gegenstand des Verfahrens bildenden Maßnahmen hatten einen konkreten Anlass und können deshalb schon nicht als Anwendungsfall einer solchen, vom Kläger behaupteten Praxis anerkannt werden, so dass es auf die Rechtmäßigkeit einer solchen Praxis in einem Berufungsverfahren auch nicht entscheidungserheblich ankommen würde. ..."
***
Zum Rechtsweg bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei (Freiheitsentziehung u.a.; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2012 - 5 E 251/11 - Volltext siehe § 32 HSOG).
***
Wer sich in engem zeitlichem Zusammenhang mit vorherigen Ausschreitungen an einem widerrechtlich auf einer öffentlichen Straße entzündeten Feuer aufhält, kann unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen werden. Die Personenfeststellung kann ein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr sein, weil sie potentielle Störer aus ihrer Anonymität reißen und so von der Begehung von (weiteren) Störungen abhalten kann. Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen. Die Personenfeststellung nach § 26 PolG (juris: PolG BW) erfordert bei Vorlage eines gültigen Ausweispapiers regelmäßig keinen Datenabgleich mit polizeilichen Dateien (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10):
... I. Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.
1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr. Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.
2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. (32); Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 (165) und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 (206 ff.); Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.
5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.
II. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.
c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.
Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).
Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn. 10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 (331)). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).
Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.
d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.
Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.
e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.
f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.
2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen ( nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten") decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).
Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.
Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.
Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können. Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen. Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.
Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise - Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich. ..."
*** (VG)
Es wird festgestellt, dass die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen, die anlässlich früherer Aufzüge des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in Berlin durch den Beklagten erfolgt ist, rechtswidrig war (VG Berlin, Urteil vom 26.04.2012 - VG 1 K 818.09):
... Der Kläger begehrt die Unterlassung von polizeilichen Maßnahmen der Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnung im Zusammenhang mit Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung bzw. die Feststellung deren Rechtswidrigkeit.
Der Kläger ist Mitglied des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, der sich mit Fragen der Innen- und Rechtspolitik befasst und zu diesem Zweck u.a. jährlich in den Monaten September oder Oktober eine Versammlung mit bundesweiter Mobilisierung unter dem Motto Freiheit statt Angst' in Berlin organisiert. Die Versammlungen fanden bisher am 22. September 2007, am 11. Oktober 2008, am 12. September 2009, am 11. September 2010 und zuletzt am 10. September 2011 statt, wobei der Kläger nach seinen Angaben an allen diesen Aufzügen teilnahm.
Bei den Aufzügen 2009 und 2010 fertigte der Beklagte von einem an der Spitze der Versammlungen fahrenden Fahrzeug Übersichtsaufnahmen der Demonstrationszüge an. Im Vorfeld des Aufzugs 2009 hatte der Beklagte eine Gefahrenprognose erstellt, wonach bei der Versammlung mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu rechnen sei. So hätten an den Versammlungen in den Jahren 2007 und 2008 Personen aus der linksradikalen und linksextremistischen Szene teilgenommen, die mit Polizeikräften und anderen Versammlungsteilnehmern zusammengestoßen seien. Zudem hätte die Erkenntnis vorgelegen, dass Mitglieder des Antikapitalistischen Blocks' an der Versammlung teilnehmen wollten, die zuvor im März 2009 bei einem anderen Aufzug durch massive Gewalttätigkeiten aufgefallen seien. Nach Polizeiangaben nahmen im September 2009 am Aufzug etwa 700 Angehörige des Antifaschistischen Blocks' teil, aus deren Bereich es zu Flaschenwürfen in Richtung eingesetzter Polizeibeamter kam.
Vom Kläger gestellte Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen zur Verhinderung von polizeilichen Film- und Fotoaufnahmen bei den Aufzügen in den Jahren 2010 und 2011 blieben erfolglos (Beschlüsse der Kammer vom 8. September 2010 - VG 1 L 226.10 - und vom 7. September 2011 - VG 1 262.11 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. September 2011 - OVG 1 S 157.11 -).
Mit seiner am 24. September 2009 erhobenen Klage begehrt der Kläger vom Beklagten, es künftig zu unterlassen, im Zusammenhang mit diesen Versammlungen Bild- und Tonaufnahmen von ihm zu fertigen oder fertigen zu lassen oder entsprechende Aufnahmegeräte auf ihn zu richten oder richten zu lassen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 12a VersammlG vorliegen.
Zur Begründung seiner Klage führt er aus, er sei auf diesen Versammlungen von der Polizei wiederholt, pauschal und ohne äußeren Anlass gefilmt und fotografiert worden. Er sei dabei sowohl von auf Fahrzeugen montierten Kameras als auch von tragbaren Geräten erfasst worden. Dies zeige z.B. eine von ihm gefertigte Filmaufnahme des Aufzugs vom 12. September 2009, welche einen friedlichen Versammlungsverlauf belege, bei der er aber dennoch von einer Kamera auf einem Polizeifahrzeug gefilmt worden sei. Zudem habe er zeitweise das Transparent an der Spitze des Aufzugs getragen und sei daher der Aufnahme durch das voranfahrende Polizeifahrzeug ausgesetzt gewesen. Auch beim Aufzug vom 11. September 2010 sei er wiederholt - nach seiner Beobachtung viermal - z.T. auch verdeckt anlasslos gefilmt worden. Außerdem habe er erneut das Fronttransparent getragen. Er sei hiernach betroffen gewesen. Da der Beklagte im Übrigen im Bezug auf den Aufzug vom 12. September 2009 einräume, seine Kamerawagen an strategischen Stellen entlang der Wegstrecke des Aufzugs aufgestellt zu haben, sei es für ihn schlechterdings nicht möglich gewesen, nicht von einer Filmaufnahme betroffen zu sein.
Die anlassunabhängige Überwachung von Versammlungen durch Bild- und Tonaufnahmen greife in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ein. Wer bei der Ausübung dieses Grundrechts mit einer staatlichen Überwachung rechnen müsse, verzichte möglicherweise aufgrund der Einschüchterungswirkung auf seine Teilnahme. Zudem sei das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Ferner entstünden für die Versammlungsteilnehmer weitere Risiken (z.B. das einer ungerechtfertigten Strafverfolgung) durch die Möglichkeit einer automatischen Gesichtserkennung oder einem etwaigen missbräuchlichen oder fahrlässigen Umgang mit den Aufzeichnungen bei den Polizeibehörden. Ein solcher Grundrechtseingriff sei nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei § 19a VersammlG i. V. m. § 12a VersammlG nicht einschlägig, da hierfür eine gesicherte Gefahrenprognose erforderlich sei, die es in seinem Falle nicht gegeben habe. Für § 12a VersammlG sei gerade erforderlich, dass die erhebliche Gefahr von der Versammlung ausginge. Dies sei bei der Versammlung von 2009 nicht der Fall gewesen. Dem Vorbringen des Beklagten, es sei in 2009 zu Straftaten gekommen, könne nicht gefolgt werden, da eine derartige Feststellung einer strafgerichtlichen Entscheidung bedürfe. In jedem Falle habe sich der Kläger weder an Störungen beteiligt noch habe es in seiner Umgebung derartige Vorfälle gegeben. Außerdem stehe er nicht in Verbindung mit radikalen oder extremistischen Gruppen. Gleichfalls könne die Gefahrenprognose des Beklagten die Voraussetzungen nicht stützen. Geschehnisse aus der Vergangenheit könnten keine Anhaltspunkte für eine Gefahr darstellen. Der Kläger bestreitet zudem eine nennenswerte Teilnahme von Anhängern des antikapitalistischen Blocks bei der Versammlung. Es könne in diesem Zusammenhang auch nicht angehen, dass die Teilnahme einer Minderheit Eingriffe in die Grundrechte der Mehrheit der Versammlungsteilnehmer bedinge. In Bezug auf den Aufzug von 2010 habe der Beklagte sogar gegenüber der Presse erklärt, dieser sei ohne Zwischenfälle verlaufen. Ein Rückgriff auf die Normen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts sei wegen der Spezialität des Versammlungsrechts nicht möglich.
Auch seien bloße Übersichtsaufnahmen nicht zulässig, da damit § 12a VersammlG umgangen werde, zumal der Aufnahmezweck für den einzelnen Versammlungsteilnehmer nicht erkennbar sei und gleichfalls eine abschreckende Wirkung eintrete. Im Übrigen seien Übersichtsaufnahmen auch unnötig, da eine Abstimmung der Polizeikräfte auch mit Polizei- oder Mobilfunk möglich sei. Eine Notwendigkeit, die Aufnahmen zur Beweissicherung zu verwenden, sei nicht gegeben, da es jedenfalls in der Person des Klägers an entsprechenden Vorfällen fehle. Auch der Verweis auf die erwartete hohe Teilnehmerzahl sei untauglich. Würde man ab einer bestimmten Teilnehmerzahl stets eine abstrakte Gefahr annehmen, würden die strengen Voraussetzungen des § 12a VersammlG fast immer vorliegen. Außerdem seien auch im Rahmen von Übersichtsaufnahmen Einzelpersonen individualisierbar, sodass hierin auch ein Grundrechtseingriff liege. Dieser entfalle im Übrigen auch nicht deshalb, weil sich der Betroffene im öffentlichen Raum bewege oder von der Maßnahme wisse. Es sei auch unerheblich, dass die gemachten Aufnahmen nicht dauerhaft gespeichert würden, sondern nur nach dem Kamera-Monitor-Prinzip übertragen worden seien. Es trete der gleiche Einschüchterungseffekt ein, zumal ein Versammlungsteilnehmer die Art der Aufnahme von außen nicht erkennen könne. Auch bei Echtzeitübertragungen ohne dauerhafte Aufzeichnung bestehe eine Missbrauchsgefahr, da diese mit Funksignalen übertragen würden, die ohne Verschlüsselung mit geringem technischen Aufwand von Unbefugten eingesehen und mitgeschnitten werden könnten. Schließlich würde aus ähnlichen Erwägungen bereits vom Richten einer ausgeschalteten Kamera auf Versammlungsteilnehmer eine einschüchternde Wirkung und damit ein Grundrechtseingriff ausgehen. Der Kläger bezweifelt, dass eine generelle Weisung des Polizeipräsidenten in der Einsatzrealität wirklich umgesetzt werde.
Nachdem der Kläger verschiedene Klageanträge angekündigt hat, beantragt er nunmehr,
1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kläger auf rechtmäßigen Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, die anlassunabhängige Überwachung durch Staat und Wirtschaft zum Thema haben, unter freiem Himmel in Berlin zu filmen, zu fotografieren, akustisch aufzuzeichnen oder eine Kamera auf diesen zu richten, solange nicht tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger oder in dessen unmittelbarem räumlichen Umfeld befindliche Personen, Tiere oder Sachen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in erheblicher Weise gefährden,
2. hilfsweise festzustellen, dass Übersichtsaufnahmen anlässlich früherer Aufzüge des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in Berlin rechtswidrig gewesen sind.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, die Klage sei bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Der Kläger habe schon nicht schlüssig dargelegt, dass er von einer Übersichtsaufnahme betroffen gewesen sei oder es alsbald und beliebig sein könne. Auch habe es Bild- und Tonaufnahmen zu den vom Kläger angegebenen Orten und Zeiten nicht gegeben. Übersichtsaufnahmen habe es nur an der Spitze des Aufzugs gegeben, wovon der Kläger bereits nach seinem eigenen Vortrag gar nicht hätte betroffen sein können. Es sei auch sonst nicht festzustellen, dass er durch die Bilddokumentation tatsächlich betroffen wäre. Der Kläger habe vielmehr nicht substantiiert vorgetragen, dass er bei der Versammlung am 12. September 2009 aufgenommen worden sei. Er müsse die fraglichen, seine Grundrechte beeinträchtigenden Maßnahmen nach Art, Zusammenhang, Zeitpunkt und Ort konkret benennen. Allein die Tatsache der Teilnahme an der Versammlung rechtfertige die Annahme einer Grundrechtsbeeinträchtigung noch nicht. Aus dem gleichen Grunde fehle dem Kläger auch im Falle einer etwaigen Umstellung auf eine Feststellungsklage dahin, dass die Maßnahmen des Beklagten beim Aufzug am 12. September 2009 rechtswidrig gewesen seien, das erforderliche Feststellungsinteresse.
Da dem Kläger durch die Anfertigung von Bildaufnahmen nicht von vornherein eine Beeinträchtigung seiner Grundrechte drohe, sei die Klage überdies auch unbegründet. Würde man dennoch von einer Grundrechtsbetroffenheit des Klägers ausgehen, so wäre dieser Eingriff in jedem Falle gerechtfertigt, denn er könne wegen der gesicherten Gefahrenprognose auf § 12a VersammlG gestützt werden. Der tatsächliche Verlauf des Aufzugs im September 2009 habe die getroffene Prognose bestätigt. Daher seien bei der Versammlung sowohl situativ, etwa im Zusammenhang mit Einzelmaßnahmen zur Aufklärung von Straftaten, als auch in Form von Überblicksaufnahmen Videoaufnahmen gefertigt worden. Der Anfertigung von Übersichtsaufnahmen komme dabei eine weniger einschneidende Wirkung zu. Zudem komme dem Einschüchterungseffekt durch die Präsenz einer Kamera nur dann durchschlagende Kraft zu, wenn eine durch die Übersichtsaufnahmen zentralisierte Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nach den Umständen nicht erforderlich sei. Umgekehrt seien Übersichtsmaßnahmen zur Durchführung des Polizeieinsatzes bei einer entsprechenden Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung erforderlich, wovon man bei einer erwarteten Teilnehmerzahl von 20.000 Personen ausgehen müsse. Die Übersichtsaufnahmen seien daher - auch im Sinne einer versammlungsfreundlichen Einsatzbewältigung - rechtmäßig. Zudem mache es objektiv keinen Unterschied, ob ein Polizeibeamter die Versammlung durch eine Sehhilfe beobachte oder ob die Bilder in Echtzeit und ohne Aufzeichnung in eine Befehlsstelle übertragen würden.
Der Beklagte verweist abschließend darauf, dass nach aktueller Weisungslage des Polizeipräsidenten in Berlin, basierend auf dem Urteil der Kammer vom 5. Juli 2010, derzeit durch die Polizei keine Filmaufnahmen, auch keine Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen angefertigt würden. Diese generelle Weisung werde in jeden einzelnen Einsatzbefehl bei Versammlungen aufgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakten VG 1 L 226.10 und VG 1 L 262.11 sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen. ...
Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1. unzulässig. Für die Verurteilung zur vorbeugenden Unterlassung der benannten Film- und Fotoaufnahmen fehlt es an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der für den Erfolg einer Unterlassungsklage erforderlichen Wiederholungsgefahr. Aufgrund der im Blick auf das Urteil der Kammer vom 5. Juli 2010 (VG 1 K 905.09, juris) aktuell bestehenden Anordnungslage des Polizeipräsidenten in Berlin durch dessen generelle Weisung vom 3. August 2010 ist nicht davon auszugehen, dass derzeit bei Versammlungen in Berlin durch die Polizei Film- und Fotoaufnahmen gefertigt werden, sofern nicht die Voraussetzungen der §§ 19a, 12a VersammlG vorliegen. Der Polizeipräsident hat in seiner generellen Weisung klargestellt, dass Übersichtsaufnahmen, die nicht an tatsächliche Anhaltspunkte hinsichtlich einer bevorstehenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gebunden sind, bei der gegebenen Rechtslage nicht mehr angefertigt werden' können und deshalb unzulässig sind. Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte dürfen zwar nach wie vor mitgeführt werden, weil ein Einsatz im Rahmen der §§ 19a, 12a VersammlG erforderlich sein könnte, allerdings sei darauf zu achten, dass dieses Mitführen/Begleiten der Versammlung so geschieht, dass nicht der Eindruck entstehen kann, es werde bereits aufgezeichnet.'
Die Kammer hat keine Veranlassung anzunehmen, diese Weisung des Polizeipräsidenten werde bei konkreten Versammlungen, so auch des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, nicht beachtet. Bei der durch eine klare Befehlsstruktur gekennzeichneten Polizeibehörde muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass eine solche generelle Weisung des Behördenleiters von allen nachgeordneten Einsatzkräften beachtet wird, noch dazu wird nach Darstellung des Beklagten diese Weisung auch zum Bestandteil der jeweils konkreten Einsatzbefehle gemacht. Dass eventuell einzelne Beamte weisungswidrig doch Film- und Fotoaufnahmen fertigen und dadurch ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten zeigen, rechtfertigt nicht die Annahme einer Wiederholungsgefahr, denn hierfür muss vom rechtmäßigen Handeln der Polizeibeamten, also aufgrund der Weisungslage, ausgegangen werden.
Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Klageantrags zu 2. ist die Klage zulässig und begründet.
Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO zulässig. Die Beobachtung des Klägers und anderer Teilnehmer der Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung durch Einsatzkräfte der Polizei stellte einen Realakt dar. Da dieser sich bereits erledigt hat, kann das diesbezügliche staatliche Handeln zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden. Das feststellungsfähige und konkrete Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO ergibt sich aus der durchgeführten polizeilichen Beobachtung des Klägers und anderer Teilnehmer der Versammlung. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Kläger, der an den Versammlungen des Arbeitskreises teilgenommen und nach seinen Darlegungen mehrfach in den vorderen Reihen der jeweiligen Aufzüge gelaufen ist, der unstreitig erfolgten polizeilichen Beobachtung ausgesetzt war. Das berechtigte Interesse des Klägers nach § 43 Abs. 1 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der durchgeführten polizeilichen Maßnahmen ist bereits durch die Möglichkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG begründet. Die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis folgt ebenfalls aus der Möglichkeit eines Eingriffs in die Grundrechte des Klägers. Nach Vortrag des Klägers hat dieser auch an den Versammlungen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung teilgenommen; Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegung sind weder ersichtlich noch konkret dargetan.
Die Klage ist mit dem Hilfsantrag auch begründet. Die Überwachung der bisherigen Aufzüge des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in den Jahren 2010 und früher durch den Beklagten mittels Bild- und Tonaufnahmegeräten war rechtswidrig.
In ihrem Urteil vom 5. Juli 2010 hat die Kammer zu einem vergleichbaren Sachverhalt folgendes ausgeführt:
Die Beobachtung der Versammlung am 5. September 2009 mittels eines Video-Wagens der Polizei und die Übertragung der so gewonnen Bilder in Echtzeit im sog. Kamera-Monitor-Prinzip - ohne Einverständnis der Teilnehmer - stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) dar und bedurfte somit einer Rechtsgrundlage. Ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts ist jedes staatliche Handeln, dass die Ausübung bzw. Wahrnehmung des Grundrechts zumindest erschwert. Zwar wird nach dem klassischen Eingriffsbegriff unter einem Grundrechtseingriff im Allgemeinen ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279, 300). Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend, ist jedoch ein moderner Eingriffsbegriff zu Grunde zu legen. Dieser moderne Eingriffsbegriff, der sich jedenfalls für die speziellen Grundrechte durchgesetzt hat, lässt für einen Eingriff jedes staatliche Handeln genügen, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279, 299 - 301).
Daran gemessen stellt die Beobachtung der Versammlung im Kamera-Monitor-Verfahren einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Denn wenn der einzelne Teilnehmer der Versammlung damit rechnen muss, dass seine Anwesenheit oder sein Verhalten bei einer Veranstaltung durch Behörden registriert wird, könnte ihn dies von einer Teilnahme abschrecken oder ihn zu ungewollten Verhaltensweisen zwingen, um den beobachtenden Polizeibeamten möglicherweise gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBl 2007, 497 - 502). Durch diese Einschüchterung der Teilnehmer könnte mittelbar auf den Prozess der Meinungsbildung und demokratischen Auseinandersetzung eingewirkt werden (VG Münster, Urteil vom 21. August 2009 - 1 K 1403/08 - juris Rn. 13). Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, 43 - Volkszählung; BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 369).
Es macht hier keinen Unterschied, ob die durch die Polizei gefertigten Aufnahmen auch gespeichert wurden, denn das Beobachten der Teilnehmer stellt bereits einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Das polizeiliche Handeln knüpft einzig und allein an die Wahrnehmung des Versammlungsrechts durch die Teilnehmer an. Demnach ist die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen nach dem Kamera-Monitor-Prinzip auch geeignet, bei den Teilnehmern ein Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen und diese - wenn auch ungewollt - in ihrem Verhalten zu beeinflussen oder von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten. Ob die Aufnahmen tatsächlich auch gespeichert wurden, kann der einzelne Versammlungsteilnehmer nicht wissen.
Die Tatsache, dass die Einsatzkräfte der Polizei in dem Übertragungswagen dem Kläger zu 2.) erklärten, es fände keine Aufzeichnung der Bilder statt, ändert nichts an der Beurteilung der Sachlage. Zum einen wurde dies nicht allen Versammlungsteilnehmern kundgetan. Zum anderen bleibt die einschüchternde Wirkung des für alle Teilnehmer deutlich sichtbaren und ständig vorausfahrenden Übertragungswagens erhalten. Der einzelne Versammlungsteilnehmer muss ständig damit rechnen, durch eine Vergrößerung des ihn betreffenden Bildausschnittes (Heranzoomen) individuell und besonders beobachtet zu werden. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist dies generell möglich, so dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufnahmen nicht mehr besteht (BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 368 - 369; VG Münster, Urteil vom 21. August 2009 - 1 K 1403/08 - juris Rn. 16). Hinzu kommt, dass die technische Möglichkeit, die Übersichtsaufnahmen auch zu speichern, dem Grunde nach besteht und jederzeit mittels Knopfdruck erfolgen kann - auch versehentlich. Insofern verweist der Beklagte zu Unrecht darauf, dass hier kein Unterschied zu einem die Sachlage beobachtenden Polizeibeamten vor Ort vorliege. Dieser würde die Versammlungsteilnehmer - in der Regel abseits stehend - wohl kaum in derselben Weise irritieren, wie ein nur wenige Meter vor ihnen herfahrender Übertragungswagen, der fortlaufend mehrere Kameras auf sie gerichtet hat.
Das Beobachten der Versammlungsteilnehmer stellt ferner einen Eingriff in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) dar. Dieses Grundrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, 41 - 42 - Volkszählung). Ob sich die Klägerin zu 1.) als juristische Person auf die informationelle Selbstbestimmung als Grundrecht berufen kann (Art. 19 Abs. 3 GG), kann dahingestellt bleiben, da zumindest der Kläger zu 2.) die Verletzung dieses Grundrechts erfolgreich rügen kann. Bereits die Beobachtung der Versammlungsteilnehmer im Kamera-Monitor-Verfahren, ohne eine Speicherung der Daten, stellt einen Eingriff dar, denn die Beobachtung, Auswertung und Speicherung der Daten stellt aus der Sicht der betroffenen Versammlungsteilnehmer einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Mai 2009 - 16 A 3375/07 - juris Rn. 39 - Videoüberwachung einer Universitätsbibliothek). Es besteht jederzeit die Möglichkeit, ohne weiteres von der Übersichtsaufnahme in die Nahaufnahme überzugehen und somit den Einzelnen individuell zu erfassen. Durch die so aufwandslose Möglichkeit der Erhebung personenbezogener Daten liegt eine faktische Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzgegenstandes vor, die einer Grundrechtsgefährdung als Eingriff gleichkommt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2003 - 1 S 377/02 -, NVwZ 2004, 498 - 507 (500) - Videoüberwachung im öffentlichen Verkehrsraum; VG Sigmaringen, Beschluss vom 2. April 2004 - 3 K 1344/04 - juris Rn. 27 - Videoüberwachung eines Volksfestes; Roggan, Die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen - Oder: Immer mehr gefährliche Orte für Freiheitsrechte, NVwZ 2001, 134, 136; zur Grundrechtsgefährdung als Eingriff vgl. Sachs in: ders., GG, 5. Aufl. 2009, Vor Art. 1 RdNr. 95 m.w.N.).
Da die Beobachtung der Versammlung vom 5. September 2009 sowohl einen Eingriff in den Schutzbereichs der vorrangigen Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG als auch in den der informationellen Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darstellt, bedurfte es zu dessen Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage, aus der nachvollziehbar und klar der Umfang der Beschränkungen erkennbar ist. Eine solche Rechtsgrundlage ist nicht vorhanden.
Von der im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder übergegangenen Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht (vgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034) hat das Land Berlin bisher keinen Gebrauch gemacht. Als Rechtsgrundlage für die Videobeobachtung der Versammlung am 5. September 2009 kommt somit lediglich § 12a Abs. 1 S. 1 des Versammlungsgesetzes (VersG) i.V.m. § 19a VersG in Betracht. Danach darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Nach § 12a Abs. 1 S. 2 VersG dürfen die Maßnahmen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da zum Zeitpunkt des Aufzuges keine tatsächlichen Anhaltspunkte erkennbar waren, dass von den Versammlungsteilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgingen. Eine Gefahrenprognose im Vorfeld des Aufzuges am 5. September 2009 in Berlin, welche ein polizeiliches Eingreifen erforderlich gemacht hätte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte selbst trägt vor, der Aufzug sei friedlich und störungsfrei verlaufen. Dass es im Voraus zu einigen Zusammenstößen mit der Polizei am Schacht Asse oder in Morsleben kam, ändert hieran nichts. Ob dies der Klägerin zu 1.) zugerechnet werden kann, mag dahingestellt bleiben. Diese Zusammenstöße mit der Polizei betrafen - wie von dem Beklagten zutreffend formuliert - Reizobjekte.' Eine derartige Gefährdungslage bestand innerhalb Berlins ohnehin nicht. Der von dem Beklagten dokumentierte und mittels Videokamera aufgezeichnete Vorfall am Sowjetischen Ehrenmal, wo eine unbekannte Person selbiges bestiegen hatte, datierte vom 29. August 2009 und betraf offenbar eine andere Veranstaltung. Ein möglicher Hausfriedensbruch durch eine Einzelperson wäre überdies nicht geeignet, ein polizeiliches Einschreiten gegen die gesamte Versammlung zu rechtfertigen. Auch der Beklagte selbst sieht den Vorfall am Sowjetischen Ehrenmal nicht im Zusammenhang mit dem Aufzug der Klägerin zu 1.). Darüber hinaus war die Beobachtung des Aufzuges durch die Polizei nicht auf Gefahrenabwehr gerichtet. Der Beklagte selbst trägt vor, keine Gefahrenlage erkannt zu haben, sondern lediglich Übersichtsaufnahmen zum Zwecke der Lenkung und Leitung in die Einsatzleitstelle übertragen zu haben. Daran muss er sich messen lassen.
Andere Rechtsgrundlagen für das polizeiliche Handeln sind nicht ersichtlich. Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht des Landes Berlin zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist nicht möglich (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 - 81; BVerwG, Urteil vom 21. April 1989 - 7 C 50.88 -, BVerwGE 82, 34, 38; VGH Mannheim, Urteil vom 26. Januar 1998 - 1 S 3280/96 -, DVBl 1998, 837, 839). Ein Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht wäre lediglich zum Schutz der Versammlung oder als milderes Mittel gegenüber einer tatbestandlich zulässigen Auflösung möglich. Diese Fälle liegen indes nicht vor.
Aufgrund des Eingriffscharakters des polizeilichen Handelns bedurfte dieses gemäß Art. 8 Abs. 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Die durch den Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung des § 12a VersG geäußerte Auffassung, die bloße Videobeobachtung einer Versammlung - ohne eine Speicherung der Aufnahmen - sei wohl kein Grundrechtseingriff, da der Einzelne aufgrund mangelnder technischer Möglichkeiten nicht individualisierbar gemacht werden könne (BT-Drs. 11/4359, S. 17), ist mittlerweile überholt (BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 368 - 369). Die gegenteilige Ansicht des Beklagten ist nicht zutreffend. Sein Hinweis, das polizeiliche Handeln habe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestanden, da die vorliegende Versammlung aufgrund ihrer Größe und Unübersichtlichkeit zur Lenkung und Leitung habe überwacht werden können (BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 -, BVerfGE 122, 342, 372 - 373), geht fehl. Denn der maßgebliche Unterschied zu dem dort entschiedenen Fall ist der, dass das betroffene Land Bayern eine eigens die Übersichtsaufnahmen einer Versammlung gestattende gesetzliche Rechtsgrundlage im Versammlungsgesetz des Landes Bayern geschaffen hatte. Dessen Anwendbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht sodann einstweilen auf die Fälle unübersichtlicher Großdemonstrationen beschränkt. An einer derartigen Rechtsgrundlage fehlt es jedoch im Land Berlin. Das Bundesverfassungsgericht selbst scheint die grundsätzliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ebenfalls vorauszusetzen.'
An diesen Ausführungen hält die Kammer auch im hier zur Entscheidung stehenden Verfahren fest. Es fehlt weiterhin an einer Rechtsgrundlage für die bis zum Jahr 2010 erfolgten anlassunabhängigen Beobachtungen der vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veranstalteten Versammlungen in Berlin. Nach dem im Land Berlin weiterhin geltenden Versammlungsgesetz des Bundes sind die §§ 19 a und 12 a VersammlG die einzigen Normen, aufgrund derer Bild- und Tonaufnahmen angefertigt werden dürfen. Deren Voraussetzungen lagen bei den hier streitigen Aufnahmen aber offensichtlich nicht vor. Ein gesondertes Versammlungsgesetz nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen hat das Land Berlin noch nicht erlassen. ..."
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... Es wird festgestellt, dass die Identitätsfeststellung am 19.09.2008 sowie das an den Kläger an diesem Tag ausgesprochene Aufenthalts- und Betretungsverbot für den Innenstadtbereich am 20.09.2008 rechtswidrig waren, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach und wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts sowie wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung die Identitätsfeststellung am 20.09.2008 die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten rechtswidrig waren. ...
Vom 19.09.2008 bis zum 21.09.2008 fand in Köln der von der Bürgerbewegung "pro Köln" organisierte sogenannte erste Anti-Islamisierungskongress (AIK) statt. Im Umfeld dieser Veranstaltung gab es vielfältige Protest- und Gegenveranstaltungen.
Der Kläger wollte nach eigenen Angaben am 20.09.2008 am Heumarkt an einer Protestkundgebung gegen die ebenfalls auf dem Heumarkt geplante und angemeldete Versammlung des AIK teilnehmen.
Am 19.09.2008 verhängte der Beklagte gegen den Kläger nach Feststellung seiner Personalien ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot, mit welchem dem Kläger untersagt wurde, bis zum 20.09.2008, 20.00 Uhr, ein mittels Stadtplanauszug und schriftlicher Benennung der Grenzen bezeichnetes Gebiet der Kölner Innenstadt (den Heumarkt und seine Umgebung umfassend) zu betreten bzw. sich dort aufzuhalten.
Der Kläger befand sich am 20.09.2008 mit zunächst etwa 400 - 500 weiteren Personen im rechtsrheinischen Stadtgebiet an der Deutzer Brücke. Nach Angaben einer Sprecherin wollte die Gruppe einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen, um dort gegen die Veranstaltung von "pro Köln" zu protestieren. Nachdem der Beklagte zunächst nach dem Verbot der Veranstaltung von "pro Köln" gegen Mittag die Aufhebung der Sperrung der Deutzer Brücke in Aussicht gestellt hatte, wurde den bis dahin an der Deutzer Brücke noch anwesenden ca. 250 Personen kurz vor 16.00 Uhr mitgeteilt, dass die Brücke doch nicht freigegeben werde. In der Folge wollte sich die Personengruppe, zu der auch der Kläger gehörte, über die Siegburger Straße zur Severinsbrücke begeben, um ins linksrheinische Stadtgebiet zu gelangen.
Auf der Siegburger Straße kam es zu einer Einkesselung der Personengruppe. Der Kläger wurde gegen 20.00 Uhr zur Gefangenensammelstelle (Gesa) nach Brühl gebracht. Dort wurden seine Personalien aufgenommen und ein Lichtbild gefertigt. Des Weiteren wurden die Taschen des Klägers durchsucht.
Hintergrund für diese Maßnahmen war der Verlauf der Ereignisse auf der Siegburger Straße, welcher zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 125 StGB gegen den Kläger und eine Vielzahl weiterer Personen (ca. 242) führte (StA Köln 121 Js 48/09). Nach dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen sog. Mastersachverhalt setzte sich gegen 15.50 Uhr die noch an der Deutzer Brücke verbliebene Personengruppe im Laufschritt in Richtung Süden in Bewegung. Aus der Menschenmenge heraus wurde der Inhalt eines umgeworfenen Müllcontainers in Brand gesetzt. Der Müllcontainer sei mit Kunststoffabsperrgittern zu einer Barrikade zusammengefügt gewesen. Des Weiteren sei es aus der Menschenmenge zu Stein- und Eierwürfen auch auf Polizisten gekommen, wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Ein Teil der Gruppe habe eine Vermummung aus aufgezogener Kapuze und vor das Gesicht gezogenem Schal angelegt.
In der im Mastersachverhalt enthaltenen polizeilichen Bewertung ist ausgeführt, in der Gruppierung seien an verschiedenen Stellen Tathandlungen von unterschiedlichen Personen vorgenommen worden, wobei die Gruppe insgesamt den Eindruck vermittelt habe, als Ganzes zu agieren.
Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde am 16.01.2009 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Ausweislich des Aufnahmezettels der Gesa wurde die Freiheitsentziehung des Klägers als Festnahme und nicht als Ingewahrsamnahme eingestuft. Als Entlassungszeit ist 5.37 Uhr des 21.09.2008 angegeben. Die Kennfelder für Vernehmung und Vorführung sind jeweils mit einem "Nein" gekennzeichnet. Bezüglich des gefertigten Lichtbildes ist ausgeführt, dies solle nach § 81 b 1. Alt. StPO nicht gelöscht werden.
Der Kläger hat am 18.11.2008 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren) gestellt.
Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss der Kammer vom 24.03.2010 hat der Kläger am 27.03.2010 Klage erhoben, mit welcher er die Feststellung begehrt, dass die gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.
Zunächst legt er dar, bezüglich der am 19.09.2008 vorgenommenen Maßnahmen bestehe im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Er sei für die Personalienfeststellung zusammen mit anderen Personen in der belebten Innenstadt von Köln von einer großen Gruppe von Polizisten umstellt worden. Die Feststellung selbst sei in einem Polizeiwagen durchgeführt worden und habe nahezu eine Stunde in Anspruch genommen. Bei einem unbeteiligten Beobachter habe der Eindruck entstehen können, er habe gegen die Rechtsordnung verstoßen.
Nach Ansicht des Klägers ist die Personalienfeststellung auch materiell rechtswidrig gewesen. Insoweit sei der zeitliche Bezug zu der am Folgetag stattfinden Protestveranstaltung zu würdigen: die rechtswidrige Erfassung seiner Daten beeinträchtige ihn nicht nur in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht, sondern auch in seiner Versammlungsfreiheit.
Rechtswidrig sei auch das verhängte Aufenthaltsverbot, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 PolG NRW nicht vorgelegen hätten. Zudem sei die Maßnahme wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheits- und Versammlungsrecht rechtswidrig.
Auch die vom 20. bis 21.09.2008 gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen hält der Kläger für rechtswidrig. In Bezug auf die Freiheitsentziehung legt er seine Auffassung dar, wonach diese bereits dem Grunde nach sowie wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Insoweit erläutert der Kläger, die Einkesselung habe sich auf eine nicht aufgelöste Spontan-Versammlung bezogen. Über eine Lautsprecherdurchsage sei den eingeschlossenen Personen mitgeteilt worden, dass sie in Gewahrsam genommen seien, wobei die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW seiner Auffassung nach nicht vorgelegen hätten. Dem Beklagten könne nicht gefolgt werden, soweit er angebe, es habe sich vorrangig um eine strafprozessuale Maßnahme gehandelt. Hiergegen spreche bereits, dass ihm zu keinem Zeitpunkt ein Tatvorwurf eröffnet bzw. er vernommen worden sei. Der Kläger verweist darauf, dass es möglich gewesen sei, seine Personalien bereits vor Ort aufzunehmen und dort auch Lichtbilder zu fertigen. Zu den Abläufen in der Gesa in Brühl erläutert der Kläger, er habe trotz seiner Äußerung, er sei hungrig und durstig, zunächst nichts zu essen oder trinken bekommen, sondern sei zu der mit Nr. 9 bezeichneten Gewahrsamseinrichtung gebracht worden. Erst gegen 22.30 Uhr habe er einen Becher Wasser erhalten und sei auf seinen Wunsch hin zur Toilette begleitet worden. In der Gewahrsamseinrichtung habe sich kein Mobiliar befunden. Erst auf Nachfrage seien ihm lediglich eine Isomatte und später ein dünnes Laken ausgehändigt worden. Dies erachte er als unzureichend, zumal in der Nacht die Temperatur auf 6 ° Celsius gefallen und die Halle stündlich belüftet worden sei. Erst gegen 23.30 Uhr habe er eine halbe Birne und eine halbe Scheibe Brot mit Käse sowie weitere Becher Wasser und Apfelsaft erhalten. Zusammen mit 31 weiteren Personen habe er sich in den nächsten Stunden in der Gewahrsamseinrichtung Nr. 9 befunden. Erst gegen 5.30 Uhr am 21.09.2008 sei er hinausgeführt und die ihm abgenommenen Gegenstände seien ihm ausgehändigt worden. Sodann sei er in einen Gefangentransporter verbracht worden, welcher zum Bahnhof in Brühl gefahren sei. Dort sei er um 6.30 Uhr in die Freiheit entlassen worden.
Der Kläger macht geltend, dass er spätestens nach der Identitätsfeststellung um 21.00 Uhr habe entlassen werden müssen. Zudem habe der Beklagte den Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG und § 36 PolG NRW nicht beachtet, wenn er die Festgenommenen nicht einem Richter vorgeführt habe und bei einer Auslegung der Gesa auf 200 Gefangene nur eine Richterin vor Ort gewesen sei.
Materiell rechtswidrig sei überdies die Identitätsfeststellung. Die Voraussetzungen des § 12 PolG NRW seien nicht erfüllt gewesen, da er keiner Straftat verdächtig gewesen sei. Gleiches gelte für die Anfertigung von Lichtbildern. Insoweit seien weder die Voraussetzungen des § 14 PolG NRW noch des § 81 b 2. Alt StPO gegeben. Die Rechtswidrigkeit des Gewahrsams schlage schließlich auf die durchgeführte Durchsuchung durch. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Identitätsfeststellung und das ihm erteilte Aufenthalts- und Betretungsverbot durch den Beklagten am 19.09.2008, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis 21.09.2008 dem Grunde nach, wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung, die Identitätsfeststellung, die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten am 20.09.2008 rechtswidrig waren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte legt dar, zu dem am 19.09.2008 ausgesprochenen Betretungs- und Aufenthaltsverbot könne in der Sache nicht Stellung genommen werden, da keine Unterlagen mehr vorlägen. Aus diesem Grund könne nicht mehr nachvollzogen werden, zu welchem genauen Zeitpunkt, wo und aus welchem Grunde die Verfügung gegen den Kläger erlassen worden sei.
In Bezug auf die Maßnahmen vom 20.09.2008 legt der Beklagte dar, im Hinblick auf erwartete gewalttätige Ausschreitungen und der Erfahrungen aus vorangegangenen Veranstaltungen von "pro Köln" sei in Brühl die sogenannte Gesa 200, welche auf die Aufnahme von ca. 200 Personen ausgerichtet gewesen sei, geschaffen worden. Tatsächlich habe sich die Polizei mit der Situation konfrontiert gesehen, dass an allen Sicherheitssperren, die zum Schutz der Versammlung des rechten politischen Spektrums eingerichtet worden seien, sich große Menschenansammlungen gebildet hätten, die teilweise in 20er Reihen vor den Sperren gestanden hätten und immer wieder dazu aufgerufen hätten , keine "Rechten" auf das Kundgebungsgelände zu lassen. Daneben seien Personen, die "bürgerlich normal" gekleidet gewesen seien und sich so dem "Verdacht" ausgesetzt hätten an dem Anti-Islamisierungskongress teilzunehmen, in Form von Sprechchören aufgefordert worden "abzuhauen". Die Personen seien gezielt körperlich angegangen, teilweise sogar geschlagen und getreten und somit faktisch aus dem Bereich um das Kundgebungsgelände vertrieben worden. Maßnahmen der Polizei zum Schutz der Betroffenen seien durch das Blockadeverhalten vielfach unmöglich gemacht worden. Mit dieser Intensität und der Aggressivität des Störerverhaltens habe im Vorfeld nicht gerechnet werden können, weshalb die Gesa 200 nicht ausreichend groß ausgelegt gewesen sei.
Bezüglich der Einkesselung legt der Beklagte dar, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sie habe um 16.02 Uhr mit der Einschließung der Personengruppe in der Siegburger Straße durch die Bereitschaftspolizeiabteilung Bochum begonnen. Der Kläger sei in der Gesa Brühl um 19.50 Uhr aufgenommen worden. Um 20.51 Uhr habe man ein Lichtbild von ihm gefertigt. Rechtsgrundlage sei § 8 PolG NRW gewesen. Am Folgetag (21.09.2008) sei der Kläger um 5.37 Uhr entlassen worden. Dabei sei das gefertigte Lichtbild zunächst nicht gelöscht worden, da es für die Beweisführung im Strafverfahren von Bedeutung sei. Die Zeitspanne zwischen der formellen Entlassung und der tatsächlichen Entlassung (Verlassen der Liegenschaft in Brühl) erkläre sich daraus, dass aus personellen Gründen nicht jeder Entlassene durch die Liegenschaft zum Tor habe begleitet werden können.
In der Binnenorganisation hätten ab 19.00 Uhr alle Personalkapazitäten auf die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen sowie die vorrangige Abwicklung der Freiheitsentziehungen mit dem Ziel der Übergabe an die Sorgeberechtigten oder das Jugendamt konzentriert werden müssen. Nach 21.45 Uhr sei eine deutliche Entspannung der Situation eingetreten, so dass generelle Vorkehrungen zur Entlassung aller festgehaltenen Personen getroffen worden seien. Gleichwohl hätten zu diesem Zeitpunkt auch noch parallel Identitätsfeststellungen aus strafprozessualen Gründen nach § 163 b StPO vorgenommen werden müssen. Ein darüber hinaus gehendes Festhalten aus polizeirechtlichen Gründen sei nicht erforderlich gewesen, da eine Gefahrenprognose nicht bestanden habe.
Die Tatsache, dass in der Gesa 200 letztlich mehr als 800 Personen eingeliefert worden seien und die sich hieraus ergebenden Folgen seien für den Kläger zwar unangenehm gewesen. Dies führt nach Auffassung des Beklagten jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Ferner wird auf das Parallelverfahren 20 K 6004/09 und die dort beigezogenen Unterlagen verwiesen. ...
Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO ist bezüglich sämtlicher Streitgegenstände eröffnet, weil der Kläger geltend macht, der Beklagte habe die vorgenommenen Maßnahmen teilweise zwar auf die Strafprozessordnung gestützt, faktisch habe es sich jedoch um eine polizeirechtliche Ingewahrsamnahme gehandelt.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
vgl. Beschluss vom 07.07.2006 - 5 E 584/06 -,
kommt es bei einem "doppelfunktionalen" Tätigwerden der Polizei nicht auf das Schwergewicht der streitigen polizeilichen Tätigkeit an. Vielmehr komme eine Verweisung an das Amtsgericht allein dann in Betracht, wenn der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht schlechthin, d.h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen unzulässig sei. Dies sei auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht den vom Kläger als Ingewahrsamnahme angesehenen Sachverhalt unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.
Des Weiteren besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse:
Dies ergibt sich im Hinblick auf das Aufenthaltsverbot bereits aus der Einschränkung der Grundrechte des Klägers aus Art. 2 und Art. 8 GG. Aber auch bezüglich der in ihrer Eingriffsintensität im unteren Bereich anzusiedelnden Personalienfeststellung folgt hier ein Feststellungsinteresse aus der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme, welche nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers hier diskriminierende Wirkung hatte,
vgl. zum Feststellungsinteresse insoweit BVerwG, Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, S. 2534; VGH BaWü, Urteil vom 16.11.1999 - 1 S 1315/98 -, Juris.
Bezüglich der am 20.09.2008 vorgenommenen Festnahme ergibt sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits daraus, dass der Eingriff in die Freiheit einer Person einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt, der regelmäßig dem Richter vorbehalten ist (Art. 104 Abs. 2 GG). Wegen der übrigen Maßnahmen folgt das Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, da nach dem typischen Verfahrensablauf sich die belastende Wirkung auf eine Zeitdauer beschränkt, in der Rechtsschutz in der Instanz regelmäßig nicht zu erlangen sein wird,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.02.1999 - 2 BvR 804/97 -, NJW 99, S. 3773.
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf die am 19.09.2008 vorgenommenen polizeilichen Maßnahmen: Insoweit sind in der Akte keine Tatsachen dokumentiert, die eine rechtliche Bewertung des polizeilichen Vorgehens ermöglichen würden. In Bezug auf die Personalienfeststellung kann somit weder festgestellt werden, dass die Maßnahme durch § 12 PolG NRW, noch dass sie durch § 163 b StPO getragen wird.
Gleiches gilt für das Aufenthalts- und Betretungsverbot. Ein solches kann nach § 34 Abs. 2 PolG NRW nur verhängt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Tatsachen hat der Beklagte nicht vortragen können.
Die Klage ist auch bezüglich der am 20.09.2008 verhängten Maßnahmen begründet. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach rechtswidrig war. Als Freiheitsentziehung ist zunächst die Einkesselung des Klägers mit anderen Personen auf der Siegburger Straße zu bewerten, ebenso wie die in der Folgezeit veranlasste Verbringung des Klägers zur Gefangenensammelstelle in Brühl sowie das dortige Festhalten bis zum nächsten Morgen.
Als Rechtsgrundlage für diese Einschließung kommt allein § 163 b StPO in Frage, da der Beklagte die Maßnahme ausdrücklich auf diese Rechtsgrundlage gestützt hat. Zwar ist in einer Presseerklärung der Polizei die Rede davon, dass in der Rheingasse ca. 150, an der Malzmühle/Filzengraben ebenfalls ca. 150 und in der Siegburger Straße ca. 200 Personen zur Verhinderung weiterer Straftaten und wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in Gewahrsam genommen worden seien. Auch wird im Parallelverfahren 20 K 6004/09 in einem Auskunftsschreiben an den dortigen Prozessbevollmächtigten erläutert, bei den Vorfällen, die zur Einschließung der dortigen Klägerin geführt hätten, seien sowohl Aspekte der Gefahrenabwehr mit den rechtlichen Bedingungen aus dem Polizeigesetz NRW als auch der Strafverfolgungsanspruch des Staates mit den entsprechenden Normen der Strafprozessordnung (StPO) zu berücksichtigen. Im weiteren Verlauf wird dann allerdings ausgeführt, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sowohl in der Klageerwiderung des Parallelverfahrens als auch im Schriftsatz des Beklagten im hiesigen Verfahren vom 24.07.2009 wird die Maßnahme ausdrücklich auf § 163 b StPO gestützt. Ausgehend von dieser Erklärung des Beklagten, welche eine Konkretisierung der in seinem Ermessen stehenden Handlungen darstellt, war das Gericht gehalten, den Sachverhalt unter diesem als ausschlaggebend erachteten Gesichtspunkt rechtlich zu würdigen. Ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage durch das Gericht kommt bei Ermessensentscheidungen nicht in Betracht,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, Juris.
Die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO liegen nicht vor:
Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes nach § 163 b StPO die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Ferner darf der Verdächtige festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Bei der Auslegung dieser Ermächtigungsnorm ist vorliegend die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 dieser Norm haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG liegt vor bei einer örtlichen Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 f.
Vorliegend kann eine Bewertung, ob die auf dem Weg zur Severinsbrücke befindliche Personengruppe als Spontanversammlung einzustufen ist, nur anhand von Indizien vorgenommen werden, zumal eine nähere Aufklärung des Charakters der Zusammenkunft in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war.
Hier ist davon auszugehen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt seiner Einkesselung in einer nicht aufgelösten Spontanversammlung befunden hat.
Für eine Spontanversammlung spricht der Akteninhalt: So ist im Schlussvermerk der polizeilichen Ermittlungen die Rede davon, dass die an der Deutzer Brücke befindlichen Personen einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen wollten. Um einen Aufzug dürfte es sich auch gehandelt haben, als sich die noch anwesenden Gegendemonstranten in Richtung Severinsbrücke in Bewegung setzten, nachdem ihnen mitgeteilt worden war, dass die Deutzer Brücke weiterhin gesperrt bleiben werde. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die Gruppe im Frontbereich ein Plakat mit sich führte mit der Aufschrift: "Gegen Rassismus vorgehen www.antifa.kok.de". Auch wurden dem Mastersachverhalt zufolge "Antifa, Antifa" und ähnliche, dem linken Spektrum zuzuordnende Gesänge skandiert.
Die Bewertung, dass es sich um eine Spontanversammlung gehandelt hat, wird im Übrigen gestützt durch die Einschätzung von zwei im Dienst befindlichen Polizeibeamten, welche als Zeugen im Strafverfahren StA Köln 121 Js 48/09 vernommen worden waren. Die Zeugen haben dargelegt, die restlichen Personen hätten beschlossen "einen spontanen Aufzug zu machen und zwar die Siegburger Str. in Rtg. Süden" entlang. bzw. die 100 - 120 (verbliebenen) Personen hätten sich gegen 15.50 Uhr "in Form eines Aufzuges" in Bewegung gesetzt. Aus dem "Demozug" seien Gegenstände geworfen worden. Der Polizeiführer habe den "Demozug" stoppen und umschließen lassen.
Handelt es sich somit um eine Spontanversammlung, so genießt die Teilnahme des Klägers den erhöhten Schutz des Art. 8 GG.
Dies bedeutet, dass polizeirechtliche Maßnahmen grundsätzlich nicht ergriffen werden dürfen, solange die Versammlung nicht aufgelöst ist (sog. Polizeifestigkeit der Versammlung),
vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.01.197 - 1 B 219/86 -, NVwZ 1988 250; OVG NRW Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, NVwZ 2001, 1315 f.
Demgegenüber schützt die Versammlungsfreiheit grundsätzlich nicht vor der Einleitung berechtigter Strafverfolgungsmaßnahmen, denn die Teilnahme an einer Versammlung ist nur geschützt, wenn sie friedlich und ohne Waffen erfolgt,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07 -; OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 - Juris.
Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage der Friedlichkeit einer Versammlung ausgeführt, dass es auf den einzelnen Demonstrationsteilnehmer ankommt und diesem der Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten bleibt, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder eine Minderheit zu rechnen ist. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Eine Notwendigkeit zu freiheitsbeschränkenden Eingriffen kann sich im Bereich der Versammlungsfreiheit daraus ergeben, dass der Demonstrant bei deren Ausübung Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt. Auch bei solchen Eingriffen haben die staatlichen Organe die grundrechtsbeschränkenden Gesetze stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat auszulegen und sich bei ihren Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 (Brokdorf II), - 1 BvR 233/81; 1 BvR 341/81, Juris
Bei dem hier in Rede stehenden Vorwurf des Landfriedensbruchs nach § 125 StGB gilt nach der maßgeblichen Rechtsprechung der Strafgerichte Folgendes:
Für eine Beteiligung an einem Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB genügt es nicht, bloßer Teil der "Menschenmenge" gewesen zu sein, aus der heraus die Gewalttätigkeiten begangen wurden. Vielmehr gelten die allgemeinen Teilnahmegrundsätze der §§ 25 ff StGB,
vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2008, - 4 StR 368/08, Juris
Danach stellt das bloß inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren weder eine psychische Beihilfe noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise unterstützendes Verhalten dar. Dies gilt auch dann, wenn der einzelnen Demonstrant, wie es die Regel sein wird, mit der Gewalttätigkeit einzelner oder ganzer Gruppen rechnet und weiß, dass er allein schon mit seiner Anwesenheit den Gewalttätern mindestens durch Gewährung von Anonymität Förderung und Schutz geben kann. Erforderlich für eine strafrechtlich relevante Teilnahmehandlung ist vielmehr die Feststellung, dass die Gewährung von Anonymität und die Äußerung von Sympathie darauf ausgerichtet und geeignet sind, Gewalttäter in ihren Entschlüssen und Taten zu fördern und zu bestärken, etwa durch Anfeuerung oder ostentatives Zugesellen zu einer Gruppe, aus der heraus Gewalt geübt wird,
vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1984 - VI ZR 37/82 -, BGHZ 89, 383 ff.
Für die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen ist nicht entscheidend, ob sich der Strafverdacht letztlich bestätigt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Verdacht eines strafbaren Verhaltens von einer hinreichenden objektiven Tatsachengrundlage getragen war,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07-.
Allerdings darf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht dadurch unterlaufen werden, dass an die Bejahung der Teilnahme an Gewaltakten zu geringe Anforderungen gestellt werden. Da sich Gewalttätigkeiten kaum jemals ganz ausschließen lassen, liefe der einzelne Versammlungsteilnehmer ansonsten Gefahr, allein wegen des Gebrauchmachens von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Strafverfolgungsmaßnahmen überzogen zu werden,
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 - Juris.
Des Weiteren würden Unfriedlichkeiten einzelner Versammlungsteilnehmer ansonsten dazu führen, die Demonstration "umzufunktionieren" und gegen den Willen der anderen Teilnehmer rechtswidrig werden zu lassen,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985, a.a.O..
Aus diesem Grunde ist die Polizei gehalten, gegen die störende Minderheit vorzugehen. Nur wenn dies keinen Erfolg verspricht, kann unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die Versammlung aufgelöst werden und so auch den friedlichen Teilnehmern der Schutz des Art. 8 GG entzogen werden.
Im vorliegenden Fall sind aus der Menge heraus Straftaten verübt worden (Stein- und Eierwürfe auf Polizisten, Inbrandsetzung von Müllcontainern, Bildung von Barrikaden, Vermummung), wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Gegen drei Personen, denen Straftaten gegen das Versammlungsgesetz durch Vermummung oder Bewaffnung zur Last gelegt wurden, wurden gesonderte Verfahren angelegt ebenso gegen zwei Personen wegen Beleidigung. Des Weiteren gab es einen konkret zuzuordnenden Tatvorwurf gegen ein Kind sowie Strafvorwürfe aufgrund der Videoauswertung gegen sieben weitere Tatverdächtige, die nicht identifiziert werden konnten.
Ausgehend davon, dass in Bezug auf den Kläger keine konkreten Tatsachen vorliegen, dass dieser sich einer Teilnahmehandlung an einem Landfriedensbruch schuldig gemacht haben könnte, liegt ein Straftatverdacht, welcher nach § 163 b StPO eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung rechtfertigen könnte, nicht vor. Insofern kann auch ein gemeinschaftliches Handeln nicht daraus abgeleitet werden, dass sich die gesamte Gruppe "plötzlich" im Laufschritt in Bewegung gesetzt habe. Dass auch der Beklagte selbst den Schwerpunkt seines Vorgehens nicht auf Strafverfolgung gelegt hat, wird indiziell dadurch belegt, dass dem Kläger kein Strafvorwurf eröffnet und er hierzu auch nicht vernommen worden ist. Auch nach seiner Entlassung am Folgetag ist der Kläger, dessen Identität ja bekannt war, nicht zwecks Durchführung weiterer Ermittlungen vorgeladen worden.
Insofern hält das Gericht die Einschätzung des Beklagten, für die gesamte Gruppe habe der Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs bestanden, vgl. Bericht des PD Kaiser vom 21.09.2008 (Bl. 29 f des Verwaltungsvorgangs im Parallelverfahren 20 K 6004/09), bzw. die Feststellungen im Mastersachverhalt, Tathandlungen seien an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen Personen durchgeführt worden, aber die Gruppe habe insgesamt den Eindruck vermittelt, als Ganzes zu agieren, angesichts der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht für tragfähig. Die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen gegen sämtliche Teilnehmer einer Versammlung kommt im Ergebnis deren Auflösung gleich und hindert auch die friedlichen Versammlungsteilnehmer an der Ausübung ihres Grundrechts. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der damit rechnen muss, dass er nach seiner Teilnahme an einer nicht verbotenen und auch nicht ausdrücklich aufgelösten Versammlung einer Identitätsfeststellung unterzogen, fotografiert und zum Polizeipräsidium bzw. einer Gefangenensammelstelle gebracht wird, es sich künftig genau überlegen wird, ob er von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen will,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010, a.a.O.
Lagen die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO mangels Anfangsverdachtes gegen den Kläger nicht vor, so stellt sich die hierauf gestützte Einkesselung zum Zwecke der Ermöglichung der Identitätsfeststellung als rechtswidrig dar.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die nach § 163 b S. 1 2. Alt. StPO i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 1 StPO gebotene Belehrung über den Strafvorwurf - soweit ersichtlich - nicht erfolgt ist,
vgl. hierzu: KG Berlin, Urteil vom 12.06.2002 - (5) 1 Ss 424/00 86/01) - , Juris.
War bereits die Freiheitsentziehung durch die Einkesselung nicht durch § 163 b StPO gerechtfertigt, so gilt dies wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst Recht bezüglich der Verbringung zur Gefangenensammelstelle nach Brühl. Insoweit drängt sich die Frage auf, warum die Identität des Klägers nicht bereits vor Ort festgestellt werden konnte. Der Kläger hat hierzu - ohne dass dies vom Beklagten bestritten worden wäre - erklärt, er habe seinen Ausweis mit sich geführt und sei bereit gewesen, sich vor Ort auszuweisen. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, es habe nicht genügend Personal für eine Identitätsfeststellung vor Ort zur Verfügung gestanden, sind die Angaben des Beklagten für das Gericht mangels konkreter Zahlen nicht überprüfbar. Allerdings ist zu bedenken, dass mit der Verbringung der eingeschlossenen Personen nach Brühl ebenfalls ein erheblicher logistischer Aufwand verbunden war. Des Weiteren berücksichtigt das Vorgehen des Beklagten nicht in genügendem Maße das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit: Mit der Verbringung nach Brühl wurde der Kläger an der weiteren Ausübung seines Versammlungsrechts gehindert. Allein dieser Umstand rechtfertigt die Durchführung eines mit einer Identitätsfeststellung vor Ort eventuell verbundenen erhöhten logistischen Aufwandes. Hinzu kommt, dass der Beklagte sich in Parallelfällen offenbar auf die Durchführung einer Identitätsfeststellung vor Ort beschränkt hat: So ist es nach den Presseerklärungen des Beklagten an insgesamt drei Orten zu Einschließungen gekommen, wobei 469 Personen vor Ort entlassen wurden und 410 Personen nach Brühl gebracht wurden. Die Freilassungen betrafen auch nicht ausschließlich Jugendliche, denn bei den insgesamt betroffenen 879 Personen waren 3 Kinder und 232 Jugendliche, von denen 168 vor Ort entlassen und 64 nach Brühl gebracht wurden. Dies bedeutet, dass bei den drei genannten Einschließungen von insgesamt 644 Erwachsenen 301 vor Ort entlassen wurden. Für den hier relevanten Bereich der Siegburger Straße soll nach dem Vorbringen der Klägerin des Verfahrens 20 K 6004/09 sieben Personen die Möglichkeit eröffnet worden sein, nach Personalienfeststellung den Ort zu verlassen. Ein Grund dafür, warum ein Teil der erwachsenen eingeschlossenen Personen zur Gesa nach Brühl gebracht wurde, ein anderer Teil jedoch vor Ort entlassen wurde, ist nicht erkennbar geworden.
Eine Rechtsgrundlage für das Festhalten des Klägers nach Feststellung seiner Personalien bis zum nächsten Morgen ist nicht ersichtlich. Selbst für den Fall, dass die Personalienfeststellung um 21.00 Uhr nach § 163 b StPO gerechtfertigt gewesen sein sollte, ist das weitere Festhalten über einen Zeitraum von 8 - 9 Stunden (Gesamtdauer der Freiheitsentziehung 14 Stunden) unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt. Nach § 163 c Abs. 1 Satz 1 StPO in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung darf eine von einer Maßnahme nach § 163 b StPO betroffene Person in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerlässlich festgehalten werden.
Die Freiheitsentziehung war des Weiteren rechtswidrig, weil der Richtervorbehalt nicht eingehalten wurde.
Nach Art. 104 Abs. 2 GG hat nur der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Diese verfassungsrechtliche Anforderung findet ihre einfachgesetzliche Konkretisierung in § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, der eine unverzügliche Vorführung vor einen Richter vorsieht. Zu beanstanden ist in diesem Kontext die Vorgehensweise des Beklagten, der diensthabenden Richterin des Amtsgerichts Köln, welche in der Gefangenensammelstelle in Brühl zugegen war, jedenfalls ab den Abendstunden keine Gefangenen mehr vorzuführen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Richterin nach dem unwidersprochenen Vortrag im Parallelverfahren 20 K 6004/09 zwischenzeitlich mitgeteilt worden war, sämtliche Festgenommenen würden entweder in Köln oder vor Ort entlassen. Der Verstoß gegen den Richtervorbehalt kann auch nicht durch die ins Feld geführten logistischen Probleme und der vorrangigen Betreuung von Jugendlichen gerechtfertigt werden.
Letztlich überschritt die Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung auch die in § 163 c Abs. 3 StPO a.F. vorgesehene Höchstdauer von 12 Stunden.
Überdies war die Freiheitsentziehung ihrer Art und Weise wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig. Es mag dahin stehen, welche Anforderungen an die Unterbringung im Hinblick auf die Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nord-Rhein-Westfalen in der zur Zeit der Inhaftierung maßgeblichen Fassung im einzelnen gebieten, da die Gewahrsamsordnung auch länger andauernde Gewahrsame im Blick hat wie etwa die Vorschriften über den Postverkehr und die Besuche zeigen. Die Rechtswidrigkeit der den Kläger betreffenden Unterbringung liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Vorkehrungen des Beklagten auf einen kurzfristigen Gewahrsam von wenigen Stunden zugeschnitten gewesen sein mögen, den Erfordernissen bei einem Festhalten über einen Zeitraum von insgesamt 14 Stunden (davon 9 Stunden in der Gesa) nicht gerecht werden. Angesichts dieser Zeitdauer teilt das Gericht auch nicht die Sichtweise, wonach es sich um bloße Unannehmlichkeiten gehandelt habe, welche sich auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht auswirken.
Aus den vorstehenden Darlegungen zur Freiheitsentziehung folgt zugleich, dass die Klage hinsichtlich der gesondert beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung begründet ist. Wie oben dargelegt, waren die Voraussetzungen des § 163 b StPO nicht erfüllt.
Die Klage ist des Weiteren begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Aufnahme von Lichtbildern rechtswidrig war.
Die Aufnahme von Lichtbildern hat der Beklagte nach eigenem Vorbringen auf der Grundlage des § 8 PolG NRW vorgenommen. Diese Ermächtigungsgrundlage trägt die Maßnahme nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf das Vorliegen spezieller Ermächtigungsnormen (§ 14 PolG NRW und § 81 b StPO) nicht. Im Übrigen ist auch eine polizeiliche Gefahr nicht ersichtlich.
Schließlich ist die Klage begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine Durchsuchung rechtswidrig war. Die Durchsuchung als Annexmaßnahme zur Festnahme war infolge deren Rechtswidrigkeit ebenfalls rechtswidrig. Dass daneben die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW vorliegen, ist nicht ersichtlich, wobei der Beklagte die Durchsuchung auch nicht auf diese Norm gestützt hat. ..." (VG Köln, Urteil vom 12.08.2010 - 20 K 7418/08 - Art 2, 8, 104 II GG, §§ 25,125 StGB u.a.).
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Eine Gesellschaft, die gewerblich Zimmer an selbstständig erwerbstätige Prostituierte vermietet, ist klage- und prozessführungsbefugt gegen einen Polizeieinsatz in ihrer Liegenschaft, dessen rechtliche Qualität als Wohnungsdurchsuchung i. S. des §§ 38, 39 HessSOG oder als Identitätsfeststellung i. S. des § 18 HessSOG zwischen den Beteiligten streitig ist. Eine Gesellschaft, die gewerblich Zimmer an selbstständig erwerbstätige Prostituierte vermietet, ist nicht aktivlegitimiert zur Klage gegen eine in ihrer Liegenschaft vorgenommene Identitätsfeststellung i. S. des § 18 II lit. a HessSOG, wenn diese sich ausschließlich gegen Prostituierte und deren Kunden richtete. Zur Frage, ob Verstöße von selbstständig erwerbstätigen ausländischen Prostituierten gegen § 92 I AuslG das Tatbestandsmerkmal des Verabredens, Vorbereitens oder Verübens von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i. S. des § 18 II Nr. 1 lit. a HessSOG erfüllen (hier verneint; VG Frankfurt, Urteil vom 18.05.2004 - 5 E 1910/03).
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§ 19 Erkennungsdienstliche Maßnahmen, DNA-Analyse
(1) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind
1. die Abnahme von Fingerabdrücken und Abdrücken anderer Körperpartien,
2. die Aufnahme von Abbildungen,
3. Messungen und Feststellungen äußerer körperlicher Merkmale.
(2) Die Polizeibehörden können erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn dies
1. nach § 18 Abs. 3 zur Feststellung der Identität angeordnet ist oder
2. zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil die betroffene Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht.
(3) Ist eine noch nicht vierzehn Jahre alte Person verdächtig, eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begangen zu haben, und besteht wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr, dass sie künftig eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen wird, können die Polizeibehörden zu Zwecken der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten Körperzellen entnehmen. § 36 Abs. 5 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters können die entnommenen Körperzellen molekulargenetisch untersucht werden. § 81f der Strafprozessordnung und § 36 Abs. 5 Satz 3 gelten entsprechend. Die entnommenen Körperzellen sind unverzüglich nach der Analyse zu vernichten, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach anderen Rechtsvorschriften zulässig.
(4) Ist die Identität festgestellt und die weitere Aufbewahrung der angefallenen Unterlagen auch nach Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 nicht erforderlich, oder sind die Voraussetzungen nach Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 entfallen, sind die angefallenen Unterlagen zu vernichten, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach anderen Rechtsvorschriften zulässig. Sind die Unterlagen an andere Stellen übermittelt worden, so sind diese über die erforderliche Vernichtung zu unterrichten.
(5) Die betroffene Person ist bei Vornahme der erkennungsdienstlichen Maßnahmen oder bei der Entnahme von Körperzellen zur DNA-Analyse über die Vernichtungspflicht nach Abs. 4 Satz 1 zu belehren. Sind die Unterlagen ohne Wissen der betroffenen Person angefertigt worden, so ist ihr mitzuteilen, welche Unterlagen aufbewahrt werden, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann.
Leitsätze/Entscheidungen:
Zum Rechtsweg bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei (Freiheitsentziehung u.a.; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2012 - 5 E 251/11 - Volltext siehe § 32 HSOG).
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Dem Amtsgericht kommt hinsichtlich der Frage, ob ein Landesgesetz verfassungsgemäß ist, keine eigene Verwerfungskompetenz zu. Die Entnahme einer Speichelprobe zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters bei einem strafunmündigen Kind setzt jedenfalls voraus, dass staatliche Hilfsmaßnahmen, die weniger in die Rechte des betroffenen Kindes eingreifen, keinen hinreichenden Erfolg versprechen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.06.2010 - 20 W 132/10 zu Art 100 I GG, § 19 III HSOG):
... Nach § 19 Abs. 3 HSOG können die Polizeibehörden zu Zwecken der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten Körperzellen entnehmen, wenn eine noch nicht vierzehn Jahre alte Person verdächtig ist, eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begangen zu haben und wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr besteht, dass sie künftig eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen wird. Die Vorschrift sieht weiter vor, dass für das Verfahren § 36 Abs. 5 S. 2 bis 5 HSOG entsprechend gilt. Dies bedeutet, dass die Maßnahme außer bei Gefahr im Verzuge der richterlichen Anordnung bedarf, dafür das Amtsgericht am Sitz der Polizeibehörde zuständig ist und sich das Verfahren nach dem FamFG richtet (Verweisung in § 36 Abs. 5 HSOG auf § 39 Abs. 1 HSOG).
Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm sind Zweifel erhoben worden (LG Darmstadt, Beschluss vom 10.04.2008, 5 T 88/08, zitiert nach juris; Hornmann, HSOG, 2. Aufl.2008, § 19 Rn 55). Einer abschließenden Auseinandersetzung mit den Zweifeln bedarf es für diese Entscheidung nicht. Die vom Amtsgericht erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken rechtfertigen die Ablehnung des Antrags des Antragstellers durch das Amtsgericht jedenfalls nicht. Wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, so kann es die Verfassungswidrigkeit nicht feststellen und das Gesetz nicht anwenden, sondern es hat nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
Der Weg für eine Richtervorlage ist vorliegend aber entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht umstandslos frei. Zur Zulässigkeit einer Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG gehört nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen der von Verfassungs wegen zu beachtenden Unterschiede zur abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG) die sorgfältige Prüfung der Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften sowie ihrer Verfassungsmäßigkeit durch das vorlegende Gericht, wobei es zudem zur Darlegung der Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm einer eingehenden, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darstellung der Rechtslage bedarf. Der Vorlagebeschluss muss danach mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (vgl. § 80 BVerfGG, (BVerfG, Beschluss vom 14.10.2009, Az. 2 BvL 13/08 u. a., zitiert nach juris m.w.N.; BVerfGE 97, 49 ff).
Das Amtsgericht wird deswegen in jedem Fall zunächst zu prüfen haben, ob vorliegend die Anwendungsvoraussetzungen des § 19 Abs. 3 HSOG vorliegen, das heißt, ob nach der Sozialprognose des betroffenen Kindes die Entnahme der Speichelprobe zur DNA-Analyse im Allgemeininteresse auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich ist.
Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greifen in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. Art 1 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und gewährt seinen Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten. Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerGE 103, 21 ff).
Bei der verfassungskonformen Beurteilung der Erforderlichkeit in § 19 Abs. 3 HSOG wird das Amtsgericht diesen Rahmen bei der anzustellenden Interessenabwägung zwischen Individualinteresse und Allgemeininteresse zu beachten haben. Ein Aspekt der Erforderlichkeit ist deshalb auch, ob der Staat durch den Einsatz anderer Mittel, insbesondere Mittel zum Schutz und zur Förderung der Entwicklung des Kindes, die Möglichkeit hat, dem betroffenen Kind den Weg in ein straffreies Leben zu weisen. Zu den tatsächlichen Verhältnissen hat das Amtsgericht bisher keinerlei Feststellungen getroffen. Die bisherigen Ausführungen des Antragstellers, die dieser im Hinblick auf die in der Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 06.05.2010 zur Betreuung des betroffenen Kindes nachgereicht hat, sind nicht ausreichend, um dessen persönliche Situation, die etwa von ihm (noch) ausgehende Gefahr und die bisherigen Versuche staatlicher Stellen, dem betroffenen Kind Hilfe für ein straffreies Leben zukommen zu lassen, beurteilen zu können. Es ist unklar, warum nur die Mutter als gesetzliche Vertreterin angesehen worden ist. Es ist noch nicht einmal geklärt, was mit dem Kind angesichts der Verurteilung der Mutter zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung wohl derzeit wegen Haftunfähigkeit aufgeschoben ist, wird und welche Einsichtsfähigkeit es hat. Ungeklärt ist auch, ob der Umstand, dass sich der Kindesvater inzwischen im Strafvollzug befindet, nicht zu einer besseren Sozialprognose für das betroffene Kind führt, da vom Vater nach dem Inhalt des Strafurteils die erheblich größere kriminelle Energie ausgegangen sein dürfte. Letztlich wird eine Einschätzung des betroffenen Kindes nur unter Einbeziehung der Erfahrungen des Jugendamts und dessen Aktivitäten möglich sein. Bevor das Amtsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 HSOG bejahen kann, wird es zudem unausweichlich sein, dass sich das Amtsgericht einen persönlichen Eindruck von dem betroffenen Kind verschafft, auch um festzustellen, was die Entnahme der Speichelprobe für das Kind und seine Entwicklung bedeuten würde. Dabei wird auch zu bedenken sein, dass die beantragte erkennungsdienstliche Maßnahme eine (weitere) Stigmatisierung des Mädchens bedeutet und das Mädchen nach Durchführung der Maßnahme einem Generalverdacht ausgesetzt ist, sobald sich sein genetischer Fingerabdruck, aus welchen Gründen auch immer, an einem Tatort befindet. Nur wenn staatliche Hilfsmaßnahmen, die weniger in die Rechte des betroffenen Kindes eingreifen, keinen hinreichenden Erfolg versprechen, dürfte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Erforderlichkeit der beantragten erkennungsdienstliche Maßnahme bejaht werden können und erst dann kann es darauf ankommen, ob das Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle anzurufen ist. ..."
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Zu den Voraussetzungen einer ausschließlich auf § 81b Alt. 2 StPO gestützten Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen durch Polizeibehörden (Bestätigung und Fortführung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 9.3.1993 - 11 UE 2613/89, NVwZ-RR 1994, 652; VGH Kassel, Entscheidung vom 20.07.1993 - 11 UE 2285/89).
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Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen, die zu Zwecken der Strafverfolgung gegenüber dem Beschuldigten eines konkreten Ermittlungsverfahrens angefertigt worden sind, später aber außerhalb dieses Ermittlungsverfahrens in kriminalpolizeilicher Sammlungen für den Zweck der Strafverfolgung im Falle einer künftigen Straftat aufbewahrt werden, ist § 81b Alt. 2 StPO. § 81b Alt. 2 StPO genügt den Anforderungend es rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit an die gesetzliche Grundlage für Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. § 19 II Nr. 2 HessSOG 1990 ermächtigt die Polizeibehörden nur zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen für präventivpolizeiliche Zwecke und nicht zum Zweck der Vorhaltung von Hilfsmitteln für die zukünftige Strafverfolgung (VGH Kassel, Entscheidung vom 09.03.1993 - 11 UE 2613/89).
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§ 20 Datenspeicherung und sonstige Datenverarbeitung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können erhobene personenbezogene Daten speichern oder sonst verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt auch für personenbezogene Daten, die die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden unaufgefordert durch Dritte erlangt haben.
(2) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen von den Gefahrenabwehr- und den Polizeibehörden nicht für andere Zwecke verarbeitet werden, es sei denn, dies ist zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich oder es liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass ohne ihre Verarbeitung die Verhütung oder die Verfolgung einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(3) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten über andere als die in § 13 Abs. 2 Nr. 1 genannten Personen nur zu den Zwecken speichern und sonst verarbeiten, zu denen sie die Daten erlangt haben. Die Verarbeitung zu einem anderen gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Zweck ist zulässig, soweit die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden die Daten auch zu diesem Zweck hätten erheben und noch verarbeiten können.
(4) Die Polizeibehörden können, soweit Bestimmungen der Strafprozessordnung oder andere gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen, personenbezogene Daten, die sie im Rahmen der Verfolgung von Straftaten gewonnen haben, zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten speichern oder sonst verarbeiten. Die Speicherung oder sonstige Verarbeitung in automatisierten Verfahren ist nur zulässig, wenn es sich um Daten von Personen handelt, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben; entfällt der Verdacht, sind die Daten zu löschen.
(5) Die Polizeibehörden können zur Verhütung von Straftaten personenbezogene Daten über die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 genannten Personen sowie über Zeuginnen und Zeugen, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen automatisiert nur speichern und sonst verarbeiten, soweit dies zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung unerlässlich ist. Die Speicherungsdauer darf drei Jahre nicht überschreiten. Nach jeweils einem Jahr, gerechnet vom Zeitpunkt der letzten Speicherung, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach Satz 1 noch vorliegen; die Entscheidung, dass eine weitere Speicherung erforderlich ist, trifft die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter.
(6) Werden Bewertungen automatisiert gespeichert, muss mindestens aus der Akte feststellbar sein, bei welcher Stelle die Unterlagen geführt werden, die der Bewertung zugrunde liegen. Personenbezogene Daten, die dem Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis (Art. 10 des Grundgesetzes, Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen) unterliegen oder nach § 15 Abs. 4 oder Abs. 6 Satz 2 erhoben worden sind, sind mindestens in den Akten entsprechend zu kennzeichnen.
(7) Die Polizeibehörden, die Polizeieinrichtung und die Verwaltungsfachhochschule können gespeicherte personenbezogene Daten zur polizeilichen Aus- oder Fortbildung oder zu statistischen Zwecken verarbeiten. Die Daten sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu anonymisieren. Abs. 1 bis 6 finden insoweit keine Anwendung.
(8) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können zur Vorgangsverwaltung oder zur befristeten Dokumentation behördlichen Handelns personenbezogene Daten speichern und ausschließlich zu diesem Zweck sonst verarbeiten. Abs. 1 bis 6 finden insoweit keine Anwendung.
(9) Werden personenbezogene Daten von Kindern, die ohne Kenntnis der Sorgeberechtigten erhoben worden sind, gespeichert, sind die Sorgeberechtigten zu unterrichten, sobald die Aufgabenerfüllung dadurch nicht mehr erheblich gefährdet wird. Von der Unterrichtung kann abgesehen werden, solange zu besorgen ist, dass die Unterrichtung zu erheblichen Nachteilen für das Kind führt.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die von hessischen Polizeibehörden unternommene Speicherung von personenbezogenen Daten, die für Zwecke des Erkennungsdienstes von einem Beschuldigten erhoben wurden, hat gemäß §§ 81b Alt. 2, 481 Abs. 1 Satz 1, 484 Abs. 4 StPO den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 HSOG zu genügen. Es bleibt dahingestellt, ob die polizeiliche Speicherungspraxis, nach der sich das Aussonderungsprüfdatum eines Personendatensatzes im Kriminalakten-Nachweis des polizeilichen Informationssystems bei mehreren Deliktseintragungen nach dem weiter in der Zukunft liegenden Prüfdatum der zuletzt hinzugestellten Eintragung richtet, mit der Regelung des § 27 Abs. 4 Satz 3 HSOG im Einklang steht. Die Begründung, die fortgesetzte Speicherung einer Deliktseintragung im polizeilichen Informationssystem sei im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 2 HSOG erforderlich, um den Polizeibehörden das mit dieser Eintragung verbundene erkennungsdienstliche Material zu einer Person im Hinblick auf eine andere, diese Person betreffende Eintragung verfügbar zu halten, missachtet das datenschutzrechtliche Zweckbindungsgebot (VGH Hessen, Urteil vom 16.12.2004, 11 UE 2982/02).
*** (VG)
Die StPO beinhaltet in § 81b Alt. 2 StPO lediglich eine Erhebungsnorm, ohne den weiteren Umgang mit den danach erhobenen erkennungsdienstlichen Daten zu regeln oder gar eine Verwendung dieser Daten in eigener Kompetenz und Zuständigkeit nach Landespolizeirecht oder Bundeskriminalamtgesetz zuzulassen. In den §§ 479 ff. StPO ist nur der Datenumgang mit den personenbezogenen Daten geregelt, welche anlässlich eines konkoreten Strafverfahren zum Zwecke der Strafverfolgung in diesem konkreten Verfahren erhoben worden sind. Die bisherige ständige Rechtsprechung zu § 81b Alt. 2 StPO ist im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 15.12.1983 zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unter der Berücksichtigung der Novellierung der StPO mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 im Jahr 2000 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dem Gesetzgeber ist zur - weiteren - Verwendung ohne die erforderliche Rechtsgrundlage erhobener Daten keine Übergangsfrist einzuräumen, denn er wollte die Materie der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 abschließend regeln; eine durch die Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke ist wegen des dadurch erklärten Willens des Gesetzgebers nicht (mehr) gegeben. Eine Erhebung von Daten, welche anschließend weder verarbeitet noch genutzt werden dürfen ist wegen des Eingriffes in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i. V. mit Art. 2 I GG ohne normative Rechtsgrundlage nicht nur unverhältnismäßig, sondern rechtswidrig. Ein Verfahrensverzeichnis muss vor dem Einsatz des automatisierten Verfahrens (hier: POLAS Hessen) erstellt werden. Fehlt dieses, liegen bereits die formalen Voraussetzungen für die Verwendung personenbezogener Daten nicht vor. Bei der Prüffrist und Löschung gem. § 27 IV HessSOG ist auf jeden einzelnen Fall der Speicherung gesondert abzustellen. Anlass der Speicherung sind die jeweiligen Delikt- und Tatvorwürfe für sich getrennt, sie sind bei der Fristenberechnung jeder für sich zu betrachten. Für die automatisierten Dateien "KAN" und "Erkennungsdienst" beim Bundeskriminalamt fehlt es an der entsprechenden Errichtungsanordnung. Die Errichtungsanordnung ist gem. § 34 BKAG grundsätzlich vor der Einführung einer automatisierten Datei zu erfassen. Die Speicherung personenbezogener Daten in den Dateien des Bundeskriminalamtes ist unzulässig, weil es an der Rechtsverordnung gem. § 7 VI BKAG fehlt, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach §§ 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen. Die Richtlinien über die kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlung (KPS-Richtlinien) oder die Erkennungsdienstliche Richtlinie (ED-Richtlinie) sind keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Anwendung personenbezogener Daten beim Bundeskriminalamt (VG Gießen, Urteil vom 29.04.2002 - 10 E 141/01).
***
Es ist verfassungsrechtlich geboten, die Umstände, die dazu geführt haben, ein gegen eine bestimmte Person gerichtetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzustellen, in die Prognoseentscheidung über die weitere Notwendigkeit, personenbezogene Daten im Hessischen Polizeiformationssystem (Hepolis) zu speichern, einzubeziehen. Es begegnet - zumindest dem Grundsatz nach - keinen rechtlichen Bedenken, personenbezogene Daten wegen eines gem. § 153a StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens zu speichern, sofern die Besorgnis besteht, daß die betroffene Person in Zukunft weitere Straftaten begehen wird. Personenbezogene Daten aus einem gem. § 153 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren dürfen nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls dann gespeichert werden, wenn die begangene Straftat nicht ein einmaliges Fehlverhalten war und eine Besorgnis, daß künftig weitere Straftaten begangen werden, fortbesteht. Eine Speicherung personenbezogener Daten aus einem gem. § 170 II StPO eingestellten Ermittlungsverfahren darf allenfalls ausnahmsweise und dann auch nur unter strengen Vorausetzungen erfolgen (VG Frankfurt, Urteil vom 28.11.1996 - 5 E 1632/96, NJW 1997, 3185).
***
Es kann einer Polizeibehörde im Einzelfall durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung aufgegeben werden, in automatisierten Dateien gespeicherte personenbezogene Daten bis zu eienr Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzugänglich zu machen, sofern Zweifel an der Zulässigkeit der Speicherung bestehen (VG Frankfurt, Beschluss vom 27.08.1996 - 5 G 1630/96).
***
§ 21 Allgemeine Regeln der Datenübermittlung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck übermitteln, zu dem sie die Daten erlangt haben. Empfängerinnen oder Empfänger, Tag und wesentlicher Inhalt der Übermittlung sind festzuhalten; dies gilt nicht für das automatisierte Abrufverfahren (§ 24).
(2) Unterliegen die personenbezogenen Daten einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis und sind sie der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde von der zur Verschwiegenheit verpflichteten Person oder Stelle in Ausübung ihrer Berufs- oder Amtspflicht übermittelt worden, so ist die Übermittlung durch diese Behörden nur zulässig, wenn die Empfängerin oder der Empfänger die Daten zur Erfüllung des gleichen Zwecks benötigt, zu dem sie die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde erhoben hat oder hätte erheben können. In die Übermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs muss die zur Verschwiegenheit verpflichtete Person oder Stelle einwilligen.
(3) Bewertungen (§ 20 Abs. 6 Satz 1) dürfen anderen als Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden nicht übermittelt werden. Dies gilt nicht, soweit Fahndungsaufrufe mit einer Warnung verbunden sind. Personenbezogene Daten, die nach § 20 Abs. 6 Satz 2 zu kennzeichnen sind, dürfen nur übermittelt werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.
(4) Die Übermittlung darf nicht zu einer Erweiterung des Kreises der Stellen nach § 41 des Bundeszentralregistergesetzes führen, die von Eintragungen, die in ein Führungszeugnis nicht aufgenommen werden, Kenntnis erhalten, und muss das Verwertungsverbot im Bundeszentralregister getilgter oder zu tilgender Eintragungen nach §§ 51 und 52 des Bundeszentralregistergesetzes berücksichtigen.
(5) Die übermittelnde Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörde prüft die Zulässigkeit der Übermittlung. Erfolgt die Übermittlung aufgrund eines Ersuchens der Empfängerin oder des Empfängers, hat die übermittelnde Stelle nur zu prüfen, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben der Empfängerin oder des Empfängers liegt. Die Zulässigkeit der Übermittlung im Übrigen prüft sie nur, wenn hierfür im Einzelfall besonderer Anlass besteht. Die Empfängerin oder der Empfänger hat der übermittelnden Stelle die erforderlichen Angaben zu machen.
(6) Die Empfängerin oder der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dem sie ihr oder ihm übermittelt worden sind.
(7) Anderweitige besondere Rechtsvorschriften über die Datenübermittlung bleiben unberührt.
§ 22 Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs
(1) Zwischen den Polizeibehörden können personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit sie diese in Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 1 erlangt haben und die Datenübermittlung zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt auch für die Übermittlung personenbezogener Daten an Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes und der anderen Länder. Zwischen den Gefahrenabwehrbehörden, anderen für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden oder öffentlichen Stellen und den Polizeibehörden können personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit die Kenntnis dieser Daten zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlich erscheint. § 20 Abs. 3 gilt entsprechend. Liegen die Voraussetzungen nach Satz 1 bis 4 nicht vor, ist Abs. 2 anzuwenden.
(2) Im Übrigen können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden personenbezogene Daten an Behörden oder öffentliche Stellen übermitteln, soweit dies erforderlich ist
1. zur Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben,
2. zur Abwehr einer Gefahr für die empfangende Stelle,
3. aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Wahrnehmung einer sonstigen Gefahrenabwehraufgabe durch die empfangende Stelle,
4. zur Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder
5. zur Verhütung oder Beseitigung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person.
In den Fällen des Satz 1 Nr. 5 ist die Person, deren Daten übermittelt worden sind, zu unterrichten, sobald der Zweck der Übermittlung dem nicht mehr entgegensteht.
(3) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen übermitteln, soweit dies zur
1. Erfüllung einer Aufgabe der übermittelnden Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörde oder
2. Abwehr einer erheblichen Gefahr durch die empfangende Stelle
erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, soweit Grund zu der Annahme besteht, dass dadurch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde oder schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Die empfangende Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck genutzt werden dürfen, zu dessen Erfüllung sie ihr übermittelt wurden. Die Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung obliegt der übermittelnden Behörde.
(4) Abweichend von § 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden personenbezogene Daten nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 übermitteln, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr unerlässlich ist und die empfangende Stelle die Daten auf andere Weise, obwohl berechtigt, nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erlangen kann.
(5) Andere Behörden und sonstige öffentliche Stellen können personenbezogene Daten an die Gefahrenabwehrund die Polizeibehörden übermitteln, soweit dies zur Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben erforderlich erscheint und die von der übermittelnden Stelle zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Sie sind zur Übermittlung verpflichtet, wenn es für die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die Einführung von Listen mit Rassen so genannter gefährlicher Hunde muss der Gesetzgeber selbst verantworten. Dagegen darf er die Festlegung der einzelnen in die Liste aufzunehmenden Hunderassen dem Verordnungsgeber überlassen (wie Urteil vom 3. Juli 2002 - BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 [BVerwG 03.07.2002 - 6 CN 8/01]; BVerwG, Beschluss vom - 10.11.2004, 6 BN 3/04).
*** (VG)
Die Bewertung einer Person durch das BKA im Rahmen eines journalistischen Akkreditierungsverfahrens ist ein personenbezogenes Datum, da es sich um eine Einzelangabe über persönliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) handelt. Die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers und damit auch ihre Nutzung zum Zwecke der Bewertung war zum Zeitpunkt der Weitergabe an die NATO allein deshalb unzulässig, weil es zu diesem Zeitpunkt an der Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 6 BKAG fehlte, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach § 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen. Eine Rechtsgrundlage, die eine Datenübermittlung an eine exterritoriale Organisation, hier die NATO, erlaubt, fehlt im BKA-Gesetz. Eine Einwilligung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der freien Entscheidung des Betroffenen und der Schriftform. Dabei ist der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung hinzuweisen. Soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich oder auf Verlangen, ist auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen ( VG Wiesbaden, Urteil vom 06.10.2010 - 6 K 280/10.WI zu §§ 3, 4, 4a, 7, 8 BDSG u.a.).
***
§ 23 Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit dies zur
1. Erfüllung gefahrenabwehrbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben,
2. Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder
3. Verhütung oder Beseitigung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person
erforderlich ist.
(2) § 22 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 gilt entsprechend.
(3) Die Empfängerin oder der Empfänger ist darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dessen Erfüllung sie ihr oder ihm übermittelt wurden. Die Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung obliegt der übermittelnden Behörde.
(4) Über die Übermittlungen ist ein besonderes Verzeichnis zu führen, aus dem der Zweck der Übermittlung, die Empfängerin oder der Empfänger und die Aktenfundstelle hervorgehen. Es ist am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr seiner Erstellung folgt, zu vernichten.
§ 24 Automatisiertes Abrufverfahren
(1) Die Einrichtung eines Verfahrens, das die automatisierte Übermittlung personenbezogener Daten der Polizeibehörden und der Gefahrenabwehrbehörden durch Abruf ermöglicht, ist zulässig, soweit diese Form der Datenübermittlung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der betroffenen Person und der Erfüllung von Aufgaben der beteiligten Stellen angemessen ist. Zum Abruf können zugelassen werden:
1. Polizeibehörden,
2. die Polizeieinrichtung und die Verwaltungsfachhochschule,
3. Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes und der anderen Länder,
4. Gefahrenabwehrbehörden in Verfahren, die Zuverlässigkeitsüberprüfungen zum Gegenstand haben,
5. Ausländerbehörden in Verfahren, die die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen und Aufenthaltsbeendigungen zum Gegenstand haben,
6. Einbürgerungsbehörden in Verfahren, die die Ermittlungen von Einbürgerungsvoraussetzungen zum Gegenstand haben,
7. die Allgemeinheit, soweit es sich um personenbezogene Daten handelt, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind.
In den Fällen des Satz 2 Nr. 4 bis 6 darf nur Auskunft erteilt werden, wenn über die betroffene Person keine Daten gespeichert sind (Negativauskunft).
(2) Die nach § 10 des Hessischen Datenschutzgesetzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen sind schriftlich festzulegen.
(3) Die speichernde Stelle hat in den Fällen von Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 zu gewährleisten, dass die Übermittlung zumindest durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden kann.
§ 25 Datenabgleich
(1) Die Polizeibehörden können personenbezogene Daten der in den §§ 6 und 7 sowie § 13 Abs. 2 Nr. 1 genannten Personen mit automatisiert gespeicherten Daten der Polizeibehörden und Polizeidienststellen des Bundes und der anderen Länder abgleichen. Personenbezogene Daten anderer Personen kann die Polizeibehörde nur abgleichen, wenn dies aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich erscheint. Die Polizeibehörden können ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Die betroffene Person kann angehalten und für die Dauer des Datenabgleichs festgehalten werden. § 18 bleibt unberührt.
(2) Die Gefahrenabwehrbehörden können personenbezogene Daten mit ihren automatisiert gespeicherten Daten unter den Voraussetzungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 20) abgleichen.
(3) Besondere Rechtsvorschriften über den Datenabgleich bleiben unberührt.
§ 26 Besondere Formen des Datenabgleichs
(1) Die Polizeibehörden können von öffentlichen Stellen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zur Verhütung von Straftaten erheblicher Bedeutung
1. gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder
2. bei denen Schäden für Leben, Gesundheit oder Freiheit oder gleichgewichtige Schäden für die Umwelt zu erwarten sind,
die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und dies auf andere Weise nicht möglich ist. Rechtsvorschriften über ein Berufs- oder besonderes Amtsgeheimnis bleiben unberührt.
(2) Das Übermittlungsersuchen ist auf Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt sowie auf im einzelnen Falle festzulegende Merkmale zu beschränken. Werden wegen technischer Schwierigkeiten, die mit angemessenem Zeit- oder Kostenaufwand nicht beseitigt werden können, weitere Daten übermittelt, dürfen diese nicht verwertet werden.
(3) Ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, dass er nicht erreicht werden kann, sind die übermittelten und im Zusammenhang mit der Maßnahme zusätzlich angefallenen Daten auf dem Datenträger zu löschen und die Unterlagen, soweit sie nicht für ein mit dem Sachverhalt zusammenhängendes Verfahren erforderlich sind, unverzüglich zu vernichten. Über die getroffenen Maßnahmen ist eine Niederschrift anzufertigen. Diese Niederschrift ist gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Vernichtung der Unterlagen nach Satz 1 folgt, zu vernichten.
(4) Die Maßnahme nach Abs. 1 bedarf der schriftlich begründeten Anordnung durch die Behördenleitung und der Zustimmung des Landespolizeipräsidiums. Von der Maßnahme ist die oder der Hessische Datenschutzbeauftragte unverzüglich zu unterrichten.
(5) Personen, gegen die nach Abschluss einer Maßnahme nach Abs. 1 weitere Maßnahmen durchgeführt werden, sind hierüber durch die Polizei zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zweckes der weiteren Datennutzung erfolgen kann. § 29 Abs. 6 Satz 4 und 5 und Abs. 7 gilt entsprechend.
Leitsätze/Entscheidungen:
Bei Grundrechtsklagen unmittelbar gegen ein Gesetz ist die Antragsbefugnis auf die Fälle beschränkt, in denen eine eigene, gegenwärtige und unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit durch die gesetzliche Bestimmung, deren Verfassungswidrigkeit behauptet wird, substanziiert und innerhalb der geltenden Jahresfrist dargelegt ist. Die danach erforderliche eigene Betroffenheit ist nur gegeben, wenn gerade der Antragsteller selbst mit einiger Wahrscheinlichkeit durch den (drohenden) Vollzugsakt in seinen Grundrechten betroffen ist. Der Kreis der Antragsberechtigten ist in den Fällen der unmittelbar gegen ein Gesetz gerichteten Grundrechtsklage auf diejenigen beschränkt, die zum Anwendungsbereich der angegriffenen Rechtsnorm in einer spezifischen Nähe stehen. Das Merkmal der gegenwärtigen Betroffenheit stellt sicher, dass ein konkreter zeitlicher Kontext zwischen Grundrechtsklage und möglicher Grundrechtsbetroffenheit besteht. Durch die gesetzliche Ermächtigung zur Rasterfahndung (§ 26 HSOG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 06.09.2002, GVBl. I S. 546) ist ein in Deutschland geborener männlicher Student deutscher Staatsangehörigkeit nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit selbst in seinen durch die Verfassung des Landes Hessen gewährten Grundrechten betroffen (StGH Hessen, Urteil vom 12.12.2005, P St 1914).
*** (VGH/OLG)
Wenn eine Polizeibehörde unter Bezugnahme auf § 26 HessSOG eine Hochschule ersucht, im Rahmen der Amtshilfe bestimmte persönliche Daten von Studierenden zu übermitteln, hat die Hochschule nach § 14 II 3 HessDSG lediglich zu prüfen, ob die Polizeibehörde zuständig ist und sie ihr Ersuchen schlüssig begründet hat. Da die ersuchte Behörde nach § 7 II HessVwVfG nur eingeschränkt verantwortlich ist, hat sie auch nach § 5 HessVwVfG keine weitergehenden Prüfungspflichten als nach dem Datenschutzgesetz. Wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die ersuchende Behörde zuständig ist und ihr Ersuchen schlüssig begründet hat, ist die Übermittlung der Daten nicht "unbefugt" i.S. von § 30 HessVwVfG (VGH Kassel, Beschluss vom 04.02.2003 - 10 TG 3112/02).
***
Die Möglichkeit terroristischer Anschläge in Deutschland nach den Terroranschlägen vom 11.9.2001 in den USA begründet keine "gegenwärtige" Gefahr i. S. des § 26 I 1 HSOG (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.02.2002 - 20 W 55/02).
***
Zu den gesetzlichen Voraussetzungen für die Anforderung und den Abgleich personenbezogener Daten (Rasterfahndung) in Hessen (§ 26 Abs. 4 S. 1 HSOG; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.02.2002 - 20 W 55/02 und OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.01.2002 - 20 W 479/01):
... m 24. September 2001 beantragte das . . . Landeskriminalamt, der Beteiligte zu 1), bei dem Amtsgericht Wiesbaden nach § 26 Abs. 1 und 4 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) anzuordnen, dass die Meldebehörden des Landes . . . , die . . . Universitäten und Hochschulen sowie das Luftfahrtbundesamt verpflichtet sind, ihm von näher bestimmten Personengruppen automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten, nämlich Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen (Rasterfahndung) zu übermitteln.
Der Beteiligte zu 1) begründete seinen Antrag im wesentlichen mit einer nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 anzunehmenden Gefährdungssituation im Falle eines Militärschlages gegen Ziele in Afghanistan und/oder Unterstützerstaaten.
Mit Beschluss vom 25. September 2001 gab das Amtsgericht Wiesbaden dem Antrag in vollem Umfang statt. Über die Entscheidung wurde in der Presse berichtet (vgl. juris - Pressemitteilungen Justiz/dpa, Stichwort: Rasterfahndung).
Am 15. Oktober 2001 legte der Beteiligte zu 2) gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde ein. Er sieht in der Übermittlung von Daten an den Beteiligten zu 1), die seine Person betreffen, einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das Landgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 14. November 2001 die nach den §§ 26 Abs. 4 Satz 2, 39 Abs. 1 Satz 3 HSOG, 19 FGG an sich statthafte Beschwerde mangels Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 2) als unzulässig angesehen und zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat der Senat den landgerichtlichen Beschluss am 8. Januar 2002 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zur neuen Prüfung und Entscheidung zurückverwiesen (20 W 479/01).
Durch Beschluss vom 6. Februar 2002 hat das Landgericht die amtsgerichtliche Anordnung aufgehoben.
Mit der am 8. Februar 2002 eingegangenen weiteren Beschwerde wendet sich der Beteiligte zu 1) gegen die landgerichtliche Entscheidung.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg; denn der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 8. Januar 2002 u. a. darauf hingewiesen, dass seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 (BVerfGE 65, 1, 41 ff) geklärt ist, dass der Einzelne das Recht hat, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraussetzt, dass dieser Schutz daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst ist und dass das Grundrecht insoweit die Befugnis gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE aaO S. 43).
In den Polizeigesetzen der Länder sind bestimmte staatliche Eingriffe in Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte unter einen Richtervorbehalt gestellt. Dies ist auch in Hessen der Fall, z. B. in den §§ 15 Abs. 4 und 5, 16 Abs. 1 und 5, 26 Abs. 1 und 4, 33 HSOG. Für das Verfahren verweist § 39 Abs. 1 Satz 2 HSOG auf das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG). Mit dieser Verweisung hat der Gesetzgeber die Verantwortung für die staatlichen Eingriffe auf die ordentlichen Gerichte übertragen und zugleich besondere Verfahrensregeln vorgegeben. So sieht das FGG für das gerichtliche Verfahren nicht nur drei Instanzen vor, sondern verpflichtet die Tatsacheninstanzen (Amtsgericht und Landgericht) u. a. zu Amtsermittlungen (§ 12 FGG). Die Tatsachengerichte dürfen sich nicht auf Plausibilitätsprüfungen beschränken, sondern müssen selbst die Tatsachen feststellen, die eine richterliche Anordnung rechtfertigen (vgl. zu dem Prüfungsumfang bei einer richterlichen Anordnung polizeilichen Gewahrsams nach dem HSOG: BVerfGE 83, 24 = NJW 1991, 1283 [BVerfG 30.10.1990 - 2 BvR 562/88] ).
Mit der Übertragung der Entscheidungskompetenz und Verantwortung auf die Gerichte ist zugleich die Erwartung verbunden, dass sich die zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richter - auch in Krisenzeiten - nicht von eigenen Emotionen oder Emotionen anderer, sondern ausschließlich vom Gesetz leiten lassen (Art. 20 Abs. 3, 92, 97 Abs. 1 GG, §§ 25, 38 DRiG).
Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG können die Polizeibehörden nach richterlicher Anordnung (§ 26 Abs. 4 Satz 1 HSOG) von öffentlichen Stellen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person die Übermittlung von automatisiert gespeicherten personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Abwehr der beschriebenen Gefahren erforderlich ist.
Im Mittelpunkt der gerichtlichen Prüfung steht die Frage, ob von einer gegenwärtigen' Gefahr im Sinne des Gesetzes auszugehen ist. Dies hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 2002 in der Sache 84 T 278/01 (Bl. 157 ff d. A) zu Recht verneint.
Im polizeilichen Gefahrenabwehrrecht wird der Gefahrenbegriff differenziert gebraucht. Allgemein liegt eine Gefahr vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird (BVerwG 45, 51, 57; vgl. dazu auch Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts 3. Aufl. 2001 E Rn. 29 = S. 214; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 13. Aufl. 2001 Rn. 140; Hornmann, HSOG 1997 § 1 Rn. 11; Meyer/Stolleis, Staats- und Verwaltungsrecht in Hessen 4. Aufl. 1996 S. 250; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht 3. Aufl. 1989 Rn. 61).
Das hessische Gefahrenabwehrrecht kennt u. a. die latente/potentielle, abstrakte und konkrete Gefahr (vgl. dazu Meixner, HSOG 9. Aufl. 2001 § 1 Rn. 10 ff) und verwendet im HSOG die Begriffe der dringenden' Gefahr (§ 38 Abs. 6), der erheblichen' Gefahr (§ 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2), der gegenwärtigen' Gefahr (§§ 15 Abs. 4, 26 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 2 Nr. 2, 40 Nr. 1, 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 und 4, 61 Abs. 1 Nr. 1 und 88 Abs. 1) und der gegenwärtigen erheblichen' Gefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 1).
Von einer gegenwärtigen' Gefahr ist auszugehen, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht (vgl. BVerwGE 45, 51, 58 [BVerwG 26.02.1974 - I C 31/72] m. v. N ; Lisken/Denninger aaO E Rn. 43 = S. 220; Meixner aaO § 1 Rn. 14; Götz aaO Rn. 147; Hornmann aaO § 11 Rn. 32; Meyer/Stolleis aaO S. 253; Knemeyer aaO Rn. 68; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr 9. Aufl. 1985 S. 332; von Brauchitsch/Ule/Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 2. Aufl. 1982 Rn. 14). Das besondere Gewicht, das der zeitlichen Nähe und der Steigerung des Wahrscheinlichkeitsgrades bei der Beurteilung der gegenwärtigen' Gefahr im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG zukommt, lässt sich auch daran erkennen, dass die Datenübermittlung als Gefahrenabwehr auch für den Fall der gegenwärtigen' Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person vorgesehen ist.
Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, das es sich bei der gegenwärtigen' Gefahr um die höchste Steigerungsform des Gefahrenbegriffs handelt (vgl. dazu auch Lisken/Denninger aaO E Rn. 50 = S. 223). Die Polizeigesetze verwenden diesen Gefahrenbegriff als Eingriffschwelle nicht nur, wenn das bedrohte Rechtsgut oder das Rechtsgut, in das eingegriffen werden soll, einen besonders hohen Rang besitzt, sondern auch dann, wenn - wie bei der Rasterfahndung - Nichtstörer in Anspruch genommen werden sollen (vgl. dazu Lisken/Denninger aaO E Rn. 44 = S. 220).
Der Begriff der gegenwärtigen' Gefahr wird auch in anderen Gesetzen verwendet, wenn es um Gefahrenabwehr im Notstandsfall oder notstandsähnlichen Fall geht, z. B. in § 904 BGB und in § 31 EGGVG. Im Strafrecht wird ähnlich wie im polizeilichen Gefahrenabwehrrecht unter dem gegenwärtigen' Angriff (der gegenwärtigen' Gefahr) nicht nur der bereits begonnene, sondern auch der unmittelbar bevorstehende Angriff verstanden ( BGH 2 StR 535/91 vom 11. Dezember 1991 dok. bei juris; Spendel LK StGB 10. Aufl. § 32 Rn. 115 ff; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 32 Rn. 8 f. ).
Nach der Aktenlage fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen für die Anordnung der Datenübermittlung nach § 26 Abs. 1 HSOG zur Abwehr von Terroranschlägen in Deutschland gegeben waren.
Der Senat vermag der Argumentation des Oberlandgerichts Düsseldorf in der Entscheidung vom 8. Februar 2002 in der Sache 3 Wx 351/01 (Bl. 245 ff d. A. ), nicht zu folgen. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf für seine Meinung herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts betreffen die konkrete' Gefahr (BVerwG DÖV 1970, 713) und die dringende Gefahr' ( BVerwGE 47, 31), nicht aber die gegenwärtige' Gefahr.
Eine konkrete' Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall irgendwann, freilich in überschaubarer Zukunft, mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden muss' (BVerwG DÖV 1970, 713, 715; vgl. auch Lisken/Denninger aaO E Rn. 32 = S. 215, 216). Eine dringende' Gefahr liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein wichtiges Rechtsgut schädigen wird (BVerwGE 47, 31, 40 [BVerwG 06.09.1974 - I C 17/73] ; vgl. dazu auch Lisken/Denninger/Rachor aaO F Rn. 626 ff = S. 485, 486).
Im Gegensatz zur konkreten' und zur dringenden' Gefahr erfordert die gegenwärtige' Gefahr die besondere Zeitnähe und einen besonders hohen Grad an Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, d. h. der Schaden muss sofort und fast mit Gewissheit (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit)' (so BVerwGE 45, 51, 58) [BVerwG 26.02.1974 - I C 31/72] eintreten. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf als ausreichend angesehene Möglichkeit terroristischer Anschläge in Deutschland reicht nach Meinung des Senats zur Annahme einer gegenwärtigen' Gefahr nicht aus.
Der Senat vermag auch der am 18. Februar 2002 bekannt gewordenen auf der Beratung vom 1. Februar 2002 beruhenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Mainz 1 L 1106/01. MZ (Bl. 300 ff) nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht Mainz hatte nicht über die Anordnung der Datenübermittlung, sondern über den Antrag zu befinden, dem Präsidenten des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamts zu untersagen, übermittelte Daten zu speichern und zu verarbeiten. Es kann hier offen bleiben, ob die Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rasterfahndung umfasst oder sich nur auf die Einhaltung der Speicherungs-, Bearbeitungs- und Löschungsvorschriften bezieht. Das Verwaltungsgericht Mainz stellt nach Auffassung des Senats zu Unrecht die Dauergefahr, die sich in den erfolgten Attentaten bereits konkretisiert hat und die nach Lage der Dinge weitere Terroranschläge befürchten lässt. . . der gegenwärtigen' Gefahr gleich. Ungeachtet der Frage, ob eine Dauergefahr eine gegenwärtige' Gefahr im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG ist, reicht die Befürchtung weiterer Terroranschläge nicht für die Annahme des vom Gesetz geforderten hohen Wahrscheinlichkeitsgrades aus.
Die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf und von dem Verwaltungsgericht Mainz angewandte aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitete Faustregel, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden und je höher das Schutzgut sind (vgl. zur Anwendung der Faustregel bei der konkreten' Gefahr: BVerwG DÖV 1970, 713, 715; bei der dringenden' Gefahr: BVerwGE 47, 31, 40 [BVerwG 06.09.1974 - I C 17/73] ; bei der Gefährdung' der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a. F: BVerwGE 62, 36, 38 [BVerwG 17.03.1981 - 1 C 74/76] ; bei der unmittelbar bevorstehenden' oder gegenwärtigen' Gefahr: BVerwGE 45, 51, 61 [BVerwG 26.02.1974 - I C 31/72] ; vgl. zu der Faustregel auch Lisken/Denninger aaO E Rn. 42 = S. 220; Meyer/Stolleis aaO S. 252), gestattet es dem Senat auch in Anbetracht der tragischen Ereignisse des 11. Septembers 2001 nicht, den gesetzlich vorgegebenen Gefahrenbegriff der gegenwärtigen' Gefahr durch einen geringeren Gefahrenbegriff - wie der dringenden' oder konkreten' Gefahr - oder durch den Begriff der Gefährdung' mit jeweils deutlich geringerer Zeitnähe des Schadenseintritts und deutlich geringerem Wahrscheinlichkeitsgrad zu ersetzen. Dies ist allein dem Gesetzgeber vorbehalten.
Danach bedarf es hier keiner endgültigen Entscheidung der Frage, ob die Datenübermittlung zum Zwecke der Rasterfahndung zur Abwehr einer gegenwärtigen' Gefahr erforderlich ist. Daran bestehen allerdings erhebliche Zweifel, zumal bereits die Eignung der Rasterfahndung zur Abwehr einer gegenwärtigen' Gefahr sehr fraglich ist und die praktische Bedeutung der Rasterfahndung als gering eingeschätzt wird (Lisken/Denninger/Bäumler aaO J 199, 200 = S. 780, 781 und J Rn. 717 = S. 894).
Da es hier um die Anwendung von landesgesetzlichen Vorschriften geht, kommt eine Vorlage der weiteren Beschwerde an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG wegen einer möglichen Abweichung von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht in Betracht ..."
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§ 27 Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten
(1) Automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten sind zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird festgestellt, dass in Akten gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig sind, ist dies in der Akte zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten.
(2) Automatisiert gespeicherte personenbezogene Daten sind zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen sind zu vernichten, wenn
1. ihre Speicherung unzulässig ist,
2. bei der nach bestimmten Fristen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist, oder
3. die durch eine verdeckte Datenerhebung gewonnenen Daten für den der Anordnung zugrunde liegenden Zweck, zur Strafverfolgung oder zur Strafvollstreckung nicht mehr erforderlich sind; die Löschung, über die eine Niederschrift anzufertigen ist, bedarf der Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wenn die Daten zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verarbeitet worden sind.
Ist eine Löschung in den Fällen des Satz 1 Nr. 1 und 2 wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich, kann an die Stelle der Löschung die Sperrung treten.
(3) Sind personenbezogene Daten in Akten gespeichert, sind sie im Falle des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 durch Anbringung eines entsprechenden Vermerks zu sperren. Im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 sind die Akten spätestens zu vernichten, wenn die gesamte Akte zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist. In Akten gespeicherte personenbezogene Daten über eine verdeckte Datenerhebung sind nach Maßgabe des Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 zu löschen.
(4) Die Ministerin oder der Minister des Innern wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Fristen zu regeln, nach deren Ablauf zu prüfen ist, ob die weitere Speicherung der Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Bei Daten, die nach § 20 Abs. 4 automatisiert oder in personenbezogen geführten Akten gespeichert sind, dürfen die Fristen
a) bei Erwachsenen zehn Jahre,
b) bei Jugendlichen fünf Jahre und
c) bei Kindern zwei Jahre
nicht überschreiten, wobei nach Art und Zweck der Speicherung sowie Art und Bedeutung des Anlasses zu unterscheiden ist. Die Frist beginnt regelmäßig mit dem letzten Anlass der Speicherung, jedoch nicht vor Entlassung der betroffenen Person aus einer Justizvollzugsanstalt oder Beendigung einer mit Freiheitsentzug verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung. Werden innerhalb der Frist nach Satz 2 und 3 weitere personenbezogene Daten über dieselbe Person gespeichert, gilt für alle Speicherungen gemeinsam die Frist, die als letzte abläuft.
(5) Stellt die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde fest, dass unrichtige oder nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zu löschende oder nach Abs. 3 Satz 1 zu sperrende personenbezogene Daten übermittelt worden sind, ist der Empfängerin oder dem Empfänger die Berichtigung, Löschung oder Sperrung mitzuteilen. Die Mitteilung kann unterbleiben, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte bestehen, dass dadurch schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt werden können.
(6) Löschung und Vernichtung unterbleiben, wenn
1. Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt würden,
2. die betroffene Person über eine verdeckte Datenerhebung noch nicht unterrichtet worden ist, es sei denn, dass die Datenerhebung den Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen hat,
3. die Daten zur Behebung einer bestehenden Beweisnot unerlässlich sind oder
4. die Verarbeitung der Daten, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu anonymisieren sind, zu wissenschaftlichen Zwecken erforderlich ist.
In diesen Fällen sind die Daten zu sperren und mit einem Sperrvermerk zu versehen.
(7) Gesperrte Daten dürfen nur zu den in Abs. 6 Satz 1 genannten Zwecken oder sonst mit Einwilligung der betroffenen Person verarbeitet werden. In den Fällen des Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 dürfen die Daten nur zur Unterrichtung der betroffenen Person und zur gerichtlichen Kontrolle verarbeitet werden.
(8) Anstelle der Löschung und Vernichtung nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Abs. 3 Satz 2 können die Datenträger an ein öffentliches Archiv abgegeben werden, soweit besondere archivrechtliche Regelungen dies vorsehen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Die von hessischen Polizeibehörden unternommene Speicherung von personenbezogenen Daten, die für Zwecke des Erkennungsdienstes von einem Beschuldigten erhoben wurden, hat gemäß §§ 81b Alt. 2, 481 Abs. 1 Satz 1, 484 Abs. 4 StPO den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 HSOG zu genügen. Es bleibt dahingestellt, ob die polizeiliche Speicherungspraxis, nach der sich das Aussonderungsprüfdatum eines Personendatensatzes im Kriminalakten-Nachweis des polizeilichen Informationssystems bei mehreren Deliktseintragungen nach dem weiter in der Zukunft liegenden Prüfdatum der zuletzt hinzugestellten Eintragung richtet, mit der Regelung des § 27 Abs. 4 Satz 3 HSOG im Einklang steht. Die Begründung, die fortgesetzte Speicherung einer Deliktseintragung im polizeilichen Informationssystem sei im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 2 HSOG erforderlich, um den Polizeibehörden das mit dieser Eintragung verbundene erkennungsdienstliche Material zu einer Person im Hinblick auf eine andere, diese Person betreffende Eintragung verfügbar zu halten, missachtet das datenschutzrechtliche Zweckbindungsgebot (VGH Hessen, Urteil vom 16.12.2004, 11 UE 2982/02).
*** (VG)
Zur Zulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten durch das Landesamt für Verfassungsschutz bei vermuteter Einbindung des Betroffenen in die linksextremistische Szene (VG Kassel, Urteil vom 01.03.2012 - 1 K 234/11.KS zu §§ 19 I, III, IV DSG HE, 19 I VerfSchutzG HE):
... Am 19. Januar 2008 fand in D-Stadt eine Demonstration mit dem Thema Kein ruhiges Hinterland - gegen NPD Niedersachsen und Kameradschaft Northeim" statt. Zu dieser Demonstration hatten die Partei DIE LINKE und andere linksgerichtete politische Gruppierungen aufgerufen, u. a. der Ortsverband B-Stadt sowie die Kreisverbände B-Stadt und F-Stadt Bündnis 90/Die Grünen, die Grüne Jugend B-Stadt, die ver.di Jugend im Landesbezirk Niedersachsen/Bremen, die ver.di Jugend und der ver.di Ortsvorstand B-Stadt sowie verschiedene dem "antifaschistischen" Spektrum zuzurechnende Organisationen. Die Anmeldung der Demonstration war seinerzeit durch eine Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE erfolgt. Im Vorfeld dieser Demonstration wurde der Kläger auf einer zum Startpunkt der Veranstaltung führenden Straße einer Fahrzeugkontrolle unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass er in seinem Wagen ein schwarzes Dreieckstuch mit sich führte. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 2010 beantragte der Kläger beim Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, ihm Auskunft über alle zu seiner Person in den geführten Systemen der elektronischen Datenerfassung und -bearbeitung gespeicherten Daten zu erteilen. Das Auskunftsersuchen beantwortete das Landesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 30. August 2010 dahingehend, dass seit Erteilung einer Auskunft an den Kläger im Jahr 2008 weitere Daten über ihn angefallen seien. So sei die am 19. Januar 2008 getroffene polizeiliche Feststellung bekannt, dass der Kläger auf seinem Weg zu der Demonstration in D-Stadt ein Tuch mit sich geführt habe, das geeignet und offensichtlich auch dazu bestimmt gewesen sei, seine Identität zu verschleiern. Die Speicherung der Daten sei auf der Grundlage des § 6 HVerfSchG erfolgt. Die Daten seien zur Aufgabenerfüllung des Landesamtes gem. § 2 Abs. 1 HVerfSchG erforderlich. Die Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz bestehe darin, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen. Mit Schreiben vom 1. September 2010 beantragte der Kläger daraufhin die Löschung des betreffenden Eintrags. Hierauf teilte das Landesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 8. September 2010 mit, dass personenbezogene Daten bereits dann gespeichert werden dürften, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen vorlägen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien. Insoweit seien Bußgeld-, Strafverfahren oder Verurteilungen nicht maßgeblich. Die Löschung solcher Daten richte sich nach § 6 Abs. 5 HVerfSchG. Die Löschungsvoraussetzungen für die Vorkommnisse am 19. Januar 2008 in D-Stadt seien derzeit noch nicht gegeben. Daraufhin erhob der Kläger mit am 2. März 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom gleichen Tage Klage, mit der er sein Löschungsbegehren weiterverfolgt. Er macht geltend, die Datenspeicherung durch das Landesamt für Verfassungsschutz bezogen auf das hier in Rede stehende Vorkommnis sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 8 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Speicherung von Daten gem. § 6 Abs. 4 HVerfSchG, namentlich das Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 2 Abs. 2 HVerfSchG, seien nicht gegeben. Nach Nummer 1 der vorgenannten Bestimmung sei das Landesamt für Verfassungsschutz befugt, Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet seien oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele hätten, zu beobachten. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in diesem Sinne seien dabei politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet sei, einen der in § 2 Abs. 4 HVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzten. Inwieweit die streitbefangene Eintragung einen tatsächlichen Anhaltspunkt für Bestrebungen in diesem Sinne darstellen solle, sei nicht ersichtlich. Der Antrag gebe zunächst keinen Aufschluss darüber, ob er - der Kläger - tatsächlich an der Demonstration am 19. Januar 2008 teilgenommen habe. Die Feststellung, dass er sich bei der Kontrolle durch einen Polizeibeamten auf dem Weg dorthin befunden habe, stelle eine bloße Mutmaßung der kontrollierenden Beamten dar. Unter Berücksichtigung der Organisationen, die seinerzeit zur Demonstrationsteilnahme aufgerufen hätten, könne die damalige Versammlung im Übrigen auch nicht als eine solche von linksextremistischen oder teilweise linksextremistischen Gruppen eingestuft werden. Es habe sich vielmehr um eine breite, von vielen Gruppen unterschiedlicher politischer Ausrichtung getragene und ordnungsgemäß angemeldete Bündnisdemonstration gehandelt. Allein aus der Demonstrationsteilnahme könne daher nicht auf eine politische Gesinnung im Hinblick auf verfassungsfeindliche Aktivitäten geschlossen werden. Was den Besitz des mitgeführten Tuches anbetreffe, so ließen sich hieraus Schlüsse über politische Bestrebungen nicht ableiten. Die Demonstration habe bei einer Tageshöchsttemperatur von etwa 5 Grad Celsius und im Regen stattgefunden. Es sei nicht ungewöhnlich, bei solchen Wetterbedingungen weitere Bekleidung zum Schutz vor winterlicher Witterung bei sich zu führen, um sich vor Kälte und Nässe zu schützen. Ausgehend davon stelle die Datenspeicherung eine Verletzung seiner - des Klägers - Rechten aus den einleitend bereits benannten Verfassungsbestimmungen dar (wird in der Klagebegründung weiter ausgeführt).
Der Kläger beantragt, das beklagte Land zu verpflichten, den Eintrag bezüglich des Klägers, welcher sich auf die Vorkommnisse in D-Stadt am 19. Januar 2008 bezieht, zu löschen. Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat zunächst die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bezweifelt und auf die aus seiner Sicht bestehende örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wiesbaden verwiesen. In der Sache wurde ausgeführt, dass der Kläger die Löschung der sich auf den 19. Januar 2008 beziehenden Daten nicht beanspruchen könne. In seinem Fall lägen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass er linksextremistische Bestrebungen verfolge. Diese ergäben sich aus einer Gesamtschau der zu seiner Person gespeicherten Erkenntnisse. Soweit der Kläger darauf verweise, dass die Demonstration am 19. Januar 2008 von einem breiten Spektrum unterschiedlichster politischer Gruppierungen getragen worden sei, verharmlose er die Rolle von Linksextremisten, die an der Planung, Anmeldung und Durchführung der Veranstaltung maßgeblich beteiligt gewesen seien. Die Demonstration sei von Linksextremisten initiiert worden und von einer Vertreterin der extremistischen Partei DIE LINKE angemeldet worden. Zu ihren Unterstützern hätten ebenfalls eine Reihe linksextremistischer Organisationen gehört, darunter die DKP B-Stadt und verschiedene Kreisverbände der Partei DIE LINKE in Niedersachsen. Zwar hätten neben diesen extremistischen Organisationen auch nichtextremistische - etwa der Partei Bündnis 90/Die Grünen oder Gewerkschaftsverbänden zuzurechnende - Organisationen die Versammlung unterstützt. Dies sei jedoch im Kontext mit der von Linksextremisten insbesondere im Aktionsfeld Antifaschismus" mit großen Nachdruck und Erfolg verfolgten Bündnispolitik" zu sehen, in deren Rahmen Linksextremisten bewusst versuchten, nichtextremistische Organisationen in die eigene antifaschistische" Mobilisierung einzubinden. Hierbei werde die Tatsache ausgenutzt, dass zentrale Elemente rechtsextremistischer Ideologie - Nationalismus und Rassismus - im überwiegenden Teil der Bevölkerung keine Akzeptanz fänden. Dadurch erreichten antifaschistisch" ausgerichtete Proteste ein weit über die linksextremistische Szene hinausgehendes Mobilisierungspotential. Zur Teilnahme an der Demonstration am 19. Januar 2008 hätten zahlreiche Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums aufgerufen (wird in der Klageschrift unter Benennung entsprechender Internetquellen weiter ausgeführt). Auch der tatsächliche Verlauf der damaligen Demonstration belege, dass Linksextremisten seinerzeit eine bedeutende Rolle gespielt hätten. Nach einem Bericht der X-Zeitung" vom 20. Januar 2008 sei an der Spitze des Demonstrationszuges ein Block von etwa 70 schwarzgekleideten Autonomen gelaufen. Dieser Block habe bei Bürgern, die durch Reporter der Zeitung befragt worden seien, für Angst und Unbehagen gesorgt und eine einheitliche Aggressivität ausgestrahlt. Auch habe es nach der Zeitungsberichterstattung Verstöße gegen das Vermummungsverbot gegeben und es seien bei polizeilichen Vorkontrollen Feuerwerkskörper, ein Baseballschläger, ein Elektroschocker, ein Tschakko, Pfefferspray und Sturmhauben gefunden worden. Während der Demonstration sei versucht worden, die genehmigte Route zu verlassen, was jedoch durch Polizeikräfte unterbunden worden sei. Insgesamt bleibe danach festzuhalten, dass die entscheidenden Akteure bei der Demonstration Linksextremisten gewesen seien, was nach der Berichterstattung im X-Zeitung vom Vortrag der Demonstration im Übrigen zu einer Distanzierung einzelner aufrufender Verbände geführt habe.
Was den Kläger anbetreffe, so sei dieser nach polizeilichen Feststellungen bei einer Vorkontrolle auf einer zum Startpunkt der Demonstration führenden Straße überprüft worden. Die Polizei sei bei ihren Feststellungen eindeutig von einem Zusammenhang mit der Demonstration ausgegangen. Beim Kläger sei im Rahmen der Überprüfung ein von ihm mitgeführtes Tuch festgestellt worden. Wie sich aus der Presseberichterstattung zum Demonstrationsverlauf ergebe, seien im Verlauf der Demonstration mehrere Verstöße gegen das Vermummungsverbot polizeilich festgestellt worden. Bei Angehörigen des undogmatischen linksextremistischen Spektrums bzw. insbesondere bei Autonomen sei es gängige Praxis, zu Demonstrationen Gegenstände mitzuführen, die zur Vermummung dienen könnten. Hierzu zählten insbesondere Kapuzenjacken, Sonnenbrillen und Sturmhauben. Anstelle von Sturmhauben würden häufig auch Tücher oder Schals genutzt. Diese wiesen für den linksextremistischen Demonstranten den Vorteil auf, dass sie bei polizeilichen Kontrollen weniger eindeutig als Vermummungsgegenstände identifizierbar seien. Sämtliche der angeführten Vermummungsgegenstände dienten dem Zweck, im Falle eines unfriedlichen Demonstrationsverlaufs Identitätsfeststellungen und damit Strafverfolgung durch die Polizei zu erschweren. Vor diesem Hintergrund sei das vom Kläger mitgeführte Tuch keineswegs nur als Schutz vor der jahreszeitbedingten Kälte und Nässe zu bewerten.
Schließlich achte der Verfassungsschutz bei Demonstrationen, an denen neben Linksextremisten auch Nichtextremisten teilnehmen, jeweils sehr genau darauf, diese Teilnehmerspektren voneinander zu unterscheiden. Dementsprechend würden zu nichtextremistischen Demonstrationsteilnehmern auch keine Daten gespeichert. Der Kläger sei dem Landesamt für Verfassungsschutz jedoch als Linksextremist bekannt und daher dem extremistischen Teil der Demonstrationsteilnehmer zugerechnet worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht um eine Erstspeicherung von Daten zum Kläger handele. Die gespeicherte Einzelerkenntnis dürfe insoweit nicht isoliert betrachtet werden. Dem Kläger sei bereits mit Schreiben vom 26. Juni 2008 mitgeteilt worden, dass zu seiner Person Daten im Bereich des Linksextremismus gespeichert seien. Die insoweit mitgeteilten Erkenntnisse habe der Kläger nicht angegriffen, insbesondere auch nicht deren Löschung beantragt. Im Rahmen der wertenden Gesamtschau der zum Kläger gespeicherten Erkenntnisse seien daher neben der Demonstration vom 19. Januar 2008 auch weitere Sachverhalte zu berücksichtigen. Im August 1997 sei er als Teilnehmer einer Sitzblockade vor der JVA A-Stadt festgestellt worden, die durch die linksextremistische autonome Szene durchgeführt worden sei. Im Mai 2002 habe er an einer Protestaktion der linksextremistischen Szene gegen eine Gedenkveranstaltung des Kameradenkreises der Gebirgsjäger in E-Stadt teilgenommen, die alljährlich Gegenstand linksextremistischer Proteste sei. Der Kläger sei seinerzeit in Gewahrsam genommen und erst nach Beendigung der Gedenkfeier hieraus wieder entlassen worden. Im Oktober 2002 sei der Kläger bei einer nicht angemeldeten Kundgebung der autonomen Szene vor einem Anwesen eines Rechtsextremisten in F-Stadt polizeilich festgestellt worden, die nach ihrem Verlauf als sog. Home-Visit" bzw. Outing" und somit als Aktion der Autonomen Szene gegen einen Rechtsextremisten zu bewerten sei. Typische autonome Vorgehensweise sei es insoweit, Rechtsextremisten gezielt an deren Wohnorten aufzusuchen und sie vor ihren Nachbarn bloß zu stellen. Wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sei der Kläger in G-Stadt im März 2003 vorübergehend in Gewahrsam genommen worden, wo er an einer Protestveranstaltung der linksextremistischen Szene gegen eine Demonstration der NPD teilgenommen habe. Im Mai 2004 sei der Kläger wiederum in E-Stadt im Zusammenhang mit einer Aktion der linksextremistischen Szene gegen eine Kameradschaftsveranstaltung festgestellt worden. Im Februar 2005 habe er an einer demonstrativen Aktion von Abschiebegegnern am Frankfurter Flughafen teilgenommen und sei dort wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen Hausfriedensbruchs vorübergehend festgenommen worden. Da der Kläger damit aus linksextremistischen Zusammenhängen bekannt sei, sei seine Teilnahme an der Demonstration vom 19. Januar 2008 anders zu bewerten, als die Teilnahme einer Person, die dem Landesamt für Verfassungsschutz bis dahin in diesem Zusammenhang nicht bekannt geworden sei.
Auf die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts durch das beklagte Land hat sich das Verwaltungsgericht Kassel mit Beschluss vom 9. Mai 2011 als für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig erklärt. Auf die dazu abgegebene Begründung wird Bezug genommen.
Mit weiterem Beschluss vom 23. Januar 2012 hat die Kammer den Rechtstreit gem. § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 1. März 2012 hat sich der Kläger zum Ablauf der Ereignisse, die zu der streitbefangenen Erfassung in den Datenregisters des Landesamtes geführt haben, nochmals ins Detail gehend geäußert. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tage Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen verwiesen. Diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. ...
Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 2. Alternative VwGO statthaft. Zwar erstrebt der Kläger letztlich die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolges, namentlich die Löschung bestimmter zu seiner Person und zu einem bestimmten Vorkommnis beim Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz gespeicherter Daten. Die Entscheidung hierüber hat jedoch durch vorgeschalteten Verwaltungsakt zu erfolgen, so dass für die gerichtliche Durchsetzung des Löschungsbegehrens, das das Landesamt mit Schreiben vom 8. September 2010 abgelehnt hat, die Verpflichtungsklage statthafte Klageart ist (vgl. dazu auch VG Wiesbaden, Urteil vom 14. September 2005 - 6 E 2129/04 -, Juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juni 1990 - 10 S 343/90 -, ebenfalls Juris; Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 106).
Die auch im Übrigen zulässige Klage erweist sich zudem als begründet. Der Kläger kann beanspruchen, dass die Daten, die das Landesamt für Verfassungsschutz seine Person betreffend über die Vorkommnisse am 19. Januar 2008 in D-Stadt in ihrem Datenerfassungssystem gespeichert hat, gelöscht werden.
Die Behandlung eines Löschungsbegehrens, das - wie das des Klägers - die Löschung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat, richtet sich nach § 19 Abs. 1 Satz 1 HVerfSchG i. V. m. § 19 Abs. 3 und 4 HDSG (vgl. dazu auch § 2 Abs. 1 HDSG).
Gemäß § 19 Abs. 3 HDSG sind personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sobald feststeht, dass ihre Speicherung nicht mehr erforderlich ist, um die Zwecke zu erfüllen, für die sie erhoben worden sind oder für die sie nach § 13 Abs. 2 und 4 dieses Gesetzes weiterverarbeitet werden dürfen. Nach § 19 Abs. 4 HDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Verarbeitung unzulässig ist. Datenverarbeitung im Sinne dieser Bestimmung ist jede Verwendung gespeicherter oder zur Speicherung vorgesehener personenbezogener Daten. Der Begriff der Speicherung beinhaltet das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 HDSG). Ist das Gericht mit einem Löschungsbegehrens befasst, dem behördlicherseits nicht entsprochen worden ist, so ist für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Dies gilt - wie aus der Formulierung von § 19 Abs. 3 und 4 HDSG folgt ( ...erforderlich ist" bzw. unzulässig ist") - im Anwendungsbereich beider Bestimmungen. Im Rahmen der Anwendung des § 19 Abs. 4 HDSG sind personenbezogene Daten danach nicht nur dann zu löschen, wenn die Speicherung von vornherein unzulässig war, sondern auch dann, wenn die Speicherung ursprünglich zulässig gewesen ist, aber später die Rechtsgrundlage für die weitere Speicherung auf diese Weise erfasster Daten entfallen ist (vgl. dazu Simitis, BDSG, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 39).
Die (weitere) Verarbeitung personenbezogener Daten ist im Sinne des § 19 Abs. 3 HDSG unzulässig, wenn sie nicht durch eine Rechtsvorschrift erlaubt oder angeordnet ist. Die diesbezügliche Befugnis des Landesamtes für Verfassungsschutz ist in den einschlägigen Bestimmungen des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes - HVerfSchG - geregelt. Hieraus kann Folgendes entnommen werden:
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HVerfSchG ist es Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz Bestrebungen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 HVerfSchG und sammelt zu diesem Zweck Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche Bestrebungen oder Tätigkeiten und wertet sie aus (§ 2 Abs. 2 Satz 2 HDSG). In Bezug auf die vorliegend streitbefangene Datenerfassung und -speicherung hat das Landesamt für Verfassungsschutz § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVerfSchG für einschlägig erachtet, wonach der verfassungsschutzrechtliche Schutzauftrag u. a. Bestrebungen erfasst, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVerfSchG). Bestrebungen im Sinne dieser Bestimmung sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c HVerfSchG politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 4 genannten Verfassungsgrundsätze (vgl. dazu die dort unter Buchstaben a bis g aufgeführten Schutzgüter) zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Das dem Landesamt für Verfassungsschutz nach Maßgabe dieser Vorschriften eingeräumte Recht, personenbezogene Daten über Bestrebungen und Tätigkeiten im vorstehend dargelegten Sinne in seinen Datenregistern zu erfassen und zu speichern, besteht indes nicht uneingeschränkt. Erforderlich ist hierfür vielmehr, dass im Einzelfall objektive Anhaltspunkte vorliegen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Entfaltung verfassungsfeindlicher Aktivitäten durch den Betroffenen hindeuten (vgl. dazu auch VG Wiesbaden, Urteil vom 14. September 2005 - 6 E 2129/04 -, Juris).
Den streitbefangenen Dateneintrag hat das Landesamt für Verfassungsschutz vor dem Hintergrund einer aus behördlicher Sicht hinreichend dokumentierten Einbindung des Klägers in linksextremistische Kreise und Betätigung innerhalb dieser Szene vorgenommen.
Linksextremismus steht im Allgemeinen als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Anhänger linksextremistischer Gruppen stellen regelmäßig zumindest einzelne der verfassungsrechtlichen Schutzgüter in Frage, die in § 2 Abs. 4 Buchstaben a bis g HVerfSchG umschrieben sind. Solche Personen richten sich damit gegen Grundbestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Teile der betreffenden Szene verfolgen ihre Ziele im Übrigen auch unter Anwendung von Gewalt (vgl. dazu im Einzelnen auch VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 26. November 2010 - 3 K 1993/06 -, Juris). Vor diesem Hintergrund geht der Einzelrichter davon aus, dass die Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung oder linksextremistische Aktivitäten von Einzelpersonen grundsätzlich als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Buchstabe c HVerfSchG anzusehen sind und die hieran anknüpfende Sammlung von Informationen und personenbezogenen Daten sowie deren Speicherung für verfassungsschutzrechtliche Zwecke rechtfertigen können (siehe dazu auch BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 - BVerwG 6 C 22/09 -, Juris).
Dies rechtfertigt im vorliegenden Fall aber zunächst nicht die Schlussfolgerung, dass die Informationen, die dem Landesamt für Verfassungsschutz von der Einsatzpolizei in D-Stadt über die den Kläger betreffenden Vorkommnisse am 19. Januar 2008 zur Verarbeitung weitergeleitet worden sind, bereits für sich genommen eine Speicherung - ggf. auch Erstspeicherung - gerechtfertigt hätten. Der objektive Aussagegehalt der den Kläger betreffenden polizeilichen Feststellung am Demonstrationstag beschränkt sich im Kern darauf, dass seinerzeit bei einer polizeilichen Fahrzeugkontrolle, die im Vorfeld der damaligen Demonstration in der Nähe des Startpunkts der Veranstaltung durchgeführt worden ist, in seinem mit vier Personen besetzten Fahrzeug ein schwarzes Halstuch vorgefunden wurde. Dieser Umstand allein weist den Kläger unter Einbeziehung der ansonsten zu Art und Verlauf der Demonstration zu Tage getretenen Umstände nicht als aktiven Unterstützer linksextremistischer Kreise aus. Ebenso wenig kann hieraus mit der insoweit notwendigen Gewissheit entnommen werden, dass der Kläger seinerzeit beabsichtigt hat, bei der Demonstration - möglicherweise unter Verstoß gegen das Vermummungsverbot - in dem sogenannten schwarzen Block" mit zu marschieren oder aber auf sonstige Weise als Verfechter linksextremistischer Zielsetzungen auf sich aufmerksam zu machen. Das bloße Auffinden eines Halstuchs im Fahrzeug, das der Kläger zum Zeitpunkt der polizeilichen Feststellung weder umgebunden noch am Körper getragen hat, stellt insoweit kein hinreichendes Indiz dar, zumal der Kläger für das Mitführen dieses Kleidungsutensils unter Verweis auf die damaligen Witterungsbedingungen eine durchaus nachvollziehbare - und außerhalb jeglichen politischen Engagements liegende - Erklärung geliefert hat. Letztlich kann damit aus der polizeilichen Feststellung, die zu dem Dateneintrag geführt hat, mit Gewissheit lediglich die Erkenntnis entnommen werden, dass der Kläger - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung ohne Umschweife eingeräumt - am 19. Januar 2008 an einer öffentlichen Kundgebung gegen rechtsextremistische Bestrebungen im südlichen Niedersachsen teilnehmen wollte, wozu es aus den von ihm im Verhandlungstermin im Einzelnen dargestellten Gründen nicht gekommen ist. Die betreffende Demonstration, die unstreitig im Vorfeld ordnungsgemäß zur Anmeldung gebracht worden ist, mag von linksextremistischen Kräften unterstützt oder gar mit initiiert worden sein, war jedoch unstreitig nicht allein von Kräften dieser politischen Ausrichtung, sondern auch von Organisationen des bürgerlichen Spektrums getragen. Aus der Berichterstattung in der örtlichen Presse über den Verlauf der damaligen Veranstaltung, die dem Gericht vorgelegt wurde, kann entnommen werden, dass an der Demonstration etwa 600 bis 650 - nach Angaben des Veranstalters sogar 800 - Personen teilgenommen haben, von denen nur etwa 70 dem sog. schwarzen Block" und damit eindeutig dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen waren. Nicht jedem (potentiellen) Teilnehmer der Veranstaltung kann deshalb ohne weiteres eine verfassungsschutzrechtlich relevante Nähe zum linksextremen Spektrum unterstellt werden, soweit nicht handgreifliche Anhaltspunkte - etwa szenetypische Verhaltensweisen im Rahmen der Demonstrationsteilnahme - in diese Richtung weisen. Die Feststellungen, die in Bezug auf den Kläger vor der Demonstration getroffen worden sind, sind nicht ausreichend, um ihn in seiner damaligen Situation als linksextremistischen Demonstrationsteilnehmer zu qualifizieren. Insoweit hat das Landesamt für Verfassungsschutz selbst hervorgehoben, dass im Rahmen der Beobachtung von Versammlungen wie derjenigen am 19. Januar 2008 auf diese Unterscheidung genau geachtet werde, weil die Notwendigkeit der Speicherung von Erkenntnissen sich hiernach bestimme.
Allerdings ist das Landesamt für Verfassungsschutz bei einer isolierten Betrachtung der den Gegenstand des streitbefangenen Dateneintrags darstellenden Feststellung auch nicht stehengeblieben. Es hat vielmehr im Ansatz durchaus zutreffend in den Blick genommen, dass die verfassungsschutzrechtliche Relevanz einer personenbezogenen Einzelerkenntnis anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Daten mit entsprechendem Erkenntniswert zu ermitteln ist, die über die Person in den geführten Datenregistern bereits erfasst sind. Insoweit hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz auf insgesamt sechs gespeicherte Eintragungen bezogen, die Feststellungen im Zusammenhang mit der Mitwirkung des Klägers an Veranstaltungen mit augenscheinlich linksextremistischem Hintergrund in der Zeitspanne zwischen August 1997 und Februar 2005 betreffen (vgl. dazu die im Tatbestand dieses Urteils wiedergegebene Darstellung in der schriftsätzlichen Klageerwiderung).
Dass die Verarbeitung dieser Erkenntnisse zum Zeitpunkt ihrer Einspeisung in die behördlichen Datenerfassungssysteme zulässig war, weil diese den Kläger augenscheinlich in die Nähe des linksextremistischen Spektrums rücken, steht für das Gericht außer Zweifel. Bezogen auf die etwa drei Jahre nach der letzten einschlägigen Erfassung des Klägers vorgenommene Speicherung der Information über die polizeiliche Feststellung am 19. Januar 2008 hat das Landesamt für Verfassungsschutz jedoch nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt, dass die Speicherungsbefugnis in Bezug auf personenbezogene Daten in sachlicher Hinsicht durch § 6 Abs. 1 HVerfSchG beschränkt ist, wonach Umfang und Dauer der Speicherung solcher Daten auf das für die Aufgabenerfüllung des Landesamtes für Verfassungsschutz erforderliche Maß zu beschränken ist. Diese Einschränkung korrespondiert mit der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 2 HVerfSchG, die den Verfassungsschutzrechtlichen Sammlungsauftrag auf personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche - d. h. verfassungsfeindliche - Bestrebungen oder Tätigkeiten beschränkt.
Aus Sicht des Einzelrichters ist der streitbefangene Dateneintrag seinem objektiven Aussagegehalt nach auch bei Einbeziehung der Informationen, die sich zur Person des Klägers aus früheren Eintragungen in den beim Landesamt für Verfassungsschutz geführten Datenregistern ergeben, nicht geeignet, Aufschluss über seine nach wie vor bestehende Einbindung in linksextremistische Kreise oder der betreffenden Szene zuzurechnende Aktivitäten zu geben. Dass die den 19. Januar 2008 betreffenden Erkenntnisse über den Kläger hierüber letztlich nichts aussagen, wurde oben bereits in anderem Zusammenhang erläutert. Hinzu tritt, dass der Kläger bis zu seiner erneuten verfassungsschutzrechtlichen Erfassung im Jahr 2008 für eine Zeitspanne von etwa drei Jahren nicht durch einschlägiges Wirken auf sich aufmerksam gemacht hat, woran sich offensichtlich auch bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Gerichts nichts geändert hat. Dies kann angesichts der zuvor offensichtlich mehr oder weniger lückenlosen Beobachtung des Klägers und Weitergabe polizeilicher Erkenntnisse an das Landesamt für Verfassungsschutz durchaus als Indiz dafür gewertet werden, dass der Kläger seit etlichen Jahren zu einer politisch gemäßigteren Haltung gefunden hat. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eher den Eindruck hinterlassen, mit seiner Klage vor allem der verfassungsschutzrechtlichen Erfassung einer aus seiner Sicht durch die Einsatzpolizei willkürlich und zudem falsch interpretierten Situation entgegenwirken zu wollen. Von Seiten des Landesamtes für Verfassungsschutz wurden demgegenüber keine neuen personenbezogenen Erkenntnisse vorgetragen, die einer solchen Wertung entgegenstehen könnten.
Ob der Kläger die Löschung des streitbefangenen Eintrages auch deshalb beanspruchen kann, weil feststeht, dass die Speicherung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten nicht mehr erforderlich ist, um die Zwecke zu erfüllen, für die sie erhoben worden sind (§ 19 Abs. 3 HDSG), mag vor diesem Hintergrund letztlich dahinstehen. In diese Richtung könnte aber ebenfalls der Umstand weisen, dass über den Kläger seit Februar 2005 - mit Ausnahme der wie oben dargelegt über den Vorfall am 19. Januar 2008 unzulässig gespeicherten Erkenntnis - keine verfassungsschutzrechtlich relevanten Erkenntnisse mehr festgehalten worden sind. ..."
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Für die Aufnahme ungeeigneter Lehrkräfte in die sog. "Schwarze Liste" (Informationsliste der Schulverwaltung zur Vermeidung der Wiedereinstellung ungeeigneter Lehrkräfte in den hessischen Schuldienst) besteht eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 HDSG i.V.m. §§ 107 Abs. 1 und 4, 107 g Abs. 1, 107 d HGB). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Lehrkraft sich nicht durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennt, können sich aus der Gesamtschau einer Vielzahl von Mosaiksteinen ergeben:
a) Dazu gehört herausragendes Engagement für die "Republikaner" ebenso wie Mitgliedschaft und Kandidatur für ein Bürgerbündnis, dem nachweislich Neonazis und Rechtsextreme angehören.
b) Auch Auftritte bei Kundgebungen national-konservativer Organisationen, Interviews für die NPD-Zeitschrift und private Bindungen zu bekannten NPD-Funktionären dürfen mit berücksichtigt werden.
Ein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit ist mit dieser Speicherung nicht verbunden (VG Darmstadt, Urteil vom 24.08.2011 - 5 K 1685/10.DA zu Art 12 GG, § 34 I DSG HE, §§ 107 I, IV, 107 d BG HE u.a.).
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... Die Beteiligten streiten um die Löschung von Daten, die der Beklagte in Durchführung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (Brandenburgisches Verfassungsschutzgesetz - BbgVerfSchG) über den Kläger gespeichert hat. ...
Die Klage ist nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Schriftsätzen vom 20. Januar 2009 und vom 03. März 2009 hinsichtlich des ursprünglichen Begehrens auf Löschung und Änderung der Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage als solche zulässig (1.), hat aber in der Sache weder im Hauptantrag (2.) noch im Hilfsantrag (3.) Erfolg.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO), ob der Beklagte mit dem Bescheid vom 02. August 2006 die Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten zu Recht abgelehnt hat. Die Klägervertreter haben insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass sich dem Schriftsatz des Beklagten vom 13. September 2010 schlüssig entnehmen lässt, dass er die Daten über den Kläger nicht nur gespeichert, sondern auch an Dritte übermittelt hat.
Denn der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. September 2010 auf die entsprechende Aufforderung des Einzelrichters erklärt, die zum Kläger gespeicherten Daten weder an eine Polizeidienststelle, auch nicht an das Bundeskriminalamt, noch an einen ausländischen Nachrichtendienst übermittelt zu haben. Eine weitergehende Auskunft sei nicht möglich, da diese Daten Teil der geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen seien, die dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Sperrerklärung vorgelegen hätten.
Dieser Äußerung lässt sich schlüssig entnehmen, dass der Beklagte eine Übermittlung an inländische Nachrichtendienste nicht ausdrücklich verneint. Die entsprechende Schlussfolgerung des Klägers in dessen Schriftsatz vom 27. September 2010, der Beklagte habe die Daten an inländische Nachrichtendienste weitergegeben, hat der Beklagte bis heute nicht in Zweifel gezogen. Die Annahme des Klägers, inländische Nachrichtendienste (etwa das Bundesamt für Verfassungsschutz) verfügten über die vom Beklagten über den Kläger gespeicherten Daten und hätten diese z.B. an das Bundeskriminalamt weitergegeben, das daraus für den Kläger nachteilige Folgen abgeleitet habe oder die Daten seien (jedenfalls zum Teil) ins nachrichtendienstliche Informationssystem des Bundes und der Länder (NADIS) eingestellt worden und deshalb allen Nutzern dieses Systems zugänglich, ist nicht von der Hand zu weisen. Dies könnte auch die Probleme des Klägers mit den Schweizer Behörden und dem Bundeskriminalamt erklären. Aufgrund der Weitergabe würden die Informationen trotz der Löschung durch den Beklagten weiterhin durch (dem Kläger und dem Gericht unbekannte) Dritte nutzbar sein.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht mit der - für die Annahme einer Unzulässigkeit der Klage - erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren die Rechtsposition des Klägers in anderer Sache erheblich verbessern würde. Denn der Kläger hat insoweit zu Recht auf die Verfahren verwiesen, die er gegen die Speicherung und Verwendung von personenbezogenen Daten durch das Bundeskriminalamt und Schweizer Behörden angestrengt hat. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Speicherung durch den Beklagten könnte angesichts einer möglichen Übermittlung von Daten durch den Beklagten an das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Weitergabe dieser Daten an das Bundeskriminalamt unmittelbare Folgen für das gerichtliche Verfahren gegen das Bundeskriminalamt haben. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und/oder andere inländische Verfassungsschutzbehörden die ihnen vom Beklagten übermittelten Daten möglicherweise auch an Schweizer Behörden weitergegeben haben. Insofern könnte der Ausgang des vorliegenden Verfahrens auch für eine mögliche Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Schweizerischen Bundesverwaltungsgericht von Bedeutung sein (vgl. das Schreiben des Abteilungspräsidenten des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 2009). Darin hatte der Abteilungspräsident des schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts darauf hingewiesen, dass dem Kläger die Möglichkeit offen stehe, erneut ein Gesuch beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten einzureichen und die Löschung der in der Schweiz über ihn gespeicherten Daten zu beantragen, wenn gerichtlich festgestellt werden sollte, dass der Kläger zu Unrecht von deutschen Behörden registriert worden sei.
Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ablehnung der Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten mit dem ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 02. August 2006 rechtswidrig gewesen ist (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO).
Das ursprüngliche, mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnte Begehren des Klägers auf Löschung der über ihn gespeicherten Daten stützte sich auf § 8 Abs. 3 Satz 1 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes (BbgVerfSchG). Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten (u. a. dann) zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Dass die Speicherung der vom Beklagten in der Sperrerklärung vom 26. September 2007 bezeichneten Daten über den Kläger unzulässig gewesen wäre, kann der Einzelrichter nicht zu seiner Überzeugung feststellen.
Der Beklagte hat die Speicherung der Daten seinerseits auf § 8 Abs. 1 S. 1 BbgVerfSchG gestützt. Danach darf die Verfassungsschutzbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, speichern, verändern und nutzen, wenn
1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 vorliegen oder
2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 erforderlich ist.
Mit der Speicherung und Nutzung verbundene Eingriffe in den Schutzbereich des Grundrechtes der informationellen Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil 1 BvR 209/83 vom 15. Dezember 1983) sind durch die verfassungsgemäße Schrankenregelung des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes im überwiegenden Allgemeininteresse (Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung) gerechtfertigt, wenn deren Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt werden.
Der Beklagte hat behauptet, dass die Voraussetzungen für die Speicherung vorlägen, weil sich aus den Daten, deren Löschung er mit dem ursprünglich angefochtenen Bescheid abgelehnt hat, bezogen auf den Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG ergäben (vgl. die entsprechende Feststellung in der Sperrerklärung des Beklagten vom 26. September 2007, Seite 3, Bl. 57 der Gerichtsakte).
Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG sind solche, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BbgVerfSchG sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, die in Abs. 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Nach § 4 Abs. 3 BbgVerfSchG zählen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes:
1. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte,
2. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
3. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
4. das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
5. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
6. die Unabhängigkeit der Gerichte und
7. der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.
Gemäß § 4 Abs. 4 BbgVerfSchG handelt für einen Personenzusammenschluss, wer ihn in seinen Bestrebungen aktiv unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise sonst geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen.
Der Beklagte hat die Ablehnung des Löschungsantrags auf die Zulässigkeit der Datenspeicherung gestützt und diese damit begründet, dass sich aus den vom Kläger gespeicherten Informationen dessen Einbindung in die linksextremistische Szene Brandenburgs nachzeichnen lasse (Sperrerklärung des Beklagten vom 26. September 2007, Seite 1, Bl. 55 der Gerichtsakte).
Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Anhänger linksextremistischer Gruppen stellen
deshalb u.a. in Frage:
- die gegenwärtige Rechts- und Eigentumsordnung (Art. 14 des Grundgesetzes)
- die Ausübung der Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung und das Prinzip der repräsentativen Demokratie, also der Vertretung des Volkes durch ein in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl bestimmtes Parlament.
Sie richten sich damit gegen Grundbestandteile der (oben beschriebenen) freiheitlichen demokratischen Grundordnung und verfolgen diese Ziele auch unter Anwendung von Gewalt. Bekannt geworden sind etwa die Brandanschläge gegen Pkws in Berlin und regelmäßige gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei, in die sich die Vorgänge um den Schwarzen Block' bei der Demonstration gegen die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung am 02. Oktober 2004 nahtlos einreihen.
Vor diesem Hintergrund hat der Einzelrichter keine Zweifel daran, dass eine Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung oder linksextremistische Aktivitäten von Einzelpersonen als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG die - hierauf bezogene - Sammlung von Informationen und personenbezogenen Daten sowie deren Speicherung gemäß § 8 Abs. 1 BbgVerfSchG rechtfertigen können (vgl. hierzu auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil 6 C 22/09 vom 21. Juli 2010).
Voraussetzung hierfür ist jedoch gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 und § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgVerfSchG, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Gruppierung oder für linksextremistische Aktivitäten von Einzelpersonen vorliegen.
Der Beklagte hat insoweit erklärt, tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung hätten sich zunächst aus dem Ausschnitt der über den Kläger gespeicherten Daten ergeben, der dessen Festnahme bei der Demonstration gegen die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung am 02. Oktober 2004 betraf. Die Annahme des tatsächlichen Vorliegens für Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG werde untermauert durch weitere beim Beklagten vorliegende ausschließlich sachbezogene Erkenntnisse. Danach hätten nämlich an der Protestaktion gegen die Arbeitsmarktreform auch rund 150 Anhänger der militanten linksextremistischen Szene teilgenommen. Ausschließlich aus einem dieser Szene zugeordneten Block, der das Ende der Bescheidenheit forderte', seien Farbeier geworfen worden. Nur in diesem Demonstrationsteil hätten sich auch die Demonstrationsteilnehmer vermummt. Es spreche daher eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch der Kläger aus dem Block der militanten linksextremistischen Demonstrationsteilnehmer stammte.Schließlich sei das Vorliegen von Bestrebungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG in der Person des Klägers auch durch weitere zum Kläger vorliegende personenbezogene Erkenntnisse untermauert, die jedoch geheimhaltungsbedürftig seien.
Nicht zu folgen ist dem Beklagten zunächst in dessen Auffassung, bereits die bei ihm vorliegenden Informationen über die Vorkommnisse am 02. Oktober 2004 rechtfertigten für sich genommen eine Erstspeicherung. Denn allein aus den Unterlagen des Polizeipräsidenten in Berlin (Beiakte II zur Gerichtsakte) lassen sich bei isolierter Betrachtung keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Zusammenhang des Klägers mit Gruppierungen der linksextremistischen Szene entnehmen. Weder wird darin festgestellt, dass der Kläger in dem so genannten Schwarzen Block' mitmarschiert wäre noch werden Äußerungen oder Handlungen des Klägers geschildert, die allein den Schluss auf linksextremistische Aktivitäten tragen könnten. Die Polizeibeamten haben vielmehr zunächst das Geschehen rings um die Farbeiwürfe protokolliert, um sodann - ohne sprachlich oder sonst einen Zusammenhang herzustellen - quasi separat die Festnahme des Klägers zu schildern. Der Kläger hat seinerseits substantiiert eine Version der Geschehnisse gegeben, die (ohne logische Widersprüche) eine Erklärung der Vorkommnisse auch ohne einen Bezug zum Schwarzen Block' erlauben würde (vgl. den Schriftsatz seiner Bevollmächtigten im Strafverfahren 81 Js 3413/04 vom 20. Juni 2005, Blatt 169 ff. der vorliegenden Gerichtsakte).
Das ursprüngliche Begehren des Klägers auf Löschung wäre allerdings unbegründet, wenn die Speicherung deshalb zulässig gewesen wäre, weil sich in den anderen, vom Beklagten in Bezug genommenen geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen Anhaltspunkte für Aktivitäten des Klägers in der linksextremistischen Szene befinden. Der Beklagte hat in der Sperrerklärung vom 26. September 2007 ausdrücklich behauptet, dass sich aus den nicht mitgeteilten Informationen die Einbindung des Klägers in die linksextremistische Szene Brandenburgs nachzeichnen lasse'.
Ob dies zutrifft, kann der Einzelrichter nicht feststellen.
Grund hierfür ist die Weigerung des Ministeriums des Innern als der für die Verfassungsschutzbehörde zuständigen obersten Aufsichtsbehörde, diese Informationen im gerichtlichen Verfahren vorzulegen. Die Weigerung hat der Staatssekretär im Ministerium des Innern u.a. damit begründet, dass die Bekanntgabe der Informationen Personen gefährden und die Aufgabenwahrnehmung des Verfassungsschutzes erschweren würde (Sperrerklärung vom 26. September 2007, Seite 1, Blatt 55 der Gerichtsakte). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und das Bundesverwaltungsgericht haben die Weigerung im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO für rechtmäßig erklärt.
Ist infolge einer Weigerung der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Urkunden oder Akten vorzulegen, im gerichtlichen Verfahren nicht feststellbar, ob in Akten des Landesamtes gespeicherte personenbezogene Daten tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BbgVerfSchG geben, so kann der Betroffene nicht die Löschung der gespeicherten Daten verlangen. Der Einzelrichter folgt insoweit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 34/05 vom 27. September 2006.
Darin hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Betroffener die Beifügung eines Unrichtigkeitsvermerks' nach § 13 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) nicht verlangen kann, wenn infolge einer Weigerung der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO, Urkunden oder Akten vorzulegen, im gerichtlichen Verfahren nicht feststellbar ist, ob in Akten des Bundesamtes gespeicherte personenbezogene Daten richtig oder unrichtig sind (vgl. BVerwG, Urteil 3 C 34/05 vom 27. September 2006, Rn. 19, zitiert nach juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Auffassung damit begründet, dass der Anspruch auf Vermerk der Unrichtigkeit in Akten gespeicherter personenbezogener Daten nach § 13 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz voraussetze, dass die Unrichtigkeit festgestellt werden. Lasse sich hingegen weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen, so könne der Betroffene lediglich die Beifügung eines Bestreitensvermerks verlangen.
Nach Auffassung des Einzelrichters kann für die Löschung von gespeicherten Daten nach § 12 Abs. 2 BVerfSchG bzw. (wie im vorliegenden Fall) nach § 8 Abs. 3 BbgVerfSchG nichts anderes gelten. Denn auch die Löschung von personenbezogenen Daten wird vom Gesetz nur dann verbindlich vorgeschrieben, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Lässt sich hingegen weder die Zulässigkeit noch die Unzulässigkeit der Speicherung feststellen, so kann der Betroffene ebenfalls nicht die Löschung der Daten, sondern allenfalls die Beifügung eines Bestreitensvermerks (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BbgVerfSchG) verlangen. Insofern ist die rechtliche Situation bei der Löschung keine andere als bei der Berichtigung von Daten nach § 12 Abs. 1 BVerfSchG. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass noch nicht einmal das allgemeine Datenschutzrecht eine Verpflichtung zur Berichtigung von Daten in non-liquet-Situationen' vorschreibe und dass nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die Tätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz stärker beschränken wollte als die Tätigkeit von Verwaltungsbehörden im allgemeinen. Der Einzelrichter macht sich die ausführliche Begründung des Bundesverwaltungsgerichts zu eigen (BVerwG, Urteil 3 C 34/05 vom 27. September 2006, Rn. 21 ff., zitiert nach juris).
Dem Bundesverwaltungsgericht ist auch darin zu folgen, dass mit dieser gesetzlichen Regelung zugleich auch über die Verteilung der Beweislast entschieden ist: Verlangt der Betroffene die Löschung von in Akten enthaltenen personenbezogenen Daten (oder wie im vorliegenden Fall die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung eines Löschungsantrags), so trägt er die Beweislast, wenn sich im Prozess weder die Zulässigkeit noch die Unzulässigkeit der Speicherung feststellen lässt.
Im vorliegenden Fall sind die Bemühungen um eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Einholung von Informationen außerhalb der Verfassungsschutzakten gescheitert; insbesondere konnten die Akten der Staatsanwaltschaft, die das Gericht nach dem Erörterungstermin angefordert hatte, nicht vorgelegt werden, weil diese bereits vernichtet worden waren (vgl. das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 19. April 2010, Blatt 148 der Gerichtsakte). Weitere Ermittlungsansätze hat weder der Kläger benannt noch sind diese sonst ersichtlich. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, allgemein zu bestreiten, dass er an linksextremistischen Zusammenkünften oder Zusammenkünften von linksextremistischen Personenzusammenhängen teilgenommen habe und dass er sich in oder für einen Personenzusammenschluss nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BbgVerfSchG beteiligt oder betätigt habe (vgl. den Schriftsatz der Klägervertreter vom 23. März 2010, Blatt 123 der Gerichtsakte). Zeugen oder andere Beweismittel für diese Behauptung hat er nicht benannt, sie sind auch sonst nicht ersichtlich (Zeugen hat der Kläger lediglich hinsichtlich der Vorfälle am 02. Oktober 2004 angeboten, vgl. den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 31. August 2010, Blatt 164 der Gerichtsakte).
Der Einzelrichter verkennt nicht, dass der Beweis des Nichtvorliegens von Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgVerfSchG als sogenannter Negativbeweis' im Einzelfall schwer zu führen sein kann. Allerdings ist auch insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu folgen, wonach auch die Schwierigkeit eines Negativbeweises grundsätzlich nicht die Verteilung der Beweislast ändert (vgl. Urteil 2 C 10.96 vom 30. Januar 1997, BVerwGE 104, 55 [58] und die weiteren Nachweise in dem oben zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts). Angesichts der beschriebenen gesetzlichen Regelung besteht auch für den vorliegenden Zusammenhang des Datenschutzrechts kein Anlass, von diesen Grundsätzen abzugehen.
Dies gilt schließlich auch, wenn man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berücksichtigt, wonach den besonderen Schwierigkeiten, denen die beweisbelastete Partei bei sog. negativen Tatsachen regelmäßig ausgesetzt ist, bei der Art und Weise der Beweisführung dadurch Rechnung zu tragen ist, dass der nicht Darlegungspflichtige näher vorträgt, was für das Positive spricht, und die darlegungspflichtige Partei alsdann dem entgegenstehende Tatsachen vorzutragen hat (BGH, Urteil III ZR 20/83 vom 13. Dezember 1984, NJW 1985, 1774). Hintergrund dieser sog. sekundären Darlegungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei sind Erwägungen der prozessualen Zumutbarkeit: Die zivilrechtliche Rechtsprechung erlegt dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei eine sekundäre Behauptungslast vor allem dann auf, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urteil I ZR 220/90 vom 08. Oktober 1992, NJW-RR 1993, 746).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in der bereits zitierten Entscheidung 3 C 34/05 vom 27. September 2006 zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Rechtsprechung vor dem Hintergrund der sog. Verhandlungsmaxime ergangen ist, die den Zivilprozess beherrscht, während der Verwaltungsprozess vom Grundsatz der Amtsermittlung geprägt wird. Schon deshalb schlägt sich die materielle Beweislast im Verwaltungsprozess nicht in einer prozessualen Darlegungslast nieder. Vielmehr sind die Beteiligten hier grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Verteilung der materiellen Beweislast zur Mitwirkung bei der Sachaufklärung verpflichtet (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO). Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass einem Beteiligten eine besondere Mitwirkungspflicht hinsichtlich solcher Umstände obliegt, die allein in seiner Sphäre liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1997 a.a.O. S. 58 f. bzw. S. 8 f.).
Der Beklagte aber war zu einer näheren Darlegung widerlegbarer Umstände' nicht verpflichtet, ja rechtlich gar nicht imstande. In der Diktion der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war ihm die nähere Darlegung rechtlich nicht möglich oder zumutbar'. Dem stand nämlich die Sperrerklärung des Innenministeriums nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO entgegen. Macht die oberste Aufsichtsbehörde von dieser Möglichkeit der Geheimhaltung rechtmäßig Gebrauch, so ist der im Prozess beteiligten Behörde insoweit eine nähere Darlegung aus Rechtsgründen nicht möglich. Dass die Sperrerklärung im vorliegenden Fall aber rechtmäßig war, steht nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO bindend fest.
Aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt nichts anderes. Auch insoweit kann auf die oben bereits zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen werden, das hierzu ausgeführt hat:
Dieses Grundrecht gewährleistet dem Betroffenen effektiven Rechtsschutz bei der Durchsetzung eines behaupteten Datenberichtigungsanspruchs. Die Rechtsschutzgarantie schließt ein, dass die Verwaltungsvorgänge, welche der behördlichen Weigerung, die Daten zu berichtigen, zugrunde liegen, dem Gericht zur Verfügung stehen, soweit sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Verhaltens von Bedeutung sein können (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 (122)). Art. 19 Abs. 4 GG schließt allerdings, obwohl er vorbehaltlos formuliert ist, Einschränkungen nicht von vornherein aus. Es ist anerkannt, dass Ansprüche auf Aktenvorlage, die sich dem Grunde nach aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben, eingeschränkt werden können, wenn das Bekanntwerden der Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Hierzu gehört auch der Schutz nachrichtendienstlicher Informationen, Informationsquellen und Arbeitsweisen sowie die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen an Informanten (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 a.a.O. S. 127 f.). Die Ansprüche aus Art. 19 Abs. 4 GG dürfen aber auch dann nur unter Wahrung derjenigen Anforderungen eingeschränkt werden, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 a.a.O. S. 124 f.).
§ 99 VwGO stellt eine verfassungsrechtlich einwandfreie Gesetzesgrundlage für die Einschränkung von Verfahrensansprüchen auf Aktenvorlage, Auskunft usw. dar. Namentlich lässt sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden, dass nach § 99 Abs. 2 VwGO die erforderliche Abwägung zwischen dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung im Prozess auf der einen und den öffentlichen Geheimschutzbelangen auf der anderen Seite nicht in dem Rechtsschutzverfahren selbst, sondern abschließend in einem gesonderten Zwischenverfahren erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 und 2111/03 - DVBl 2006, 694). Daraus folgt im Gegenschluss, dass dem Gericht im Hauptsacheverfahren eine eigenständige - ggf. abweichende - Bewertung der öffentlichen Geheimschutzbelange und deren Abwägung mit dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen verwehrt ist. Dies ist dem Hauptsachegericht auch gar nicht möglich, schon weil die oberste Aufsichtsbehörde nicht verpflichtet ist, die Gründe für ihre Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch im Hauptsacheverfahren mitzuteilen.
Wird im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtmäßig ist, so steht damit für das Hauptsacheverfahren bindend fest, dass die Aktenvorlage oder Auskunftserteilung aus Rechtsgründen nicht möglich ist, ohne dass es auf die Gründe hierfür noch ankäme. Gleichwohl gebieten Art. 19 Abs. 4 GG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass das Hauptsachegericht die ihm verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung vollständig ausschöpft und dass es die ihm zugänglichen Tatsachen sämtlich in seine Sachwürdigung einbezieht. Führt die Sperrerklärung dazu, dass bestimmte Umstände nicht aufklärbar bleiben oder dass die Aussagekraft festgestellter Tatsachen vermindert ist, so hat es auch dies angemessen zu würdigen. Dabei hat es sich im Zweifel an der gesetzlichen Verteilung der materiellen Beweislast zu orientieren (vgl. Beschlüsse vom 21. Juni 1993 - BVerwG 1 B 62.92 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 22 S. 13 und vom 1. Februar 1996 - BVerwG 1 B 37.95 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 24 S. 8 f.). Das gilt auch dann, wenn der Betroffene - wie hier - die materielle Beweislast trägt (vgl. Beschluss vom 15. August 2003 - BVerwG 20 F 8.03 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 34 S. 20 f. und dazu BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 und 2111/03 - Rn. 100 = DVBl 2006, 694 (697)). Art. 19 Abs. 4 GG gebietet nicht - lässt nicht einmal zu -, die jeweilige gesetzliche Verteilung der Beweislast zu verändern.'
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kann danach nicht davon ausgegangen werden, dass eine Löschung der über den Kläger gespeicherten Daten deshalb geboten war, weil tatsächliche Anhaltspunkte für eine Einbindung des Klägers in die linksextremistische Szene und damit für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht bestünden, betrifft dies nicht nur die geheim gehaltenen Daten, die nach den Angaben des Beklagte diese tatsächlichen Anhaltspunkte enthalten, sondern auch die Angaben zu den Vorkommnissen am 02. Oktober 2004. Denn wenn aus Sicht des Beklagten zuvor bereits Informationen über eine Einbindung des Klägers in die linksextremistische Szene vorlagen, deren Löschung der Kläger nach dem vorstehenden nicht verlangen konnte, musste er auch das vermummte' Auftreten des Klägers auf einer Demonstration, bei der es auch zu Gewaltdelikten linksextremistischer Personen gekommen war, anders bewerten als bei einer (von ihm im gerichtlichen Verfahren angestellten) isolierten Betrachtung. Es handelt sich insoweit dann nämlich nicht um eine Erstspeicherung', die nur zulässig ist, wenn gerade die gespeicherten Daten tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen enthalten, sondern um Speicherung von zusätzlichen Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BbgVerfSchG. Danach darf die Verfassungsschutzbehörde auch Informationen speichern, die für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 BbgVerfSchG erforderlich sind (§ 8 Abs, 1 Satz 1 Nr. 2 BbgVerfSchG). Hierzu gehören jedenfalls Handlungen, die einen Anfangsverdacht für (möglicherweise politisch motivierte) Delikte nach dem Versammlungsgesetz oder entsprechende Gewaltdelikte (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) begründen. Denn § 4 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 Satz 1 BbgVerfSchG verpflichten die Verfassungsschutzbehörde insbesondere zur Sammlung von Informationen über gewalttätige (politische) Aktivitäten. Dass die Angaben der Polizeibeamten in den gespeicherten Protokollen jedenfalls einen solchen Anfangsverdacht rechtfertigten, zeigt auch die Tatsache, dass das Strafverfahren nicht wegen mangelnden Tatverdachts, sondern nach § 153a StPO eingestellt wurde. Ob sich der Anfangsverdacht im Rahmen eines Strafverfahrens hätte erhärten lassen, ist für den vorliegend streitbefangenen Anspruch auf Löschung der Daten ohne Belang. ..." (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 26.11.2010 - 3 K 1993/06)
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Die StPO beinhaltet in § 81b Alt. 2 StPO lediglich eine Erhebungsnorm, ohne den weiteren Umgang mit den danach erhobenen erkennungsdienstlichen Daten zu regeln oder gar eine Verwendung dieser Daten in eigener Kompetenz und Zuständigkeit nach Landespolizeirecht oder Bundeskriminalamtgesetz zuzulassen. In den §§ 479 ff. StPO ist nur der Datenumgang mit den personenbezogenen Daten geregelt, welche anlässlich eines konkoreten Strafverfahren zum Zwecke der Strafverfolgung in diesem konkreten Verfahren erhoben worden sind. Die bisherige ständige Rechtsprechung zu § 81b Alt. 2 StPO ist im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 15.12.1983 zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unter der Berücksichtigung der Novellierung der StPO mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 im Jahr 2000 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dem Gesetzgeber ist zur - weiteren - Verwendung ohne die erforderliche Rechtsgrundlage erhobener Daten keine Übergangsfrist einzuräumen, denn er wollte die Materie der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 abschließend regeln; eine durch die Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke ist wegen des dadurch erklärten Willens des Gesetzgebers nicht (mehr) gegeben. Eine Erhebung von Daten, welche anschließend weder verarbeitet noch genutzt werden dürfen ist wegen des Eingriffes in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i. V. mit Art. 2 I GG ohne normative Rechtsgrundlage nicht nur unverhältnismäßig, sondern rechtswidrig. Ein Verfahrensverzeichnis muss vor dem Einsatz des automatisierten Verfahrens (hier: POLAS Hessen) erstellt werden. Fehlt dieses, liegen bereits die formalen Voraussetzungen für die Verwendung personenbezogener Daten nicht vor. Bei der Prüffrist und Löschung gem. § 27 IV HessSOG ist auf jeden einzelnen Fall der Speicherung gesondert abzustellen. Anlass der Speicherung sind die jeweiligen Delikt- und Tatvorwürfe für sich getrennt, sie sind bei der Fristenberechnung jeder für sich zu betrachten. Für die automatisierten Dateien "KAN" und "Erkennungsdienst" beim Bundeskriminalamt fehlt es an der entsprechenden Errichtungsanordnung. Die Errichtungsanordnung ist gem. § 34 BKAG grundsätzlich vor der Einführung einer automatisierten Datei zu erfassen. Die Speicherung personenbezogener Daten in den Dateien des Bundeskriminalamtes ist unzulässig, weil es an der Rechtsverordnung gem. § 7 VI BKAG fehlt, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach §§ 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen. Die Richtlinien über die kriminalpolizeiliche personenbezogene Sammlung (KPS-Richtlinien) oder die Erkennungsdienstliche Richtlinie (ED-Richtlinie) sind keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Anwendung personenbezogener Daten beim Bundeskriminalamt (VG Gießen, Urteil vom 29.04.2002 - 10 E 141/01).
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Ein Anspruch auf Herausgabe einer über einen Betroffenenen geführten Akte besteht weder nach den allgemeinen noch den bereichsspezifischen Datenschutzgesetzen, noch handelt es sich hierbei um einen Ausfluss aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG. Die Selbstbestimmung über die Preisgabe von Daten fordert nicht zwingend auch die Rückgabe von Daten, welche Dritte einmal erlangt haben. Dem Betroffenen steht vielmehr neben einem Akteneinsichtsrecht grundsätzlich nur die Löschung und Sperrung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu. Für die Löschung von Aktenteilen findet § 27 HSOG Anwendung, wenn eine Behörde als Gefahrenabwehrbehörde (Verwaltungsbehörde) im Rahmen von Maßnahmen nach dem Hessischen Freiheitsentziehungsgesetz tätig wird. § 27 HSOG ist als bereichsspezifische Norm gegenüber dem Hessischen Datenschutzgesetz vorgreiflich. Mangels anderweitiger Regelung ist jedoch davon auszugehen, dass die Prüffristenverordnung abschließend und damit der Auffangtatbestand "sonstige Personen" gegeben ist - auch wenn § 4 PrüffristVO nur auf Daten in anderen Dateien abstellt. Auskunft nach § 29 HSOG kann insoweit nicht verlangt werden, als die Abwägung ergibt, dass die Rechte des Betroffenen hinter dem öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung oder dem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse Dritter zurücktreten müssen. Die Entscheidung trifft die Behördenleitung oder ein von dieser beauftragter Bediensteter. Eine pauschale Verweigerung einer Auskunft über den Akteninhalt darf nicht erfolgen. Das Widerspruchsrecht gegen weitere Nutzung personenbezogener Daten nach § 7 V HDSG wurde im Bereich des Polizeirechts nicht ausgeschlossen (VG Gießen, Urteil vom 14.02.2000 - 10 E 2505/99).
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§ 28 Verfahrensverzeichnis
(1) Wer für den Einsatz eines Verfahrens zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten zuständig ist, hat ein für den behördlichen Datenschutzbeauftragten bestimmtes Verfahrensverzeichnis zu erstellen. Sein Inhalt bestimmt sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 des Hessischen Datenschutzgesetzes. Es hat außerdem Prüffristen nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zu enthalten.
(2) Die Angaben des Verfahrensverzeichnisses können bei der datenverarbeitenden Stelle von jeder Person eingesehen werden, soweit dadurch die Sicherheit des Verfahrens nicht beeinträchtigt wird oder die datenverarbeitende Stelle eine Einsichtnahme im Einzelfall mit der Erfüllung ihrer Aufgaben für unvereinbar erklärt. § 29 Abs. 5 Satz 1 gilt entsprechend.
(3) Sind nach besonderen Rechtsvorschriften Verfahrensverzeichnisse oder Errichtungsanordnungen zu erstellen, treten diese an die Stelle des Verfahrensverzeichnisses nach Abs. 1.
§ 29 Auskunft und Unterrichtung
(1) Der betroffenen Person ist auf Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über
1. die zu ihrer Person gespeicherten Daten,
2. die Herkunft der Daten und die Empfängerinnen oder die Empfänger von Übermittlungen, soweit dies festgehalten ist,
3. den Zweck und die Rechtsgrundlage der Speicherung und sonstigen Verarbeitung.
In dem Antrag soll die Art der Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden. Bei einem Antrag auf Auskunft aus Akten kann erforderlichenfalls verlangt werden, dass Angaben gemacht werden, die das Auffinden der Daten ohne einen Aufwand ermöglichen, der außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person geltend gemachten Informationsinteresse steht. Kommt die betroffene Person dem Verlangen nicht nach, kann der Antrag abgelehnt werden. Statt einer Auskunft über Daten in Akten können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden der betroffenen Person Akteneinsicht gewähren.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden.
(3) Abs. 1 gilt außerdem nicht, soweit eine Abwägung ergibt, dass die dort gewährten Rechte der betroffenen Person hinter dem öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung oder einem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse Dritter zurücktreten müssen. Die Entscheidung trifft die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter.
(4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf einer Begründung insoweit nicht, als durch die Mitteilung der Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde.
(5) Wird Auskunft nicht gewährt, ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Datenschutzbeauftragte oder den Datenschutzbeauftragten wenden kann. Dies gilt nicht in den Fällen des Abs. 1 Satz 4. Die Mitteilung der Datenschutzbeauftragten oder des Datenschutzbeauftragten an die betroffene Person darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der speichernden Stelle zulassen, sofern sie nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt.
(6) Wurden personenbezogene Daten durch eine verdeckte Datenerhebung erlangt, sind die betroffenen Personen hierüber nach Abschluss der Maßnahme auch ohne Antrag zu unterrichten. Betroffen sind die Person, gegen die sich die Maßnahme gerichtet hat, deren Gesprächspartner sowie der Inhaber einer Wohnung in den Fällen des § 15 Abs. 4. Die Unterrichtung unterbleibt, soweit dies im überwiegenden Interesse der Person liegt, gegen die sich die Maßnahme gerichtet hat, oder wenn die Ermittlung der betroffenen Person oder deren Anschrift einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordern würde. Eine Unterrichtung unterbleibt ferner, solange sie den Zweck der Maßnahme, ein sich an den auslösenden Sachverhalt anschließendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder Leib, Leben oder Freiheit einer Person gefährden würde. Die Entscheidungen nach Satz 3 und 4 trifft die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter. Über die Zurückstellung der Unterrichtung ist der Hessische Datenschutzbeauftragte spätestens sechs Monate nach Abschluss der Maßnahme und danach in halbjährlichen Abständen in Kenntnis zu setzen.
(7) Sind die personenbezogenen Daten in ein anhängiges Strafverfahren eingeführt, so ist vor Erteilung der Auskunft oder vor der Unterrichtung die Zustimmung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Ein Anspruch auf Herausgabe einer über einen Betroffenenen geführten Akte besteht weder nach den allgemeinen noch den bereichsspezifischen Datenschutzgesetzen, noch handelt es sich hierbei um einen Ausfluss aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 I i.V.m. Art. 2 I GG. Die Selbstbestimmung über die Preisgabe von Daten fordert nicht zwingend auch die Rückgabe von Daten, welche Dritte einmal erlangt haben. Dem Betroffenen steht vielmehr neben einem Akteneinsichtsrecht grundsätzlich nur die Löschung und Sperrung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu. Für die Löschung von Aktenteilen findet § 27 HSOG Anwendung, wenn eine Behörde als Gefahrenabwehrbehörde (Verwaltungsbehörde) im Rahmen von Maßnahmen nach dem Hessischen Freiheitsentziehungsgesetz tätig wird. § 27 HSOG ist als bereichsspezifische Norm gegenüber dem Hessischen Datenschutzgesetz vorgreiflich. Mangels anderweitiger Regelung ist jedoch davon auszugehen, dass die Prüffristenverordnung abschließend und damit der Auffangtatbestand "sonstige Personen" gegeben ist - auch wenn § 4 PrüffristVO nur auf Daten in anderen Dateien abstellt. Auskunft nach § 29 HSOG kann insoweit nicht verlangt werden, als die Abwägung ergibt, dass die Rechte des Betroffenen hinter dem öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung oder dem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse Dritter zurücktreten müssen. Die Entscheidung trifft die Behördenleitung oder ein von dieser beauftragter Bediensteter. Eine pauschale Verweigerung einer Auskunft über den Akteninhalt darf nicht erfolgen. Das Widerspruchsrecht gegen weitere Nutzung personenbezogener Daten nach § 7 V HDSG wurde im Bereich des Polizeirechts nicht ausgeschlossen (VG Gießen, Urteil vom 14.02.2000 - 10 E 2505/99).
§ 30 Vorladung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Person schriftlich oder mündlich vorladen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Die Polizeibehörden können eine Person ferner schriftlich oder mündlich vorladen, wenn dies zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.
(2) Bei der Vorladung soll deren Grund angegeben werden. Bei der Festsetzung des Zeitpunkts soll auf den Beruf und die sonstigen Lebensverhältnisse der betroffenen Person Rücksicht genommen werden.
(3) Leistet eine betroffene Person der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden,
1. wenn die Angaben der betroffenen Person zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind oder
2. zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen.
(4) Die zwangsweise Vorführung bedarf außer bei Gefahr im Verzug der richterlichen Anordnung. Für das Verfahren gilt § 33 Abs. 2 mit der Maßgabe, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde ihren Sitz hat.
Leitsätze/Entscheidungen:
Eine "Meldeauflage" für einen angeblich gewaltbereiten Fußballfan für die Zeit eines Fußballspiels, in dessen Zusammenhang gewalttätige Auseinandersetzungen erwartet werden dürfen, setzt regelmäßig die Anhörung des Betroffenen voraus ( VG Oldenburg, Urteil vom 26.06.2012 - 7 A 3177/12).
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Die Anordnung einer polizeilichen Vorführung zur Erfüllung der Meldepflicht nach dem Hessischen Meldegesetz richtet sich nach § 30 IV i. V. mit § 33 II 1 HessSOG, nicht nach § 79 HessVwVG. Zuständig ist das AG. Eine polizeiliche Vorführung kommt unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann in Betracht, wenn die Meldebehörde zur Fortschreibung des Melderegisters noch Informationen benötigt und diese nicht auf andere Weise leichter beschaffen kann (VG Gießen, Beschluss vom 28.08.1998 - 10 G 1342/98).
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§ 31 Platzverweisung
(1) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Die Platzverweisung kann ferner gegen eine Person angeordnet werden, die den Einsatz der Feuerwehr oder andere Hilfs- oder Rettungsmaßnahmen behindert.
(2) Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Person bis zu einer richterlichen Entscheidung über zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten ihrer Wohnung und des unmittelbar angrenzenden Bereichs verweisen, wenn dies erforderlich ist, um eine von ihr ausgehende gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnern derselben Wohnung abzuwehren. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ein Betretungsverbot angeordnet werden. Eine solche Maßnahme darf die Dauer von vierzehn Tagen nicht überschreiten. Die Maßnahme kann um weitere vierzehn Tage verlängert werden, wenn bis zu diesem Zeitpunkt eine wirksame richterliche Entscheidung über den zivilrechtlichen Schutz nicht getroffen worden ist. Das Gericht hat der zuständigen Gefahrenabwehrbehörde oder der Polizeibehörde die Beantragung des zivilrechtlichen Schutzes sowie den Tag und den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.
(3) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich innerhalb einer Gemeinde eine Straftat begehen wird, so können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörde ihr für eine bestimmte Zeit verbieten, diesen Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten, es sei denn, sie hat dort ihre Wohnung oder sie ist aus einem vergleichbar wichtigen Grund auf das Betreten des Bereichs angewiesen (Aufenthaltsverbot). Das Aufenthaltsverbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken. Das Verbot darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten. Die Vorschriften des Versammlungsrechts bleiben unberührt.
Leitsätze/Entscheidungen:
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist eine "Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" nicht zulässig. Es erscheint zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützte Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird (VGH Hessen, Beschluss vom 30.09.2011 - 8 B 1329/11 zu § 80 Abs 5 VwGO, §§ 31, 11 HSOG, Art 19 Abs 4 GG):
... Der Antragsteller wehrt sich gegen die sofortige Vollziehung einer polizeilichen Verfügung. Er ist mit seiner Ehefrau Miteigentümer des Einfamilienhausgrundstücks A-Straße in A-Stadt, das die Eheleute in getrennten Bereichen bewohnten. Aufgrund der Anzeige seiner Ehefrau über eine dort am Vortrag gegen sie begangene Tätlichkeit des Antragstellers wurden diesem am 23. Mai 2011 an seiner Arbeitsstelle durch eine Polizeistreife mündlich und mit schriftlicher Bestätigung in Form eines ausgefüllten und ausgehändigten Vordrucks eine für sofort vollziehbar erklärte und bis 6. Juni 2011 befristete Wegweisungsverfügung und Betretungs-, Aufenthalts-, Kontakt- und Annäherungsverbote erteilt. ...
Es erscheint zwar auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung zweifelhaft, dass eine auf § 11 HSOG gestützt Anordnung eines personenbezogenen Kontakt- und Annäherungsverbots durch die abschließenden ortsbezogenen Regelungen in § 31 HSOG ausgeschlossen wird, da sich § 31 HSOG auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person an einem bestimmten Ort bezieht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 11 TG 2548/02 - NVwZ 2003 S. 1400 ff. = juris Rdnrn. 4 ff.), während sich das Kontakt- und Annäherungsverbot auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Person in der Nähe einer anderen Person, an welchem Ort diese sich auch immer aufhält, und damit auf eine unterschiedliche Gefahrenlage bezieht. Diese Frage kann aber wegen des von vornherein fehlenden Rechtsschutzinteresses für die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde auch nicht einer nur vorübergehenden Klärung zugeführt werden. ..."
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Für Aufenthaltsverbote gibt es im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung keine Rechtsgrundlage. Die polizeiliche Generalklausel des § 11 HessSOG kann nicht herangezogen werden, da § 31 HessSOG die Möglichkeiten einer Aufenthaltsbeschränkung speziell und abschließend regelt (VGH Kassel, Beschluss vom 28.01.2003 - 11 TG 2548/02, NJW 2004, 1546).
*** (VG)
Weder aus Bundesrecht (§ 1 BORA, § 3 BRAO, Art. 2, 12 GG) noch aus Landesrecht (Nds. SOG) ergibt sich ein genereller Anspruch des Rechtsanwaltes, bei der Durchsetzung eines Platzverweises gegenüber seinem Mandanten unmittelbar vor Ort anwesend zu sein. Ein solches Beistandsrecht besteht ausnahmsweise dann, wenn die Anwesenheit des Rechtsanwaltes die polizeiliche Arbeit nicht behindert, sie zum Schutz besonderer Gefahren für den Mandanten geboten ist oder sein Rechtsschutz sonst faktisch leerliefe (hier verneint; OVG Lüneburg. Urteil vom 30.08.2012 - 11 LB 372/10):
... III. Die demnach zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
Soweit die Klage hinsichtlich des ersten und dritten Teilkomplexes begründet ist, ergibt sich dies zwar weder unmittelbar aus dem Schreiben der Beklagten vom 12. Oktober 2006 (1) noch aus der Berufsordnung der Rechtsanwälte (= BORA), der Bundesrechtsanwaltsordnung (= BRAO) oder Art. 12 Abs. 1 GG (2), dafür aber aus dem Fehlen der insoweit erforderlichen Voraussetzungen des Nds. SOG (3 a und c). Der im zweiten Teilkomplex streitige Verweis der Kläger aus dem inneren Ring um die Pyramide stellt sich hingegen als Durchsetzung eines rechtmäßigen Platzverweises nach § 17 Nds. SOG dar, so dass die Klage insoweit unbegründet ist (3 b).
1. Dem Schreiben der Beklagten vom 12. Oktober 2006 kommt für die Beurteilung der streitigen Maßnahmen keine selbstständige Bedeutung zu.
Es lässt sich insbesondere mangels konkreten Bezuges nicht als Zusicherung i. S. d. § 1 NVwVfG i. V. m. § 38 VwVfG, d.h. auf den Erlass oder Nichterlass eines Verwaltungsaktes, etwa (k)eines Platzverweises, gerichtet, verstehen.
Aus dem gleichen Grund scheidet auch ein Verständnis als sonstige Zusage aus, die auf die Vornahme oder Nichtvornahme eines polizeilichen Realaktes, etwa das Unterbleiben einer Kontrolle oder die exakte Begrenzung ihres Inhaltes, gerichtet ist.
Zudem kann schon wegen der Vielzahl möglicher Konfliktfälle im Rahmen der Castorstöraktionen nicht angenommen werden, die Beklagte habe sich mit ihrem offenbar bewusst offen gehaltenen Schreiben vom 12. Oktober 2006 im Sinne einer allgemeinen Begünstigung der Kläger binden wollen.
Ist also über die Rechtmäßigkeit der streitigen Maßnahmen gegenüber Rechtsanwälten von der Beklagten nicht vorab einzelfallbezogen durch ihr Schreiben vom 12. Oktober 2006 verbindlich entschieden worden, so kommt es auf die allgemeine Rechtslage an. Insoweit gilt:
2. a) Aus der BORA (§ 1) können sich schon wegen ihrer Rechtsnatur als Satzung und der nach § 59b BRAO entsprechend begrenzten Satzungskompetenz (vgl. nur Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., BerufsO Einf., Rn. 62) keine konstitutiven Ansprüche gegenüber Dritten - hier gerichtet auf ein Zugangs- und Anwesenheitsrecht bei präventiv-polizeilichen Maßnahmen - ergeben. Im Übrigen spricht ohnehin Überwiegendes dafür, dass in dem von den Klägern in Anspruch genommenen § 1 BORA nicht nur anwaltliche Berufspflichten, sondern auch lediglich unverbindliche Leitbilder für die anwaltliche Tätigkeit formuliert sind (vgl. Hartung, a. a. O, BerufsO, § 1, Rn. 69), soweit der Rechtsanwalt etwa nach § 1 Abs. 3 BORA "als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern" hat.
2. b) Wie sich aus der bereits von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 28.4.1981 - 2 C 51/78 -, BVerwGE 62, 169 ff; ergänzend Beschl. v. 19.3.1976 - II WDB 1/76 -, NJW 1976, 2032, 2034) ergibt, lässt sich ein eigenständiges anwaltliches Zugangs- und Anwesenheitsrecht auch nicht aus § 3 Abs. 2 BRAO ableiten. Danach kann zwar das Recht des Anwaltes, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden. Unabhängig davon, ob es sich bei den hier streitigen polizeilichen Maßnahmen zur Beseitigung der von der Pyramide ausgehenden Störungen überhaupt um "Rechtsangelegenheiten" handelte und ob das streitige Beistandsrecht der Kläger als Form des "Auftretens" anzusehen ist, steht das in § 3 Abs. 2 BRAO enthaltene anwaltliche Recht zum Auftreten in Rechtsangelegenheiten nach der Systematik des § 3 BRAO und bei verfassungskonformer Auslegung der BRAO, d. h. unter Berücksichtigung der dem Bund nicht zustehenden Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens beim Vollzug von Landesrecht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1973 - 1 C 70/67 - juris, Leitsatz 3), jedenfalls unter dem Vorbehalt, dass dem Mandanten nach dem jeweiligen Fachrecht überhaupt die Möglichkeit eröffnet ist, sich anwaltlich vertreten zu lassen, oder genauer - wie hier konkret streitig -, sich anwaltlichen Beistandes unmittelbar vor Ort zu bedienen.
Jedenfalls diese konkrete, hier streitige Form des anwaltlichen Beistandes lässt sich jedoch für den Mandanten allgemein weder aus § 3 Abs. 3 BRAO unmittelbar (aa) noch aus dieser Bestimmung i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG (bb) oder Art. 2 Abs. 2 GG (cc) oder dem Nds. SOG (dd) ableiten.
aa) Denn § 3 Abs. 3 BRAO stellt das "jedermann" zustehende Recht, "sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen", gerade unter einen entsprechenden Gesetzesvorbehalt, verweist insoweit also auf das jeweils maßgebliche (Landes-)Fachrecht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1973 - 1 C 70/67 -, juris, Leitsatz 2; unklar Pestke, BRAK-Mitt. 1998, 241, 243 f.).
bb) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet zwar über den Wortlaut hinaus nicht nur überhaupt Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, sondern auch, dass dieser möglichst lückenlos und effektiv ist (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 20.6.2012 - 2 BvR 865/11 -, juris, Rn. 19, m. w. N.). Er bezieht sich aber grundsätzlich auf den Rechtsschutz durch Gerichte, d. h. auf das gerichtliche Verfahren, und im Wege der Vorwirkung auf vorgelagerte Verwaltungsverfahren nur insoweit, als ihre Ausgestaltung gerichtlichen Rechtsschutz nicht unzumutbar erschweren oder unmöglich machen darf (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.4.1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 -, BVerfGE 69, 1, 49). Aus der so verstandenen Vorwirkung können sich deshalb etwa behördliche Dokumentationspflichten ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 -, juris, Rn. 67), aber keine generelle Pflicht der Behörde, bei (präventiv-)polizeilichen Verfahrenshandlungen stets einen anwaltlichen Beistand des Betroffenen zum Schutz der Verfahrensrechte des Mandanten oder zur Verhinderung behördlicher Übergriffe zuzulassen (vgl. zum Strafverfahren BVerfG, Beschl. v. 5.7.2006 - 2 BvR 1317/05 -, NVwZ 2007, 204 f., m. w. N.).
cc) Aus dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht auf körperliche Unversehrtheit können sich darüber hinaus ebenfalls spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen besondere situationsbedingte Grundrechtsgefährdungen ergeben, wenn sich der Betroffene etwa in einer Situation außerordentlicher (behördlicher) Abhängigkeit befindet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 -, juris, Rn. 68 f.). Eine solche Situation liegt bei polizeilichen Maßnahmen im öffentlichen Verkehrsraum - wie hier - jedoch weder allgemein vor noch war sie - entgegen des Vorbringens der Kläger - in der Nacht zum 12. und 13. November 2006 in Langendorf gegeben. Denn bis zum Erlass des Platzverweises war der Zugang zu der Pyramide und den dort angeketteten Personen allgemein möglich. Danach bestand außerhalb des inneren Ringes für eine Mehrzahl von Personen grundsätzlich eine, wenn auch zeitweilig eingeschränkte, Beobachtungsmöglichkeit. Zudem wurde der Polizeieinsatz von mehreren Kamerateams dokumentiert. Ein Zustand der Abgeschlossenheit und einer dadurch bedingten außerordentlichen Abhängigkeit, wie er etwa bei einer Inhaftierung oder Unterbringung zu bejahen sein kann, war daher für die angeketteten Personen nicht gegeben und konnte daher ein anwaltliches Beistandsrecht als spezielle verfahrensmäßige Sicherung nicht begründen. Im Übrigen wird dem Betroffenen ein solches Recht - soweit ersichtlich - nicht einmal in den zuvor angeführten Situationen während der Haft oder der Unterbringung eingeräumt; dem Rechtsanwalt stehen insoweit vielmehr nur zeitlich befristete Besuchsrechte zu, vgl. etwa § 27 NJVollzG und § 20 Abs. 1 Satz 2 MVollzG.
dd) Kann sich somit ein Recht eines von einer präventiv-polizeilichen Maßnahme Betroffenen auf unmittelbaren anwaltlichen Beistand vor Ort nur aus dem Nds. SOG als Fachrecht ergeben, so lässt sich diesem ein solches jedenfalls allgemein, d.h. losgelöst von der Art der jeweiligen polizeilichen Maßnahme, weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen. Das Nds. SOG enthält dazu keine ausdrückliche Regelung. In dem bereits zuvor angeführten § 12 Abs. 5 Satz 2 Nds. SOG sowie etwa auch in den §§ 30 Abs. 7, 35a Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG jeweils i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO wird der berufsbedingten Sondersituation eines Rechtsanwaltes teilweise Rechnung getragen. Daneben besteht gemäß § 20 Abs. 2 Nds. SOG bei einer Ingewahrsamsnahme ein Recht des Betroffenen auf Hinzuziehung einer Person des Vertrauens, also auch eines Rechtsanwaltes, sowie nach §§ 23 Abs. 2 Satz 2, 25 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG bei Durchsuchungen von Sachen und Wohnungen ebenfalls ein Recht auf Hinzuziehung einer anderen Person. Soweit das Nds. SOG im Übrigen zu einem anwaltlichen Beistandsrecht schweigt, mag dieses Schweigen einen solchen anderweitig, insbesondere aus höherrangigem Recht, abgeleiteten Anspruch im Einzelfall nicht ausschließen, das Beistandsrecht besteht danach aber jedenfalls nicht eigenständig auf Grund des Nds. SOG allgemein oder für eine Vielzahl von polizeilichen Standardmaßnahmen.
2. c) Schließlich lässt sich ein allgemeines anwaltliches Beistandsrecht unmittelbar vor Ort bei (präventiv-)polizeilichen Maßnahmen gegenüber einem Mandanten auch nicht unmittelbar auf Art. 12 Abs. 1 GG stützen.
Zwar fällt auch ein solches Recht nach der vom Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.7.1987 - 1 BvR 537/81 und 195/87 -, NJW 1988, 191, 193) eingeführten und in § 1 Abs. 3 BORA mit geringfügigen sprachlichen Modifikationen aufgegriffenen Beschreibung der anwaltlichen Tätigkeit, wonach der Rechtsanwalt
"als unabhängiges Organ der Rechtspflege und als der berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden die Aufgabe hat, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen, das Gericht - und ebenso Staatsanwaltschaft oder Behörden - vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren und diesen vor verfassungswidriger Beeinträchtigung oder staatlicher Machtüberschreitung zu sichern; insbesondere soll er die rechtsunkundige Partei vor der Gefahr des Rechtsverlustes schützen";
grundsätzlich sachlich in den Schutzbereich der anwaltlichen Berufsfreiheit. Dies gilt allerdings nicht unabhängig vom Aufenthaltsort des (potentiellen) Mandanten und von der Art der polizeilichen Maßnahme.
Soweit sich der (potentielle) Mandant nämlich an Orten mit allgemein beschränktem Zugang, insbesondere etwa bei Sachen im Verwaltungsgebrauch oder an sonstigen grundsätzlich der Allgemeinheit nicht zugänglichen Orten, etwa in einem Sicherheitsbereich i. S. d. § 2 Abs. 2 UZwGBW oder - wie hier aus den folgenden Gründen - in einem der Allgemeinheit rechtmäßig nicht zugänglichen Polizeieinsatzgebiet, befindet, ist nicht die grundrechtliche Abwehrfunktion, sondern die Teilhabefunktion in Form der Gewährung eines Zugangsrechts angesprochen (vgl. zum Unterschied allgemein etwa Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 11. Aufl., Vorb. vor Art. 1, Rn. 5 ff., 8, sowie für die Versammlungsfreiheit BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, juris, Rn. 65). Hierüber hat der jeweilige Normgeber unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 12 GG zu entscheiden bzw. hilfsweise ist hierüber im Einzelfall bei der Normanwendung zu befinden. Dieser Rechtsgedanke einer Trennung zwischen dem Recht auf allgemeine anwaltliche Vertretung und einem gesondert zu beurteilenden, engeren Voraussetzungen unterliegenden Recht auf unmittelbaren anwaltlichen Beistand bei einzelnen Maßnahmen liegt auch den jeweils als Vergleich in Betracht kommenden anwaltlichen Zugangs- und Anwesenheitsrechten etwa in Haft- (vgl. § 27 NJVollzG) oder Maßregelvollzugsanstalten (§ 20 Abs. 1 Satz 2 MVollzG) oder bei Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren zu Grunde (vgl. etwa §§ 168 c und d StPO zum Anwesenheitsrecht (nur) bei richterlichen Vernehmungen und richterlichem Augenschein neben dem in § 137 StPO normierten allgemeinen Recht auf Wahl eines Verteidigers "in jeder Lage des Verfahrens"). In den bezeichneten Normen wird von Besuchsrechten bzw. Rechten zur Anwesenheit des Rechtsanwaltes (Verteidigers), nicht aber von der besonders legitimationsbedürftigen Begrenzung eines ihm ohnehin bereits grundsätzlich zustehenden Rechts ausgegangen. Soweit nach ausdrücklicher Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG insbesondere in Prüfungsverfahren, aber etwa auch beim Vorstellungsgespräch mit einem Beamtenbewerber (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1981 - 2 C 51/78 -, BVerwGE 62, 169 ff.) der die anwaltliche Vertretung regelnde § 14 VwVfG (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 14, Rn. 4 f., m. w. N.) nicht gilt, schließt dies jeweils auch nur die Teilnahme eines Rechtsanwaltes als Beistand an dem Vorstellungs- bzw. Prüfungsgespräch, nicht aber die anwaltliche Vertretung in den übrigen, nicht "prüfungsspezifischen" Teilen des Verwaltungsverfahrens aus (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 2, Rn. 46). Bei einem abweichenden Verständnis, d.h. bei der Annahme, das Recht auf anwaltliche Vertretung beinhalte stets auch den Anspruch auf unmittelbaren Beistand des Rechtsanwaltes "vor Ort", gäbe es grundsätzlich auch ein Recht eines Beamten, Richters oder Soldaten auf anwaltlichen Beistand bei jeder Form der Berufsausübung bzw. von Schülern oder Studenten an öffentlichen Einrichtungen auf Begleitung in allen Angelegenheiten ihrer Ausbildung, was kaum angenommen werden kann.
Zusätzlich ist ein anwaltliches Beistandsrecht vom jeweiligen Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abhängig. Während es - wie für den Normalfall in § 3 Abs. 2 BRAO geregelt - in einem gerichtlichen oder förmlichen Verwaltungsverfahren naheliegt, ist ein Anspruch auf anwaltlichen Beistand im Gefahrenabwehrrecht bei einer Störung oder gar bei der Ausübung einer Straftat - eine Vertretung im Wortsinn scheidet hier schon aus tatsächlichen Gründen aus - fernliegend. Denn der Rechtsanwalt ist nach § 3 Abs. 1 BRAO der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, nach § 1 BRAO ist er aber zugleich ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Eine Beratung des Mandanten im Sinne der Unterstützung bei einer Störung oder gar einer Straftat wäre damit unvereinbar. Die geschützte anwaltliche Beratungstätigkeit kann sich dann vielmehr nur auf die möglichst umgehende und für seinen Mandanten schonende Beendigung der Störung bzw. Straftat beziehen.
3. Kommt es somit für ein anwaltliches Zugangs- und Anwesenheitsrecht, d.h. ein Beistandsrecht zu Gunsten (potentieller) Mandanten auf die Art der jeweiligen Polizeimaßnahme nach dem Nds. SOG bzw. ggf. auch nach dem Versammlungsrecht an, so gilt hinsichtlich der vorgenannten drei Teilkomplexe Folgendes:
a) Die Maßnahmen im ersten Teilkomplex, nämlich das länger andauernde Aufhalten der Kläger an den äußeren Sperrlinien und ihre weitergehende Kontrolle, waren rechtswidrig (bezogen auf die Anträge zu 1 bis 3).
Es ist trotz mehrfacher Nachfragen schon nicht hinreichend deutlich geworden, auf welcher Rechtsgrundlage die Sperrlinien um bzw. in Langendorf überhaupt eingerichtet und mit welchem genauen Ziel die Kläger dort aufgehalten und kontrolliert worden sind. Dies brauchte letztlich aber nicht näher geklärt zu werden, da die Beklagte aus den folgenden Gründen nach keiner der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu diesen Maßnahmen legitimiert war.
aa) Soweit sie in der mündlichen Verhandlung § 12 Nds. SOG als Rechtsgrundlage benannt hat, ergibt sich daraus gemäß Absatz 4 Satz 1 nur die Befugnis, eine zur Auskunft verpflichtete Person zum Zweck der Befragung "kurzzeitig anzuhalten".
(aaa) Damit ist schon nach dem Wortlaut nur die dazu erforderliche Zeitspanne gemeint; weitergehende Maßnahmen, etwa ein vom "Anhalten" zu unterscheidendes "Festhalten", bedürfen einer anderen Rechtsgrundlage. Die mehr als zwanzig Minuten, die die Kläger an den Sperrlinien zumindest verbracht haben, überschritten jedoch die zur Befragung zu ihrer Person notwendige Zeitspanne erheblich mit der Folge, dass sie nicht nur "angehalten" worden sind. Dass die Kläger entsprechend lange aufgehalten worden sind, ergibt sich aus den polizeilichen Verlaufsberichten, wird von der Beklagten eingeräumt und erforderte deshalb keine Beweisaufnahme.
(bbb) Soweit sich die Kläger in diesem Zusammenhang weiterhin gegen das Verlangen wenden, zusätzlich zum Anwaltsausweis ihre Personalausweise mit ihren von Polizeibeamten notierten Wohnadressen vorzeigen zu müssen, beinhaltet § 12 Abs. 2 Nds. SOG zwar auch eine Pflicht, über die Anschrift der Hauptwohnung, die aus dem Personal-, nicht aber aus dem Anwaltsausweis ersichtlich ist, Auskunft zu erteilen. Auch diese Auskunftspflicht besteht aber nach der hier nur in Betracht kommenden Regelung in § 12 Abs. 2 Nds. SOG nicht voraussetzungslos, sondern nur, "wenn dies zur Erfüllung der polizeilichen Aufgabe", d.h. zur Gefahrenabwehr nach § 1 Nds. SOG erforderlich (gewesen) ist. Dass die Beklagte zur Gefahrenabwehr die Wohnanschriften der Kläger wissen musste, ist vorliegend aber von ihr nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Die Kläger waren auf Grund der Anwaltsausweise als solche erkennbar. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fälschung oder eine missbräuchliche Verwendung dieser Ausweise waren ebenso wenig gegeben wie konkrete Anhaltspunkte für eine sonst von den Klägern ausgehende Gefahr, auf Grund derer zur Gefahrenabwehr etwa eine nur an Hand ihrer Wohnanschriften erfolgversprechende Abfrage polizeilicher Datenbanken erforderlich gewesen wäre. Ob eine solche Abfrage überhaupt auf eine Befragung nach § 12 Abs. 2 Nds. SOG hätte gestützt werden dürfen, muss deshalb nicht geklärt werden.
bb) Geht man davon aus, dass die für die Beklagte tätigen Einsatzkräfte mit den Sperrlinien den Zugang nach Langendorf für den Zeitraum bis zur Entfernung der Pyramide grundsätzlich verhindern wollten, soweit nicht im Einzelfall eine "besondere Zugangsberechtigung" nachgewiesen war, so rechtfertigte diese Zielsetzung das Aufhalten der Kläger gleichfalls nicht.
(aaa) Als "besonders berechtigt" in diesem Sinne werden in der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 16. August 2012 des Polizeibeamten, der den Einsatz der damals in Langendorf tätigen nordrhein-westfälischen Polizeikräfte leitete, etwa Anwohner ausdrücklich genannt. Nach dem Sinn und Zweck des Schreibens vom 12. Oktober 2006 sowie der späteren Entscheidung der Gesamteinsatzleitung, die nach dem polizeilichen Verlaufsbericht am 12. November 2006 gegen 22.00 Uhr entschied, dass die Kläger in den abgesperrten Bereich vorgelassen werden dürfen, sollten zu den "Berechtigten" aber offenbar auch Rechtsanwälte im anwaltlichen Notdienst gehören, ohne zuvor bereits konkrete Mandate nachgewiesen zu haben. Dies wird auch in der Stellungnahme der Beklagten vom 17. März 2011 nicht gefordert, wenn dort von einem "sehr allgemein gehaltenen Mandat" die Rede ist. Bereits nach diesen eigenen Kriterien der Beklagten dürften danach die über die Feststellung der Tätigkeit der Kläger im Rahmen des anwaltlichen Notdienstes hinausgehenden Verzögerungen rechtswidrig gewesen sein.
(bbb) Unabhängig hiervon ist aber ohnehin keine geeignete Rechtsgrundlage für die Absperrung wesentlicher Zugänge zu einer Ortschaft über mehrere Stunden erkennbar.
Die im Jahr 2006 erlassene versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung sah keine entsprechenden Absperrlinien vor.
Das in § 17 Abs. 4 Nds. SOG geregelte Aufenthaltsverbot trägt zwar von der Rechtsfolge auch ein Verbot des Aufenthaltes in einem größeren Gebiet (einer Gemeinde) und ggf. auch für längere Zeit, dies allerdings nur, wenn es zur Verhütung einer Straftat erforderlich ist. Eine entsprechend schwerwiegende allgemeine Gefahrenlage bestand hier aber nicht und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.
Ob für die Errichtung der äußeren Sperrlinien neben § 17 Abs. 4 Nds. SOG als Rechtsgrundlage ein Platzverweis i. S. d. § 17 Abs. 1 Nds. SOG in Betracht kam, erscheint fraglich, da er sich nur auf einen konkreten, räumlichen begrenzten Ort und nicht auf einen darüber hinaus gehenden örtlichen Bereich i. S. d. § 17 Abs. 4 Nds. SOG bezieht, die weiträumige Absperrung wesentlicher Zugänge zu einer Ortschaft aber zu einem Betretensverbot für einen örtlichen Bereich führen dürfte. Diese Frage braucht hier aber nicht beantwortet zu werden. Denn selbst wenn man annähme, § 17 Abs. 1 Nds. SOG reiche als Rechtsgrundlage für die Errichtung der äußeren Sperrlinien aus, so hätte doch für eine allgemeine Durchgangssperre grundsätzlich von allen Betroffenen eine konkrete Gefahr i. S. d. §§ 2 Nr. 1a, 17 Abs. 1 Nds. SOG, d.h. insbesondere durch Behinderung des Polizeieinsatzes zur Entfernung der Betonpyramide, ausgehen müssen. Dies war angesichts der Entfernung von bis zu mehreren hundert Metern zwischen den äußeren Sperrlinien und der Betonpyramide sowie der Größe von Langendorf und der Uhrzeit ab ca. 21.30 Uhr jedoch nicht zu erkennen.
Wegen des Vorranges der speziellen Eingriffsbefugnisse in § 17 Abs. 1 und 4 Nds. SOG sowie in § 14 Nds. SOG für sog. Kontrollstellen scheidet auch ein Rückgriff auf die Generalklausel in § 11 Nds. SOG als Rechtsgrundlage aus. Ein solcher Rückgriff kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Beeinträchtigungen insoweit als weniger schwerwiegend als in den ausdrücklich in den §§ 12 ff. Nds. SOG geregelten Fällen darstellen, hier also als weniger schwerwiegend als etwa ein Platzverweis oder ein Aufenthaltsverbot (vgl. Senatsbeschl. v. 26.9.2006 - 11 LA 196/05 -, juris, zur Verhinderung des Verlassens einer Ortschaft, sowie Hess. VGH, Beschl. v. 28.1.2003 - 11 TG 2548/02 -, juris). Dies ist hier aber nicht der Fall, vielmehr wurde in der Sache ein weitreichendes allgemeines Aufenthaltsverbot bewirkt, ohne dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 oder 4 Nds. SOG vorlagen.
Um die Polizeiarbeiten zur Entfernung der Betonpyramide zu sichern, hätte es daher ausreichen müssen, entweder den sog. inneren Ring mit einem größeren Polizeiaufgebot zu sichern, die äußeren Sperrlinien enger zu ziehen oder bei unverändertem Umfang tatsächlich dort nur eine Kontrolle durchzuführen und keine allgemeine Zugangssperre einzurichten.
Die Verzögerungen beim Zugang der Kläger nach Langendorf waren daher mangels erforderlicher Rechtsgrundlage bereits unabhängig von den von ihnen beanspruchten berufsbedingten Sonderrechten rechtswidrig.
b) Die polizeilichen Maßnahmen im zweiten Teilkomplex (Anträge 4 bis 6) waren hingegen rechtmäßig.
aa) Der Verweis der Kläger aus dem inneren Ring ab ca. 23.00 Uhr stellte einen rechtmäßigen Platzverweis i. S. d. § 17 Abs. 1 Nds. SOG dar, um den Polizeieinsatz zur Entfernung der Betonpyramide zu sichern.
Dass einer Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 Nds. SOG der Vorrang des Versammlungsrechts entgegenstand, machen die Kläger selbst nicht geltend und ist nach der (vorsorglich) erfolgten Auflösung einer etwaigen von den angeketteten Personen gebildeten Versammlung auch sonst nicht zu erkennen.
Wegen der engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Begrenzung des inneren Ringes handelte es sich insoweit auch nicht um ein Aufenthaltsverbot nach § 17 Abs. 4 Nds. SOG, sondern "nur" um einen Platzverweis.
Wie sich aus der beispielhaften Aufzählung in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG ergibt, kann sich die den Erlass eines Platzverweises rechtfertigende Gefahr bereits daraus ergeben, dass ein Einsatz zur Gefahrenabwehr - hier der Polizei - objektiv behindert wird. Dies war hier durch die Anwesenheit jeglicher weiterer unbeteiligter Personen der Fall. Dabei ist von der Erkenntnislage zu Beginn der Arbeiten an der Pyramide auszugehen, sog. ex ante-Prognose (vgl. Senatsbeschl. v. 26.9.2006 - 11 LA 196/05 -, a. a. O., Rn. 22). Zu diesem Zeitpunkt waren den Beamten die Bauart der Pyramide, die Art der Ankettung sowie die Dauer und der notwendige Aufwand zur Lösung der angeketteten Personen nicht im Einzelnen bekannt. Der Beklagten ist auch in der Annahme zu folgen, dass sich ihre Beamten insoweit nicht auf die Angaben der angeketteten Personen verlassen konnten, sondern sich eigenständig ein Urteil bilden mussten. Zu Einsatzbeginn musste daher mit dem - später auch erfolgten - Einsatz schweren Geräts u. a. durch einen Presslufthammer sowie nachfolgend zur Beseitigung der Pyramide auch eines Gabelstaplers bzw. Hubwagens ebenso gerechnet wie Vorsorge für eine medizinische Versorgung der angeketteten Personen getroffen werden. Durch den Einsatz insbesondere des Presslufthammers bestand eine Gefahr für alle Umstehenden. Dass sich diese vorliegend später nicht durch ein "Umherfliegen" von Betonbrocken verwirklicht ist, war nicht sicher vorhersehbar und ist daher unerheblich, zumal dies nicht der einzige Grund zur Entfernung Unbeteiligter aus dem inneren Ring war. Sie hätten auf dem engen Raum um die Pyramide schlicht durch ihre körperliche Anwesenheit gestört. Zudem war offen, ob von der Pyramide nicht weitere Gefahren ausgingen. So hat eine der angeketteten Personen ausdrücklich vor Arbeiten mit dem Presslufthammer an der Pyramide gewarnt. Der Kläger zu 1) hat auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es sich dabei nicht um eine substanzlose Drohung gehandelt habe, sondern jedenfalls in später eingesetzten Modellen durchaus wärmeempfindliche Substanzen enthalten gewesen seien, die explodieren konnten. Auch insoweit war es ein Gebot der Gefahrenabwehr, Dritte nicht dieser Gefahr auszusetzen. Wären diese im inneren Ring bei der Pyramide verblieben, hätte zudem die Notwendigkeit bestanden, sie - wie die angeketteten Personen - mit Schutzvorkehrungen wie Brille, Ohr- und Kopfschutz zu versehen; so wäre es zu zusätzlichen Verzögerungen gekommen. Schließlich hätte der unmittelbare Verbleib von Rechtsvertretern der angeketteten Personen vor Ort den ohnehin schon hohen Stress für die eingesetzten Beamten noch erhöht, da sie so nicht nur einer ständigen, nahezu hautnahen Kontrolle weiterer Personen ausgesetzt gewesen wären, sondern auch auf weitere Personen hätten Rücksicht nehmen und mit entsprechenden verbalen Störungen ihrer Arbeit hätten rechnen müssen.
Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 Nds. SOG oder der zuvor bereits angeführten Systematik des Nds. SOG insgesamt lässt sich entnehmen, dass von einem entsprechenden Platzverweis Rechtsanwälte bei der Berufsausübung allgemein bzw. wegen der Beistandsleistung für Mandanten auszunehmen sind, soweit ihre Anwesenheit objektiv den Polizeieinsatz behindert. Wäre ihnen ein solches Recht zu gewähren, müsste zudem - worauf die Beklagte zu Recht verweist - weiteren Personen mit besonders geschützten gleichwertigen Interessen ebenfalls Zutritt gewährt werden, wie Ärzten, Pastoren bzw. Pfarrern, Abgeordneten, Presseangehörigen und Familienangehörigen der angeketteten Personen, was jedenfalls in den hier maßgeblichen Fallgestaltungen, also bei Blockaden des Castortransportes, auch nicht von nur theoretischer Bedeutung ist. Dadurch könnte sich die Zahl der die Polizeiarbeit potentiell erschwerenden Anwesenden nicht unerheblich erhöhen. Zudem ginge ein solches unmittelbares Beistandsrecht in der Wirkung teilweise sogar über die ausdrücklich normierten anwaltlichen Rechte im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren hinaus, die sich nicht auf die hier notwendig vor Ort zu treffende Entscheidungsbildung der Behörde beziehen. Das o. a. höherrangige Verfassungsrecht fordert ein anwaltliches Beistandsrecht unmittelbar vor Ort ebenfalls grundsätzlich nicht, sondern allenfalls dann, wenn der Mandant andernfalls besonderen, nicht anders abwendbaren Gefahren ausgesetzt wäre oder sein Rechtsschutz sonst faktisch leerliefe.
Hieran gemessen war den Klägern auch nicht ausnahmsweise berufsbedingt der Aufenthalt im inneren Ring zu gestatten. Aus den vorgenannten Gründen hätte auch ihre Anwesenheit den Polizeieinsatz objektiv behindert. Dass ihre Anwesenheit - wie von ihnen geltend gemacht wird - im gemeinsamen Interesse ihrer Mandanten und der Beklagten gelegen hätte, war nicht zu erwarten. Die Kläger hatten sich nicht als Vermittler, sondern als Rechtsanwälte der an die Pyramide angeketteten Personen legitimiert, die wiederum durch ihre Aktion den Castortransport gezielt störten und aufhielten. Dass sich das Interesse der Kläger nur auf die möglichst schnelle und schonende Beseitigung der Störung bezog, lag daher nicht nahe und ergab sich, anders als ggf. bei sich über eine Vielzahl von Stunden hinziehenden Aktionen, auch nicht aus den Besonderheiten des Einzelfalles. Diese rechtfertigten auch im Übrigen, d.h. aus den o. a. verfassungsrechtlichen Gründen keine Ausnahme zu Gunsten der Kläger. Rechtsanwälten stehen die von den Klägern insoweit in Anspruch genommenen Sonderrechte im Sinne eines generellen präventiven Schutzes der Mandantenrechte nicht zu. Ein Anwesenheitsrecht kann auch nicht von einer vorherigen Rechtsverletzung des Mandanten abhängig gemacht werden, da in der Regel - wie hier auch - ein vor Ort nicht zu klärender Dissens über die Verletzung bestehen wird und zudem auch nicht allgemein die Annahme gerechtfertigt ist, eine vorhergehende Verletzung indiziere eine zeitnahe weitere Verletzung, zu deren Verhinderung anwaltlicher Beistand geboten ist; erst recht gilt dies, soweit die Kläger ein anwaltliches Anwesenheitsrecht unabhängig vom Einzelfall allein auf einen vorhergehenden Eingriff in Rechte des Mandanten gründen wollen. Die Mandanten waren der Gefahr von rechtswidrigen polizeilichen Eingriffen auch nicht besonders ausgesetzt. Denn den Klägern ist nicht jegliche Überwachungs- und Einflussmöglichkeit genommen worden. So konnten sie jedenfalls zwischen 22.30 und 23.00 Uhr mit den Mandanten vor Ort sprechen, nachfolgend - wenn auch nicht uneingeschränkt - die Arbeiten an der Betonpyramide beobachten und ihre Einwände gegen das polizeiliche Vorgehen den Polizeibeamten, die sich am äußeren Rand des inneren Ringes aufhielten, etwa den Konfliktmanagern, vortragen. Zwischenzeitlich ist zudem die an diesem Verfahren nicht beteiligte Rechtsanwältin F. zu ihrem Mandaten in den inneren Ring gelassen worden. Ob die Kläger auch auf eine Handy-Verbindung zu den Mandanten hätten verwiesen werden können, kann offen bleiben. Schließlich wurden die polizeilichen Arbeiten nicht nur eigenständig durch mehrere in Augenschein genommene Videoaufnahmen dokumentiert, sondern von einer Vielzahl von Polizisten, medizinischem Personal und von weiteren Personen hinter der inneren Absperrung beobachtet. Für die Mandanten der Kläger bestand daher weder eine besondere Gefahr, Opfer übermäßigen unmittelbaren Zwanges bei der Lösung von der Pyramide zu werden, noch die Gefahr, dass insoweit wegen fehlender Einfluss- oder Nachweismöglichkeiten etwaiger Rechtsschutz faktisch ins Leere lief.
Der auch an die Kläger gerichtete Platzverweis war damit dem Grunde nach rechtmäßig.
Sollten die Kläger mit ihrem Zusatz zum Klageantrag zu 4.) den räumlichen Umfang des inneren Ringes und damit die Reichweite des Platzverweises angreifen wollen, so wird dies trotz gerichtlichen Hinweises aus ihrem Klageantrag schon nicht deutlich. Im Übrigen ist für den Senat ohnehin nicht zu erkennen, dass die Ausdehnung des Ringes auf ca. 10 - 15 Meter Radius um die Betonpyramide zur Sicherung der Polizeiarbeit überzogen und damit unverhältnismäßig gewesen
Dass Folgen des Vollzuges eines Verwaltungsaktes - wie hier des Platzverweises - grundsätzlich nicht eigenständig Klagegegenstand sein können, ist bereits zuvor dargelegt worden.
Sollten die Kläger schließlich geltend machen wollen, dass die sie in ihrer Sicht behindernde Anwesenheit von weiteren Polizeibeamten im inneren Ring weder zur Durchsetzung des Platzverweises noch sonst erforderlich und deshalb als Realakt rechtswidrig gewesen sei, so haben sie einen so lautenden Klageantrag nicht gestellt; außerdem wäre der Umfang eines solchen Antrages unklar und seine Zulässigkeit fraglich.
Die wechselseitigen Hilfsbeweisanträge zu der Frage, ob der Ruf- und Sichtkontakt für die Klägerin zu 3) zu ihrem Mandanten durch polizeiliches Verhalten (nicht) mehr als für die Durchführung der polizeilichen Arbeiten zur Befreiung der Demonstranten erforderlich war, verhindert wurde, beziehen sich somit auf eine nicht entscheidungserhebliche Tatsache; ihnen war daher nicht nachzugehen.
Der Platzverweis für die Kläger und das damit verbundene Verbot, sich im inneren Ring der Polizei aufzuhalten, waren demnach rechtmäßig (Anträge zu 4 und 5).
bb) Ebenso rechtmäßig war das Verbringen der Klägerin zu 3) außerhalb des inneren Ringes um die Betonpyramide (Antrag zu 6). Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, richtet sich ihr Antrag insoweit gegen die Zwangsmaßnahmen, die die Polizeibeamten ihr gegenüber um ca. 23.00 Uhr zur erstmaligen zwangsweisen Durchsetzung des Platzverweises ergriffen haben, und nicht gegen deren spätere Maßnahmen, um zu verhindern, dass sie die Absperrung überwindet und sich wieder in den inneren Ring begibt.
Insoweit lagen die Voraussetzungen der §§ 64 ff. Nds. SOG für die Anwendung unmittelbaren Zwanges vor. Eine Anfechtungsklage gegen den zu Grunde liegenden, wirksamen Platzverweis war nicht eingelegt worden und hätte nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO ohnehin keine aufschiebende Wirkung gehabt, so dass der Platzverweis nach § 64 Abs. 1 Nds. SOG mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden konnte. Die Anwendung unmittelbaren Zwanges für den Fall, dass der innere Kreis nicht freiwillig verlassen werde, war zuvor auch mündlich angedroht worden, § 70 Nds. SOG. Gleichwohl hat die Klägerin zu 3) den inneren Ring nicht freiwillig verlassen, die Zwangsanwendung war also erforderlich. Schließlich ist auch die konkrete Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges rechtmäßig gewesen. Die Klägerin zu 3) ist mit einfacher körperlicher Gewalt aus dem inneren Ring gedrängt worden; auf den kurz danach gemachten Videoaufnahmen sind keine Beeinträchtigungen ihrer körperlichen Unversehrtheit zu erkennen und von ihr auch nicht konkret geltend gemacht worden.
c) Rechtswidrig war hingegen die weitere Trennung der Kläger von ihren Mandanten nach deren Loslösung von der Pyramide ab spätestens 0.45 Uhr durch Aufrechterhaltung des Platzverweises bis zu dem gegen 1.15 Uhr erfolgten Abtransport der Störer in das Krankenhaus.
Dass die Kläger auch in diesem Zeitraum, also für eine weitere halbe Stunde, tatsächlich daran gehindert worden sind, sich unmittelbar zu ihren weiterhin an der Pyramide befindlichen Mandanten zu begeben, hat die Beklagte nach dem Abspielen der entsprechenden Videoaufnahmen in der mündlichen Verhandlung zu Recht eingeräumt. Der ausgesprochene Platzverweis ist trotz entsprechender Bitte des Klägers zu 2) weder ausdrücklich noch konkludent aufgehoben worden.
Die Aufrechterhaltung des Platzverweises für diesen weiteren Zeitraum war jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn dies zur Abwendung einer Gefahr i. S. d. § 17 Abs. 1 Nds. SOG erforderlich war. Dies ist für den Senat nicht zu erkennen.
Insoweit lag eine Zäsur vor, da nach der Loslösung der Störer von der Pyramide die polizeilichen Arbeiten an dieser nicht - wie nach dem polizeilichen Verlaufsbericht etwa in Klein-Gusborn - unmittelbar fortgesetzt, sondern bis gegen 1.15 Uhr unterbrochen worden sind. Der Platzverweis diente insoweit also nicht mehr dem Schutz der polizeilichen Arbeiten zur Störungsbeseitigung an der Pyramide bzw. durch sie. Diese Arbeiten sind erst ab 1.15 Uhr fortgesetzt worden; die Pyramide wurde angehoben und abtransportiert. Dass die späteren Arbeiten durch die Aufrechterhaltung des Platzverweises geschützt werden sollten, ist nicht zu erkennen und wäre mutmaßlich auch unverhältnismäßig gewesen. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb die vier Personen nach der Loslösung von der Pyramide unmittelbar dort verblieben sind. Zwar war eine von ihnen offenbar so geschwächt, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnte. Man hätte sie und die anderen Betroffenen aber zumindest auf Tragen von der Pyramide entfernen können, um die Arbeiten zur Entfernung der Pyramide ungestört zu beenden. Auch unter diesem Gesichtspunkt war es also nicht mehr erforderlich, die Kläger von ihren Mandanten zu trennen.
Der Platzverweis kann zwar auch zur Abwehr anderer Gefahren rechtmäßig sein; als solche kamen hier noch zu befürchtende Störungen bei der Identitätsfeststellung der losgelösten Personen oder ihrer medizinischen Behandlung in Betracht. Es fehlen aber die erforderlichen konkreten Anhaltspunkte dafür, dass insoweit Störungen durch die Kläger oder sonstige Dritte zu erwarten waren, denen durch die Aufrechterhaltung des Platzverweises entgegengetreten werden musste. Jedenfalls Störungen der medizinischen Behandlung lagen auch deshalb fern, weil eine solche Behandlung gerade im Interesse der Mandanten der Kläger erfolgte.
Eine weitere Beweisaufnahme war auch zu diesem dritten Teilkomplex nicht erforderlich, da sich die vorherigen erheblichen Feststellungen hinreichend verlässlich bereits aus den eingesehenen Videoaufnahmen sowie den polizeilichen Verlaufsberichten entnehmen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Halbierung der Kosten ist gerechtfertigt, weil die Beklagte hinsichtlich des zentralen Punktes, des Streits um die Anwesenheit der Kläger im inneren Ring während der Fortdauer der Arbeiten an der Pyramide obsiegt, im Übrigen unterliegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat lässt nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision zu, soweit die Klage abgewiesen wird, weil der insoweit streitentscheidenden Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Rechtsanwälten kraft Bundesrechts bei gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen der hier streitigen Art gegenüber Mandanten ein Beistandsrecht unmittelbar vor Ort zusteht. Im Übrigen sind Gründe für die Zulassung der Revision nicht gegeben. ..."
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... Es wird festgestellt, dass die Identitätsfeststellung am 19.09.2008 sowie das an den Kläger an diesem Tag ausgesprochene Aufenthalts- und Betretungsverbot für den Innenstadtbereich am 20.09.2008 rechtswidrig waren, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach und wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts sowie wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung die Identitätsfeststellung am 20.09.2008 die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten rechtswidrig waren. ...
Vom 19.09.2008 bis zum 21.09.2008 fand in Köln der von der Bürgerbewegung "pro Köln" organisierte sogenannte erste Anti-Islamisierungskongress (AIK) statt. Im Umfeld dieser Veranstaltung gab es vielfältige Protest- und Gegenveranstaltungen.
Der Kläger wollte nach eigenen Angaben am 20.09.2008 am Heumarkt an einer Protestkundgebung gegen die ebenfalls auf dem Heumarkt geplante und angemeldete Versammlung des AIK teilnehmen.
Am 19.09.2008 verhängte der Beklagte gegen den Kläger nach Feststellung seiner Personalien ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot, mit welchem dem Kläger untersagt wurde, bis zum 20.09.2008, 20.00 Uhr, ein mittels Stadtplanauszug und schriftlicher Benennung der Grenzen bezeichnetes Gebiet der Kölner Innenstadt (den Heumarkt und seine Umgebung umfassend) zu betreten bzw. sich dort aufzuhalten.
Der Kläger befand sich am 20.09.2008 mit zunächst etwa 400 - 500 weiteren Personen im rechtsrheinischen Stadtgebiet an der Deutzer Brücke. Nach Angaben einer Sprecherin wollte die Gruppe einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen, um dort gegen die Veranstaltung von "pro Köln" zu protestieren. Nachdem der Beklagte zunächst nach dem Verbot der Veranstaltung von "pro Köln" gegen Mittag die Aufhebung der Sperrung der Deutzer Brücke in Aussicht gestellt hatte, wurde den bis dahin an der Deutzer Brücke noch anwesenden ca. 250 Personen kurz vor 16.00 Uhr mitgeteilt, dass die Brücke doch nicht freigegeben werde. In der Folge wollte sich die Personengruppe, zu der auch der Kläger gehörte, über die Siegburger Straße zur Severinsbrücke begeben, um ins linksrheinische Stadtgebiet zu gelangen.
Auf der Siegburger Straße kam es zu einer Einkesselung der Personengruppe. Der Kläger wurde gegen 20.00 Uhr zur Gefangenensammelstelle (Gesa) nach Brühl gebracht. Dort wurden seine Personalien aufgenommen und ein Lichtbild gefertigt. Des Weiteren wurden die Taschen des Klägers durchsucht.
Hintergrund für diese Maßnahmen war der Verlauf der Ereignisse auf der Siegburger Straße, welcher zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 125 StGB gegen den Kläger und eine Vielzahl weiterer Personen (ca. 242) führte (StA Köln 121 Js 48/09). Nach dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen sog. Mastersachverhalt setzte sich gegen 15.50 Uhr die noch an der Deutzer Brücke verbliebene Personengruppe im Laufschritt in Richtung Süden in Bewegung. Aus der Menschenmenge heraus wurde der Inhalt eines umgeworfenen Müllcontainers in Brand gesetzt. Der Müllcontainer sei mit Kunststoffabsperrgittern zu einer Barrikade zusammengefügt gewesen. Des Weiteren sei es aus der Menschenmenge zu Stein- und Eierwürfen auch auf Polizisten gekommen, wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Ein Teil der Gruppe habe eine Vermummung aus aufgezogener Kapuze und vor das Gesicht gezogenem Schal angelegt.
In der im Mastersachverhalt enthaltenen polizeilichen Bewertung ist ausgeführt, in der Gruppierung seien an verschiedenen Stellen Tathandlungen von unterschiedlichen Personen vorgenommen worden, wobei die Gruppe insgesamt den Eindruck vermittelt habe, als Ganzes zu agieren.
Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde am 16.01.2009 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Ausweislich des Aufnahmezettels der Gesa wurde die Freiheitsentziehung des Klägers als Festnahme und nicht als Ingewahrsamnahme eingestuft. Als Entlassungszeit ist 5.37 Uhr des 21.09.2008 angegeben. Die Kennfelder für Vernehmung und Vorführung sind jeweils mit einem "Nein" gekennzeichnet. Bezüglich des gefertigten Lichtbildes ist ausgeführt, dies solle nach § 81 b 1. Alt. StPO nicht gelöscht werden.
Der Kläger hat am 18.11.2008 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren) gestellt.
Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss der Kammer vom 24.03.2010 hat der Kläger am 27.03.2010 Klage erhoben, mit welcher er die Feststellung begehrt, dass die gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.
Zunächst legt er dar, bezüglich der am 19.09.2008 vorgenommenen Maßnahmen bestehe im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Er sei für die Personalienfeststellung zusammen mit anderen Personen in der belebten Innenstadt von Köln von einer großen Gruppe von Polizisten umstellt worden. Die Feststellung selbst sei in einem Polizeiwagen durchgeführt worden und habe nahezu eine Stunde in Anspruch genommen. Bei einem unbeteiligten Beobachter habe der Eindruck entstehen können, er habe gegen die Rechtsordnung verstoßen.
Nach Ansicht des Klägers ist die Personalienfeststellung auch materiell rechtswidrig gewesen. Insoweit sei der zeitliche Bezug zu der am Folgetag stattfinden Protestveranstaltung zu würdigen: die rechtswidrige Erfassung seiner Daten beeinträchtige ihn nicht nur in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht, sondern auch in seiner Versammlungsfreiheit.
Rechtswidrig sei auch das verhängte Aufenthaltsverbot, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 PolG NRW nicht vorgelegen hätten. Zudem sei die Maßnahme wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheits- und Versammlungsrecht rechtswidrig.
Auch die vom 20. bis 21.09.2008 gegen ihn verhängten polizeilichen Maßnahmen hält der Kläger für rechtswidrig. In Bezug auf die Freiheitsentziehung legt er seine Auffassung dar, wonach diese bereits dem Grunde nach sowie wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Insoweit erläutert der Kläger, die Einkesselung habe sich auf eine nicht aufgelöste Spontan-Versammlung bezogen. Über eine Lautsprecherdurchsage sei den eingeschlossenen Personen mitgeteilt worden, dass sie in Gewahrsam genommen seien, wobei die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW seiner Auffassung nach nicht vorgelegen hätten. Dem Beklagten könne nicht gefolgt werden, soweit er angebe, es habe sich vorrangig um eine strafprozessuale Maßnahme gehandelt. Hiergegen spreche bereits, dass ihm zu keinem Zeitpunkt ein Tatvorwurf eröffnet bzw. er vernommen worden sei. Der Kläger verweist darauf, dass es möglich gewesen sei, seine Personalien bereits vor Ort aufzunehmen und dort auch Lichtbilder zu fertigen. Zu den Abläufen in der Gesa in Brühl erläutert der Kläger, er habe trotz seiner Äußerung, er sei hungrig und durstig, zunächst nichts zu essen oder trinken bekommen, sondern sei zu der mit Nr. 9 bezeichneten Gewahrsamseinrichtung gebracht worden. Erst gegen 22.30 Uhr habe er einen Becher Wasser erhalten und sei auf seinen Wunsch hin zur Toilette begleitet worden. In der Gewahrsamseinrichtung habe sich kein Mobiliar befunden. Erst auf Nachfrage seien ihm lediglich eine Isomatte und später ein dünnes Laken ausgehändigt worden. Dies erachte er als unzureichend, zumal in der Nacht die Temperatur auf 6 ° Celsius gefallen und die Halle stündlich belüftet worden sei. Erst gegen 23.30 Uhr habe er eine halbe Birne und eine halbe Scheibe Brot mit Käse sowie weitere Becher Wasser und Apfelsaft erhalten. Zusammen mit 31 weiteren Personen habe er sich in den nächsten Stunden in der Gewahrsamseinrichtung Nr. 9 befunden. Erst gegen 5.30 Uhr am 21.09.2008 sei er hinausgeführt und die ihm abgenommenen Gegenstände seien ihm ausgehändigt worden. Sodann sei er in einen Gefangentransporter verbracht worden, welcher zum Bahnhof in Brühl gefahren sei. Dort sei er um 6.30 Uhr in die Freiheit entlassen worden.
Der Kläger macht geltend, dass er spätestens nach der Identitätsfeststellung um 21.00 Uhr habe entlassen werden müssen. Zudem habe der Beklagte den Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 GG und § 36 PolG NRW nicht beachtet, wenn er die Festgenommenen nicht einem Richter vorgeführt habe und bei einer Auslegung der Gesa auf 200 Gefangene nur eine Richterin vor Ort gewesen sei.
Materiell rechtswidrig sei überdies die Identitätsfeststellung. Die Voraussetzungen des § 12 PolG NRW seien nicht erfüllt gewesen, da er keiner Straftat verdächtig gewesen sei. Gleiches gelte für die Anfertigung von Lichtbildern. Insoweit seien weder die Voraussetzungen des § 14 PolG NRW noch des § 81 b 2. Alt StPO gegeben. Die Rechtswidrigkeit des Gewahrsams schlage schließlich auf die durchgeführte Durchsuchung durch. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Identitätsfeststellung und das ihm erteilte Aufenthalts- und Betretungsverbot durch den Beklagten am 19.09.2008, die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis 21.09.2008 dem Grunde nach, wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts und aufgrund der Behandlung während der Freiheitsentziehung, die Identitätsfeststellung, die Aufnahme von Lichtbildern und die Durchsuchung durch den Beklagten am 20.09.2008 rechtswidrig waren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte legt dar, zu dem am 19.09.2008 ausgesprochenen Betretungs- und Aufenthaltsverbot könne in der Sache nicht Stellung genommen werden, da keine Unterlagen mehr vorlägen. Aus diesem Grund könne nicht mehr nachvollzogen werden, zu welchem genauen Zeitpunkt, wo und aus welchem Grunde die Verfügung gegen den Kläger erlassen worden sei.
In Bezug auf die Maßnahmen vom 20.09.2008 legt der Beklagte dar, im Hinblick auf erwartete gewalttätige Ausschreitungen und der Erfahrungen aus vorangegangenen Veranstaltungen von "pro Köln" sei in Brühl die sogenannte Gesa 200, welche auf die Aufnahme von ca. 200 Personen ausgerichtet gewesen sei, geschaffen worden. Tatsächlich habe sich die Polizei mit der Situation konfrontiert gesehen, dass an allen Sicherheitssperren, die zum Schutz der Versammlung des rechten politischen Spektrums eingerichtet worden seien, sich große Menschenansammlungen gebildet hätten, die teilweise in 20er Reihen vor den Sperren gestanden hätten und immer wieder dazu aufgerufen hätten , keine "Rechten" auf das Kundgebungsgelände zu lassen. Daneben seien Personen, die "bürgerlich normal" gekleidet gewesen seien und sich so dem "Verdacht" ausgesetzt hätten an dem Anti-Islamisierungskongress teilzunehmen, in Form von Sprechchören aufgefordert worden "abzuhauen". Die Personen seien gezielt körperlich angegangen, teilweise sogar geschlagen und getreten und somit faktisch aus dem Bereich um das Kundgebungsgelände vertrieben worden. Maßnahmen der Polizei zum Schutz der Betroffenen seien durch das Blockadeverhalten vielfach unmöglich gemacht worden. Mit dieser Intensität und der Aggressivität des Störerverhaltens habe im Vorfeld nicht gerechnet werden können, weshalb die Gesa 200 nicht ausreichend groß ausgelegt gewesen sei.
Bezüglich der Einkesselung legt der Beklagte dar, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sie habe um 16.02 Uhr mit der Einschließung der Personengruppe in der Siegburger Straße durch die Bereitschaftspolizeiabteilung Bochum begonnen. Der Kläger sei in der Gesa Brühl um 19.50 Uhr aufgenommen worden. Um 20.51 Uhr habe man ein Lichtbild von ihm gefertigt. Rechtsgrundlage sei § 8 PolG NRW gewesen. Am Folgetag (21.09.2008) sei der Kläger um 5.37 Uhr entlassen worden. Dabei sei das gefertigte Lichtbild zunächst nicht gelöscht worden, da es für die Beweisführung im Strafverfahren von Bedeutung sei. Die Zeitspanne zwischen der formellen Entlassung und der tatsächlichen Entlassung (Verlassen der Liegenschaft in Brühl) erkläre sich daraus, dass aus personellen Gründen nicht jeder Entlassene durch die Liegenschaft zum Tor habe begleitet werden können.
In der Binnenorganisation hätten ab 19.00 Uhr alle Personalkapazitäten auf die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen sowie die vorrangige Abwicklung der Freiheitsentziehungen mit dem Ziel der Übergabe an die Sorgeberechtigten oder das Jugendamt konzentriert werden müssen. Nach 21.45 Uhr sei eine deutliche Entspannung der Situation eingetreten, so dass generelle Vorkehrungen zur Entlassung aller festgehaltenen Personen getroffen worden seien. Gleichwohl hätten zu diesem Zeitpunkt auch noch parallel Identitätsfeststellungen aus strafprozessualen Gründen nach § 163 b StPO vorgenommen werden müssen. Ein darüber hinaus gehendes Festhalten aus polizeirechtlichen Gründen sei nicht erforderlich gewesen, da eine Gefahrenprognose nicht bestanden habe.
Die Tatsache, dass in der Gesa 200 letztlich mehr als 800 Personen eingeliefert worden seien und die sich hieraus ergebenden Folgen seien für den Kläger zwar unangenehm gewesen. Dies führt nach Auffassung des Beklagten jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Ferner wird auf das Parallelverfahren 20 K 6004/09 und die dort beigezogenen Unterlagen verwiesen. ...
Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO ist bezüglich sämtlicher Streitgegenstände eröffnet, weil der Kläger geltend macht, der Beklagte habe die vorgenommenen Maßnahmen teilweise zwar auf die Strafprozessordnung gestützt, faktisch habe es sich jedoch um eine polizeirechtliche Ingewahrsamnahme gehandelt.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
vgl. Beschluss vom 07.07.2006 - 5 E 584/06 -,
kommt es bei einem "doppelfunktionalen" Tätigwerden der Polizei nicht auf das Schwergewicht der streitigen polizeilichen Tätigkeit an. Vielmehr komme eine Verweisung an das Amtsgericht allein dann in Betracht, wenn der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht schlechthin, d.h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen unzulässig sei. Dies sei auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht den vom Kläger als Ingewahrsamnahme angesehenen Sachverhalt unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.
Des Weiteren besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse:
Dies ergibt sich im Hinblick auf das Aufenthaltsverbot bereits aus der Einschränkung der Grundrechte des Klägers aus Art. 2 und Art. 8 GG. Aber auch bezüglich der in ihrer Eingriffsintensität im unteren Bereich anzusiedelnden Personalienfeststellung folgt hier ein Feststellungsinteresse aus der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme, welche nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers hier diskriminierende Wirkung hatte,
vgl. zum Feststellungsinteresse insoweit BVerwG, Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, S. 2534; VGH BaWü, Urteil vom 16.11.1999 - 1 S 1315/98 -, Juris.
Bezüglich der am 20.09.2008 vorgenommenen Festnahme ergibt sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits daraus, dass der Eingriff in die Freiheit einer Person einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt, der regelmäßig dem Richter vorbehalten ist (Art. 104 Abs. 2 GG). Wegen der übrigen Maßnahmen folgt das Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, da nach dem typischen Verfahrensablauf sich die belastende Wirkung auf eine Zeitdauer beschränkt, in der Rechtsschutz in der Instanz regelmäßig nicht zu erlangen sein wird,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.02.1999 - 2 BvR 804/97 -, NJW 99, S. 3773.
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf die am 19.09.2008 vorgenommenen polizeilichen Maßnahmen: Insoweit sind in der Akte keine Tatsachen dokumentiert, die eine rechtliche Bewertung des polizeilichen Vorgehens ermöglichen würden. In Bezug auf die Personalienfeststellung kann somit weder festgestellt werden, dass die Maßnahme durch § 12 PolG NRW, noch dass sie durch § 163 b StPO getragen wird.
Gleiches gilt für das Aufenthalts- und Betretungsverbot. Ein solches kann nach § 34 Abs. 2 PolG NRW nur verhängt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Tatsachen hat der Beklagte nicht vortragen können.
Die Klage ist auch bezüglich der am 20.09.2008 verhängten Maßnahmen begründet. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Freiheitsentziehung durch den Beklagten vom 20. bis zum 21.09.2008 dem Grunde nach rechtswidrig war. Als Freiheitsentziehung ist zunächst die Einkesselung des Klägers mit anderen Personen auf der Siegburger Straße zu bewerten, ebenso wie die in der Folgezeit veranlasste Verbringung des Klägers zur Gefangenensammelstelle in Brühl sowie das dortige Festhalten bis zum nächsten Morgen.
Als Rechtsgrundlage für diese Einschließung kommt allein § 163 b StPO in Frage, da der Beklagte die Maßnahme ausdrücklich auf diese Rechtsgrundlage gestützt hat. Zwar ist in einer Presseerklärung der Polizei die Rede davon, dass in der Rheingasse ca. 150, an der Malzmühle/Filzengraben ebenfalls ca. 150 und in der Siegburger Straße ca. 200 Personen zur Verhinderung weiterer Straftaten und wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in Gewahrsam genommen worden seien. Auch wird im Parallelverfahren 20 K 6004/09 in einem Auskunftsschreiben an den dortigen Prozessbevollmächtigten erläutert, bei den Vorfällen, die zur Einschließung der dortigen Klägerin geführt hätten, seien sowohl Aspekte der Gefahrenabwehr mit den rechtlichen Bedingungen aus dem Polizeigesetz NRW als auch der Strafverfolgungsanspruch des Staates mit den entsprechenden Normen der Strafprozessordnung (StPO) zu berücksichtigen. Im weiteren Verlauf wird dann allerdings ausgeführt, die Freiheitsentziehung sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO erfolgt. Sowohl in der Klageerwiderung des Parallelverfahrens als auch im Schriftsatz des Beklagten im hiesigen Verfahren vom 24.07.2009 wird die Maßnahme ausdrücklich auf § 163 b StPO gestützt. Ausgehend von dieser Erklärung des Beklagten, welche eine Konkretisierung der in seinem Ermessen stehenden Handlungen darstellt, war das Gericht gehalten, den Sachverhalt unter diesem als ausschlaggebend erachteten Gesichtspunkt rechtlich zu würdigen. Ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage durch das Gericht kommt bei Ermessensentscheidungen nicht in Betracht,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 -, Juris.
Die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung zur Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO liegen nicht vor:
Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes nach § 163 b StPO die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Ferner darf der Verdächtige festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Bei der Auslegung dieser Ermächtigungsnorm ist vorliegend die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 dieser Norm haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG liegt vor bei einer örtlichen Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 f.
Vorliegend kann eine Bewertung, ob die auf dem Weg zur Severinsbrücke befindliche Personengruppe als Spontanversammlung einzustufen ist, nur anhand von Indizien vorgenommen werden, zumal eine nähere Aufklärung des Charakters der Zusammenkunft in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war.
Hier ist davon auszugehen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt seiner Einkesselung in einer nicht aufgelösten Spontanversammlung befunden hat.
Für eine Spontanversammlung spricht der Akteninhalt: So ist im Schlussvermerk der polizeilichen Ermittlungen die Rede davon, dass die an der Deutzer Brücke befindlichen Personen einen Aufzug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt durchführen wollten. Um einen Aufzug dürfte es sich auch gehandelt haben, als sich die noch anwesenden Gegendemonstranten in Richtung Severinsbrücke in Bewegung setzten, nachdem ihnen mitgeteilt worden war, dass die Deutzer Brücke weiterhin gesperrt bleiben werde. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die Gruppe im Frontbereich ein Plakat mit sich führte mit der Aufschrift: "Gegen Rassismus vorgehen www.antifa.kok.de". Auch wurden dem Mastersachverhalt zufolge "Antifa, Antifa" und ähnliche, dem linken Spektrum zuzuordnende Gesänge skandiert.
Die Bewertung, dass es sich um eine Spontanversammlung gehandelt hat, wird im Übrigen gestützt durch die Einschätzung von zwei im Dienst befindlichen Polizeibeamten, welche als Zeugen im Strafverfahren StA Köln 121 Js 48/09 vernommen worden waren. Die Zeugen haben dargelegt, die restlichen Personen hätten beschlossen "einen spontanen Aufzug zu machen und zwar die Siegburger Str. in Rtg. Süden" entlang. bzw. die 100 - 120 (verbliebenen) Personen hätten sich gegen 15.50 Uhr "in Form eines Aufzuges" in Bewegung gesetzt. Aus dem "Demozug" seien Gegenstände geworfen worden. Der Polizeiführer habe den "Demozug" stoppen und umschließen lassen.
Handelt es sich somit um eine Spontanversammlung, so genießt die Teilnahme des Klägers den erhöhten Schutz des Art. 8 GG.
Dies bedeutet, dass polizeirechtliche Maßnahmen grundsätzlich nicht ergriffen werden dürfen, solange die Versammlung nicht aufgelöst ist (sog. Polizeifestigkeit der Versammlung),
vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.01.197 - 1 B 219/86 -, NVwZ 1988 250; OVG NRW Beschluss vom 02.03.2001 - 5 B 273/01 -, NVwZ 2001, 1315 f.
Demgegenüber schützt die Versammlungsfreiheit grundsätzlich nicht vor der Einleitung berechtigter Strafverfolgungsmaßnahmen, denn die Teilnahme an einer Versammlung ist nur geschützt, wenn sie friedlich und ohne Waffen erfolgt,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07 -; OLG München, Urteil vom 20.06.1996 - 1 U 3098/94 - Juris.
Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage der Friedlichkeit einer Versammlung ausgeführt, dass es auf den einzelnen Demonstrationsteilnehmer ankommt und diesem der Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten bleibt, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder eine Minderheit zu rechnen ist. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Eine Notwendigkeit zu freiheitsbeschränkenden Eingriffen kann sich im Bereich der Versammlungsfreiheit daraus ergeben, dass der Demonstrant bei deren Ausübung Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt. Auch bei solchen Eingriffen haben die staatlichen Organe die grundrechtsbeschränkenden Gesetze stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat auszulegen und sich bei ihren Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 (Brokdorf II), - 1 BvR 233/81; 1 BvR 341/81, Juris
Bei dem hier in Rede stehenden Vorwurf des Landfriedensbruchs nach § 125 StGB gilt nach der maßgeblichen Rechtsprechung der Strafgerichte Folgendes:
Für eine Beteiligung an einem Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB genügt es nicht, bloßer Teil der "Menschenmenge" gewesen zu sein, aus der heraus die Gewalttätigkeiten begangen wurden. Vielmehr gelten die allgemeinen Teilnahmegrundsätze der §§ 25 ff StGB,
vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2008, - 4 StR 368/08, Juris
Danach stellt das bloß inaktive Dabeisein oder Mitmarschieren weder eine psychische Beihilfe noch ein bestimmte Gewalttätigkeiten auf andere Weise unterstützendes Verhalten dar. Dies gilt auch dann, wenn der einzelnen Demonstrant, wie es die Regel sein wird, mit der Gewalttätigkeit einzelner oder ganzer Gruppen rechnet und weiß, dass er allein schon mit seiner Anwesenheit den Gewalttätern mindestens durch Gewährung von Anonymität Förderung und Schutz geben kann. Erforderlich für eine strafrechtlich relevante Teilnahmehandlung ist vielmehr die Feststellung, dass die Gewährung von Anonymität und die Äußerung von Sympathie darauf ausgerichtet und geeignet sind, Gewalttäter in ihren Entschlüssen und Taten zu fördern und zu bestärken, etwa durch Anfeuerung oder ostentatives Zugesellen zu einer Gruppe, aus der heraus Gewalt geübt wird,
vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1984 - VI ZR 37/82 -, BGHZ 89, 383 ff.
Für die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen ist nicht entscheidend, ob sich der Strafverdacht letztlich bestätigt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Verdacht eines strafbaren Verhaltens von einer hinreichenden objektiven Tatsachengrundlage getragen war,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.04.2007 - 5 A 523/07-.
Allerdings darf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht dadurch unterlaufen werden, dass an die Bejahung der Teilnahme an Gewaltakten zu geringe Anforderungen gestellt werden. Da sich Gewalttätigkeiten kaum jemals ganz ausschließen lassen, liefe der einzelne Versammlungsteilnehmer ansonsten Gefahr, allein wegen des Gebrauchmachens von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Strafverfolgungsmaßnahmen überzogen zu werden,
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010 - 18 K 3033/09 - Juris.
Des Weiteren würden Unfriedlichkeiten einzelner Versammlungsteilnehmer ansonsten dazu führen, die Demonstration "umzufunktionieren" und gegen den Willen der anderen Teilnehmer rechtswidrig werden zu lassen,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985, a.a.O..
Aus diesem Grunde ist die Polizei gehalten, gegen die störende Minderheit vorzugehen. Nur wenn dies keinen Erfolg verspricht, kann unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die Versammlung aufgelöst werden und so auch den friedlichen Teilnehmern der Schutz des Art. 8 GG entzogen werden.
Im vorliegenden Fall sind aus der Menge heraus Straftaten verübt worden (Stein- und Eierwürfe auf Polizisten, Inbrandsetzung von Müllcontainern, Bildung von Barrikaden, Vermummung), wobei Tatverdächtige teilweise zugeordnet werden konnten. Gegen drei Personen, denen Straftaten gegen das Versammlungsgesetz durch Vermummung oder Bewaffnung zur Last gelegt wurden, wurden gesonderte Verfahren angelegt ebenso gegen zwei Personen wegen Beleidigung. Des Weiteren gab es einen konkret zuzuordnenden Tatvorwurf gegen ein Kind sowie Strafvorwürfe aufgrund der Videoauswertung gegen sieben weitere Tatverdächtige, die nicht identifiziert werden konnten.
Ausgehend davon, dass in Bezug auf den Kläger keine konkreten Tatsachen vorliegen, dass dieser sich einer Teilnahmehandlung an einem Landfriedensbruch schuldig gemacht haben könnte, liegt ein Straftatverdacht, welcher nach § 163 b StPO eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung rechtfertigen könnte, nicht vor. Insofern kann auch ein gemeinschaftliches Handeln nicht daraus abgeleitet werden, dass sich die gesamte Gruppe "plötzlich" im Laufschritt in Bewegung gesetzt habe. Dass auch der Beklagte selbst den Schwerpunkt seines Vorgehens nicht auf Strafverfolgung gelegt hat, wird indiziell dadurch belegt, dass dem Kläger kein Strafvorwurf eröffnet und er hierzu auch nicht vernommen worden ist. Auch nach seiner Entlassung am Folgetag ist der Kläger, dessen Identität ja bekannt war, nicht zwecks Durchführung weiterer Ermittlungen vorgeladen worden.
Insofern hält das Gericht die Einschätzung des Beklagten, für die gesamte Gruppe habe der Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs bestanden, vgl. Bericht des PD Kaiser vom 21.09.2008 (Bl. 29 f des Verwaltungsvorgangs im Parallelverfahren 20 K 6004/09), bzw. die Feststellungen im Mastersachverhalt, Tathandlungen seien an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen Personen durchgeführt worden, aber die Gruppe habe insgesamt den Eindruck vermittelt, als Ganzes zu agieren, angesichts der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht für tragfähig. Die Einleitung strafprozessualer Maßnahmen gegen sämtliche Teilnehmer einer Versammlung kommt im Ergebnis deren Auflösung gleich und hindert auch die friedlichen Versammlungsteilnehmer an der Ausübung ihres Grundrechts. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der damit rechnen muss, dass er nach seiner Teilnahme an einer nicht verbotenen und auch nicht ausdrücklich aufgelösten Versammlung einer Identitätsfeststellung unterzogen, fotografiert und zum Polizeipräsidium bzw. einer Gefangenensammelstelle gebracht wird, es sich künftig genau überlegen wird, ob er von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen will,
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2010, a.a.O.
Lagen die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO mangels Anfangsverdachtes gegen den Kläger nicht vor, so stellt sich die hierauf gestützte Einkesselung zum Zwecke der Ermöglichung der Identitätsfeststellung als rechtswidrig dar.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die nach § 163 b S. 1 2. Alt. StPO i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 1 StPO gebotene Belehrung über den Strafvorwurf - soweit ersichtlich - nicht erfolgt ist,
vgl. hierzu: KG Berlin, Urteil vom 12.06.2002 - (5) 1 Ss 424/00 86/01) - , Juris.
War bereits die Freiheitsentziehung durch die Einkesselung nicht durch § 163 b StPO gerechtfertigt, so gilt dies wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst Recht bezüglich der Verbringung zur Gefangenensammelstelle nach Brühl. Insoweit drängt sich die Frage auf, warum die Identität des Klägers nicht bereits vor Ort festgestellt werden konnte. Der Kläger hat hierzu - ohne dass dies vom Beklagten bestritten worden wäre - erklärt, er habe seinen Ausweis mit sich geführt und sei bereit gewesen, sich vor Ort auszuweisen. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, es habe nicht genügend Personal für eine Identitätsfeststellung vor Ort zur Verfügung gestanden, sind die Angaben des Beklagten für das Gericht mangels konkreter Zahlen nicht überprüfbar. Allerdings ist zu bedenken, dass mit der Verbringung der eingeschlossenen Personen nach Brühl ebenfalls ein erheblicher logistischer Aufwand verbunden war. Des Weiteren berücksichtigt das Vorgehen des Beklagten nicht in genügendem Maße das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit: Mit der Verbringung nach Brühl wurde der Kläger an der weiteren Ausübung seines Versammlungsrechts gehindert. Allein dieser Umstand rechtfertigt die Durchführung eines mit einer Identitätsfeststellung vor Ort eventuell verbundenen erhöhten logistischen Aufwandes. Hinzu kommt, dass der Beklagte sich in Parallelfällen offenbar auf die Durchführung einer Identitätsfeststellung vor Ort beschränkt hat: So ist es nach den Presseerklärungen des Beklagten an insgesamt drei Orten zu Einschließungen gekommen, wobei 469 Personen vor Ort entlassen wurden und 410 Personen nach Brühl gebracht wurden. Die Freilassungen betrafen auch nicht ausschließlich Jugendliche, denn bei den insgesamt betroffenen 879 Personen waren 3 Kinder und 232 Jugendliche, von denen 168 vor Ort entlassen und 64 nach Brühl gebracht wurden. Dies bedeutet, dass bei den drei genannten Einschließungen von insgesamt 644 Erwachsenen 301 vor Ort entlassen wurden. Für den hier relevanten Bereich der Siegburger Straße soll nach dem Vorbringen der Klägerin des Verfahrens 20 K 6004/09 sieben Personen die Möglichkeit eröffnet worden sein, nach Personalienfeststellung den Ort zu verlassen. Ein Grund dafür, warum ein Teil der erwachsenen eingeschlossenen Personen zur Gesa nach Brühl gebracht wurde, ein anderer Teil jedoch vor Ort entlassen wurde, ist nicht erkennbar geworden.
Eine Rechtsgrundlage für das Festhalten des Klägers nach Feststellung seiner Personalien bis zum nächsten Morgen ist nicht ersichtlich. Selbst für den Fall, dass die Personalienfeststellung um 21.00 Uhr nach § 163 b StPO gerechtfertigt gewesen sein sollte, ist das weitere Festhalten über einen Zeitraum von 8 - 9 Stunden (Gesamtdauer der Freiheitsentziehung 14 Stunden) unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt. Nach § 163 c Abs. 1 Satz 1 StPO in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung darf eine von einer Maßnahme nach § 163 b StPO betroffene Person in keinem Fall länger als zur Feststellung ihrer Identität unerlässlich festgehalten werden.
Die Freiheitsentziehung war des Weiteren rechtswidrig, weil der Richtervorbehalt nicht eingehalten wurde.
Nach Art. 104 Abs. 2 GG hat nur der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Diese verfassungsrechtliche Anforderung findet ihre einfachgesetzliche Konkretisierung in § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, der eine unverzügliche Vorführung vor einen Richter vorsieht. Zu beanstanden ist in diesem Kontext die Vorgehensweise des Beklagten, der diensthabenden Richterin des Amtsgerichts Köln, welche in der Gefangenensammelstelle in Brühl zugegen war, jedenfalls ab den Abendstunden keine Gefangenen mehr vorzuführen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Richterin nach dem unwidersprochenen Vortrag im Parallelverfahren 20 K 6004/09 zwischenzeitlich mitgeteilt worden war, sämtliche Festgenommenen würden entweder in Köln oder vor Ort entlassen. Der Verstoß gegen den Richtervorbehalt kann auch nicht durch die ins Feld geführten logistischen Probleme und der vorrangigen Betreuung von Jugendlichen gerechtfertigt werden.
Letztlich überschritt die Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung auch die in § 163 c Abs. 3 StPO a.F. vorgesehene Höchstdauer von 12 Stunden.
Überdies war die Freiheitsentziehung ihrer Art und Weise wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig. Es mag dahin stehen, welche Anforderungen an die Unterbringung im Hinblick auf die Polizeigewahrsamsordnung für das Land Nord-Rhein-Westfalen in der zur Zeit der Inhaftierung maßgeblichen Fassung im einzelnen gebieten, da die Gewahrsamsordnung auch länger andauernde Gewahrsame im Blick hat wie etwa die Vorschriften über den Postverkehr und die Besuche zeigen. Die Rechtswidrigkeit der den Kläger betreffenden Unterbringung liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Vorkehrungen des Beklagten auf einen kurzfristigen Gewahrsam von wenigen Stunden zugeschnitten gewesen sein mögen, den Erfordernissen bei einem Festhalten über einen Zeitraum von insgesamt 14 Stunden (davon 9 Stunden in der Gesa) nicht gerecht werden. Angesichts dieser Zeitdauer teilt das Gericht auch nicht die Sichtweise, wonach es sich um bloße Unannehmlichkeiten gehandelt habe, welche sich auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht auswirken.
Aus den vorstehenden Darlegungen zur Freiheitsentziehung folgt zugleich, dass die Klage hinsichtlich der gesondert beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung begründet ist. Wie oben dargelegt, waren die Voraussetzungen des § 163 b StPO nicht erfüllt.
Die Klage ist des Weiteren begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Aufnahme von Lichtbildern rechtswidrig war.
Die Aufnahme von Lichtbildern hat der Beklagte nach eigenem Vorbringen auf der Grundlage des § 8 PolG NRW vorgenommen. Diese Ermächtigungsgrundlage trägt die Maßnahme nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf das Vorliegen spezieller Ermächtigungsnormen (§ 14 PolG NRW und § 81 b StPO) nicht. Im Übrigen ist auch eine polizeiliche Gefahr nicht ersichtlich.
Schließlich ist die Klage begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine Durchsuchung rechtswidrig war. Die Durchsuchung als Annexmaßnahme zur Festnahme war infolge deren Rechtswidrigkeit ebenfalls rechtswidrig. Dass daneben die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW vorliegen, ist nicht ersichtlich, wobei der Beklagte die Durchsuchung auch nicht auf diese Norm gestützt hat. ..." (VG Köln, Urteil vom 12.08.2010 - 20 K 7418/08 - Art 2, 8, 104 II GG, §§ 25,125 StGB u.a.).
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Sucht ein wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mehrfach vorbestrafter Mann wiederum Kontakt zu Kindern in der seinen vergangenen Straftaten bevorzugten Altersklasse, rechtfertigt dies ein umfassendes Kontakt- und Annäherungsverbot zu allen Kindern in dem entsprechenden Alter. Ein Aufenthaltsverbot für einen privaten Raum ist nicht zulässig (VG Darmstadt, Beschluss vom 16.10.2009 - 3 L 1179/09.DA).
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot nach § 12b Abs. 2 Satz 1 SOG können auch dann erfüllt sein, wenn die Annahme der Polizei, dass eine Person an bestimmten Orten oder in bestimmten Gebieten der Freien und Hansestadt Hamburg verschiedene Straftaten - hier Hausfriedensbruch, Beleidigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung - begehen werde, einer rechtlichen Überprüfung nicht im vollen Umfang standhält. Es genügt insoweit, dass die Gefahr bestand, der objektive Tatbestand eines einzigen Strafgesetzes - hier möglicherweise eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB - werde verwirklicht. Legt die Polizei jedoch auch der ihr damit eröffneten Ermessensentscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, die Annahme zugrunde, der Betreffende werde mehrere Straftaten durch Verwirklichung unterschiedlicher Straftatbestände begehen, ist die Entscheidung fehlerhaft, wenn zumindest ein Strafgesetz - hier ein Hausfriedensbruch nach § 123 StGB - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein ausscheidet. In einem solchen Fall kann die Entscheidung nur Bestand haben, wenn nachgewiesen werden kann, dass die fehlerhafte Annahme ohne Einfluss auf das Ergebnis des Abwägungsprozesses gewesen ist. Hat sich die polizeiliche Maßnahme erledigt, so kann nach Eintritt des erledigenden Ereignisses ein Ermessensfehler, der auf einer fehlerhaften Subsumtion unter ein Strafgesetz - hier der irrtümlichen Bejahung von § 123 Abs. 1 StGB - beruht, nicht mehr geheilt werden (VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2011 - 17 K 3395/08).
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Allein der Umstand, dass der Besucher einer öffentlichen Veranstaltung nicht zum von ihr angesprochenen Personenkreis gehören mag, rechtfertigt ohne Weiteres nicht die Verweigerung des Zutritts zu ihr (VG Gießen, Urteil vom 18.06.2009 - 10 K 2402/08.GI zu §§ 6 I, 11 I VersammlG, Art 8 GG, § 31 I HSOG):
.. I. Zwar ist die Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass die Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsakts, durch den dem Kläger der Zugang zum Bürgerhaus der Beklagten zu 1) verweigert wurde, nicht berechtigt gewesen seien, zulässig [A.], jedoch erweist sie sich nach erhobenem Beweis zur Überzeugung des Gerichts nur im Verhältnis zur Beklagten zu 1) als begründet [B.1.]; im Verhältnis zum Beklagten zu 2) ist sie dagegen unbegründet [B.2.].
A. Der Kläger kann - ungeachtet der Erledigung der Zugangsverweigerung - die Feststellung begehren, ihm sei der Zugang zu der Veranstaltung der W. am ..., ..:.. Uhr, im Bürgerhaus der Beklagten zu 1) zu Unrecht versagt worden (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Y.-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblatt, Stand: Oktober 2008, § 113 Rdnr. 99, 77). Maßgeblich hierfür ist, dass die geltend gemachte Zutrittsverweigerung sich aus der Sicht des Empfängerhorizonts als Regelung zur Sicherung des störungsfreien Ablaufs eines öffentlichen Zusammenkommens, mithin als Verwaltungsakt, dessen Wirksamkeit mit Beendigung der Veranstaltung endete, darstellt (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 7. Aufl. - 2008, § 35 Rdnr. 131 ff.). Das - unbeschadet der materiellen Erledigung dieser Regelung - fortbestehende Feststellungsinteresse daran, dass die Zutrittsverweigerung zu Unrecht erfolgte, ergibt sich, wie bereits in dem Beschluss vom 21. Januar 2009 angeführt, aus einem Rehabilitationsinteresse, das darauf gestützt werden kann, die Maßnahme sei unter einer - unzulässigen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, Abs.-Nr. 28 m.w.N.) - Anknüpfung an die Gesinnung des Klägers, nicht an das Bestehen einer konkreten Gefahr für Rechtsgüter oder gar Störung der öffentlichen Sicherheit, erfolgt.
B. Die begehrte Feststellung ist nur im Rechtsverhältnis zur Beklagten zu 1) zu treffen [1.], nicht jedoch auch im Verhältnis zum Beklagten zu 2) [2.].
1. Aufgrund der Vernehmung des Zeugen C. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine der Beklagten zu 1) zuzurechnende Zutrittsverweigerung stattfand [a.], für die indes nicht die erforderliche Rechtsgrundlage gegeben war [b.].
a. Bei seiner Einvernahme hat der Zeuge C. bekundet, dem Kläger mitgeteilt zu haben, dass der Veranstalter ihre Teilnahme nicht wünsche und er deshalb nicht eingelassen würde (Sitzungsniederschrift Seite 4). Dieses Vorbringen deckt sich mit dem Vermerk vom 29. August 2008 (Bl. 1 der beigezogenen Behördenakten), worin es heißt, er habe dem Kläger erklärt, "dass die Gruppe nicht zur Veranstaltung zugelassen sei", "dies der Wunsch des Veranstalters sei und [er] diesen Wunsch respektiere und ggf. unter Amtshilfe der Polizei auch durchsetzen würde".
Damit erließ der Zeuge C. eine der Beklagten zu 1) zuzurechnende Regelung.
Unbeschadet dessen, dass aus der "Benutzungs- und Gebührenordnung für die Bürgerhäuser der Stadt C-Stadt" (Bl. 27 bis 20 der Behördenakten) eine Übertragung des Hausrechts oder seiner Ausübung auf den jeweiligen Benutzer nicht ersichtlich ist, vielmehr das Hausrecht nach § 4 Nr. 10 dieser Regelung vom Hausmeister ausgeübt wird, musste nach dem Empfängerhorizont - der auch für den Verwaltungsakt als öffentlich-rechtliche Willenserklärung maßgeblich ist - der Kläger davon ausgehen, dass ihm der Zeuge C. nicht als Privatperson oder Bote der anwesenden W. entgegentrete, sondern als Beauftragter der Beklagten zu 1). Ausschlaggebend ist hierbei, dass der Kläger und der Zeuge C. sich bereits kannten und der Kläger um die Funktion des Zeugen in der Ordnungsbehörde der Beklagten zu 1) wusste; hieran ändert nichts, wenn keine der im Vorfeld - anlässlich der Anmeldung eines Aufzugs gegen den Moscheebau der W. - ergangenen Verfügungen die Unterschrift des Zeugen C. trägt.
b. Die für die Zutrittsverweigerung erforderliche Rechtsgrundlage fehlte. Auszugehen ist davon, dass der W. eine öffentliche Veranstaltung zum Thema "Islam und Integration"(vgl. Bl. 17 d.A.) durchführte, die zugleich eine Danksagung an die C. darstellen sollte (vgl. Bl. 15, 16 d.A.), ohne ausdrücklich auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt zu sein. Dem Kläger konnte deshalb der Zutritt zu der Veranstaltung weder auf versammlungsrechtlicher [(1)] noch, für den Fall, dass die Veranstaltung nicht als "Versammlung" angesehen werden sollte, allgemeinpolizeirechtlicher Grundlage [(2)] oder aufgrund der öffentlich-rechtliche Sachherrschaft an dem Bürgerhaus [(3)] verweigert werden.
(1) Eine Rechtsgrundlage für die Zutrittsverweigerung findet sich nicht in § 6 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes, das unbeschadet des Übergangs der Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Gesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I Seite 2034) in Hessen fortgilt. Es spricht einiges dafür, die Veranstaltung des W. dem Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG sowie der völkervertraglichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 11 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zuzuordnen, mithin als Versammlung anzusehen, auch wenn der Kundgabecharakter innerhalb der kommunikativen Wirkung der Veranstaltung von eher untergeordneter Bedeutung war. Jedenfalls lässt sich der Einladung nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen, dass der Kläger - mag er auch nicht zum Adressatenkreis gehören - von der Teilnahme ausgeschlossen sei. Mithin bliebe allein die Befugnis des Leiters der Versammlung - hier offenbar des Bundesvorsitzenden U. - den Kläger nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes von der Teilnahme auszuschließen, wofür jedoch eine gröbliche Störung der Ordnung der Versammlung erforderlich gewesen wäre, die hier unzweifelhaft nicht vorlag.
(2) Ebenso wenig findet sich eine Eingriffsermächtigung - sofern man das Vorliegen einer "Versammlung" verneinte - in § 31 Abs. 1 Satz 1 Alt: 2 HSOG. Die Platzverweisung durch das vorübergehende Verbot, einen Ort zu betreten setzt nämlich eine "Gefahr" voraus, wobei allerdings der Kläger die Gefahrengrenze noch nicht überschritten hätte. Allein der Umstand, dass er wegen seiner Überzeugung nicht in den Rahmen der Veranstaltung zu passen schien, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
(3) Schließlich ermöglichte nicht die der Beklagten zu 1) verbliebene öffentlich-rechtliche Sachherrschaft am Bürgerhaus C-Stadt, den Kläger von der Teilnahme an der Veranstaltung auszuschließen. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft schließt die Störungsabwehr durch Ausübung des Hausrechts ein, verlangt indes ebenfalls eine bereits aktualisierte Beeinträchtigung, die hier freilich nicht vorlag.
2. Nach Einvernahme des Zeugen K. steht indes zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine dem Beklagten zu 2) zuzurechnende Regelung, durch die dem Kläger der Zutritt zum Bürgerhaus der Beklagten zu 1) versagt worden wäre, nicht erging.
Selbst wenn aufgrund des Erscheinens des Zeugen K. in Uniform und dem geführten Wortwechsel mit dem Kläger bei diesem der Eindruck entstanden sein sollte, der Zeuge K. befinde sich im Dienst, lässt sich dem Vorbringen dieses Zeugen nicht entnehmen, dass er selber irgendwelche regelnden Anordnungen bekannt gegeben habe. Soweit thematisiert wurde, dass es bei einem Versuch des Klägers, sich Zutritt zu verschaffen, zu einem polizeilichen Einsatz kommen könnte (Sitzungsniederschrift Seite 7), handelt es sich um die Diskussion einer möglichen Lageentwicklung, die keine aktuelle Regelung enthält. Allein aus der Möglichkeit, dass der Zeuge K. sich hätte in Dienst setzen und - bei entsprechender Entwicklung des Lagebildes - durch zwangsweise Durchsetzung einer eigenen Verfügung oder durch Vollzugshilfe für die Beklagte zu 1) einem Zutrittsversuch des Klägers hätte entgegen treten können, folgt noch nicht, dass er eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung verhindert habe. Maßgeblich für die Verhinderung war nicht die Diskussion einer möglichen Lageentwicklung, sondern das Befolgen der von der Beklagten zu 1) - indes ohne die erforderliche rechtliche Grundlage - erlassenen Verfügung. ..."
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Die Anordnung eines Platzverweises i.S. des § 31 HessSOG ist nur vorübergehend rechtlich zulässig. Längere Aufenthaltsverbote können nicht auf die Befugnisnorm des § 31 HessSOG gesützt werden. Ein Aufenthaltsverbot kann nach hessischem Landesrecht nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 11 HessSOG ausgesprochen werden. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit eines ausgesprochenen Aufenthaltsverbots (VG Frankfurt, Urteil vom 21.02.2002 - 5 E 4962/01 (V)).
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Zur Rechtmäßigkeit der Feststellung der Identität und Durchsuchung von Personen, die der rechtsextremistischen Szene zugeordnet werden. Ein Platzverweis darf nicht ausgesprochen werden, wenn von einer Person eine polizeirechtlich relevante Gefahr nicht ausgeht. Es bleibt offen, ob ein Platzverweis außer auf § 31 HessSOG unter bestimmten Voraussetzungen auch auf die allgemeine Befugnisnorm des § 11 HessSOG gestützt werden kann (VG Frankfurt, Urteil vom 06.02.1998 - 5 E 3536/96).
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§ 32 Gewahrsam
(1) Die Polizeibehörden können eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies
1. zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet,
2. unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern,
3. unerlässlich ist, um Maßnahmen nach § 31 durchzusetzen, oder
4. unerlässlich ist, um private Rechte zu schützen und eine Festnahme und Vorführung der Person nach den §§ 229, 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches ohne polizeiliches Einschreiten zulässig wäre.
(2) Die Polizeibehörden können Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen.
(3) Die Polizeibehörden können eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehender Maßregel der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.
Leitsätze/Entscheidungen:
Gewahrsamsorgien beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten (EGMR, Urteil vom 01.12.2011 - 8080/08, 8577/08 - juris):
... VERFAHREN
1. Der Rechtssache lagen zwei Individualbeschwerden (Nrn. 8080/08 und 8577/08) gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, die zwei deutsche Staatsangehörige, S. ( der erste Beschwerdeführer") und G. ( der zweite Beschwerdeführer"), am 8. bzw. 11. Februar 2008 nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ( die Konvention") beim Gerichtshof eingereicht hatten. Der Kammerpräsident gab dem Antrag des zweiten Beschwerdeführers vom 7. Juli 2010, seine Identität nicht offen zu legen, am 23. August 2010 statt (Artikel 47 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).
2. Der erste Beschwerdeführer wurde vor dem Gerichtshof zunächst von Frau U., Rechtsanwältin in Hamburg, und anschließend von Frau L., Rechtsanwältin in Berlin, vertreten. Der zweite Beschwerdeführer wurde vor dem Gerichtshof auch von Frau L. vertreten. Die deutsche Regierung ( die Regierung") wurde durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Frau Ministerialdirigentin A. Wittling-Vogel vom Bundesministerium der Justiz, und den ständigen Vertreter ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn Ministerialrat H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz, vertreten.
3. Die Beschwerdeführer brachten insbesondere vor, ihre Präventivhaft während eines G8-Gipfels, durch die sie daran gehindert worden seien, an Demonstrationen teilzunehmen, habe gegen Artikel 5 Abs. 1 sowie Artikel 10 und 11 der Konvention verstoßen.
4. Am 30. November 2009 entschied der Präsident der Fünften Sektion, die Regierung von der Beschwerde in Kenntnis zu setzen. Es wurde auch beschlossen, über die Zulässigkeit und die Begründetheit der Beschwerden gleichzeitig zu entscheiden (Artikel 29 Abs. 1).
SACHVERHALT
I. DIE UMSTÄNDE DER RECHTSSACHE
5. Die Beschwerdeführer wurden beide 19.. geboren und sind in B. bzw. X. wohnhaft.
A. Hintergrund der Rechtssache
1. Die Einschätzung der Sicherheitslage durch die Behörden und die Sicherheitsmaßnahmen während des G8-Gipfels
6. Vom 6. bis 8. Juni 2007 fand in Heiligendamm in der Nähe von Rostock ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten statt.
7. Nach Auffassung der Polizei bestand während des Gipfels die Gefahr terroristischer Anschläge, insbesondere durch islamistische Gruppen. Darüber hinaus ging die Polizei unter Berücksichtigung der bei früheren G8-Gipfeln gewonnenen Erfahrungen von einer Gefahr objektbezogener Anschläge durch militante Linksextreme aus. Diese hätten geplant, gegen den Gipfel zu protestieren, ihn zu blockieren und zu sabotieren.
8. Die Polizei nahm an, dass etwa 25.000 Personen, von denen 2.500 gewaltbereit seien, an einer internationalen Demonstration am 2. Juni 2007 in Rostock teilnehmen würden, und dass während des Gipfels etwa 15.000 Demonstranten anwesend sein würden, von denen 1.500 gewaltbereit seien.
9. Am 2. Juni 2007 kam es im Stadtzentrum von Rostock zu schweren Ausschreitungen, an denen gut organisierte gewalttätige Demonstranten, die einem sogenannten schwarzen Block" zuzurechnen waren, beteiligt waren; diese griffen die Polizei mit Steinen und Baseballschlägern an. 400 Polizisten wurden verletzt.
10. Nach einer Presseveröffentlichung des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Juni 2007 waren 17.000 Polizisten im Einsatz, um den störungsfreien Ablauf des G8-Gipfels sicherzustellen und die Gipfelteilnehmer vor Anschlägen durch Terroristen oder gewaltbereite Globalisierungsgegner zu schützen. Während des Gipfels seien 1.112 Freiheitsentziehungen in Gefangenensammelstellen erfasst worden. In 628 Fällen sei bei Gericht die Bestätigung des Gewahrsams beantragt worden; in 113 Fällen sei diese Bestätigung erfolgt.
2. Die Festnahme der Beschwerdeführer
11. Im Juni 2007 fuhren die Beschwerdeführer nach Rostock, um an den Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm teilzunehmen.
12. Am 3. Juni 2007 gegen 22.15 Uhr wurde die Identität der Beschwerdeführer auf einem Parkplatz vor der Justizvollzugsanstalt Waldeck von der Polizei überprüft; dort standen sie mit sieben anderen Personen neben einem Transporter. Auf dem Parkplatz befanden sich keine weiteren Personen. Die Polizei brachte vor, dass der erste Beschwerdeführer Widerstand gegen die Identitätsfeststellung geleistet habe. Er habe einem Polizeibeamten, der versucht habe, die Identität des zweiten Beschwerdeführers festzustellen, auf die Arme geschlagen. Er habe auch einem anderen Polizeibeamten gegen das Schienbein getreten, um die eigene Identitätsfeststellung zu verhindern. Die Beschwerdeführer brachten vor, der zweite Beschwerdeführer sei von der Polizei geschlagen worden, obwohl er seinen Personalausweis vorzeigebereit in der Hand gehalten habe. Die Polizei durchsuchte das Fahrzeug und fand eingerollte Transparente mit den Aufschriften freedom for all prisoners" sowie free all now". Die Beschwerdeführer wurden festgenommen. Die Transparente wurden anscheinend beschlagnahmt.
B. Das in Rede stehende Verfahren
1. Das Verfahren vor dem Amtsgericht
13. Mit zwei gesonderten Beschlüssen, die am 4. Juni 2007 um 4.20 bzw. 4.00 Uhr ergingen, ordnete das Amtsgericht Rostock nach persönlicher Vernehmung der beiden Beschwerdeführer deren amtlichen Gewahrsam bis längstens 9. Juni 2007, 12.00 Uhr, an.
14. Gestützt auf §§ 55 Abs. 1 Nr. 2a und 56 Abs. 5 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern - SOG M-V - (siehe Rdnrn. 37-38) befand das Amtsgericht, dass die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer rechtmäßig gewesen sei, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. Da die Beschwerdeführer vor der Justizvollzugsanstalt Waldeck in einem Transporter aufgegriffen worden seien, in dem Gegenstände entdeckt worden seien, mit denen zur Gefangenbefreiung aufgerufen worden sei, sei anzunehmen gewesen, dass sie eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen würden.
15. Das Amtsgericht befand ferner, dass die Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer unerlässlich und verhältnismäßig sei. In der Anhörung hätten die beiden Beschwerdeführer den Eindruck vermittelt, dass sie beabsichtigten hätten, die Straftat fortzusetzen. Da sie keine Angaben zur Sache gemacht hätten, hätten sie ihr Verhalten auch nicht rechtfertigen können.
2. Das Verfahren vor dem Landgericht
16. Am 4. Juni 2007 wies das Landgericht Rostock die sofortigen Beschwerden des ersten und zweiten Beschwerdeführers mit zwei gesonderten Beschlüssen zurück.
17. Das Landgericht bestätigte die Feststellung des Amtsgerichts, die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer sei nach § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V rechtmäßig gewesen. Indem die Beschwerdeführer im unmittelbaren Umfeld der JVA Waldeck nachweislich Transparente mit einer imperativen Aufschrift ( free" - befreien") mit sich geführt hätten, hätten sie zur Gefangenenbefreiung, die eine Straftat darstelle, auffordern wollen. Darüber hinaus habe der erste Beschwerdeführer dem Akteninhalt zufolge gegen Vollstreckungsbeamte Widerstand geleistet. Dem zweiten Beschwerdeführer sei seinerseits 2002 im Zusammenhang mit einem Castor1-Transport" ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr zur Last gelegt worden. Das Landgericht schloss sich überdies der Begründung des Amtsgerichts an, wonach die Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer unerlässlich und angemessen sei.
3. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht
18. Am 7. Juni 2007 wies das Oberlandesgericht Rostock die von den Beschwerdeführern anschließend erhobenen sofortigen weiteren Beschwerden zurück. In ihren Beschwerden hatten die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer vorgebracht, dass die Transparente sich an die Polizei und die Behörden gerichtet hätten, die dadurch aufgefordert werden sollten, die zahlreichen Festnahmen und Ingewahrsamnahmen von Demonstranten zu beenden. Die Transparente hätten nicht darauf abgezielt, andere dazu aufzufordern, Gefängnisse zu stürmen und Gefangene gewaltsam zu befreien. Eine solche Auslegung müsse als lebensfremd angesehen werden, denn gewalttätige Gefangenenbefreiungen aus Gefängnissen habe es in den letzten Jahrzehnten in Deutschland nicht gegeben.
19. Das Oberlandesgericht bestätigte die Feststellung der Vorinstanzen, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V gegeben seien. Die Festnahme und Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer sei zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unerlässlich gewesen. Das Transparent free all now" könne zusammen mit dem Transparent freedom for all prisoners" so gedeutet werden, dass zur Gefangenenbefreiung, die nach § 120 StGB (siehe Rdnr. 41) einen Straftatbestand erfülle, aufgerufen werde. Für die Polizei habe der begründete Verdacht bestanden, dass die Beschwerdeführer sich nach Rostock begeben und die Transparente bei den dort stattfindenden, teilweise gewalttätigen Demonstrationen zeigen würden. Damit hätte eine gewaltbereite Menge dazu bewogen werden können, in Gewahrsam genommene Personen zu befreien.
20. In Bezug auf den zweiten Beschwerdeführer seien die Voraussetzungen des §§ 55 Abs. 1 Nr. 2c SOG M-V (siehe Rdnr. 37) ebenfalls erfüllt gewesen. Der zweite Beschwerdeführer sei 2002 unter vergleichbaren Umständen wegen Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr im Zusammenhang mit dem Transport von Castor-Behältern festgenommen worden. Ob er anschließend verurteilt worden sei, sei unerheblich.
21. Die Beschwerdeführer seien den Schlussfolgerungen der Gerichte nicht entgegengetreten und hätten sich nicht zur Sache eingelassen. Die Polizei habe die am 2. und 3. Juni 2007 in Rostock bestehende allgemeine Gefahrenlage berücksichtigen müssen. An diesen Tagen sei es in der Innenstadt zu äußerst gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei gekommen. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer sich durch Angriffe gegen Polizeibeamte selbst gewaltbereit gezeigt.
22. Das Oberlandesgericht war ferner der Auffassung, dass das Grundrecht der Beschwerdeführer auf freie Meinungsäußerung keine andere Schlussfolgerung rechtfertige. Es räumte ein, dass die Losungen auf den Transparenten mehrdeutig seien. Jedoch habe die Polizei in der in und um Rostock bestehenden angespannten Situation missverständliche Meinungskundgebungen, die zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hätten führen können, unterbinden dürfen.
23. Darüber hinaus sei die Dauer der Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer verhältnismäßig gewesen. Aus einem Bericht der Rostocker Polizei vom 6. Juni 2007 gehe hervor, dass sechs- bis zehntausend Globalisierungsgegner mit zum Teil hoher Gewaltbereitschaft sich in Richtung Heiligendamm bewegt und zur Stürmung des Dammes" aufgerufen hätten. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass sich die Beschwerdeführer mit den Transparenten an diesen Demonstrationen beteiligen und damit andere Teilnehmer zur Gefangenenbefreiung aufstacheln würden.
4. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
24. Am 6. Juni 2007 erhoben die beiden Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht und beantragten den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel ihrer sofortigen Freilassung.
25. Die Beschwerdeführer rügten, dass ihre Ingewahrsamnahme insbesondere ihr Recht auf Freiheit und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt habe. Der zweite Beschwerdeführer machte ferner geltend, dass seine Ingewahrsamnahme gegen sein Recht auf Versammlungsfreiheit verstoßen habe. Die beiden Beschwerdeführer trugen vor, dass die Wertung, die Transparentaufschriften riefen andere Demonstranten auf, die Gefängnisse zu stürmen und die Gefangenen zu befreien, lebensfremd sei. Die Transparente hätten sich an die Polizei, die bereits viele Globalisierungsgegner festgenommen gehabt habe, an die Teilnehmer des G8-Gipfels und an die Allgemeinheit gerichtet und nicht zu gewalttätigen Handlungen aufgefordert. Die Beschwerdeführer hoben überdies hervor, dass sie nicht vorbestraft seien. Der zweite Beschwerdeführer trug insbesondere vor, dass das gegen ihn wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei.
26. Diese Beschwerden wurden anfangs unter dem Aktenzeichen 2 BvR 1195/07 bzw. 2 BvR 1196/07 geführt. Am 8. Juni 2007 teilte der Bericht erstattende Richter des Bundesverfassungsgerichts den Bevollmächtigten der Beschwerdeführer telefonisch mit, dass das Bundesverfassungsgericht keine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung treffen werde.
27. Die Beschwerdeführer wurden am 9. Juni 2007 um 12.00 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen.
28. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer vom 6. Juni 2007 wurden nach ihrer Freilassung als erledigt betrachtet.
29. Obwohl sie mittlerweile freigelassen worden waren, beantragten die Beschwerdeführer am 6. Juli 2007 beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung, dass ihre Ingewahrsamnahme verfassungswidrig gewesen sei. Daraufhin wurden ihre Verfassungsbeschwerden neu registriert (2 BvR 1521/07 bzw. 2 BvR 1520/07).
30. Am 6. August 2007 lehnte es das Bundesverfassungsgericht mit zwei gesonderten Beschlüssen ohne Begründung ab, die Verfassungsbeschwerden des ersten und zweiten Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen (Az.: 2 BvR 1521/07 bzw. 2 BvR 1520/07).
31. Die Entscheidung wurde der Bevollmächtigten des ersten Beschwerdeführers am 14. August 2007 und der Bevollmächtigten des zweiten Beschwerdeführers am 13. August 2007 zugestellt.
C. Weitere Entwicklungen
32. Das gegen den ersten Beschwerdeführer wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bei der Feststellung seiner Personalien am 3. Juni 2007 eingeleitete Strafverfahren wurde gegen Zahlung eines Betrags von 200 Euro eingestellt. Das wegen derselben Straftat gegen den zweiten Beschwerdeführer eingeleitete Strafverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
33. Die Beschwerdeführer brachten vor, einer der an ihrer Ingewahrsamnahme beteiligten Polizeibeamten sei später in einer anderen Angelegenheit der Körperverletzung im Amt schuldig befunden worden. Das Verfahren sei in der Berufungsinstanz noch anhängig. Die Regierung hat zu diesem Punkt nicht Stellung genommen.
34. Ein Strafverfahren wegen Aufforderung zur Gefangenenbefreiung wurde gegen die Beschwerdeführer nicht eingeleitet.
35. Am 20. Dezember 2007 verwarf das Oberlandesgericht Rostock die Anhörungsrügen der Beschwerdeführer.
36. Am 1. bzw. 3. Mai 2008 beschloss das BVG, die erneuten Verfassungsbeschwerden des ersten (2 BvR 538/08) und des zweiten Beschwerdeführers (2 BvR 164/08) nicht zur Entscheidung anzunehmen. In ihren Beschwerden hatten sich die Beschwerdeführer insbesondere auf ihr Recht auf Freiheit, freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit berufen.
II. EINSCHLÄGIGES INNERSTAATLICHES RECHT
A. Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern ( das SOG M-V")
37. § 55 Absatz 1 SOG M-V, soweit maßgeblich, lautet:
Eine Person kann nur in Gewahrsam genommen werden, wenn dies
1. ... ;
2. unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern; die Annahme, dass eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, dass
a) sie die Begehung der Tat ankündigt oder dazu aufgefordert hat oder Transparente oder sonstige Gegenstände mit einer solchen Aufforderung sich führt;
...
c) sie bereits in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten [ ] angetroffen worden ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist [ ]"
38. Nach § 56 Abs. 5 SOG M-V hat die Polizei, wenn sie eine Person in Gewahrsam nimmt, unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. In der richterlichen Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer des Gewahrsams zu bestimmen; sie darf in den Fällen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 zehn Tage nicht überschreiten. Für die Entscheidung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person in Gewahrsam genommen worden ist.
39. Nach § 52 SOG M-V können die Behörden zur Abwehr einer konkreten Gefahr eine Person von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweisung). Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass diese Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird, so kann ihr bis zu einer Dauer von zehn Wochen untersagt werden, diesen Bereich zu betreten.
40. Nach § 61 Abs. 1 SOG M-V kann eine Sache nur sichergestellt werden, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Nr. 1) oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verwendet werden soll (Nr. 4).
B. Das Strafgesetzbuch (StGB)
41. Nach § 120 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert. Nach § 120 Abs. 3 ist der Versuch strafbar.
C. Die Strafprozessordnung
42. §§ 112 ff. StPO behandeln die Untersuchungshaft. Nach § 112 Abs. 1 StPO darf die Untersuchungshaft gegen einen Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
I. VERBINDUNG DER BESCHWERDEN
43. Da sich die beiden in Rede stehenden Individualbeschwerden auf zwei Verfahren beziehen, die denselben Gegenstand hatten, nämlich die Präventivhaft der Beschwerdeführer während des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm, beschließt der Gerichtshof, die Individualbeschwerden zu verbinden (Artikel 42 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).
II. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 5 ABSATZ 1 DER KONVENTION
44. Die Beschwerdeführer rügten, dass ihre Präventivhaft während des G8-Gipfels Artikel 5 Abs. 1 der Konvention verletzt habe, der, soweit maßgeblich, wie folgt lautet:
Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a) rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c) rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern; ..."
45. Die Regierung bestritt dieses Vorbringen.
A. Zulässigkeit
46. Die Regierung war der Auffassung, dass die Beschwerdeführer die innerstaatlichen Rechtsbehelfe nicht dem Erfordernis aus Artikel 35 Abs. 1 der Konvention entsprechend erschöpft hätten. Sie hätten vor Erhebung der Individualbeschwerden keine Klage auf Entschädigung für ihre angeblich unrechtmäßige Freiheitsentziehung nach Artikel 5 Abs. 5 der Konvention erhoben. Die Regierung räumte ein, dass die Beschwerdeführer hinsichtlich ihrer Ingewahrsamnahme von allen verfügbaren Rechtsmitteln Gebrauch gemacht hätten. Ihr primäres Ziel - die Freilassung aus dem Gewahrsam - hätte sich nach ihrer Entlassung am 9. Juni 2007 erledigt. Danach hätten sie nur noch eine Ersatzleistung durch den Staat erlangen können.
47. Die Beschwerdeführer bestritten diese Auffassung. Sie hätten sowohl in dem Verfahren über die Rechtmäßigkeit ihrer Ingewahrsamnahme vor den Rostocker Gerichten als auch gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vorgebracht, dass ihre Ingewahrsamnahme gegen ihre Grundrechte verstoßen habe. Ein zivilgerichtliches Entschädigungsverfahren wäre nicht umfassend genug gewesen und es wäre auch kein wirksames Rechtsmittel gewesen, um eine zügige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit ihrer Ingewahrsamnahme zu erwirken und im Falle der Unrechtmäßigkeit dieser Freiheitsentziehung ihre Freilassung durchzusetzen. Darüber hinaus hätte eine Entschädigungsforderung keine Erfolgsaussichten gehabt, nachdem die Ingewahrsamnahme von den Rostocker Gerichten in dem in Rede stehenden Verfahren für rechtmäßig erachtet worden sei. Es sei kein einziger Fall bekannt, in dem die Zivilgerichte in einem Entschädigungsverfahren einer früheren Entscheidung der Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung einer Person nicht gefolgt wären. Unter diesen Umständen seien die Beschwerdeführer nicht verpflichtet gewesen, zusätzlich zu dem Verfahren, mit dem sie die Rechtmäßigkeit ihrer Ingewahrsamnahme angefochten hätten, von einem weiteren Rechtsbehelf Gebrauch zu machen.
48. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Regel der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs nach Artikel 35 Abs. 1 der Konvention die Beschwerdeführer verpflichtet, zunächst von den ihnen nach ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung normalerweise zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen, die solcher Art sind, dass den behaupteten Verletzungen abgeholfen werden kann (siehe u. a. Akdivar u . a. ./. Türkei, 16. September 1996, Rdnr. 66, Urteils- und Entscheidungssammlung 1996-IV; und Aksoy ./. Türkei, 18. Dezember 1996, Rdnr. 62, Sammlung 1996-VI).
49. Nach der ständigen Rechtsprechung der Konventionsorgane ist eine Entschädigungsklage in einem Fall, in dem es um die Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung geht, kein Rechtsbehelf, der erschöpft werden müsste, denn das Recht auf gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung und das Recht auf Erhalt einer Entschädigung für eine mit Artikel 5 nicht vereinbare Freiheitsentziehung sind zwei getrennte Rechte (siehe u. a. W?och v. Poland, Individualbeschwerde Nr. 27785/95, Rdnr. 90, ECHR 2000-XI; Belchev ./. Bulgarien (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 39270/98, 6. Februar 2003; und Khadisov und Tsechoyev ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 21519/02, Rdnr. 151, 5. Februar 2009, mit weiteren Verweisen). In Artikel 5 Abs. 1 der Konvention geht es um das erstgenannte, und in Artikel 5 Abs. 5 um das letztgenannte Recht (Khadisov und Tsechoyev, a.a.O. Rndr. 151).
50. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof gerügt haben, dass ihre Präventivhaft während des G8-Gipfels Artikel 5 Abs. 1 verletzt habe, und dass sie die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Ingewahrsamnahme zuvor vor allen zuständigen innerstaatlichen Gerichten gerügt hatten. Nach seiner Rechtsprechung haben sie im Hinblick auf ihre Rüge nach Artikel 5 Abs. 1 den innerstaatlichen Rechtsweg daher erschöpft. Die Einrede der Regierung wegen Nichterschöpfung des Rechtswegs ist daher zurückzuweisen.
51. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass diese Beschwerde nicht im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a der Konvention offensichtlich unbegründet ist. Sie ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.
B. Begründetheit
1. Die Stellungnahmen der Parteien
a) Die Beschwerdeführer
52. Die Beschwerdeführer brachten vor, dass ihre Freiheitsentziehung im Zeitraum vom 3. bis 9. Juni 2007 gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention verstoßen habe. Sie sei nach keinem der Buchstaben dieser Bestimmung gerechtfertigt gewesen.
53. Die Beschwerdeführer brachten insbesondere vor, dass ihre Freiheitsentziehung nicht nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt gewesen sei, weil dieser eine rein präventive Freiheitsentziehung nicht zulasse. Ihre Freiheitsentziehung sei nicht im Zusammenhang mit einem Strafverfahren erfolgt, wie dies gemäß der Auslegung dieser Bestimmung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderlich sei (sie bezogen sich u. a. auf Jec(ius ./. Litauen, Individualbeschwerde Nr. 34578/97, Rdnr. 50, ECHR 2000-IX). Dies werde dadurch belegt, dass ihre Freiheitsentziehung sich nicht auf § 112 StPO gestützt habe, der die Untersuchungshaft betreffe (siehe Rdnr. 42). Vielmehr hätten die Gerichte ihre Freiheitsentziehung auf §§ 55 und 56 SOG M-V gestützt; diese regelten die Präventivhaft, die nicht mit einem Strafverfahren in Verbindung stehe.
54. Darüber hinaus brachten die Beschwerdeführer vor, ihre Freiheitsentziehung habe nicht darauf abgezielt, sie unverzüglich einem Richter vorzuführen und wegen potentieller künftiger Straftaten vor Gericht zu stellen, wie dies nach Artikel 5 Abs. 3 i. V. m. Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c erforderlich sei. Auch habe nicht gemäß der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c begründeter Anlass zu der Annahme bestanden, dass die Freiheitsentziehung notwendig sei, um sie an der Begehung einer Straftat zu hindern. Ihre potentiellen Straftaten seien nicht, wie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderlich, mit einem angemessenen Maß an Spezifität insbesondere hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Begehung und ihrer Opfer beschrieben worden (sie beriefen sich u. a. auf M. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnr. 102, 17. Dezember 2009).
55. Die Beschwerdeführer brachten ferner vor, dass ihre Freiheitsentziehung auch nicht nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b gerechtfertigt gewesen sei. Es habe keine gerichtliche Anordnung gegeben, die die Beschwerdeführer nicht erfüllt hätten. Sie hätten auch keiner Verpflichtung unterlegen, die sie nicht erfüllt hätten. Selbst wenn sie die in dem Lieferwagen beschlagnahmten Transparente gezeigt hätten, hätten sie keine Straftat begangen.
56. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer erfüllte ihre Freiheitsentziehung mangels Verurteilung" auch nicht die Anforderungen von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a.
57. Darüber hinaus sei ihre Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig" gewesen, wie nach Artikel 5 Abs. 1 erforderlich. § 55 Abs. 1 SOG M-V, auf den ihre Freiheitsentziehung gestützt worden sei, sei nicht so konkret gewesen, dass sie hätten vorhersehen können, dass sie wegen ihres Verhaltens mit einer Freiheitsentziehung zu rechnen hätten. Darüber hinaus sei die Bestimmung nicht korrekt angewandt worden. Es habe nichts darauf hingedeutet, dass die Beschwerdeführer im Begriff gewesen seien, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort eine bestimmte Straftat zu begehen. Selbst wenn man, obwohl die Beschwerdeführer selbst von den Polizisten geschlagen worden seien, annehme, dass der erste Beschwerde einem Polizeibeamten auf den Arm geschlagen und ihm ans Schienbein getreten habe, rechtfertige dies nicht die Schlussfolgerung, dass beide Beschwerdeführer dabei gewesen seien, eine weitere, ganz andere Straftat, nämlich die gewaltsame Befreiung von Gefangenen, zu begehen. Aber selbst wenn die Beschwerdeführer die Transparente gezeigt hätten, wäre dies in jedem Fall nicht unrechtmäßig gewesen. Die Aufschriften hätten nicht dazu aufgefordert, Gewalttaten zu begehen oder jemandem zu schaden. In diesem Zusammenhang betonten die Beschwerdeführer, ihre Rechtsanwältinnen hätten die verschiedenen möglichen Bedeutungen der Losungen auf den Transparenten sowohl in der Anhörung vor dem Landgericht als auch in der Begründung ihrer sofortigen weiteren Beschwerde erläutert.
58. Darüber hinaus sei die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer auch nicht unerlässlich gewesen, um eine unmittelbar bevorstehende gewaltsame Gefangenenbefreiung oder einen Aufruf zur Gefangenenbefreiung zu verhindern. Es habe nichts darauf hingedeutet, dass die Beschwerdeführer, die keine Werkzeuge bei sich gehabt hätten, die zur Befreiung von Gefangenen hätten dienen können, im Begriff gewesen seien, die Justizvollzugsanstalt Waldeck, eine Hochsicherungseinrichtung, anzugreifen. Auf dem Parkplatz habe es keine Menschenmenge gegeben, die man hätte dazu anstiften können, gewaltsam Gefangene dieser Justizvollzugsanstalt zu befreien. Die Annahme, die Beschwerdeführer könnten die Transparente bei einer nicht näher bestimmten Demonstration verwenden, an der eventuell gewaltbereite Personen teilnähmen, reiche für die nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V erforderliche Schlussfolgerung, die Begehung einer Straftat stehe unmittelbar bevor, nicht aus. Die Beschwerdeführer brachten weiter vor, dass entgegen dem Vorbringen der Regierung keines der innerstaatlichen Gerichte die Ansicht geäußert habe, die Beschwerdeführer selbst hätten beabsichtigt, gewaltsam Gefangene zu befreien. Die Gerichte hätten nur vorgebracht, es gebe Grund zu der Annahme, die Beschwerdeführer hätten beabsichtigt, andere dazu anzustiften.
59. Die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei auch willkürlich gewesen, denn sie sei zur Erreichung des verfolgten Ziels nicht notwendig gewesen. Die Polizei hätte den Beschwerdeführern einfach nach § 52 SOG M-V verbieten können, das Gebiet zu betreten, in dem die G8-Demonstrationen stattgefunden hätten (siehe Rdnr. 39). Alternativ hätten sie auch nach § 61 SOG M-V die Transparente beschlagnahmen können (siehe Rdnr. 40). Den Beschwerdeführern wäre dann bewusst gewesen, dass die Polizei die Losungen für unrechtmäßig halte. In Anbetracht der abschreckenden Wirkung einer solchen polizeilichen Maßnahme hätte entgegen dem Vorbringen der Regierung nicht davon ausgegangen werden dürfen, dass die Beschwerdeführer ähnliche Transparente neu hergestellt und benutzt hätten. Da es während der gesamten Woche des G8-Gipfels zu keinen weiteren gewalttätigen Demonstrationen gekommen sei, sei die sechstägige Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer unverhältnismäßig gewesen. Sie wiesen in diesem Zusammenhang weiter darauf hin, dass die sieben Weißrussen, die sich ebenfalls in dem Transporter befunden hätten, als die Beschwerdeführer festgenommen worden seien, und denen die Transparente ebenfalls hätten gehören können, nicht in Gewahrsam genommen worden seien.
b) Die Regierung
60. Die Regierung vertrat die Auffassung, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention vereinbar gewesen sei. Sie sei nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c als Freiheitsentziehung wegen begründeten Anlasses zu der Annahme, dass es notwendig sei, die Beschwerdeführer an der Begehung einer Straftat zu hindern, gerechtfertigt gewesen.
61. Die Regierung widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführer, die Präventivhaft sei nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c der Konvention nur im Zusammenhang mit einem Strafverfahren zulässig, ihre Freiheitsentziehung sei jedoch außerhalb eines Strafverfahrens erfolgt und die bis dahin begangenen Handlungen zur Vorbereitung der gewaltsamen Gefangenenbefreiung oder des Aufrufs dazu seien straffrei gewesen. Die Regierung brachte vor, dass die Präventivhaft nach dem Wortlaut der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt sei, wenn sie notwendig sei, um eine Personen an der Begehung einer konkreten und spezifischen Straftat zu hindern, die, wenn sie begangen würde, zu einem Strafverfahren führen würde. Es sei nicht erforderlich, dass die betreffende Person bereits eine Straftat begangen habe; andernfalls wäre es überflüssig, neben der ersten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c noch eine zweite Alternative aufzuführen. Artikel 5 Abs. 3 der Konvention sei im Lichte von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c dahingehend auszulegen, dass eine unverzügliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung erforderlich sei: Ein Strafverfahren sei nicht notwendig, da der Person keine Straftat zur Last gelegt werde.
62. Die Regierung brachte weiter vor, dass eine solche Präventivhaft in Deutschland erforderlich sei, da Vorbereitungshandlungen entgegen dem in anderen Vertragsstaaten der Konvention anwendbaren Strafrecht in Deutschland in der Regel nicht strafbar seien. Dies diene dazu, potentielle Straftäter von ihren Plänen, eine Straftat zu begehen, abzubringen. Ohne die Möglichkeit, Personen präventiv in Gewahrsam zu nehmen, könnte der Staat daher seine positive Verpflichtung, seine Bürger vor bevorstehenden Straftaten zu schützen - zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Transport von Castorbehältern oder bei Hooligans, die Vorbereitungen für eine geplante Schlägerei treffen - nicht erfüllen.
63. Unter Bezugnahme auf die Rechtssache Guzzardi ./. Italien (6. November 1980, Rdnr. 102, Band A Nr. 39) brachte die Regierung vor, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt gewesen sei. Bestimmte Tatsachen hätten die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass es notwendig gewesen sei, sie daran zu hindern, in der unmittelbaren Zukunft eine Straftat zu begehen. Die Beschwerdeführer seien einen Tag nach gewalttätigen Ausschreitungen in der Innenstadt von Rostock gemeinsam mit sieben anderen Personen auf einem Parkplatz vor der Justizvollzugsanstalt Waldeck bei einem Transporter stehend angetroffen worden. Der erste Beschwerdeführer habe bei der Identitätsfeststellung durch Polizeibeamte gewaltsam Widerstand geleistet. Die Polizei habe Transparente mit der Aufschrift freedom for all prisoners" und free all now" in dem Transporter gefunden. Unter diesen Umständen hätten die Polizeibeamten davon ausgehen dürfen, dass die Beschwerdeführer im Begriff seien, sich den in Rostock stattfindenden Demonstrationen anzuschließen und die Transparente den Demonstrationsteilnehmern, von denen einige gewalttätig gewesen seien, zu zeigen. Dies wäre einem Aufruf zur nach § 120 StGB strafbaren Gefangenenbefreiung gleichgekommen.
64. Die Regierung brachte vor, es könne als naheliegend angesehen werden, den Wortlaut des Transparents mit der Aufschrift free all now" eher als an andere Demonstranten gerichteter Aufruf zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung zu verstehen als im Sinne eines Appells an die staatlichen Stellen, ihre Freilassung anzuordnen. Der erste Beschwerdeführer habe gewaltsam Widerstand gegen die Identitätsfeststellung geleistet und gegen den zweiten Beschwerdeführer sei bereits wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr im Zusammenhang mit dem Transport von Castor-Behältern ermittelt worden. Daher sei anzunehmen gewesen, dass die Beschwerdeführer beabsichtigt hätten, den Gipfel mit gewaltsamen Mitteln zu stören und andere in Rostock anwesende gewalttätige Demonstranten dazu anzustiften, Personen, die in den in der Innenstadt errichteten Gefangenensammelstellen festgehalten oder während einer Demonstration festgenommen worden seien, gewaltsam zu befreien. Die Beschwerdeführer hätten in dem Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten auch nicht dargelegt, dass die Aufschriften auf ihren Transparenten eine andere Bedeutung gehabt hätten.
65. Die Regierung brachte ferner vor, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b gerechtfertigt gewesen sei. Sie sei notwendig gewesen, um die Erfüllung einer gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtung sicherzustellen. Im Hinblick auf die Umstände der Rechtssache sei es sicher, dass die Beschwerdeführer einer Meldeauflage, die sie verpflichtet hätte, sich in bestimmten zeitlichen Abständen bei einem Polizeirevier an ihrem Wohnort zu melden, oder einem Platzverweis, der es ihnen untersagt hätte, ein bestimmtes Gebiet zu betreten, nicht nachgekommen wären. Die Beschwerdeführer seien mehrere Hundert Kilometer gefahren, um zum Ort des G8-Gipfels zu kommen, und hätten bei der Identitätsfeststellung Widerstand geleistet. Somit hätten sie belegt, dass sie polizeiliche Aufforderungen nicht befolgen würden. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Ausnahmesituation sei es nicht erforderlich gewesen, zu warten, bis die Beschwerdeführer tatsächlich gegen eine solche Anordnung verstoßen hätten. Angesichts der Masse der anwesenden Demonstranten hätten die Beschwerdeführer dann nicht mehr von der Begehung von Straftaten abgehalten werden können. Daher konnten die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtung zur Befolgung einer solchen Anordnung und das Verhindern von konkreten Straftaten nur durch ihre sofortige Ingewahrsamnahme sichergestellt werden.
66. Nach dem Vorbringen der Regierung war die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nach der Anordnung des Gewahrsams durch das Amtsgericht auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a gerechtfertigt. Die Regierung brachte vor, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff Verurteilung" entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur strafrechtliche Verurteilungen, sondern auch richterliche Entscheidungen umfasse, mit denen Präventivhaft angeordnet werde.
67. Die Regierung brachte weiter vor, die Freiheitsentziehung sei rechtmäßig gewesen und in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise erfolgt. Sie habe sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V gestützt. Die Freiheitsentziehung des zweiten Beschwerdeführers, der 2002 wegen Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr festgenommen worden sei, habe sich zusätzlich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2c SOG M-V gestützt.
68. Nach Auffassung der Regierung war der Gewahrsam der Beschwerdeführer auch verhältnismäßig und nicht willkürlich. Es hätten keine milderen Mittel zur Verfügung gestanden, um sie während der gesamten Dauer des G8-Gipfels an der Gefangenenbefreiung bzw. der Anstiftung dazu zu hindern. Wie bereits dargelegt worden sei (siehe Rdnr. 65), wäre eine Meldeauflage, die sie verpflichtet hätte, sich in regelmäßigen Abständen bei einem Polizeirevier außerhalb des G8-Bereichs zu melden, nicht ausreichend gewesen, um sie an der Begehung einer Straftat zu hindern. Aus denselben zuvor dargelegten Gründen wäre ein Platzverweis, mit dem es ihnen verboten worden wäre, ein bestimmtes Gebiet - das des G8-Gipfels - zu betreten, zur Abwehr der Straftat nicht geeignet gewesen. Dasselbe gelte für die Beschlagnahme der Transparente, die die Beschwerdeführer neu hätten herstellen können.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
a) Zusammenfassung der einschlägigen Grundsätze
69. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass eine erschöpfende Liste zulässiger Gründe für die Freiheitsentziehung in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f enthalten ist und eine Freiheitsentziehung nur rechtmäßig sein kann, wenn sie von einem dieser Gründe erfasst wird (siehe u. a. Guzzardi ./. Italien, 6. November 1980, Rdnr. 96, Serie A Band 39; Witold Litwa ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 26629/95, Rdnr. 49, ECHR 2000-III; und Saadi ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 13229/03, Rdnr. 43, ECHR 2008- ).
70. Nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c kann die Freiheitsentziehung einer Person gerechtfertigt sein, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat zu hindern". Dieser Grund für die Freiheitsentziehung bietet den Vertragsstaaten lediglich ein
- Mittel zur Verhütung einer, insbesondere hinsichtlich
- des Ortes und
- der Zeit ihrer Begehung und
- ihres Opfers bzw. ihrer Opfer (siehe M. ./. Germany, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnrn. 89 und 102, 17. Dezember 2009),
- konkreten und spezifischen Straftat (siehe Guzzardi, a.a.O., Rdnr. 102; Ciulla ./. Italien, 22. Februar 1989, Rdnr. 40, Serie A Band 148; und Shimovolos ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 30194/09, Rdnr. 54, 21. June 2011 (noch nicht endgültig)).
Dies ergibt sich sowohl aus dem Gebrauch des Singulars ( einer Straftat") als auch aus dem Ziel von Artikel 5, nämlich sicherzustellen, dass niemandem willkürlich die Freiheit entzogen wird (siehe Guzzardi, a.a.O.; und M. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 89).
71. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs muss eine Freiheitsentziehung, mit der eine Person an der Begehung einer Straftat gehindert werden soll, zusätzlich
- zum Zweck der Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde"
erfolgen; diese Anforderung bezieht sich auf jede Kategorie der Freiheitsentziehung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c (siehe Lawless ./. Irland (Nr. 3), 1. Juli 1961, S. 51-53, Rdnr. 14, Serie A Band 3, und, sinngemäß, Jec(ius ./. Litauen, Individualbeschwerde Nr. 34578/97, Rdnrn. 50-51, ECHR 2000-IX, und Engel u. a. ./. die Niederlande, 8. Juni 1976, Rdnr. 69, Serie A Band 22).
72. Daher ist die Freiheitsentziehung nach Buchstabe c nur in Verbindung mit einem Strafverfahren zulässig (siehe Jec(ius, a.a.O., Rdnr. 50). Die Untersuchungshaft fällt unter diese Bestimmung (siehe Ciualla, a.a.O., Rdnrn. 38-40). Dies ergibt sich aus Wortlaut, der zusammen mit Buchstabe a sowie mit Absatz 3 zu betrachten ist und mit diesen zusammen ein Ganzes bildet (siehe u.a. Ciualla, a.a.O., Rdnr. 38; und E. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 77909/01, Rdnr. 35, 24. März 2005). Nach Artikel 5 Abs. 32 muss jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c von Festnahme oder Freiheitsentzug betroffen ist, unverzüglich einem Richter vorgeführt werden - unter allen in Absatz 1 Buchstabe c erfassten Umständen - und hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist (siehe auch Lawless, a.a.O., S. 51-53; Rdnr. 14).
73. Darüber hinaus ist die Freiheitsentziehung nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b zulässig zur
- Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung".
Diese Bestimmung erfasst die Fälle, in denen es gesetzlich zulässig ist, einer Person die Freiheit zu entziehen, um sie dazu zu zwingen, eine ihr bereits obliegende tatsächliche und konkrete Verpflichtung zu erfüllen, der sie bisher noch nicht nachgekommen ist (Engel und andere, a.a.O., Rdnr. 69; Guzzardi, a.a.O., Rdnr. 101; Ciulla, a.a.O., Rdnr. 36; und E., a.a.O., Rdnr. 37). Festnahme und Freiheitsentzug müssen erfolgen, um die Erfüllung der Verpflichtung zu erzwingen, und dürfen keinen Strafcharakter aufweisen (siehe Gatt ./. Malta, Individualbeschwerde Nr. 28221/08, Rdnr. 46, ECHR 2010- ). Sobald die entsprechende Verpflichtung erfüllt wurde, entfällt die Grundlage für die Freiheitsentziehung nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b (Vasileva ./. Dänemark, Individualbeschwerde Nr. 52792/99, Rdnr. 36, 25. September 2003; und E., a.a.O., Rdnr. 37). Diese Bestimmung rechtfertigt beispielsweise nicht die administrative Freiheitsentziehung, mit der eine Person gezwungen werden soll, ihre allgemeine Verpflichtung zur Befolgung der Gesetze zu erfüllen (Engel u. a., a.a.O, Rdnr. 69). Schließlich muss zwischen der Bedeutung, die der Sicherstellung der sofortigen Erfüllung der fraglichen Verpflichtung in einer demokratischen Gesellschaft zukommt, und der Bedeutung des Rechts auf Freiheit ein Ausgleich herbeigeführt werden (Vasileva, a.a.O, Rdnr. 37; und E., a.a.O., Rdnr.37).
74. Im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a ist der Begriff Verurteilung" (englisch: conviction") unter Berücksichtigung des französischen Textes ( condamnation") so zu verstehen, dass er sowohl eine Schuldfeststellung bezeichnet, nachdem das Vorliegen einer Straftat in der gesetzlich vorgesehenen Weise festgestellt wurde (s. Guzzardi, a.a.O., Rdnr. 100), als auch die Auferlegung einer Strafe oder einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme (siehe Van Droogenbroeck ./. Belgien, 24. Juni 1982, Rdnr. 35, Serie A Band 50; und M. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 87).
b) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache
75. Der Gerichtshof hat zunächst darüber zu entscheiden, ob die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer nach § 55 Abs.1 Nr. 2 SOG M-V, mit der diese an der Begehung einer Straftat gehindert werden sollten, von einem der in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f aufgeführten Gründe für die Freiheitsentziehung erfasst wird.
76. Der Gerichtshof weist auf das Vorbringen der Regierung hin, die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei zunächst nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt gewesen. Darüber hinaus stellt er fest, dass die Beschwerdeführer dadurch, dass sie im Besitz zusammengerollter Transparente mit den Aufschriften freedom for all prisoners" und free all now" waren, noch keine Straftat begangen hatten und ihnen danach niemals eine Straftat des Aufrufs zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung zur Last gelegt wurde. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Ihre Freiheitsentziehung ist daher nach der zweiten Alternative von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c - Freiheitsentziehung wegen begründeten Anlasses zu der Annahme, dass es notwendig sei, die Beschwerdeführer an der Begehung einer Straftat zu hindern - zu prüfen.
77. Bei der Entscheidung darüber, ob die Straftat, an deren Begehung die Behörden die Beschwerdeführer zu hindern versuchten, als hinreichend konkret und spezifisch angesehen werden kann, wie dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Begehung sowie ihres Opfers bzw. ihrer Opfer erforderlich ist (siehe Rdnr. 70), stellt der Gerichthof fest, dass die innerstaatlichen Gerichte hinsichtlich der spezifischen Straftat, die zu begehen die Beschwerdeführer im Begriff waren, anscheinend unterschiedlicher Auffassung waren. Das Amtsgericht Rostock und die Landgerichte waren anscheinend der Ansicht, dass die Beschwerdeführer mit Hilfe der beschlagnahmten Transparente beabsichtigt hatten, andere dazu anstiften, Gefangene der Justizvollzugsanstalt Waldeck gewaltsam zu befreien (siehe Rdnrn. 14 und 17). Dies wurde daraus geschlossen, dass sich die Beschwerdeführer auf dem Parkplatz vor dieser Justizvollzugsanstalt aufhielten, wo sich jedoch außer den sieben Insassen des Transporters sonst niemand aufhielt (siehe Rdnr. 12). Im Gegensatz dazu war das Oberlandesgericht Rostock der Auffassung, die Beschwerdeführer hätten nach Rostock fahren, die Transparente bei den dort stattfindenden teilweise gewalttätigen Demonstrationen zeigen und somit die in Rostock anwesende Menge zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung anstiften wollen (siehe Rdnr. 19).
78. Zusätzlich kommt der Gerichtshof bei der Entscheidung darüber, ob die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer wegen begründete[n] Anlasses zu der Annahme, dass es notwendig" sei, sie daran zu hindern, andere zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung anzustiften, nicht umhin, festzustellen, dass den Beschwerdeführern fünfeinhalb Tage lang, also für einen beträchtlichen Zeitraum, zu präventiven Zwecken die Freiheit entzogen war. Darüber hinaus konnten, wie das Oberlandesgericht ebenfalls eingeräumt hat (siehe Rdnr. 22), die Aufschriften auf den Transparenten unterschiedlich interpretiert werden. Die Beschwerdeführer, die in dem Verfahren anwaltlich vertreten waren, hatten erläutert, dass die Losungen sich an die Polizei und die Behörden gerichtet hätten, die dadurch aufgefordert werden sollten, die zahlreichen Ingewahrsamnahmen von Demonstranten zu beenden, und nicht dazu dienen sollten, andere zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung aufzufordern. Es ist auch unstreitig, dass die Beschwerdeführer selbst keine Werkzeuge mit sich führten, die zu einer gewaltsamen Gefangenenbefreiung hätten dienen können. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof nicht überzeugt, dass ihre fortdauernde Freiheitsentziehung wegen begründeten Anlasses zu der Annahme, es sei notwendig, die Beschwerdeführer an der Begehung einer hinreichend konkreten und spezifischen Straftat zu hindern, als notwendig angesehen werden kann. Der Gerichtshof ist auch deswegen nicht davon überzeugt, dass es notwendig war, den Beschwerdeführern die Freiheit zu entziehen, da es in jedem Fall ausgereicht hätte, die fraglichen Transparente zu beschlagnahmen, um die Beschwerdeführer auf mögliche negative Folgen hinzuweisen und sie daran zu hindern, andere - fahrlässig - zur Gefangenenbefreiung anzustiften.
79. Der Gerichtshof nimmt darüber hinaus auf seine ständige Rechtsprechung Bezug, nach der die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nur dann nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c zu rechtfertigen wäre, wenn sie den Zweck verfolgt hätte, sie im Verlauf ihrer Untersuchungshaft der zuständigen Gerichtsbehörde vorzuführen, und darauf ausgerichtet gewesen wäre, sie einem Strafverfahren zuzuführen (siehe Rdnrn. 71 - 72). In Anbetracht seiner bereits getroffenen Feststellung, dass die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache begründeterweise nicht als notwendig angesehen werden konnte, hält der Gerichtshof es jedoch nicht für erforderlich, auf die detaillierten Vorbringen der Parteien zu diesem Punkt, insbesondere die Argumente der Regierung, mit denen für eine Überprüfung der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs plädiert wird, einzugehen.
80. Demnach war die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer nicht nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe c gerechtfertigt.
81. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die Regierung vorgebracht hat, die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b zur Erzwingung einer gesetzlichen Verpflichtung" gerechtfertigt gewesen. Die Beschwerdeführer wären weder eine Meldeauflage, die sie verpflichtet hätte, sich in bestimmten zeitlichen Abständen bei einem Polizeirevier an ihrem jeweiligen Wohnort, noch einem Platzverweis, der ihnen verboten hätte, das Gebiet zu betreten, an dem die Demonstrationen anlässlich des G8-Gipfel stattgefunden hätten, nachgekommen. Es sei daher gerechtfertigt gewesen, durch ihre Ingewahrsamnahme sicherzustellen, dass sie eine derartige Anordnung einhielten. Diesbezüglich kommt der Gerichtshof nicht umhin, festzustellen, dass die Polizei den Beschwerdeführern tatsächlich weder die Anordnung erteilte, sich in regelmäßigen Abständen bei einem Polizeirevier an ihrem Wohnort zu melden, noch ihnen verbot, das Gebiet zu betreten, in dem die G8-Demonstrationen stattfanden. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b der gesetzlichen Verpflichtung" unterlegen hätten, sich bei einem Polizeirevier zu melden oder das Gebiet der G8-Demonstrationen nicht zu betreten, und diese Verpflichtung nicht erfüllt hätten.
82. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Regierung weiter vorbrachte, den Beschwerdeführer sei nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b die Freiheit entzogen worden, um sicherzustellen, dass sie ihrer Verpflichtung nachkommen würden, eine bestimmte Straftat - die Anstiftung anderer Personen zur Gefangenenbefreiung - nicht zu begehen. Diesbezüglich nimmt der Gerichtshof auf seine bereits erwähnte Rechtsprechung Bezug, die besagt, dass die gesetzliche Verpflichtung" im Sinne der genannten Bestimmung real und spezifisch und der betreffenden Person bereits auferlegt sein muss und dass diese Person die Verpflichtung zum Zeitpunkt des Freiheitsentzugs noch nicht erfüllt haben darf (siehe Rdnr. 73). Er stellt fest, dass die Beschwerdeführer nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V in Gewahrsam genommen wurden, der die Ingewahrsamnahme erlaubt, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung [ ] einer Straftat", wie beispielsweise einer Straftat nach § 120 StGB, zu verhindern" (siehe Rdnr. 37). Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Verpflichtung, in unmittelbarer Zukunft keine Straftat zu begehen, im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht als hinreichend konkret und spezifisch angesehen werden kann, um unter Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b zu fallen, zumindest nicht, solange keine Anordnung spezifischer Maßnahmen erging und dieser nicht Folge geleistet wurde. Er stellt in diesem Zusammenhang erneut fest, dass eine weite Auslegung von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b Auswirkungen hätte, die mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar wären, der die gesamte Konvention geprägt hat (siehe Engel u. a., a.a. O., Rdnr. 69). Darüber hinaus kann nicht vorgebracht werden, dass die Beschwerdeführer ihrer Verpflichtung, keine derartige Straftat zu begehen, zu einem früheren Zeitpunkt nicht nachgekommen wären. Die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer war daher auch nicht von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b erfasst.
83. Der Gerichtshof nimmt weiter zur Kenntnis, dass die Regierung vorbrachte, die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sei nach dem Beschluss des Amtsgerichts, mit dem es den Gewahrsam der Beschwerdeführer nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V anordnete, auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a gerechtfertigt gewesen. Sie brachte vor, dass diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach auch gerichtliche Entscheidungen, mit denen Präventivhaft angeordnet werde, umfasse. Der Gerichtshof nimmt jedoch auf seine ständige Rechtsprechung Bezug, nach der eine Verurteilung" unter Berücksichtigung des französischen Textes ( condamnation") so zu verstehen ist, dass sie die Feststellung einer Schuld für eine Straftat beinhaltet (siehe Rdnr. 74). Er stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte die Beschwerdeführer in dem in Rede stehenden Verfahren keiner Straftat schuldig gesprochen haben. Vielmehr ordneten sie ihre Freiheitsentziehung an, um sie daran zu hindern, in der Zukunft eine Straftat zu begehen. Somit fiel ihre Freiheitsentziehung nicht unter Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a.
84. Der Gerichtshof ist der Auffassung - und dies wird von den Parteien nicht bestritten - dass die Präventivhaft der Beschwerdeführer auch nach keinem anderen der Buchstaben von Artikel 5 Abs. 1 gerechtfertigt war.
85. Der Gerichtshof nimmt weiter zur Kenntnis, dass die Regierung vorbrachte, ohne die Möglichkeit, Personen präventiv in Gewahrsam zu nehmen, könnte der Staat seine positive Verpflichtung, seine Bürger vor bevorstehenden Straftaten zu schützen, nicht erfüllen. In der vorliegen Rechtssache ist jedoch, auch wenn man die allgemeine Situation im Vorfeld und während des G8-Gipfels berücksichtigt, nicht hinreichend dargelegt worden, dass eine Gefangenenbefreiung unmittelbar bevorgestanden habe. Daher konnte die Begehung dieser Straftat einen Eingriff in das Freiheitsrecht nicht rechtfertigten, zumal weniger einschneidende Maßnahmen hätten ergriffen werden können (siehe Rdnr. 78). Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Konvention die staatlichen Behörden in jedem Fall verpflichtet, im Rahmen ihrer Befugnisse angemessene Vorkehrungen zu treffen, um Straftaten vorzubeugen, von denen sie Kenntnis haben oder haben sollten. Sie erlaubt es einem Staat jedoch nicht, Einzelpersonen vor Straftaten einer Person durch Maßnahmen zu schützen, die gegen die Konventionsrechte dieser Person, insbesondere gegen das in Artikel 5 Abs. 1 garantierte Recht auf Freiheit, verstoßen, um das es im Fall der Beschwerdeführer geht (siehe J. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 30060/04, Rdnrn. 37-38, 14. April 2011 mit weiteren Verweisen).
86. Folglich ist Artikel 5 Abs.1 der Konvention verletzt worden.
III. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 5 ABS. 5 DER KONVENTION
87. Gestützt auf Artikel 5 Abs. 5 der Konvention trug der erste Beschwerdeführer ferner vor, dass eine Klage auf Entschädigung für seine rechtswidrige Freiheitsentziehung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
88. Der Gerichtshof hat die von dem ersten Beschwerdeführer vorgebrachte Rüge geprüft. Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen stellt der Gerichtshof jedoch fest, dass die Rüge, selbst unter der Annahme, dass der innerstaatliche Rechtsweg vollständig erschöpft wurde, keine Verletzung von Artikel 5 Abs. 5 erkennen lässt.
89. Daraus folgt, dass dieser Teil der Beschwerde nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
IV. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 10 UND 11 DER KONVENTION
90. Die Beschwerdeführer brachten darüber hinaus vor, dass ihre Freiheitsentziehung in ihr nach Artikel 10 der Konvention garantiertes Recht auf freie Meinungsäußerung sowie in ihr nach Artikel 11 der Konvention gewährleistetes Recht auf Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig eingegriffen habe, weil sie sie daran gehindert habe, an den Demonstrationen während des G8-Gipfels teilzunehmen und dort ihre Meinung zu äußern.
91. Artikel 10 und Artikel 11 der Konvention, soweit maßgeblich, lauten:
Artikel 10
1. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. ...
2. Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung."
Artikel 11
1. Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen;
2. Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer." ..."
92. Die Regierung bestritt dieses Vorbringen.
A. Zulässigkeit
93. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge nicht offensichtlich unbegründet im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a der Konvention ist. Unter Hinweis auf seine vorherigen Feststellungen (siehe Rdnrn. 48-50), stellt er darüber hinaus fest, dass sie auch nicht aus anderen Gründen unzulässig ist. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.
B. Begründetheit
1. Die Stellungnahmen der Parteien
a) Die Beschwerdeführer
94. Die Beschwerdeführer brachten vor, dass ihre Ingewahrsamnahme sowohl ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Konvention als auch ihr Recht auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 11 der Konvention verletzt habe. Der mit ihrer Freiheitsentziehung verbundene Eingriff in diese Rechte sei nicht gerechtfertigt gewesen. Er sei nicht gesetzlich vorgesehen" gewesen und habe aus den in Bezug auf Artikel 5 Abs. 1 dargelegten Gründen kein rechtmäßiges Ziel verfolgt (siehe Rdnr. 57). Insbesondere sei unklar gewesen, ob, wann und wo die Beschwerdeführer die Transparente freedom for prisoners" und free all now" zeigen würden. Darüber hinaus wäre die Zurschaustellung der Transparente nach dem Strafgesetzbuch auch nicht strafbar gewesen. Die Losungen hätten nicht als Anstiftung zu einer sehr ungewöhnlichen Straftat verstanden werden dürfen, sondern hätten eine andere, näherliegende Bedeutung gehabt. Da mehr als 1000 Demonstranten im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Gewahrsam genommen worden seien, aber nur 100 Ingewahrsamnahmen gerichtlich gebilligt worden seien, habe es mehr als genug Grund gegeben, die Freiheitsentziehungen zu kritisieren, die im Zusammenhang mit dem Gipfel stattgefunden hätten.
95. Die Beschwerdeführer brachten weiter vor, ihre Ingewahrsamnahme sei unverhältnismäßig und daher im Sinne von Artikel 10 Abs. 2 und Artikel 11 Abs. 2 nicht notwendig" gewesen. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung der ungewissen Begehung einer Straftat zu einer unbestimmten Zeit und an einem unbestimmten Ort habe gegenüber ihrem Interesse an der Bekundung ihres Protests gegen die zahlreichen unrechtmäßigen Freiheitsentziehungen im Verlauf des G8-Gipfels und an der Teilnahme an Protesten gegen diesen Gipfel nicht überwogen. Bei den Losungen freedom for all prisoners" und free all now" handele es sich um bekannte und übliche, von linksgerichteten Personen in Bezug auf derartige Freiheitsentziehungen verwendete Schlagwörter, die nicht als Aufruf zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung hätten interpretiert werden dürfen. Unter den gegebenen Umständen habe ihre Freiheitsentziehung eine offene Diskussion über Belange des öffentlichen Interesses verhindert.
b) Die Regierung
96. Die Regierung brachte vor, dass weder Artikel 10 noch Artikel 11 der Konvention verletzt worden sei. Der Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sei gerechtfertigt gewesen. Er habe sich auf § 55 Abs. 1 Nr. 2a SOG M-V gestützt, eine Bestimmung, die hinreichend konkret gewesen und folglich im Hinblick auf ihre Anwendung auf die Beschwerdeführer vorhersehbar gewesen sei. Er habe rechtmäßige Ziele verfolgt, da die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Sicherheit und zur Verhütung von Straftaten erfolgt sei.
97. Die Regierung brachte weiter vor, der Eingriff sei im Sinne von Artikel 10 Abs. 2 und Artikel 11 Abs. 2 in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" gewesen. Sie betonte, dass zur Erreichung der genannten rechtmäßigen Ziele keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. Insbesondere hätte es nicht ausgereicht, die fraglichen Transparente zu beschlagnahmen, da die Beschwerdeführer jederzeit neue, vergleichbare Transparente hätten herstellen und diese während der Demonstrationen in Rostock sofort hätten verwenden können. Die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer sei auch verhältnismäßig gewesen. Am Tag zuvor habe es in Rostock gewalttätige Ausschreitungen gegeben. Die Beschwerdeführer, die sich gewaltbereit gezeigt hätten, seien auf dem Weg nach Rostock gewesen, um an den Demonstrationen teilzunehmen. Die Befürchtung, die Transparente der Beschwerdeführer hätten andere gewalttätige Demonstranten dazu anstiften können, in den Gefangenensammelstellen in Rostock festgehaltene Gefangene gewaltsam zu befreien, sei begründet gewesen. Unter diesen Umständen habe das Interesse der Öffentlichkeit an der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhütung von Straftaten gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführer an der Teilnahme an den Demonstrationen überwogen.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
a) Anwendbarer Konventionsartikel
98. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass der Schutz persönlicher Meinungen, der durch Artikel 10 gewährleistet wird, eines der Ziele des in Artikel 11 der Konvention verankerten Rechts auf Versammlungsfreiheit ist (siehe Ezelin ./. Frankreich, 26. April 1991, Rdnr. 37, Serie A Band 202; Djavit An ./. Türkei, Individualbeschwerde Nr. 20652/92, Rdnr. 39, ECHR 2003-III; Women On Waves u. a. ./. Portugal, Individualbeschwerde Nr. 31276/05, Rdnr. 28, ECHR 2009-. (Auszüge); Barraco ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 31684/05, Rdnr. 27, ECHR 2009-...; und Palomo Sánchez u. a. ./. Spanien [GK], Individualbeschwerden Nrn. 28955/06, 28957/06, 28959/06 und 28964/06, Rdnr. 52, 12. September 2011).
99. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass er in Fällen, in denen die Beschwerdeführer rügten, dass sie daran gehindert worden seien, an Versammlungen teilzunehmen oder bei Versammlungen ihre Ansichten zu äußern, oder dass sie wegen eines solchen Verhaltens bestraft worden seien, bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Recht auf Versammlungsfreiheit mehrere Faktoren berücksichtigt hat. In Abhängigkeit von den Umständen der Rechtssache ist Artikel 11 oft als das lex specialis angesehen worden, das bei Versammlungen Vorrang gegenüber Artikel 10 hat (siehe beispielsweise Ezelin, a.a.O., Rdnr. 35, betreffend eine dem Beschwerdeführer, einem Juristen, nach der Teilnahme an einer Demonstration gegen zwei Gerichtsentscheidungen auferlegte disziplinarische Sanktion; Osmani u. a. ./. die frühere jugoslawische Republik Mazedonien" (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 50841/99, ECHR 2001-X, betreffend die Verurteilung des Beschwerdeführers, eines gewählten Amtsträgers, wegen Aufstachelung zu nationalem Hass durch eine Rede, die er bei einer von ihm organisierten Versammlung gehalten hatte; Djavit An, a.a.O., Rdnr. 39, betreffend die Weigerung der türkischen und türkisch-zypriotischen Behörden, dem Beschwerdeführer die Überquerung der Grünen Linie" zu erlauben, um im südlichen Teil Zyperns an bikommunalen Treffen teilzunehmen; Galystan ./. Armenien, Individualbeschwerde Nr. 26986/03, Rdnr. 95, 15. November 2007, betreffend eine dreitägige Freiheitsentziehung wegen der Teilnahme an einer Demonstration; und Barraco, a.a.O., Rdnr. 26, betreffend die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der Teilnahme an einer verkehrsbehindernden Aktion, die im Rahmen eines gewerkschaftlichen Protesttages durchgeführt wurde).
100. In anderen Fällen ist der Gerichtshof in Anbetracht der jeweiligen besonderen Umstände und der Art und Weise der Formulierung der Rügen zu der Auffassung gelangt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Mittelpunkt der Rügen der jeweiligen Beschwerdeführer lag, und hat deswegen den Fall nur nach Artikel 10 geprüft (siehe z. B. Karademirci u. a. ./. Türkei, Individualbeschwerden Nrn. 37096 und 37101/97, Rdnr. 26, ECHR 2005-I, betreffend eine strafrechtliche Sanktion wegen des Verlesens einer Erklärung während einer Versammlung vor einer Schule, und Y?lmaz and K?l?ç ./. Türkei, Individualbeschwerde Nr. 68514/01, Rdnr. 33, 17. Juli 2008, betreffend die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführer wegen der Teilnahme an Demonstrationen zur Unterstützung von Abdullah Öcalan).
101. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich die Vorbringen der Parteien vor dem Gerichtshof in dem vorliegenden Fall zugleich auf Artikel 10 und Artikel 11 bezogen. Er stellt fest, dass die Beschwerdeführer im Wesentlichen rügten, dass sie wegen ihrer Freiheitsentziehung während der gesamten Dauer des G8-Gipfels nicht in der Lage gewesen seien, ihre Ansichten zusammen mit den anderen Demonstranten zu äußern, die zusammengekommen seien, um gegen den Gipfel zu demonstrieren. Sie protestierten auch gegen das Verbot, ihre Meinung zur Verhaftung von Demonstranten, wie sie auf ihren Transparenten zum Ausdruck gekommen sei, zu äußern. Der Schwerpunkt ihrer Rügen liegt jedoch auf dem Recht auf Versammlungsfreiheit, da sie daran gehindert wurden, an den Demonstrationen teilzunehmen und ihre Ansichten zu äußern. Der Gerichtshof wird diesen Teil der Beschwerde daher nur nach Artikel 11 prüfen. Er stellt jedoch fest, dass sich die Frage der freien Meinungsäußerung in dem vorliegenden Fall nicht ganz von der Frage der Versammlungsfreiheit trennen lässt. Ungeachtet seiner autonomen Rolle und seines besonderen Anwendungsbereichs muss Artikel 11 also auch im Lichte von Artikel 10 betrachtet werden (siehe, sinngemäß, Ezelin, a.a.O. Rdnr. 37).
b) Gab es einen Eingriff in das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln?
102. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihrer durch die innerstaatlichen Gerichte für die gesamte Dauer des G8-Gipfels angeordneten Ingewahrsamnahme daran gehindert waren, an Demonstrationen gegen diesen Gipfel teilzunehmen.
103. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass Artikel 11 der Konvention nur das Recht auf friedliche Versammlung" schützt. Dieser Begriff deckt keine Demonstration ab, bei der die Organisatoren und Teilnehmer gewalttätige Absichten haben (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden ./. Bulgarien, Individualbeschwerden Nrn. 29211/95 und 29225/95, Rdnr. 77, ECHR 2001-IX; und Galstyan, a.a.O., Rdnr. 101). Jedoch kann die Möglichkeit, dass gewalttätige Extremisten, die nicht zu den Organisatoren der Demonstration gehören, sich einer Demonstration anschließen, für sich genommen nicht zur Versagung dieses Rechts führen. Auch wenn die konkrete Gefahr besteht, dass eine öffentliche Demonstration aufgrund von Entwicklungen, die außerhalb der Kontrolle der Organisatoren dieser Demonstration liegen, zu Ausschreitungen führt, liegt eine solche Demonstration für sich genommen nicht außerhalb des Anwendungsbereichs von Artikel 11 Abs. 1; vielmehr muss jede Einschränkung, der eine solche Versammlung unterworfen wird, mit den Bestimmungen nach Absatz 2 dieser Bestimmung im Einklang stehen (siehe Christians against Racism and Fascism ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 8440/78, Kommissionsentscheidung vom 16. Juli 1980, Decisions and Reports (DR) 21, S. 148-149; und, sinngemäß, Ezelin, a.a.O., Rdnr. 41).
104. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführer zur Zeit ihrer Festnahme die Absicht hatten, an künftigen Demonstrationen gegen den G8-Gipfel teilzunehmen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Organisatoren der Demonstrationen, an denen die Beschwerdeführer teilnehmen wollten, gewalttätige Absichten hatten. Wie oben dargelegt worden ist (Rdnrn. 8 und 103), führt die Tatsache, dass die Polizei damit rechnete, dass sich auch Extremisten mit gewalttätigen Absichten den ansonsten friedlichen Demonstrationen anschließen würden, nicht dazu, dass diese Demonstration den Schutz von Artikel 11 Abs. 1 verlieren würde.
105. Hinsichtlich der Frage, mit welchen Absichten sich die Beschwerdeführer den Demonstrationen anschließen wollten, ist der Gerichtshof nicht davon überzeugt, dass aufgezeigt worden ist, dass die Beschwerdeführer mit gewalttätigen Absichten an den G8-Demonstrationen teilnehmen wollten. In diesem Zusammenhang stellt er zunächst fest, dass die innerstaatlichen Gerichte nicht der Auffassung waren, dass die Beschwerdeführer deswegen, weil sie Transparente mit den Aufschriften freedom for all prisoners" und free all now" mit sich führten, die Absicht hatten, selbst Gefangene gewaltsam zu befreien. Er stellt auch fest, dass bei den Beschwerdeführern keine Waffen gefunden wurden. Darüber hinaus nimmt er zur Kenntnis, dass das Oberlandesgericht festgestellt hat, dass eine gewaltbereite Menge durch die Transparente zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung angestiftet werden könnte, stellt aber außerdem fest, dass dasselbe Gericht einräumte, dass die Losungen auf den in Rede stehenden Transparenten unterschiedlich interpretiert werden könnten (siehe Rdrn. 19, 21 und 22). Er berücksichtigt auch die von den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern vor den innerstaatlichen Gerichten abgegebene Erklärung. Sie hatten erläutert, dass die Losungen sich an die Polizei und die Behörden gerichtet hätten, die dadurch aufgefordert werden sollten, die zahlreichen Ingewahrsamnahmen von Demonstranten zu beenden, und nicht dazu dienen sollten, andere zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung aufzufordern (siehe Rdnrn. 18 und 25). Nach Auffassung des Gerichts ist die Aussage der Beschwerdeführer zur Bedeutung der Aufschriften auf den Transparenten, die selbst eindeutig nicht offen zu Gewalt aufriefen, glaubhaft. Daher ist der Gerichtshof auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das innerstaatliche Gericht feststellte, die Aufschriften seien mehrdeutig und könnten unterschiedlich ausgelegt werden, der Auffassung, das nicht erwiesen worden ist, dass die Beschwerdeführer andere absichtlich zu Gewalt auffordern wollten. Nach Ansicht des Gerichtshofs war eine derartige Schlussfolgerung auch nicht deshalb zulässig, weil davon ausgegangen wurde, dass einer der Beschwerdeführer bei der Feststellung seiner Personalien durch die Polizei gewaltsam Widerstand leistete und daher selbst als gewalttätig angesehen wurde - unter anderen Umständen und in einer anderen Weise als durch das Zurschaustellen von Transparenten bei einer Demonstration. Darüber hinaus stellt er in diesem Zusammenhang fest, dass nicht aufgezeigt worden ist, dass einer der Beschwerdeführer wegen gewalttätigen Verhaltens bei Demonstrationen oder in vergleichbaren Situationen vorbestraft wäre.
106. Die Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer stellte daher nach Artikel 11 Abs. 1 einen Eingriff in ihr Recht dar, sich frei und friedlich zu versammeln. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
c) War der Eingriff gerechtfertigt?
107. Ein solcher Eingriff führt zu einer Verletzung von Artikel 11, es sei denn, es kann dargelegt werden, dass er gesetzlich vorgeschrieben" war, ein oder mehrere legitime Ziele nach Absatz 2 verfolgte und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war.
(i) Gesetzlich vorgeschrieben" und legitimes Ziel
108. Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob der Eingriff gesetzlich vorgeschrieben" war, weist der Gerichtshof erneut darauf hin, dass eine Vorschrift nicht als Gesetz" angesehen werden kann, wenn sie nicht so präzise formuliert ist, dass der Einzelne - erforderlichenfalls mit entsprechende Rechtsberatung - in einem Maß, das unter den jeweiligen Umständen angemessen ist, voraussehen kann, welche Folgen eine bestimmte Handlung nach sich ziehen kann (siehe Ezelin, a.a.O., Rdnr. 45). Er stellt fest, dass zwischen den Parteien strittig ist, ob die Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers durch ein Gesetz - § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V - vorgeschrieben war, das so präzise war, dass seine Anwendung unter den im Falle des Beschwerdeführers gegebenen Umständen vorhersehbar war. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass er diese Frage offen lassen und die Rechtssache unter der Annahme prüfen kann, dass der Eingriff aus den nachfolgend aufgeführten Gründen gesetzlich vorgeschrieben" war.
109. Der Gerichtshof ist davon überzeugt, dass die Behörden mit der Anordnung der Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer das Ziel verfolgten, diese an der Begehung einer Straftat, nämlich der Anstiftung zur gewaltsamen Gefangenenbefreiung, zu hindern. Dieses Ziel ist als solches nach Artikel 11 Abs. 2 rechtmäßig.
(ii) Notwendig in einer demokratischen Gesellschaft"
110. Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war, stellt der Gerichtshof erneut fest, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft ein Grundrecht ist und, ebenso wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, einer der Grundpfeiler einer solchen Gesellschaft ist. Daher sollte es nicht restriktiv ausgelegt werden (siehe Djavit An, a.a.O., Rdnr. 56; und Barraco, a.a.O., Rdnr. 41).
111. Der Ausdruck in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" impliziert, dass der Eingriff einem dringenden sozialen Bedürfnis" entspricht und insbesondere in Bezug auf das rechtmäßig verfolgte Ziel verhältnismäßig ist. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in Bezug auf das verfolgte Ziel sind Art und Schwere der verhängten Sanktion zu berücksichtigen (siehe Osmani u. a., a.a.O., mit weiteren Verweisen).
112. Der Gerichtshof muss darüber hinaus entscheiden, ob die von den nationalen Behörden zur Rechtfertigung des Eingriffs angeführten Gründe stichhaltig und ausreichend" sind. . Dabei muss sich der Gerichtshof davon überzeugen, dass die nationalen Behörden Regeln anwandten, die mit den in Artikel 11 enthaltenen Grundsätzen vereinbar sind, und dass sie ihre Entscheidung auf eine nachvollziehbare Bewertung der erheblichen Tatsachen stützten (siehe Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei u. a. ./. Türkei, 30. Januar 1998, Rdnr. 47, Reports 1998-I); und Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 87).
113. Die Vertragsstaaten genießen bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" ist, einen gewissen Ermessensspielraum; dieser geht jedoch Hand in Hand mit einer europäischen Überwachung, die sich sowohl auf die Gesetzgebung bezieht als auch auf die Entscheidungen, die sie anwenden (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 87; und Barraco, a.a.O., Rdnr. 42). Nach Artikel 10 der Konvention - in dessen Licht Artikel 11 auszulegen ist (siehe Rdnrn. 98 und 101) - gibt es wenig Raum für Einschränkungen der politischen Redefreiheit oder der Debatte über Angelegenheiten des öffentlichen Interesses (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 88, mit weiteren Verweisen). Jedoch genießen die staatlichen Behörden bei der Prüfung der Notwendigkeit eines Eingriffs in die freie Meinungsäußerung einen größeren Ermessensspielraum, wenn eine Anstiftung zur Gewalt gegen einen Einzelnen, einen Amtsträger oder eine Bevölkerungsgruppe vorliegt (siehe Stankov und die Vereinigte Mazedonische Organisation Ilinden, a.a.O., Rdnr. 90; und, sinngemäß, Galstyan, a.a.O., Rdnr. 115, und Osmani u. a., a.a.O.).
114. In der vorliegenden Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass die Beschwerdeführer für fast sechs Tage in Gewahrsam genommen wurden, um sie daran zu hindern, andere während der Demonstrationen gegen den G8-Gipfel dazu anstiften, Gefangene gewaltsam zu befreien. Er hat bereits festgestellt (siehe Rdnrn. 75-86), dass die Präventivhaft der Beschwerdeführer von keinem der in Artikel 5 Abs. 1 aufgeführten Gründe für die Freiheitsentziehung erfasst wird und diese Bestimmung daher verletzt hat. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass man davon ausging, dass anlässlich des Gipfels eine große Zahl von Demonstranten (etwa 25.000) anreisen würden, von denen die weitaus meisten als friedlich, eine beträchtliche Zahl aber als gewaltbereit anzusehen seien. Über einen Zeitraum von mehreren Tagen sollte eine Reihe von Massendemonstrationen stattfinden, von denen einige vor der Festnahme der Beschwerdeführer in Krawalle ausgeartet waren. Der Gerichtshof erkennt an, dass die Gewährleistung der Sicherheit der Gipfelteilnehmer und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in dieser Situation eine beträchtliche Herausforderung für die innerstaatlichen Behörden darstellte und Entscheidungen oft schnell getroffen werden mussten.
115. Jedoch kann der Gerichtshof, wie er bereits dargelegt hat (siehe Rdnr. 105), es nicht als erwiesen ansehen, dass die Beschwerdeführer die Transparente mit den beanstandeten Aufschriften deshalb bei den Demonstrationen zeigen wollten, weil sie andere, gewalttätige Demonstranten dazu anstiften wollten, Personen, die während des G8-Gipfels in Haft genommen worden seien, gewaltsam zu befreien. Eine Bewertung der erheblichen Tatsachen durch die innerstaatlichen Behörden, nach der die Losungen als mehrdeutig angesehen werden konnten und die Beschwerdeführer somit andere fahrlässig zu Gewalt hätten anstacheln können, wenn sie sie bei gewissen Demonstrationen gezeigt hätten, erscheint unter Berücksichtigung ihres Ermessensspielraums dagegen nachvollziehbar (siehe, als Beispiel für einen Fall, bei dem es um die Verwendung vieldeutiger Symbole ging, Vajnai ./. Ungarn, Individualbeschwerde Nr. 33639/06, Rdnrn. 51 ff., 8. Juli 2008).
116. Der Gerichtshof stellt darüber hinaus fest, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Teilnahme an den G8-Demonstrationen beabsichtigten, sich an einer Debatte des öffentliches Interesses - die Auswirkungen der Globalisierung auf das Leben der Menschen - zu beteiligen. Außerdem verfolgten sie mit den Losungen auf ihren Transparenten die Absicht, das Vorgehen der Polizei bei der Sicherung des Gipfels, insbesondere die zahlreichen Festnahmen von Demonstranten, zu kritisieren. Angesichts der Tatsache, dass eine beträchtliche Zahl von Demonstranten (mehr als 1000 der erwarteten 25000 Demonstranten) im Verlauf des Gipfels vorübergehend in Haft genommen wurde, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Losungen einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse darstellten. Darüber hinaus ist klar, dass die mehrtägige Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer wegen der Absicht, die beanstandeten Losungen zur Schau zu stellen, hinsichtlich dieser Meinungsäußerung eine abschreckende Wirkung hatte und die öffentliche Diskussion dieser Frage einschränkte.
117. Zusammengefasst ist festzustellen, dass der beabsichtigte Protest der Beschwerdeführer während des G8-Gipfels als Wille zur Beteiligung an einer Debatte von öffentlichem Interesse, bezüglich derer es wenig Raum für Einschränkungen gibt, zu werten ist (siehe Rdnr. 113). Darüber hinaus ist nicht aufgezeigt worden, dass die Beschwerdeführer die Absicht gehabt hätten, andere zu Gewalt anzustacheln. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die fast sechstägige Freiheitsentziehung, eine beträchtliche Sanktion, im Hinblick auf die Absicht, die Beschwerdeführer daran zu hindern, möglicherweise andere fahrlässig zu einer gewaltsamen Befreiung von während des G8-Gipfels festgenommenen Demonstranten anzustiften, keine verhältnismäßige Maßnahme darstellt. In einer solchen Situation kann zwischen dem Ziel der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten und dem Recht der Beschwerdeführer auf Versammlungsfreiheit nicht dadurch ein fairer Ausgleich geschaffen werden, dass die Beschwerdeführer sofort für mehrere Tage in Gewahrsam genommen werden.
118. Insbesondere ist der Gerichtshof nicht überzeugt, dass es keine anderen wirksamen, weniger einschneidenden Maßnahmen zur Erreichung der genannten Ziele gegeben hätte. Insbesondere ist er der Auffassung, dass es in der gegebenen Situation, hinsichtlich derer nicht dargelegt worden ist, dass den Beschwerdeführern bewusst war, dass die Polizei die Losungen auf ihren Transparenten für illegal hielten, ausgereicht hätte, die fraglichen Transparente zu beschlagnahmen. Man hätte davon ausgehen können, dass dies eine abschreckende Wirkung auf die Beschwerdeführer haben würde und sie daher davon abgehalten hätte, sofort neue, vergleichbare Transparente herzustellen. Auch wenn dadurch ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in einem gewissen Maß eingeschränkt worden wäre, hätte es sie nicht von vornherein daran gehindert, an den Demonstrationen teilzunehmen.
119. Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass der Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Versammlungsfreiheit nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war. Folglich ist Artikel 11 der Konvention verletzt worden.
V. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION
120. Artikel 41 der Konvention lautet:
Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."
A. Schaden
121. Die Beschwerdeführer forderten jeweils 10.000 Euro (EUR) für den infolge ihrer konventionswidrigen Freiheitsentziehung erlittenen immateriellen Schaden. Zur Stützung ihrer Auffassung, die geforderte Summe sei angemessen, beriefen sie sich auf die Zubilligung gerechter Entschädigung durch den Gerichtshof in den Rechtssachen Brega ./. Moldau (Individualbeschwerde Nr. 52100/08, Rdnr. 52, 20. April 2010) und Vasileva ./. Dänemark (Individualbeschwerde Nr. 52792/99, Rdnr. 47, 25. September 2003). Sie baten darum, alle Beträge auf das Treuhandkonto ihrer Rechtsanwältin einzuzahlen.
122. Die Regierung hielt die geforderten Beträge für unverhältnismäßig. Sie brachte vor, dass die Feststellung einer Konventionsverletzung durch den Gerichtshof eine hinreichende gerechte Entschädigung darstellen würde. Die von den Beschwerdeführern zur Stützung ihrer Auffassung angeführten Tatsachen seien mit denen in den angeführten Beschwerdeverfahren nicht vergleichbar.
123. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass ihre etwa sechstägige, gegen Artikel 5 Abs. 1 und Artikel 11 der Konvention verstoßende Freiheitsentziehung bei den Beschwerdeführern Leid ausgelöst haben muss, das durch die Feststellung einer Konventionsverletzung allein nicht angemessen wieder gut gemacht würde. Daher spricht der Gerichtshof, der die Summe nach Billigkeit festsetzt, den Beschwerdeführern unter dieser Rubrik jeweils 3.000 EUR zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern zu. Im Hinblick auf die von der Rechtsanwältin der Beschwerdeführer vorgelegte Vollmacht, die sie zur Entgegennahme von Zahlungen befugt, die seitens der anderen Verfahrenspartei zu leisten sind, ordnet er an, dass diese den Beschwerdeführern zugesprochenen Summen auf das Treuhandkonto ihrer Rechtsanwältin einzuzahlen sind.
B. Kosten und Auslagen
124. Der erste Beschwerdeführer forderte außerdem 2.340,85 EUR für Kosten und Auslagen vor den innerstaatlichen Gerichten (68 EUR für Gerichtskosten und 2.272,85 EUR für Anwaltsgebühren, einschließlich der darauf anfallenden Mehrwertsteuer) sowie 1.892,50 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) für Kosten und Auslagen vor dem Gerichtshof. Der zweite Beschwerdeführer forderte 2.370,65 EUR für Kosten und Auslagen vor den innerstaatlichen Gerichten (68 EUR für Gerichtskosten und 2.302,65 EUR für Anwaltsgebühren, einschließlich der darauf anfallenden Mehrwertsteuer) sowie 2.082,50 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) für Kosten und Auslagen vor dem Gerichtshof. Sie begründeten ihre Ansprüche durch Belege.
125. Die Regierung, die generell die Auffassung vertrat, dass nach Artikel 41 der Konvention keine Entschädigung zu zahlen sei, nahm zu diesen Forderungen nicht Stellung.
126. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Beschwerdeführer nur insoweit Anspruch auf Ersatz von Kosten und Auslagen, als nachgewiesen wurde, dass diese tatsächlich und notwendigerweise entstanden und der Höhe nach angemessen sind. In der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der oben genannten Kriterien überzeugt, dass das Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten und vor dem Gerichtshof zunächst auf die Verhinderung und später auf die Beseitigung der festgestellten Verletzungen von Artikel 5 Abs. 1 und Artikel 11 der Konvention abzielte. Darüber hinaus stellt er fest, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Kosten und Auslagen notwendigerweise entstanden und der Höhe nach angemessen waren.
127. Der Gerichtshof spricht dem ersten Beschwerdeführer daher 4.233,35 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) zur Deckung der unter allen Rubriken entstandenen Kosten, zuzüglich der ihm gegebenenfalls zu berechnenden Steuern zu. Der Gerichtshof spricht ferner dem zweiten Beschwerdeführer 4.453,15 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) zur Deckung der unter allen Rubriken entstandenen Kosten zuzüglich der ihm gegebenenfalls zu berechnenden Steuern zu. Er ordnet an, dass diese ihnen zugesprochenen Summen auf das Treuhandkonto ihrer Rechtsanwältin einzuzahlen sind.
C. Verzugszinsen
128. Der Gerichtshof hält es für angemessen, für die Berechnung der Verzugszinsen den Spitzenrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank zuzüglich drei Prozentpunkten zugrunde zu legen.
AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:
1. Die Individualbeschwerden werden verbunden;
2. die Rüge des ersten Beschwerdeführers nach Artikel 5 Abs. 5 der Konvention wird für unzulässig und die Individualbeschwerden werden im Übrigen für zulässig erklärt;
3. Artikel 5 Absatz 1 der Konvention ist verletzt worden;
4. Artikel 11 der Konvention ist verletzt worden;
5. a) der beschwerdegegnerische Staat hat binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig wird, folgende Beträge auf das Treuhandkonto der Rechtsanwältin der Beschwerdeführer einzuzahlen:
(i) für jeden Beschwerdeführer 3.000 EUR (dreitausend Euro) für den immateriellen Schaden, zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
(ii) für den ersten Beschwerdeführer 4.233,35 EUR (viertausendzweihundertdreiunddreißig Euro und fünfunddreißig Cent) einschließlich Mehrwertsteuer für Kosten und Auslagen, zuzüglich ihm gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
(iii) für den zweiten Beschwerdeführer 4.453,15 EUR (viertausendvierhundertdreiundfünfzig Euro und fünfzehn Cent) einschließlich Mehrwertsteuer für Kosten und Auslagen, zuzüglich ihm gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
b) Nach Ablauf der vorgenannten Frist von drei Monaten fallen für die obengenannten Beträge bis zur Auszahlung einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht;
6. Im Übrigen wird die Forderung der Beschwerdeführer nach gerechter Entschädigung zurückgewiesen.
Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 1. Dezember 2011 nach Artikel 77 Absätze 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. ..."
*** (BVerfG)
Verletzung von Art 2 Abs 2 S 2 GG und Art 104 Abs 2 GG durch gerichtlichen Beschluss, durch den eine mehrstündige Ingewahrsamnahme durch die Polizei zur Identitätsfeststellung für rechtmäßig erklärt wurde (BVerfG, Beschluss vom 08.03.2011 - 1 BvR 47/05 - LG Hamburg):
... II. Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.
1. In Bezug auf die angegriffenen Prozesskostenhilfeentscheidungen ist die Verfassungsbeschwerde allerdings unzulässig und ist deshalb insoweit nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Der Beschwerdeführer hat insoweit den Grundsatz der materiellen Subsidiarität, der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 77, 275 (282); 85, 80 (86)), nicht eingehalten. Dieser verlangt über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Zumutbaren die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 84, 203 (208); 85, 80 (86); 112, 50 (60)). Diesen Anforderungen wird der Beschwerdeführer nicht gerecht, denn er legt nicht dar, dass - abgesehen von der Beantragung von Prozesskostenhilfe - keine weitere Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der öffentlichen Hand bestand. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers analog § 140 Abs. 2, § 141 StPO stellen können (vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 27. April 2001 - 6 Qs 18/01 -, StV 2001, S. 390; Laufhütte, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 141 Rn 11; Lüderssen/Jahn, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 140 Rn 117 ff. (131c)).
2. Im Übrigen, also in Bezug auf den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt für die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG einschließlich der besonderen Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 10, 302 (322); 29, 312 (316); 94, 166 (198); 105, 239 (249 f.)).
a) Die Verfassungsbeschwerde, die sich bei verständiger Würdigung nur gegen den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts und nicht auch unmittelbar gegen die polizeilichen Maßnahmen selbst richtet, ist insoweit zulässig. Dem Beschwerdeführer fehlt es insbesondere nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzinteresse, weil der Freiheitseingriff beendet ist. Es würde der Bedeutung des Schutzes der persönlichen Freiheit in der im Grundgesetz garantierten Form nicht entsprechen, wenn das Recht auf eine verfassungsgerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Freiheitsrecht bei Wiedergewährung der Freiheit ohne Weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 9, 89 (93 f.); 10, 302 (308); stRspr).
b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch offensichtlich begründet.
aa) Der Beschluss des Landgerichts verletzt, insoweit er die gegen den Beschwerdeführer gerichteten polizeilichen Maßnahmen bestätigt, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
(1) Der Schutzbereich des Grundrechts umfasst sowohl freiheitsbeschränkende als auch freiheitsentziehende Maßnahmen. Eine Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Eine Freiheitsentziehung als schwerste Form der Freiheitsbeschränkung ist nur dann gegeben, wenn die tatsächlich und rechtlich an sich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)).
Eingriffe in die Freiheit der Person bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 2, 118 (119); 29, 183 (195)), wobei die Formvorschriften dieser Gesetze von den Gerichten so auszulegen sind, dass ihnen eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 (322 f.); 96, 68 (97)). Bei der Beschränkung im Einzelfall muss die Stellung des Grundrechts auch im Rahmen des Abwägungsprozesses angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere ist sorgfältig abzuwägen, ob ein Eingriff in den Grenzen bleibt, die ihm durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden, mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen werden (vgl. BVerfGE 29, 312 (316)). Diesen zu beachten, ist bei allen Eingriffen durch die öffentliche Gewalt ein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot (vgl. BVerfGE 30, 173 (199)). Ein Eingriff ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn er nicht zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist. Dies wiederum ist nicht der Fall, wenn ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks ausreichend ist (vgl. BVerfGE 67, 157 (173); 81, 156 (192) m.w.N.).
(2) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss des Landgerichts nicht, der das Festhalten des Beschwerdeführers und die Aufrechterhaltung der Ingewahrsamnahme bis zur Entlassung durch die Polizei gegen 1.30 Uhr für rechtmäßig erklärt. Es kann im Ergebnis dahin stehen, ob die Polizei den Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO oder aufgrund von § 81b StPO festgehalten hat, denn die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls nicht als erforderlich.
Die Vorschrift des § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO lässt ein Festhalten zur Identitätsfeststellung nur zu, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift stellt insofern eine gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots dar und soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. § 163b Abs. 1 Satz 1 StPO ermächtigt Polizeibeamte, gegenüber einem Verdächtigen die notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu treffen, also den Betreffenden nach seinen Personalien zu befragen und diesen aufzufordern, mitgeführte Ausweisdokumente auszuhändigen. Nur dann, wenn die Identität des Betreffenden auch unter Ausschöpfung dieser Maßnahmen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden kann oder dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, kommt ein weiteres Festhalten nach Satz 2 in Betracht. Ein weiterer Eingriff in das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf also nur dann erfolgen, wenn die Polizei auf der Basis der bereits bekannten Daten berechtigte Zweifel an der Identität der Person hat. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat sich gegenüber der Polizei vor Ort mit einem Bundespersonalausweis ausgewiesen. Der Bundespersonalausweis ist dabei in besonderer Weise als Dokument zur Feststellung der Identität geeignet, da er gemäß § 1 PAuswG die erforderlichen Daten für eine Identifikation und strafrechtlich relevante Erfassung der Person enthält und darüber hinaus mit besonderen Fälschungssicherungen versehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweis des Beschwerdeführers gefälscht war oder seine Person nicht mit dem Ausweisinhaber übereinstimmte, etwa, weil das Foto keine oder nur geringe Ähnlichkeit mit ihm aufwies, sind weder von der Polizei noch vom Landgericht benannt worden noch sind sie ansonsten ersichtlich. Daher ist - insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich fundierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen bloßer Identitätsfeststellung und weiterem Festhalten - davon auszugehen, dass es den Polizeibeamten möglich war, die Identität aufgrund des vorgelegten Bundespersonalausweises vor Ort hinreichend sicher festzustellen. Ein Festhalten aus reinen Praktikabilitätserwägungen vermag schon die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht zu begründen und dürfte im Übrigen auch auf die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme keinen Einfluss haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1992 - 2 BvR 658/90 -, NVwZ 1992, S. 767 (768)).
Auch ein Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 81b Alt. 2 StPO war jedenfalls unverhältnismäßig, denn es verkannte die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Insoweit ist zwischen der Anordnung der Maßnahme und der Durchführung zu unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, S. 381 (382)). Selbst wenn man in Bezug auf die Anordnung der Maßnahme mit dem Landgericht davon ausgeht, dass trotz eindeutig festgestellter Identität des Beschwerdeführers und aller anderen Personen die Erinnerung der einzelnen Polizisten als Zeugen vor Gericht aufgrund der Vielzahl an Personen ohne weitere Fotos möglicherweise nicht hinreichend gewährleistet gewesen wäre und es als Erinnerungsstütze noch ein Bedürfnis an weiteren im Strafprozess zu verwertenden Beweismitteln gab, rechtfertigt dies für die Durchführung jedenfalls nicht ein stundenlanges Festhalten und Einsperren des Beschwerdeführers auf verschiedenen Polizeiwachen. Das Landgericht verkennt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass in der Formulierung "soweit ( ) notwendig" in § 81b StPO seinen Niederschlag auch in der einfachgesetzlichen Regelung gefunden hat. Es hat insoweit nicht ausgeführt, dass ein stundenlanges Festhalten des Beschwerdeführers für das Anfertigen der Lichtbilder des Beschwerdeführers notwendig war. Zwar kann die Masse der zu bearbeitenden Fälle eine zeitliche Verzögerung rechtfertigen, jedoch hat das Landgericht keine Ausführungen zum Vorliegen von Erschwernissen gemacht, die die Dauer in dem hier festgestellten Umfang rechtfertigten. Allerdings ist die Polizei als Strafverfolgungsbehörde - soweit nicht ein genereller entsprechender Bedarf besteht - nicht gezwungen, Personal und Material für erkennungsdienstliche Maßnahmen in solchem Maß vorzuhalten, dass eine Bearbeitung in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe erfolgen kann. Vielmehr kann es durchaus verhältnismäßig sein, derartige spezielle Ressourcen insbesondere räumlich zusammenzufassen. Eine Verbringung an diesen Ort und eine organisatorisch nicht zu vermeidende und gemäßigte Wartefrist können jedenfalls bei hinreichend gewichtigen Straftaten angemessene Eingriffe im Verhältnis zur Bedeutung des staatlichen Strafanspruches sein. Ein solcher Fall liegt aber auf der Basis des festgestellten Sachverhalts nicht vor. Der Beschwerdeführer ist im Polizeipräsidium nach mehreren Stunden ausschließlich in der Art erkennungsdienstlich behandelt worden, dass von ihm drei einfache Fotos angefertigt wurden. Weitere Aufnahmen insbesondere solche, die besondere fotografische oder kriminalistische Erfahrung oder Ausrüstung erforderten, sind vom Landgericht weder festgestellt noch Teil seiner Verhältnismäßigkeitserwägungen geworden. Insofern stellt sich die erkennungsdienstliche Behandlung als die Anfertigung von einfachen, alltäglichen Fotoaufnahmen dar. Für die Annahme der Erforderlichkeit in diesem Fall hätte es einer genaueren Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten bedurft, zeitlich früher Aufnahmen des Beschwerdeführers in der gleichen Qualität und Machart anzufertigen, die den Zweck des § 81b StPO nicht schlechter erfüllt hätten. Hierbei hätte das Landgericht insbesondere prüfen müssen, ob die Beamten entsprechende Aufnahmen nicht mit einer verfügbaren oder kurzfristig herbeizuschaffenden Kamera auch vor Ort, als die Personen einzeln aus dem Kessel zur Identitätsfeststellung herausgeführt wurden, hätten machen können oder sonst spätestens auf den einzelnen Polizeiwachen.
bb) Der das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Polizeiwache sowie dem Polizeipräsidium einschließlich der Verbringung dorthin bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 2 GG.
(1) Das Einsperren des Beschwerdeführers in eine Gewahrsamszelle auf der Polizeiwache beziehungsweise auf dem Polizeipräsidium sowie als Verbindungsglied zwischen beiden das Verbringen dorthin mittels Polizeifahrzeugen stellen eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG und nicht lediglich eine Freiheitsbeschränkung dar. Während eine Freiheitsbeschränkung schon dann anzunehmen ist, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist, liegt eine Freiheitsentziehung erst dann vor, wenn die tatsächlich und rechtlich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit nach allen Seiten hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 (198)). Die Freiheitsentziehung ist der schwerste Fall der Freiheitsbeschränkung (vgl. BVerfGE 10, 302 (323)). Beide Begriffe sind entsprechend ihrer Intensität abzugrenzen (vgl. BVerfGE 105, 239 (248)). Jedenfalls muss die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen in einem Haftraum als Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG angesehen werden (vgl. BGHZ 82, 261 (264) und BVerwGE 62, 317 (318)). Nur kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen dagegen keine Freiheitsentziehung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Mai 2004 - 2 BvR 715/04 -, NJW 2004, S. 3697).
Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2, 3 GG ist die Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung allein dem Richter vorbehalten, wobei bei nicht vorgelagerter richterlicher Entscheidung diese unverzüglich nach Beginn der Freiheitsentziehung zu bewirken ist.
(2) Die Polizei hat den Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls von 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr festgehalten und von dem Ort der Festsetzung zunächst zur Polizeiwache und dann zum Polizeipräsidium verbracht, wobei er zweimal für jeweils zumindest eine Stunde in eine Gewahrsamszelle eingesperrt und einmal circa eine Stunde lang in einem Polizeifahrzeug untergebracht wurde. Das Festhalten des Beschwerdeführers in Gewahrsamszellen auf der Polizeiwache und im Polizeipräsidium sowie die jeweilige Verbringung dahin stellen eine vollständige Aufhebung seiner Bewegungsfreiheit dar. Dabei stellt der Einschluss in Zellen den typischen Fall der hoheitlichen Freiheitsentziehung dar, den das Grundgesetz unter die besonderen Voraussetzungen des Art. 104 Abs. 2 GG stellen wollte (vgl. BVerwGE 62, 317 (318)). Anders als im Regelfall von § 81b StPO wurde der Beschwerdeführer nicht allein zur Dienststelle verbracht und im Weiteren umgehend erkennungsdienstlich behandelt, sondern über eine Dauer von mehreren Stunden allein verwahrt für eine nachfolgende erkennungsdienstliche Behandlung. Dies hat aber - umso mehr im Vergleich zu dem verfolgten Ziel, nämlich der Anfertigung von drei Fotos - eigenes Gewicht. Insbesondere ist die Gesamtdauer der Freiheitsentziehung nicht nur als kurzfristig anzusehen, denn sie umfasst jedenfalls einen Zeitraum, der nicht mehr unbedeutend ist.
Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass das Festhalten des Beschwerdeführers weder eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO dargestellt habe, sondern allein eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs. Damit hat es die Auswirkungen des Festhaltens des Beschwerdeführers in tatsächlicher und in der Folge auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht verkannt und sich nicht mit den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auseinandergesetzt. Bei der gebotenen Qualifikation der Maßnahme als Freiheitsentziehung hätte sich das Landgericht mit der Frage der Notwendigkeit der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung sowie den hierzu getroffenen organisatorischen Voraussetzungen sowie den Maßnahmen im Einzelfall befassen müssen.
c) Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, ist die Sache zur erneuten Rechtsprüfung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
d) Ob die angegriffene Entscheidung zugleich gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verstößt, kann dahinstehen. ..."
*** (BVerwG, BGH)
... Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 16. Mai 2010 und der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 3. Juni 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, soweit die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung ab dem 16. Mai 2010 angeordnet und aufrechterhalten worden ist; im Übrigen wird das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. ...
I. Der Betroffene ist libyscher Staatsangehöriger. Am 14. Mai 2010 reiste er ohne Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet ein. Am nächsten Tag wurde er von der Bundespolizei festgenommen und im Anschluss daran zur Dienststelle der Polizeiinspektion Hannover Mitte verbracht, wo er als Beschuldigter wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise vernommen wurde. Auf Antrag der Beteiligten zu 2, dem das Protokoll über die Vernehmung des Betroffenen als Beschuldigter beigefügt war, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. Mai 2010 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis längstens 18. August 2010 angeordnet und zudem die Ingewahrsamnahme des Betroffenen für rechtmäßig erklärt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Am 9. Juni 2010 wurde der Betroffene nach Schweden zurückgeschoben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er nunmehr die Feststellung, dass er durch die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts in seinen Rechten verletzt worden ist.
II. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die Freiheitsentziehung zu Recht angeordnet und bis zur Ausreise des Betroffenen aufrechterhalten worden ist.
III. Das Rechtsmittel hat ganz überwiegend Erfolg.
1. Soweit der Betroffene seinen Fortsetzungsfeststellungsantrag im Zusammenhang mit der von der Beteiligten zu 2 kurzzeitig angeordneten Ingewahrsamnahme weiterverfolgen möchte, ist das Rechtsmittel allerdings unzulässig. Zwar ist die Rechtsbeschwerde grundsätzlich auch nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Hiervon ausgenommen sind nach § 70 Abs. 4 FamFG jedoch Entscheidungen in Verfahren, in denen über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung befunden worden ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/6308, S. 209). Dass hierzu - verfassungsrechtlich unbedenklich - auch Entscheidungen über vorläufige Haftanordnungen gehören, die von einem Richter nach § 427 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 1 bis 3 AufenthG angeordnet worden sind, hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 3. Februar - V ZB 128/10, juris Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 11. November 2010 - V ZB 123/10, juris Rn. 3 f.). Gleiches gilt jedenfalls für die der richterlichen Beschlussfassung vorgelagerte Möglichkeit der Behörde, einen Ausländer unter den strengen Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AufenthG für einen kurzen Zeitraum vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, um diesen unverzüglich dem Richter vorzuführen (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10, zur Veröffentlichung vorgesehen). Davon abgesehen ist die Rechtsbeschwerde mit Blick auf die behördliche Ingewahrsamnahme auch deshalb unzulässig, weil das Rechtsmittel insoweit nicht in einer den Vorgaben nach § 71 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FamFG genügenden Weise begründet worden ist.
2. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde zulässig und begründet. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts und durch die diese bestätigende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts in seinen Rechten verletzt. Die Haft hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil der Haftantrag unzulässig war.
Ob ein zulässiger Haftantrag vorliegt, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - V ZB 136/10, zur Veröffentlichung bestimmt; jeweils mwN). Zu den unerlässlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört es nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG, dass die Antragsbegründung insbesondere Angaben zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 8 f.). Diesen Anforderungen wird der gestellte Antrag nicht gerecht. Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden; für die Zurückschiebung gilt nichts anderes (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 211/10; beide Entscheidungen zur Veröffentlichung bestimmt). Fehlen in dem Haftantrag Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage erhoben worden ist oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wird, ist der Haftantrag unzulässig (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, aaO). So verhält es sich hier. Wie sich spätestens aus dem dem Haftantrag beigefügten Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung ergibt, wurde gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt. ..." ( BGH, Beschluss vom 12.05.2011 - V ZB 166/10).
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Zur Befugnis der Polizei, eine Person in Gewahrsam zu nehmen, um sie an der unmittlbar bevorstehenden Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung zu hindern. Art. 104 Abs. 2 GG erfordert keine Regelung der Justizverwaltung, die es den Polizeibehörden ermöglicht, zu jeder Tages- und Nachtzeit die richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer einer Ingewahrsamnahme aus präventiv-polizeilichen Gründen herbeizuführen (BVerwG, 26.02.1974, BVerwG I C 31.72):
... I. Der Kläger erstrebt die gerichtliche Feststellung, die Polizei habe ihn am 29. Februar 1968 zu Unrecht etwa zwei Stunden auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen festgehalten.
Der damals in Berlin wohnende Kläger hatte sich vor der streitigen Maßnahme als führendes Mitglied eines politischen Studentenbundes maßgebend an Demonstrationen u.a. auch in Frankfurt/Main am 6. September 1967 und am 5. Februar 1968 beteiligt. Am 5. Februar 1968 war es nach einer Kundgebung gegen den Vietnam-Krieg zu erheblichen Ausschreitungen der Demonstranten vor amerikanischen Einrichtungen in Frankfurt/Main gekommen. Gegen den Kläger als mutmaßlichen Haupträdelsführer wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Aufforderung zu strafbaren Handlungen, Aufruhrs, Landfriedensbruchs und Durchführung eines nicht angemeldeten Aufzugs eingeleitet.
Am 29. Februar 1968 um 17.30 Uhr fand in Frankfurt/Main erneut eine Kundgebung gegen den Vietnam-Krieg statt, an der etwa 6.000 Personen teilnahmen. Nachdem der Polizei schon nach Anmeldung der Kundgebung Informationen über eine danach beabsichtigte Demonstration in den amerikanischen Wohngebieten zugegangen waren, erhielt sie am Tage der Veranstaltung um 17 Uhr vom Hessischen Innenministerium die Nachricht, es sei bekanntgeworden, daß nach der Kundgebung in den amerikanischen Wohnsiedlungen demonstriert werden solle; die amerikanischen Streitkräfte beabsichtigten, unter Umständen hiergegen einzuschreiten. In einer Vorbesprechung mit der Polizei hatten auch die für die Versammlung verantwortlichen Personen eingeräumt, daß ein Teil der Versammlungsteilnehmer möglicherweise nach Abschluß der Kundgebung in die amerikanischen Wohnsiedlungen ziehen und dort weiter demonstrieren werde. Zugleich hatten sie erklärt, dann keinen Einfluß mehr auf das Verhalten der Demonstranten zu haben.
Um 17.10 Uhr - etwa 20 Minuten vor Beginn der Kundgebung auf dem Römerberg - wurde der Polizei mitgeteilt, der Kläger sei mit dem Flugzeug auf dem Wege von Berlin nach Frankfurt/Main. Der Leiter der Schutzpolizei ordnete an, daß der gegen 17.50 Uhr auf dem Flughafen zu erwartende Kläger zur dortigen Polizeiwache gebracht, nach dem Ziel seiner Reise gefragt und festgehalten werden solle, falls er sich nach Frankfurt/Main begeben wollte. Der Kläger verweigerte den Polizeibeamten die erbetene Auskunft und erklärte u.a., wenn er schon reise, sei er politisch unterwegs. Daraufhin wurde er festgehalten. Nachdem der Oberbürgermeister der Beklagten kurz vor 19 Uhr über die Inverwahrungnahme des Klägers unterrichtet worden war, ordnete er dessen Freilassung an, die um 20.09 Uhr erfolgte. Inzwischen war die genehmigte Kundgebung um 18.35 Uhr ohne besondere Vorkommnisse beendet worden. Die meisten Teilnehmer hatten sich erst um 20 Uhr zerstreut. Etwa 1.500 bis 2.000 Menschen marschierten in die Innenstadt. Zu den befürchteten Demonstrationen in amerikanischen Wohnsiedlungen kam es nicht.
Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 25. März 1968 Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Mit der am 4. Januar 1969 erhobenen Klage beantragte er, festzustellen, daß es rechtswidrig war, ihn am 29. Februar 1968 in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen; hilfsweise: festzustellen, daß es rechtswidrig war, die Verwahrung bis 20.09 Uhr aufrechtzuerhalten.
Das Verwaltungsgericht gab dem Hauptantrag statt. In dem Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen das Berufungsurteil Bezug nimmt, ist ausgeführt: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die polizeiliche Verwahrung des Klägers hätten vorgelegen. Diese Maßnahme sei erfolgt, weil die Polizei auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen habe, der Kläger werde die Teilnehmer der Versammlung auf dem Römerberg zu einer nicht angemeldeten Demonstration in den amerikanischen Wohngebieten aufrufen. Der Polizei sei damals bekannt gewesen, daß gegen den Kläger wegen seiner führenden Rolle bei schweren Ausschreitungen anläßlich von Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Die letzte derartige Demonstration in Frankfurt/Main habe noch keine vier Wochen zurückgelegen, als der Kläger am 29. Februar 1968 ausgerechnet zu einem Zeitpunkt erneut nach Frankfurt/Main gekommen sei, zu dem wieder eine Massenkundgebung gegen den Vietnam-Krieg veranstaltet worden sei. Nach seinem Eintreffen auf dem Flughafen habe die Polizei zunächst das Ziel seiner Reise ermitteln wollen. Durch die Antworten des Klägers hätten sich die Polizeibeamten in der Annahme wahrscheinlich bevorstehender strafbarer Handlungen des Klägers bestärkt sehen können. Nach ihren Erfahrungen habe die politische Tätigkeit des Klägers, die er als Zweck seiner Reise angegeben habe, nicht zuletzt in strafbaren Handlungen bei Demonstrationen bestanden. Die Gefahr, daß der Kläger einen Demonstrationszug in die amerikanischen Wohngebiete führen werde, habe aus ihrer Sicht unmittelbar bevorgestanden.
Die Klage müsse jedoch deshalb Erfolg haben, weil die Polizei nicht unverzüglich die Entscheidung des Amtsrichters über die Zulässigkeit der Verwahrung herbeigeführt habe. Die gesetzlich vorgeschriebene unverzügliche Einholung dieser Entscheidung bedinge die Einrichtung eines ständigen richterlichen Bereitschaftsdienstes auch außerhalb der Dienst stunden. Daß die Polizei am 29. Februar 1968 wegen dessen Fehlens nach 18 Uhr keine richterliche Entscheidung mehr habe herbeiführen können, dürfe nicht zu Lasten der in Verwahrung genommenen Person gehen. Die Inverwahrungnahme des Klägers sei daher rechtswidrig gewesen.
Auf die Berufung der Beklagten hob der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Zwar habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, daß sich der Kläger wirklich an der Kundgebung auf dem Römerberg habe beteiligen wollen, jedoch sei dies polizeirechtlich unerheblich. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend dargelegt, daß aus der Sicht der Polizei die Teilnahme des Klägers an der befürchteten Demonstration in den amerikanischen Wohnsiedlungen und die damit verbundene Begehung strafbarer Handlungen wahrscheinlich gewesen seien und unmittelbar bevorgestanden hätten. Die polizeiliche Verwahrung des Klägers sei unerläßlich gewesen. Durch ein weniger einschneidendes Mittel habe die Gefahr nicht abgewehrt werden können. Insbesondere die Vorgänge am 5. Februar 1968 hätten gezeigt, daß die befürchteten strafbaren Handlungen des Klägers nicht mehr hätten verhindert werden können, wenn er sich den 6.000 Versammlungsteilnehmern angeschlossen hätte.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien durch die Verwahrung des Klägers auch die Vorschriften des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung bezüglich der Einholung einer richterlichen Entscheidung nicht verletzt worden. Die Polizei habe die Entscheidung des Amtsrichters mit der nach Lage der Sache und unter Berücksichtigung der Geschäftsverhältnisse der beteiligten Behörden gebotenen Beschleunigung herbeiführen müssen. Ein Organisationsmangel dürfe zwar nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, jedoch habe ein solcher während der Freiheitsentziehung des Klägers nicht vorgelegen. Art. 104. Abs. 2 GG erfordere keine Regelung, derzufolge ein Amtsrichter auch außerhalb der üblichen Dienstzeit ständig erreichbar sein müsse.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er hält das sachliche Vorbringen der Revision für unbegründet.
II. Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht ( § 137 Abs. 1 VwGO ).
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben (s. Olschewski, Zum Rechtsweg gegen Freiheitsentziehungen durch Polizei, JR 1971, 89).
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Kläger ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung hat (s. auch BVerfGE 10, 302 [308]). Die Verstaatlichung der Vollzugspolizei der Beklagten mit Wirkung vom 1. Januar 1974 berührt das Feststellungsinteresse gegenüber der Beklagten nicht, weil es nicht mit Wiederholungsgefahr begründet wird.
2. Die Verfahrensrügen, mit denen geltend gemacht wird, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, greifen nicht durch.
a) Zu Unrecht rügt die Revision, daß der Senat, der das angefochtene Urteil erlassen hat, nach dem Geschäftsverteilungsplan aus fünf Richtern bestand. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, nicht zu beanstanden, weil der Hessische Verwaltungsgerichtshof nach § 13 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 6. Februar 1962 (GVBl. S. 13) i.d.F. vom 5. Oktober 1970 (GVBl. I S. 598) zwar grundsätzlich in der Besetzung mit drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern, nach § 11 Abs. 1 dieses Gesetzes im Normenkontrollverfahren jedoch in der Besetzung mit fünf Richtern entscheidet (Bundesverwaltungsgericht , Urteile vom 8. Juli 1966 - BVerwG VII C 192.64 - [BVerwGE 24, 315] und vom 8. November 1967 - BVerwG IV C 154.65 - [ DVBl. 1968, 110 = NJW 1968, 811 = Buchholz 310 § 8 VwGO Nr. 3] sowie Beschluß vom 18. Juli 1972 - BVerwG II B 33.71 /11 C 16.71 - [Buchholz a.a.O. Nr. 7]). Entgegen der Ansicht der Revision mußte im Geschäftsverteilungsplan die Zuteilung von fünf Richtern nicht begründet werden. Die Geschäftsverteilung nach §§ 7 Abs. 2 und 9 Abs. 4 VwGO (jetzt § 21 e GVG ) mußte nur dem Erfordernis des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügen, daß möglichst eindeutig von vornherein feststand, welcher Richter in einem anhängig werdenden Verfahren zur Entscheidung oder zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufen war (BVerfGE 31, 47 [54]). Diesen Zweck erfüllte der Geschäftsverteilungsplan auch dann, wenn er - wie üblich - keine Begründung enthielt.
b) Ohne Erfolg müssen auch, die Angriffe der Revision gegen die Anordnung nach §§ 8 und 9 Abs. 4 VwGO (jetzt § 21 g GVG ) bleiben, womit die Senatsvorsitzende am selben Tage, an dem das Präsidium dem II. Senat des Verwaltungsgerichtshofs einen weiteren (fünften) Richter zugeteilt hatte, ihre Anordnung für das Geschäftsjahr 1972 für den Rest des Geschäftsjahres geändert hat. Die Revision meint dazu, die zu Beginn des Geschäftsjahres getroffene Anordnung habe nur in dem unbedingt erforderlichen Maße geändert werden dürfen, und zieht daraus die Schlußfolgerung, daß in der Sitzung am 4. Juli 1972 mindestens ein Beisitzer hätte mitwirken müssen, der nach der bisherigen Anordnung an diesem Sitzungstag zur Mitwirkung berufen war. Abgesehen davon, daß in vorliegender Sache die Richterbank mit der Vorsitzenden und einem weiteren Richter besetzt war, der schon nach der ursprünglichen Regelung in der Sitzung am 4. Juli 1972 mitwirken sollte, verkennt die Revision, daß nach Zuteilung eines weiteren Richters der bisherige Besetzungsplan nach pflichtgemäßem Ermessen dahin geändert werden durfte, daß die nunmehr vier beisitzenden Richter an den Sitzungstagen des Geschäftsjahres 1972 möglichst gleichmäßig mitwirkten. Diesem Zweck wird die Anordnung vom 2. Mai 1972 gerecht. Sie durfte entgegen dem Revisionsvorbringen auch den Fall, daß "in einer Sache ein Richter Berichterstatter (ist), der nach dem Sitzungsplan nicht mitwirken würde", dahin neu regeln, daß dann "in der jeweiligen Sache der dienstältere Richter" ausscheidet. Damit waren die zur Entscheidung berufenen Richter auch weiterhin so eindeutig und genau wie möglich bestimmt. Nach den Anordnungen für die Geschäftsjahre 1971 und 1972 wurden die Berichterstatter des II. Senats des Verwaltungsgerichtshofs nicht durch Einzelentscheidung der Vorsitzenden bestimmt; maßgebend war vielmehr eine von vornherein festliegende Reihenfolge der Berichterstatter nach Eingang der Sachen. Auch die Mitwirkung der anderen Richter war generell geregelt. Die beanstandete Änderung der zu Beginn des Geschäftsjahres getroffenen Anordnung erfolgte zu keinem willkürlichen Zeitpunkt und entsprach den Erfordernissen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG .
c) Schließlich bemängelt die Revision zu Unrecht die Mitwirkung des ehrenamtlichen Verwaltungsrichters Massie an dem angefochtenen Urteil. Der Geschäftsverteilungsplan ist nicht, wie die Revision meint, insoweit nichtig, als bei "plötzlicher Verhinderung" eines ehrenamtlichen Verwaltungsrichters ein Vertreter nach der jedem Senat zugeteilten Hilfsliste aus ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern heranzuziehen war, die am Gerichtssitz oder in seiner Nähe wohnten. Diese Regelung war hinreichend bestimmt. Ihr Inhalt ergab sich aus dem Sinn und Zweck der Aufstellung einer Hilfsliste nach §§ 30 Abs. 2 und 34 VwGO . Hiernach war ein in der Hilfsliste aufgeführter ehrenamtlicher Verwaltungsrichter heranzuziehen, wenn dadurch eine Vertagung der Verhandlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns vermieden werden konnte. Auch die Regelung des Geschäftsverteilungsplanes, derzufolge die Heranziehung des verhinderten ehrenamtlichen Verwaltungsrichters nicht nachzuholen war, begegnet keinem Bedenken. Hierdurch wurde eine "Manipulation" in der Auswahl der zur Entscheidung im Einzelfall berufenen ehrenamtlichen Verwaltungsrichter zumindest ebenso wirksam verhindert wie durch die vom Kläger für richtig angesehene Nachholung der Mitwirkung des verhinderten ehrenamtlichen Verwaltungsrichters. Zu Unrecht hält die Revision den Geschäftsverteilungsplan auch deshalb für unwirksam, weil er in bezug auf die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter keine Ladungsfrist vorschrieb. Eine derartige Regelung ist kein notwendiger Inhalt eines Geschäftsverteilungsplanes. Da dem II. Senat des Verwaltungsgerichtshofs erst am Freitag, dem 30. Juni 1972, die Mitteilung des geladenen ehrenamtlichen Verwaltungsrichters Mitterer zugegangen war, daß er an der Sitzung am Dienstag, dem 4. Juli 1972, nicht teilnehmen könne, durften die Voraussetzungen für die Heranziehung eines in der Hilfsliste aufgeführten ehrenamtlichen Verwaltungsrichters für gegeben angesehen werden. Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27. Oktober 1961 - BVerwG VII C 26.61 - [BVerwGE 13, 147]) hat einen Fall "unvorhergesehener Verhinderung" im Sinne von § 30 Abs. 2 VwGO angenommen, wenn sich innerhalb der letzten Woche vor der Sitzung herausstellt, daß der hierzu geladene ehrenamtliche Verwaltungsrichter verhindert ist.
3. Auch die Sachrügen vermögen der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Das angefochtene Urteil geht davon aus, daß es sich bei der streitigen Maßnahme um eine polizeiliche Verwahrung im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 17. Dezember 1964 (GVBl. I S. 209) - HSOG - (jetzt § 46 dieses Gesetzes in der Fassung vom 26. Januar 1972 [GVBl. I S. 24]) gehandelt habe. Nach dieser Vorschrift kann die Vollzugspolizei jemanden in Verwahrung nehmen, wenn es unerläßlich ist, um ihn an der unmittelbar bevorstehenden Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung zu hindern, über die Zulässigkeit der Verwahrung ist nach § 48 HSOG (jetzt § 47) unverzüglich die Entscheidung des Amtsrichters herbeizuführen, in dessen Bezirk die Verwahrung vollzogen wird. Der Amtsrichter entscheidet endgültig. Seine Entscheidung entfällt, sobald der Verwahrte entlassen ist. Gemäß § 49 HSOG (jetzt § 48) endet die Verwahrung spätestens mit Ablauf des Tages, der auf ihren Beginn folgt. Der Verwahrte ist vorher zu entlassen, sobald der Grund der Verwahrung weggefallen ist oder wenn der Richter die Verwahrung für unzulässig erklärt.
Die in Anwendung des irrevisiblen Landesrechts vertretene Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Kläger in polizeilichen Gewahrsam genommen worden und diese Maßnahme durch die genannten Vorschriften gedeckt gewesen sei, ist gemäß §§ 137 Abs. 1 , 173 VwGO in Verbindung mit § 562 ZPO auch für die Revisionsentscheidung maßgebend. Dem Bundesverwaltungsgericht obliegt allein die Nachprüfung, ob die Vorschriften in der Auslegung des Berufungsgerichts mit Bundesrecht vereinbar sind oder ob die angefochtene Entscheidung Bundesrecht verletzt. Das ist nicht der Fall.
a) Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG in der ihr vom Berufungsgericht gegebenen Auslegung verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG .
aa) Die polizeiliche Verwahrung einer Person zur Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung ist ein Eingriff in die Freiheit der Person im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG . Dieses Grundrecht kann durch einfaches Gesetz eingeschränkt werden ( Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ). Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung nennt in § 4 das Grundrecht der Freiheit der Person als eingeschränkt ( Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ).
bb) Die Freiheit der Person nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Die Entziehung der persönlichen Freiheit muß daher stets durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein (BVerfGE 19, 342 [348 f.]; 35, 185 [190]). Zu den Belangen des Gemeinwohls, gegenüber denen die Freiheit des einzelnen unter Umständen zurücktreten muß, gehört der Schutz der Allgemeinheit und einzelner vor mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Straftaten. Die öffentliche Sicherheit und das berechtigte Sicherheitsbedürfnis der Gemeinschaft wären ungenügend geschützt, wenn die Polizei ernstlich zu befürchtende Straftaten erforderlichenfalls nicht auch durch unmittelbare Einschränkung der persönlichen Freiheit verhindern dürfte. Die Ingewahrsamnahme aus präventiv-polizeilichen Gründen ist daher ein notwendiges Mittel zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung vor Rechtsbrüchen.
cc) Die Regelung der Verwahrung aus präventiv-polizeilichen Gründen in dem Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist entgegen dem Revisionsvorbringen genügend bestimmt. Sie entspricht, wie der Oberbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts für die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe in Ermächtigungen zu Eingriffen in Freiheit und Eigentum.
Die gesetzliche Ermächtigung der Polizei zur Inverwahrungnahme einer Person ist an zwei Voraussetzungen geknüpft. Die polizeiliche Verwahrung muß - erstens - "unerläßlich" sein, um den Betroffenen an einer "mit Strafe bedrohten Handlung" zu hindern, und die Begehung dieser Handlung muß - zweitens - "unmittelbar bevorstehen".
Der Begriff "unerläßlich" ist so genau wie möglich. Er bedeutet, daß das Kittel der polizeilichen Verwahrung nur angewendet werden darf, wenn es zur Verhütung der befürchteten Straftat geeignet und erforderlich ist. Wenn die mit Strafe bedrohte Handlung durch eine polizeiliche Maßnahme verhindert werden kann, die den einzelnen und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt, ist die polizeiliche Inverwahrungnahme nicht erforderlich und daher auch nicht unerläßlich.
Die mit der polizeilichen Verwahrung zu bekämpfende Gefahr ist dadurch, daß nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG nur die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen verhindert werden darf, genau bestimmt. Die Voraussetzung für den polizeilichen Eingriff ergibt sich eindeutig aus den strafrechtlichen Tatbeständen.
Auch der Begriff der "unmittelbar bevorstehenden Begehung" einer Straftat ist rechtsstaatlich nicht zu beanstanden. Nach der das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Berufungsgerichts entspricht er dem polizei- und ordnungsrechtlichen Begriff der "unmittelbar bevorstehenden Gefahr". Diese Begriffe sind durch Rechtsprechung, Schrifttum und Verwaltungsvorschrift genügend präzisiert.
Nach allgemeiner Auffassung liegt eine "Gefahr" vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird (H.J. Wolff, Verwaltungsrecht III, 3. Aufl. [1973], § 125 III a). Da die Inverwahrungnahme aus präventiv-polizeilichen Gründen unmittelbar in die Freiheitssphäre eingreift und dementsprechend nur aus gewichtigen Gründen verfassungsgemäß ist, schränken die gesetzlichen Ermächtigungen des Bundes und der Länder diese Eingriffsmöglichkeit übereinstimmend in der Weise ein, daß sie eine - gegenüber Maßnahmen nach der Generalermächtigung - gesteigerte Gefahr voraussetzen. Schon nach § 15 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931 (GS. S. 77) durfte jemand nur dann in polizeiliche Verwahrung genommen werden, wenn diese Maßnahme "zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden polizeilichen Gefahr" erforderlich und deren Abwehr auf andere Weise nicht möglich war. Entsprechende Regelungen treffen z.B. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz vom 18. August 1972 (BGBl. I S. 1834) - BGSG -, § 9 Abs. 1 Buchst. b des niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 21. März 1951 (GVBl. S. 79) und § 180 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein vom 18. April 1967 (GVBl. S. 131). Nach § 25 Nr. 2 des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes in der Fassung vom 28. Oktober 1969 (GV NW S. 740) muß eine "gegenwärtige Gefahr" vorliegen, womit das gleiche gemeint ist wie mit dem Begriff der unmittelbar bevorstehenden Gefahr (Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. [1972], § 1 OBG RdNr. 16). Indem die Vorschriften über den polizeilichen Gewahrsam durch Verwendung der Begriffe "unmittelbar bevorstehende Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung", "unmittelbar bevorstehende erhebliche Verletzung von Recht", "unmittelbar bevorstehende Gefahr" oder "gegenwärtige Gefahr" besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts stellen, läßt sich daraus, wie das OVG Saarlouis (Urteil vom 17. Mai 1973 [DÖV 1973, 863]) zu einer entsprechenden anderen Regelung ausgeführt hat, für den Regelfall auch auf strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad schließen, da die geforderte Nähe der Gefahr meist die Sicherheit der Prognose erhöhen wird. Nach herrschender Meinung liegt die von § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG und den anderen Vorschriften über den polizeilichen Gewahrsam geforderte Gefahr vor, wenn der Eintritt eines Schadens sofort und fast mit Gewißheit (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zu erwarten ist (H.J. Wolff, a.a.O., § 125 III b 4; Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Juli 1951 [NJW 1951, 769]; OVG Münster, Beschluß vom 24. April 1954 [OVGE 8, 239]; Müller-Heidelberg/Clauss, Das nds. Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2. Aufl. [1956], § 9 Erl. 2 c; Reiff, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 1956, § 22 Erl. II 1 a; Scheer, Allgemeines Polizeirecht und Ordnungsrecht im Lande Hessen, 1967, S. 227; Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, a.a.O.; Nr. 25.11 der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz vom 4. Dezember 1969 (MBl. NW S. 2000)). Rechtsprechung und Schrifttum stimmen außerdem darin überein, daß - entsprechend dem Zweck der polizeilichen Gefahrenabwehr - eine Gefahr im Sinne der maßgebenden. Ermächtigungsnorm auch in Fällen der sogenannten Anscheinsgefahr vorliegt, auf die das angefochtene Urteil abstellt, (s. hierzu Hoffmann-Riem, "Anscheingefahr" und "Anscheinverursachung" im Polizeirecht, Festschrift für Wacke, 1972, S. 327 ff.).
Zu Unrecht meint die Revision, der Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG fehle die rechtsstaatlich erforderliche Bestimmtheit auch deshalb, weil sie die Beweismittel - z.B. Urkunden und Zeugenaussagen - nicht festlege, auf Grund deren die Polizei eine unmittelbar bevorstehende Straftat annehmen dürfe. Einer derartigen Konkretisierung des Gefahrenbegriffs bedurfte es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht. Nach allgemein anerkannter Auffassung genügt eine bloße Vermutung der Polizei, daß ein Schaden eintreten werde, für das Vorliegen einer Gefahr nicht. Das Verlangen der Revision nach einer gesetzlichen Bestimmung der "Beweismittel" für das Vorliegen einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr läßt sich mit dem legitimen Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf eine wirksame Gefahrenabwehr nicht vereinbaren. Wenn die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht schon auf Grund bestimmt er Tatsachen und der auf Erfahrungen gestützten Prognose der Polizei als unmittelbar bevorstehend angesehen werden dürfte, ließe sie sich vielfach nicht verhindern.
dd) Der Revision kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG verletze den bundesverfassungsrechtlich ableitbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil er die polizeiliche Verwahrung zur Abwehr von strafbaren Handlungen jeder Art zulasse. Dieses Vorbringen läßt außer acht, daß die Polizei die Aufgabe hat, den einzelnen und das Gemeinwesen vor drohender Verletzung von Recht zu schützen, und daß jede mit Strafe bedrohte Handlung die Rechtsordnung verletzt. Durch die. Pönalisierung bestimmter Handlungen hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß er dieses Verhalten als eine erhebliche Störung des menschlichen Zusammenlebens betrachtet. Dem Wandel der Anschauungen trägt er durch "Entkriminalisierung" von Tatbeständen Rechnung. Soweit dies nicht geschehen ist, hat die Polizei jede Art strafbarer Handlungen nach Möglichkeit zu verhüten. Eine unangemessene Anwendung des Mittels der präventiven Inverwahrungnahme des Störers schließt das Gesetz dadurch aus, daß die mit Strafe bedrohte Handlung unmittelbar bevorstehen muß, die Straftat nur durch polizeiliche Verwahrung verhindert werden kann und nach § 5 HSOG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot zu beachten sind. Der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert daher keine weitere Konkretisierung der durch Polizeigewahrsam zu bekämpfenden Gefahr dahin, daß dieses Mittel nur zur Bekämpfung bestimmter - besonders schwerwiegender - strafbarer Handlungen angewendet werden dürfe.
b) Das Berufungsgericht hat entgegen dem Revisionsvorbringen das Grundrecht der Freiheit der Person auch insoweit nicht verletzt, als es entschieden hat, die Vollzugspolizei habe in dem hier streitigen Falle § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG rechtmäßig angewendet.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Einschränkungen der Freiheit der Person besondere Bedeutung zukommt, bedingt, daß vor und während einer Freiheitsentziehung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verhütung der befürchteten Straftat und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen abzuwägen ist. Er verlangt - neben dieser generellen Abwägung -, daß der polizeiliche Gewahrsam zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich ist und daß der damit verbundene Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Wahrscheinlichkeit der befürchteten strafbaren Handlung steht. Das hat das Berufungsgericht, auch wenn es dazu im Urteil keine besonderen Ausführungen gemacht hat, beachtet.
aa) Durch die streitige Maßnahme sollte der Kläger daran gehindert werden, nach der Beendigung einer angemeldeten Versammlung einen nicht angemeldeten Aufzug durchzuführen. Hierzu war seine Inverwahrungnahme während der Zeit, zu der die Kundgebung stattfand und solange die Teilnehmer sich noch nicht zerstreut hatten, geeignet.
bb) Die Inverwahrungnahme des Klägers war zur Gefahrenabwehr auch erforderlich. Gegen diese Feststellung des Berufungsgerichts spricht nicht die Tatsache, daß nach der Kundgebung entgegen den der Polizei zugegangenen Informationen und der auch auf andere Tatsachen gestützten Vorausschau der Polizei tatsächlich nicht demonstriert wurde. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus der Natur der polizeilichen Gefahrenabwehr ohne Verletzung revisiblen Rechts gefolgert, daß die Erforderlichkeit einer Maßnahme nicht danach zu beurteilen ist, wie sich die Sachlage später - vielleicht nach eingehender Beweisaufnahme - darstellt, sondern nach Maßgabe der im Zeitpunkt der Verwahrung des Klägers bestehenden Verhältnisse. Dazu hat das Berufungsgericht die folgenden, das Revisionsgericht bindenden, tatsächlichen Feststellungen getroffen.
Nach Eintreffen des Klägers auf dem Flughafen haben Polizeibeamte, der ihnen vom Leiter der Schutzpolizei erteilten Weisung folgend, aufzuklären versucht, ob sich der Kläger nach Frankfurt/Main begeben wollte, wo gerade eine Massenveranstaltung gegen den Vietnam-Krieg stattfand. Sie sahen sich auf Grund des Verhaltens des Klägers in der - durch das zeitliche Zusammentreffen der Veranstaltung und seiner Ankunft, das kürzliche Verhalten des Klägers bei einer unfriedlichen Demonstration in Frankfurt/Main gegen die USA sowie andere Umstände genährten - Annahme bestärkt, daß der Kläger gekommen sei, um an der befürchteten, nicht angemeldeten Demonstration in amerikanischen Wohngebieten maßgebend mitzuwirken. Ein anderes geeignetes Mittel zur Verhinderung dieser Straftat als die Inverwahrungnahme stand der Polizei nicht zur Verfügung.
cc) Die Begehung einer strafbaren Handlung des Klägers konnte von der Polizei mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwartet werden.
Nach einem das Polizei- und Ordnungsrecht beherrschenden Rechtsgedanken, der auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (Bundesverwaltungsgericht , Urteil vom 16. November 1973 - BVerwG IV C 44.69 - mit weiteren Nachweisen). Bei Anwendung dieses Grundsatzes auf unmittelbare Eingriffe der Polizei in die Freiheit der Person darf allerdings nicht übersehen werden, daß hier die Eingriffsschwelle aus verfassungsrechtlichen Gründen im allgemeinen höher liegt als etwa bei Verwaltungsakten nach den Generalermächtigungen des Polizei- und Ordnungsrechts (s. auch Baumann, Unterbringungsrecht, 1966, S. 286 ff.).
Die für Verwaltungsakte nach der Generalermächtigung genügende "hinreichende" Wahrscheinlichkeit ist daher, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, hier nicht ausreichend. Bei der gebotenen Abwägung des verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsanspruchs des Klägers mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung von Recht und Ordnung genügte aber wegen der Schwere des Schadens, der nach der Lebenserfahrung durch die Beteiligung des Klägers an der befürchteten rechtswidrigen Demonstration entstehen konnte, die bestehende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, mag sie auch nicht eine an Sicherheit grenzende gewesen sein.
Zu Unrecht führt die Revision aus, die Polizei hätte wegen der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung bei Beurteilung der am 29. Februar 1968 gegebenen Gefahrenlage das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Kläger wegen der Ausschreitungen am 5. Februar 1968 unberücksichtigt lassen müssen. Dieses Vorbringen verkennt, daß polizeiliches Einschreiten kein schuldhaftes Verhalten des Betroffenen voraussetzt und schon aus diesem Grund die für das Strafverfahrensrecht maßgebende Unschuldsvermutung für das präventiv-polizeiliche Einschreiten nicht gilt. Am 29. Februar 1968 lag noch keine gerichtliche Entscheidung über das strafrechtliche Verhalten des Klägers am 5. Februar 1968 vor. Die Polizei war daher berechtigt und verpflichtet, bei ihrer Prognose des Verhaltens des Klägers am 29. Februar 1968 auch das ihr - durch den Polizeieinsatz gegen die Demonstranten - bekannte Verhalten des Klägers am 5. Februar 1968 zu werten.
Unzutreffend ist auch die Meinung der Revision, die Maßnahme gegen den Kläger sei auf bloße Vermutungen und vage Annahmen der Polizei gestützt worden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben eine verfassungsgemäße Prognosesicherheit. Außer dem Verhalten des Klägers in Frankfurt/Main am 5. und 29. Februar 1968 durften die damals allgemein bekannten Tatsachen berücksichtigt werden, daß der Kläger als Anführer einer radikalen politischen Bewegung hervorgetreten war, als Redner und Schriftsteller die Anwendung von Gewalt propagiert hatte und es unter seiner maßgebenden Mitwirkung an verschiedenen Orten zu zahlreichen Krawallen, gewalttätigen Handlungen und damit verbundenen Rechtsverstößen gekommen war. Wenn die Polizei bei Personen, die sich öffentlich zur Anwendung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung bekannt und andere zu Gewalttaten aufgefordert oder bei Demonstrationen Gewalt gegen Personen oder Sachen angewendet haben, die Gefahr eines Mißbrauchs der Versammlungsfreiheit eher als bei anderen für wahrscheinlich hält, nimmt sie nur den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grund Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland so ernst, wie er nach dem Grundgesetz genommen werden muß.
dd) Die Verwahrung des Klägers war für ihn nicht übermäßig belastend und auch nicht unzumutbar.
Der Gewahrsam aus präventiv-polizeilichen Gründen unterscheidet sich von der Untersuchungshaft außer durch Zweck und Voraussetzung insbesondere dadurch, daß er seiner Natur nach immer nur kurzfristig ist. Gemäß § 49 HSOG durfte die Verwahrung des Klägers nach § 47 HSOG längstens bis 24 Uhr des nächsten Tages dauern; diese Frist hätte auch nicht im Wege einer richterlichen Entscheidung nach § 48 HSOG überschritten werden dürfen (ähnlich § 20 Abs. 3 BGSG ). Der Gewahrsam war schon vorher aufzuheben, sobald sein Zweck erfüllt war (oder wenn der Richter die Verwahrung für unzulässig erklärt hätte). Nach der gesetzlichen Regelung durfte der Kläger somit von vornherein nicht auf unbestimmte Zeit, sondern höchstens so lange von der Polizei festgehalten werden, wie die Kundgebung gegen den Vietnam-Krieg dauerte und die Teilnehmer dieser Veranstaltung sich nicht zerstreut hatten. Der Kläger wurde dementsprechend nach etwa zwei Stunden wieder entlassen. Die Intensität des Eingriffs in seine persönliche Freiheit stand offensichtlich nicht außer Verhältnis zu dem Schaden, der hätte entstehen können, wenn der Kläger - wie die Polizei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ernstlich befürchten mußte - eine nicht angemeldete Demonstration gegen den Vietnam-Krieg in amerikanische Wohngebiete der Stadt Frankfurt/Main geführt hätte. Der Eingriff entsprach sogar in besonderem Maße dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil er nur einen einzelnen und auch diesen nur kurzfristig betraf und durch ihn aus der maßgebenden damaligen Sicht der Polizei ein Einschreiten und die Anwendung unmittelbaren Zwanges gegen viele Menschen vermieden werden konnte.
c) Unbegründet ist auch das Vorbringen der Revision, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung des Art. 104 Abs. 2 GG .
Nach dieser Vorschrift ist eine Freiheitsentziehung grundsätzlich nur nach vorgängiger richterlicher Entscheidung zulässig. Ausnahmsweise darf die Freiheit auch ohne eine solche Entscheidung entzogen werden. Dann muß die richterliche Entscheidung unverzüglich nachgeholt werden. Die Polizei darf auf keinen Fall eine Person ohne richterliche Entscheidung länger als bis zum Ende des folgenden Tages festhalten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln (Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 104 RdNr. 23, 34 und 41). Diesen Erfordernissen entsprechen die Vorschriften des Hessischen Gesetzes über die Sicherheit und Ordnung.
Das Berufungsgericht hat das Wort "unverzüglich" in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG und § 48 Satz 1 HSOG, der Erläuterung von Maunz/Dürig/Herzog, a.a.O., RdNr. 38 folgend, zu Recht nicht im Sinne von § 121 BGB ("ohne schuldhaftes Zögern"), sondern dahin ausgelegt, daß die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen (tatsächlichen oder rechtlichen) Gründen rechtfertigen lasse, nachgeholt werden müsse. Da nach den tatrichterlichen Feststellungen das zuständige Amtsgericht außerhalb der allgemeinen Dienststunden von 8.30 Uhr bis 18 Uhr keinen richterlichen Bereitschaftsdienst eingerichtet hatte, konnte die Polizei während der etwa zweistündigen Verwahrung des Klägers aus sachlichen Gründen keine Entscheidung des Amtsrichters über die Zulässigkeit der Maßnahme herbeiführen. Nach der Entlassung des Klägers aus dem Gewahrsam der Polizei um 20.09 Uhr brauchte nach § 48 Satz 3 HSOG die Entscheidung des Richters nicht nachgeholt zu werden. Auch wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG vorlagen, abzusehen war, daß der Grund für diese Maßnahme wahrscheinlich schon vor Beginn der allgemeinen Dienststunden oder des Bereitschaftsdienstes des Amtsgerichts weggefallen und der Betroffene daher nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 HSOG aus dem Gewahrsam der Polizei entlassen sein werde, bevor diese die Entscheidung des Amtsrichters über die Zulässigkeit der Maßnahme würde herbeiführen können, mußte die zur Gefahrenabwehr notwendige Freiheitsentziehung nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen unterbleiben.
Entgegen der Auffassung der Revision und des Verwaltungsgerichts läßt sich Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG nicht entnehmen, die Justizverwaltung müsse es der Polizei durch Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes ermöglichen, daß die Entscheidung nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur während der allgemeinen Dienststunden des Gerichts und des Bereitschaftsdienstes an dienstfreien Tagen, sondern auch zu jeder anderen Tages- und Nachtzeit herbeigeführt werden könne. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG darf die Polizei aus eigener Machtvollkommenheit jemanden längstens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Diese Regelung konkretisiert den in Satz 2 gebrauchten Ausdruck "unverzüglich" (BVerfGE 10, 302 [321]). Eine richterliche Entscheidung kann daher auch dann "unverzüglich" herbeigeführt werden, wenn die Ingewahrsamnahme außerhalb der Dienst stunden des Gerichts erfolgte und die richterliche Entscheidung erst während der darauf folgenden Dienststunden des Gerichts oder des Bereitschaftsdienstes an dienstfreien Tagen eingeholt wird. Dem Erfordernis des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist demnach organisatorisch genügt, wenn gewährleistet ist, daß der Richter innerhalb der Frist des Satzes 3 die Entscheidung treffen kann; die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes von 18 Uhr bis 8.30 Uhr ist hingegen nicht erforderlich.
d) Das angefochtene Urteil verletzt auch nicht Art. 5 Abs. 2 der Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685/686). Die Revision bemängelt zu Unrecht, daß das Berufungsgericht nicht der Frage nachgegangen sei, ob der Kläger nach der Inverwahrungnahme unverzüglich über den Grund dieser Maßnahme unterrichtet wurde. Denn selbst wenn dies nicht oder nicht in ausreichendem Maße der Fall gewesen sein sollte, wäre davon die Rechtmäßigkeit der Verwahrung unberührt geblieben (s. BVerfGE 16, 119 [BVerfG 14.05.1963 - 2 BvR 516/62] [124] zu Art. 104 Abs. 4 GG ).
e) Schließlich ist auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Hilfsantrag des Klägers nicht zu beanstanden. Mit diesem Antrag wird die Feststellung begehrt, daß die Verwahrung nicht mehr rechtmäßig gewesen sei, nachdem der Oberbürgermeister der Beklagten um 19 Uhr die Vollzugspolizei angewiesen hatte, den Kläger aus dem Gewahrsam zu entlassen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht ohne Verletzung revisiblen Rechts ausgeführt, die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verwahrung hänge nicht von innerdienstlichen Vorgängen, sondern allein davon ab, ob bis 20.09 Uhr die Voraussetzungen für eine. Verwahrung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 HSOG gegeben gewesen seien. Es hat diese Frage bejaht. ..."
*** (VGH/OLG)
Zu den besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts und an den Wahrscheinlichkeitsgrad bei einer Ingewahrsamnahme nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 BpolG (OVG NRW, Beschluss vom 08.12.2011 - 5 A 1045/09):
... I. Die Klägerin, eine Anti-Atomkraft-Aktivistin, begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer polizeilichen Ingewahrsamnahme anlässlich einer Protestaktion.
Am 16. Januar 2008 führte die Deutsche Bahn AG für die Firma V. in H. einen Urantransport durch. Die Transportstrecke verlief von H. aus über P. nach N., von dort über S. und C. C1. bis S1. (NL). Ziel des Transports war S2. . Der Zug bestand aus einem Triebfahrzeug und 19 Waggons. Er verließ um 19:08 Uhr das Firmengelände von V. . Sodann befuhr er die Hauptstrecke H. - N. . Gegen 19:25 Uhr meldete die Besatzung des zur Streckenüberwachung eingesetzten Polizeihubschraubers, dass sich im Bereich der Ortslage N1. drei Personen unmittelbar an der Bahnstrecke befänden. Bei Bahnkilometer 36,2 in der N2. I. nordwestlich von N. war in einer Höhe von etwa 7 m zwischen zwei Bäumen eine Seilkonstruktion gespannt. Hierin hatte sich die Klägerin mit einer Kletterausrüstung eingehakt, so dass sie an einem beweglichen Seil über dem Gleisbereich hing.
Nachdem die eingesetzten Polizeibeamten am Bahnübergang in Höhe Bahnkilometer 35,9 in Fahrtrichtung P. ca. 300 m entfernt direkt über dem Gleisbereich ein helles rotes Licht festgestellt hatten, veranlassten sie die Sperrung des betroffenen Streckenabschnitts sowie den sofortigen Halt des Urantransports. Der Transportzug kam bei Bahnkilometer 40,8 zum Stehen und setzte seine Fahrt am 17. Januar 2008 um 2:06 Uhr fort.
Beamte der Beklagten forderten die Klägerin um 19:45 Uhr und um 20:50 Uhr erfolglos auf, das Seil zu verlassen. Bei der dritten entsprechenden Aufforderung am 17. Januar 2008 um 0:15 Uhr wurde der Klägerin angedroht, unmittelbaren Zwang durch Spezialkräfte der Beklagten anzuwenden. Da die Klägerin in ihrer Seilkonstruktion verharrte, wurde sie ab 0:37 Uhr mit Hilfe eines Sicherungsseils geborgen. Im Einsatzbericht vom 21. Januar 2008 ist im Zusammenhang mit der Abwicklung der Bergungsmaßnahme ausgeführt: Des Weiteren wurden zwischenzeitlich die v. g. Personalien der Aktivistin bekannt.' Ausweislich des Systemausdrucks des Bundespolizeiamts L. leistete die Klägerin bei der Abseilaktion keinerlei Widerstand.
Direkt nach Abschluss der Bergungsmaßnahmen um 1:15 Uhr am 17. Januar 2008 wurde die Klägerin bis 5:20 Uhr in polizeilichen Gewahrsam genommen. Zunächst wurde sie wegen einer Blutdruckabsackung am Einsatzort durch einen Rettungssanitäter medizinisch versorgt. Danach wurde sie in Räumlichkeiten der Bundespolizeiinspektion N. verbracht. Eine dort durchgeführte körperliche Durchsuchung führte zur Sicherstellung eines Handzettels, auf dem handschriftlich Fahrzeiten des Zuges bis 20:45 Uhr sowie Entfernungen zwischen P. und N1. festgehalten sind. Des Weiteren wurden ein Mobiltelefon, eine Kopflampe, ein Haltegurt sowie diverses Klettermaterial (u. a.: Zurrgurt, Karabiner, verschiedene Seile) sichergestellt und nachfolgend beschlagnahmt. Die Kreispolizeibehörde T. teilte um 1:35 Uhr mit, im Rahmen der Aufklärung seien im Bereich der Bahnhöfe sowie der Bahnstrecke keine Störer festgestellt worden. Daraufhin wurden die Spätdienstkräfte entlassen.
Die Klägerin machte bei ihrer in den Räumen der Bundespolizeiinspektion N. am 17. Januar 2008 ab 4:00 Uhr durchgeführten Beschuldigtenvernehmung wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr sowie Nötigung keine Angaben zur Sache.
Ein Lokführer der DB Regio gab bei seiner Zeugenvernehmung am frühen Nachmittag des 17. Januar 2008 an, er habe bei seiner Fahrt mit dem Reisezug von F. nach N. am 16. Januar 2008 gegen 11:03 Uhr im Streckenabschnitt zwischen Haltepunkt N1. -Land und Bahnhof C2. festgestellt, dass in einem Baum in ca. 6 bis 8 m Höhe ein blauer Gegenstand abgelegt worden war. Dieser habe sich dort (im Bereich von Bahnkilometer 36) auch noch bei der Rückfahrt am gleichen Tag befunden.
Die Klägerin hat am 28. Juni 2008 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 Bundespolizeigesetz (BPolG) hätten nicht vorgelegen. Sie habe weder Straftaten (insbesondere nach §§ 240, 315 Abs. 1, 316 b StGB) noch eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 64 b der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) begangen. Darüber hinaus habe es an einer konkreten Gefahrenprognose hinsichtlich der unmittelbaren Begehung von Straftaten im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gefehlt. Zudem sei die Ingewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr auch nicht unerlässlich gewesen. Als milderes Mittel habe es ausgereicht, ihre Kletterausrüstung zu beschlagnahmen oder einen Platzverweis zu erteilen. Es sei durch nichts belegt, dass sie in unmittelbarer zeitlicher oder örtlicher Nähe eine weitere Möglichkeit gehabt hätte, den Zuglauf erneut zu stören. Sie habe keine Mittäter gehabt. Im Übrigen habe ihr nach der etwa sechsstündigen Seilaktion die Kraft für weitere mögliche Protestaktionen gefehlt.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme am 17. Januar 2008 seitens der Beklagten rechtwidrig war. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. ...
Durch Urteil vom 26. März 2009 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Fortdauer der Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 ab dem Zeitpunkt der Ankunft des Transportzuges in N. -A. -O. (3:00 Uhr) rechtswidrig war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG hätten dem Grunde nach vorgelegen. Bei der gebotenen ex-ante- Betrachtung spreche einiges dafür, die Einschätzung der Beklagten sei tragfähig gewesen, die Klägerin könne Straftatbestände verwirklicht haben oder jedenfalls im Falle eines Abseilens verwirklichen. Die Ingewahrsamnahme sei (bis 3:00 Uhr) unerlässlich gewesen, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit nach § 64 b Abs. 2 Nr. 5 EBO zu verhindern. Angesichts der erheblichen Auswirkungen auf den Bahnbetrieb handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit. Die nach Abschluss der Bergung um 1:15 Uhr verfügte Ingewahrsamnahme sei unerlässlich gewesen, um die Klägerin von der unmittelbar bevorstehenden Begehung von Straftaten oder zumindest von weiteren Ordnungswidrigkeiten von erheblichem Gewicht für die Allgemeinheit abzuhalten. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin als bekannte Aktivistin jede weitere Gelegenheit nutzen würde, um den Transport zu blockieren. Wegen der verschiedenen Telefonate während ihrer Aktion habe sich die Klägerin von Unterstützern mit einem Kraftfahrzeug abholen und an einen weiteren Streckenabschnitt mit vorbereitetem Material fahren lassen können. Die Klägerin habe das Seil nicht wegen Erschöpfung verlassen. Die Möglichkeit einer Beschlagnahme ihrer Kletterausrüstung oder eines Platzverweises stünden der Unerlässlichkeit der Ingewahrsamnahme nicht entgegen. Es sei keineswegs absehbar gewesen, ob nicht andernorts eine weitere Kletteraktion vorbereitet gewesen sei. Hinsichtlich eines Platzverweises habe es aus polizeilicher Sicht als fraglich angesehen werden dürfen, ob die Klägerin einer derartigen Maßnahme Folge leisten würde. Nach Ankunft des Transportzuges in N. -A. -O. (3:00 Uhr) sei eine weitere Ingewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr nicht erforderlich gewesen.
Durch Beschluss vom 30. September 2010 hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zugelassen.
Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Darüber hinaus rügt sie die fehlende richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung. Ordnungswidrigkeiten nach § 64 b EBO hätten in der Ermessenserwägung der Beklagten keine Rolle gespielt. Die Ingewahrsamnahme sei nicht erforderlich gewesen. Es habe seinerzeit keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Wiederholung oder die Vorbereitung weiterer Kletteraktionen gegeben. Zwischen dem Ende der Bergung und der Weiterfahrt des Zuges liege ein derart kurzer Zeitraum, dass die Möglichkeit, an anderer Stelle ein entsprechendes Seil anzubringen und die Aktion zu wiederholen, nicht erkennbar gewesen sei. Im Übrigen seien an die Wahrscheinlichkeitsprognose besonders hohe Anforderungen zu stellen. Ein Platzverweis hinsichtlich der gesamten in Rede stehenden Bahnstrecke hätte als milderes Mittel ausgereicht. Sie sei unstrittig im zugehörigen Strafverfahren freigesprochen worden. Aus den von der Beklagten angeführten Gesichtspunkten wie Telefonaten während der Seilaktion oder dem Vorhandensein von Autos ergebe sich keine Wiederholungsgefahr.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. März 2009 teilweise zu ändern und festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 von Anfang an rechtswidrig war. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückweisen. ...
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten und der auszugsweise in Kopie vorliegenden zwei Hefte Strafakten des Amtsgerichts T. Bezug genommen.
II. Der Senat entscheidet durch Beschluss nach § 130 a VwGO, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gemäß §§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden. Die Berufung hat Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass ihre Ingewahrsamnahme durch Beamte der Beklagten am 17. Januar 2008 von Beginn an (1:15 Uhr) rechtswidrig war. Die Klage ist zulässig.
Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dessen ungeachtet hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Die Ingewahrsamnahme der Klägerin erfolgte nach übereinstimmendem Beteiligtenvorbringen in erster Linie zum Zweck der Gefahrenabwehr. Da es im jetzigen nachträglichen Rechtsschutzverfahren auch nicht um die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung im Sinne von § 40 Abs. 1 BPolG geht, ist mangels Sonderregelung im Bundespolizeigesetz der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.
Vgl. OLG München, Beschluss vom 9. August 2007 - 34 Wx 31/07 u. a. -, juris Rdnr. 7; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, F 601 (S. 599).
Die Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 bereits in der Zeit zwischen 1:15 Uhr und 3:00 Uhr rechtswidrig war; über die Zeit danach hat das Verwaltungsgericht bereits rechtskräftig entschieden.
Die Klägerin ist durch die mit ihrer Entlassung am 17. Januar 2008 um 5:20 Uhr erledigte Anordnung durch Beamte der Beklagten in polizeilichen Gewahrsam genommen worden. Mit Blick auf die Erledigung der Ingewahrsamnahme kann die Klägerin ihr Begehren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter verfolgen. Sie hat entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Bei beendeten Freiheitsentziehungen besteht nach ständiger Rechtsprechung mit Blick auf den hohen Wert des Freiheitsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG regelmäßig - so auch hier - ein fortwährendes Rechtsschutzinteresse an einer Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit des Eingriffs.
Vgl. OLG München, Beschluss vom 9. August 2007 - 34 Wx 31/07 u. a. -, juris Rdnr. 9 m. w. N.
Die Klage ist auch in dem noch streitgegenständlichen Umfang und damit insgesamt begründet. Die Klägerin ist zu Unrecht am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr durch Beamte der Beklagten in Gewahrsam genommen worden. Die Voraussetzungen des hierfür als Ermächtigungsgrundlage ausschließlich in Betracht kommenden § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG haben im maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Ingewahrsamnahme,
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Februar 2010 - 3 D 86/09 -, juris Rdnr. 4; Saarl. OVG, Urteil vom 2. Juli 2009 - 3 A 217/08 -, juris Rdnr. 90,
nicht vorgelegen. Nach dieser Vorschrift kann die Bundespolizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.
Diese Voraussetzungen waren am 17. Januar 2008 (bereits) um 1:15 Uhr nicht erfüllt.
Die Wendung unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit' ist vor dem Hintergrund des hohen Rangs der Freiheit der Person zu verstehen. Zu den Belangen des Gemeinwohls, gegenüber denen die Freiheit des Einzelnen unter Umständen zurücktreten muss, gehört der Schutz der Allgemeinheit und Einzelner vor mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Straftaten. Der Begriff unmittelbar bevorstehend' ist gleichzusetzen mit unmittelbar bevorstehende Gefahr' oder gegenwärtige Gefahr'. Hieraus ergeben sich besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts. Darüber hinaus stellt der Begriff im Regelfall strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad. Demgemäß müssen nachvollziehbare, bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Bloße Vermutungen, vage Verdachtsgründe und ähnliches reichen hierfür nicht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; OLG München, Beschluss vom 9. August 2007 - 34 Wx 31/07 u. a. -, juris Rdnr. 20 ff., insbesondere Rdnr. 24; OLG Rostock, Beschluss vom 21. August 2007 - 3 W 102/07 -, juris Rdnr. 16 ff.; Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 39 Rdnr. 14; Saarl. OVG, Urteil vom 2. Juli 2009 - 3 A 217/08 -, juris Rdnr. 80.
Als Orientierungshilfe kommt insoweit etwa in Betracht, ob der Betreffende angekündigt oder aufgefordert hat, rechtswidrige Taten zu begehen, ob er Waffen oder sonstige verbotene Gegenstände mitführt oder als Person anzusehen ist, die bereits aus vergleichbaren Anlässen als Störer angetroffen worden ist, soweit nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise unmittelbar zu erwarten ist.
Vgl. Drewes/Malmberg/Walter, a. a. O. § 39 Rdnr. 14; Lisken/Denninger, a. a. O., F 573 (S. 590).
Dies zu Grunde gelegt sind die besonderen Anforderungen, die an eine Ingewahrsamnahme nach § 39 Abs. 1 Satz 3 BPolG zu stellen sind, nicht erfüllt gewesen. Dabei kann auf sich beruhen, ob und ggf. welche Straftat- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände konkret in Betracht gekommen seien mögen (vgl. etwa §§ 240, 22 StGB, § 64 Abs. 2 Nr. 2, 5 EBO). Denn die am 16. Januar 2008 begonnene Seilaktion der Klägerin über dem Gleisbett der Hauptstrecke H. - N. bei Bahnkilometer 36,2 war durch die Beamten der Beklagten beendet worden. Schon mit Blick auf den für eine vergleichbare Aktivität zu leistenden Vorbereitungsaufwand bestand kein konkreter Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Begehung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit in allernächster Zeit erneut bevorgestanden haben könnte. Nach Beendigung der Seilaktion konnten im Rahmen der Aufklärung weder im Bereich der Bahnhöfe noch im Verlauf der Bahnstrecke Störer festgestellt werden (vgl. den Systemausdruck des Bundespolizeiamts L. vom 17. Januar 2008). Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, die klägerische Ausrüstung sei nicht schon mit Abschluss der Bergung sichergestellt worden, so fehlte jedenfalls jegliches Material, um etwaige Seile an weiteren Bäumen zu befestigen (Anbringvorrichtung). Bei dieser Würdigung kommt es nicht mehr darauf an, ob die Klägerin seinerzeit zu erschöpft war, weitere vergleichbare Aktionen zu begehen, oder zumindest diesen Eindruck erweckte. Selbst die Beklagte behauptet nicht, die Klägerin habe in der Vergangenheit jemals Kletteraktionen der in Rede stehenden Art in zeitlich engem Abstand durchgeführt. Nicht zuletzt mit Blick auf zu überwindende Entfernungen zu möglichen Alternativorten kann keine Rede davon sein, dass ein wie auch immer gearteter Schadenseintritt am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr in allernächster Zeit geschweige denn sofort bevorgestanden habe.
Die von der Beklagten hiergegen geführten Einwendungen greifen nicht durch. Telefongespräche und Lichtsignale während der Seilaktion vom 16. auf den 17. Januar 2008 lassen für sich genommen nicht auf eine - zudem zeitnahe - Wiederholung einer Seilaktion schließen. Soweit die Beklagte ausführt, weitere Aktionen hätten etwa mit Blick auf verschiedene Telefonate während der Seilaktion nicht ausgeschlossen werden können, liegt dem nicht der für § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG erforderliche Prognosemaßstab zu Grunde. Selbst wenn man nach den Feststellungen der Beklagten zu Grunde legt, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme keine Hilfsmittel zum Spannen der verwendeten Seile bei sich führte, fehlte es an tatsächlichen Anhaltspunkten, dass sich ein solches Hilfsmittel in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe des Einsatzortes für die Klägerin verfügbar befand. Auch etwaige Unterstützer der Klägerin, die mit einem Kraftfahrzeug unterwegs gewesen sein mögen, geben mit Blick auf zu überwindende Entfernungen und den Vorbereitungsaufwand für eine vergleichbare Anseilaktion nichts für eine unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat oder schwerwiegenden Ordnungswidrigkeit her. Warum der vor der Seilaktion der Klägerin am Einsatzort deponierte Rucksack die Annahme stützen soll, es seien weitere Aktionen geplant gewesen, erschließt sich nicht. Derartige Überlegungen beinhalten allenfalls einen vagen Verdachtsgrund, der für die Annahme einer Gefahr nicht ausreicht. Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob - wogegen allerdings mit Blick auf die (erst) spätere Zeugenaussage des DB- Lokführers am 18. Januar 2008 einiges spricht -, den Einsatzkräften der Beklagten die Tatsache bekannt war, dass ein Rucksack im Bereich des Einsatzortes deponiert gewesen war.
Aus den später sichergestellten handschriftlichen Aufzeichnungen der Klägerin ergibt sich selbst dann keine abweichende Beurteilung, wenn diese den Einsatzbeamten im Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme der Klägerin bekannt gewesen sein sollten. Denn sie beschränken sich auf die Zeit zwischen 17:02 Uhr und 20:45 Uhr sowie den Streckenabschnitt P. - N1. . Es ist weder etwas dafür ersichtlich noch vorgetragen, dass die Klägerin weitere Aufzeichnungen bei sich führte, die den nachfolgenden Zuglauf betrafen. Die Tatsache, dass die Klägerin den vorausgehenden Aufforderungen der Einsatzbeamten, die Seilaktion zu beenden, nicht Folge geleistet hatte, rechtfertigt ebenfalls keine andere Bewertung. Hieraus ergibt sich nichts dafür, dass nach Ende der Seilaktion mit erfolgter Bergung der Klägerin eine vergleichbare Aktion unmittelbar bevor gestanden haben könnte.
Eine Gesamtschau aller vorstehend geschilderten Tatsachen begründet ebenfalls nicht die Annahme, eine den Tatbestand einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung verwirklichende Handlung der Klägerin sei in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Selbst wenn wegen des hier in Rede stehenden Schadensumfangs ein geringerer Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzunehmen sein sollte, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Die gegenteilige Einschätzung der Beklagten lässt bloße Vermutungen ausreichen, die an vereinzelte Tatsachen anknüpfen. Derartiges reicht - wie dargelegt - zur Begründung der zu stellenden Gefahrenprognose nicht aus.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen war die Ingewahrsamnahme der Klägerin auch nicht unerlässlich' im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG. Unerlässlich ist eine Ingewahrsamnahme, wenn sie zur Verhütung der befürchteten Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit geeignet und erforderlich ist. Wenn die im Raum stehende Handlung durch eine polizeiliche Maßnahme verhindert werden kann, die den Einzelnen und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt, ist sie nicht unerlässlich.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51; Drewes/Malmberg/Walter, a. a. O., § 39 Rdnr. 16.
Der Gewahrsam ist mit anderen Worten das äußerste polizeiliche Mittel, um Schäden zu verhindern.
Vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., F 578 (S. 592).
Mangels jeglichen konkreten Anhaltspunkts für vergleichbares Tatmaterial im weiteren Verlauf der Strecke waren zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr die Sicherstellung ihrer Kletterausrüstung in Verbindung mit einem Platzverweis, bezogen auf die Bahnstrecke bis N. , A. -O. (vgl. § 38 BPolG), die die Klägerin und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigenden Maßnahmen, die möglicherweise bevorstehende Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit verhindert hätten. Da tatsächliche Anhaltspunkte für unmittelbar bevorstehende, vergleichbare Seilaktionen fehlten, war seinerzeit nicht erkennbar, dass diese Maßnahmen von vornherein zur Gefahrenabwehr ungeeignet gewesen wären. Insbesondere gab die Klägerin, die sich beim Abseilen durch Beamte der Beklagten friedlich verhalten hatte, keinen Anlass für die Annahme, dass sie einen derartigen Platzverweis missachtet hätte.
Ob die Ingewahrsamnahme auch wegen Fehlens einer richterlichen Entscheidung nach § 40 Abs. 1 BPolG rechtswidrig ist - was mit Blick auf den Anordnungszeitpunkt um 1:15 Uhr am 17. Januar 2008 und die Dauer der Ingewahrsamnahme bis 5:20 Uhr nicht naheliegt -,
vgl. auch Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Februar 2010 - 3 D 86/09 -, juris Rdnr. 6,
kann auf sich beruhen.
Dass die Ingewahrsamnahme der Klägerin am 17. Januar 2008 um 1:15 Uhr auf Grund anderer Rechtsvorschriften rechtmäßig sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere scheidet § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO unabhängig von weiteren Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung der in Rede stehenden Art schon wegen der mit ihr einhergehenden Dauer aus.
Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, 1. Kammer des 1. Senats, Beschlüsse vom 8. März 2011 - 1 BvR 47/05 u. a. -, DVBl. 2011, 623, 624. ..."
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Ein Anscheinsstörer kann zu den Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme herangezogen werden, wenn er bei der gebotenen ex post-Betrachtung den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (im Anschluss an VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047 und Urt. v. 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153). Ist keine amtsrichterliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer Ingewahrsamnahme getroffen worden, so ist die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams eine im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Betroffenen. Diese Prüfung erstreckt sich nicht nur auf die materiellen Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme, sondern auch auf die Einhaltung des in Art. 104 Abs. 2 GG verankerten Richtervorbehalts ( VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2011 - 1 S 2513/10):
... II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Polizeipräsidiums Karlsruhe vom 23.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der vom Kläger erhobenen Gebühr in Höhe von 45,-- sind die §§ 1, 3 - 7 LGebG i.V.m. Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium vom 26.09.2006 (GBl. S. 300), geändert durch Verordnung vom 10.10.2008 (GBl. S. 402). Die Kosten für die Unterbringung im Polizeigewahrsam durften dem Kläger auferlegt werden, weil seine Ingewahrsamnahme aus der maßgeblichen ex ante-Sicht rechtmäßig war (1.) und er zumindest den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat, so dass er auf der Sekundärebene für die Kosten haftet (2.), die auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind (3.).
1. a) Erledigt sich - wie hier - die Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Gebührenbescheides auch die zugrundeliegende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl. Senatsurteile vom 20.03.1986 - 1 S 2654/85 - VBlBW 1986, 299 und vom 02.03.1989 -1 S 1952/88 - VBlBW 1989, 299). Da sich vorliegend die Ingewahrsamnahme des Klägers am 02.06.2007 gegen 14.30 Uhr mit seiner Entlassung zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr am selben Tage erledigt hatte und keine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam nach § 28 Abs. 3 PolG getroffen worden war, ist dessen Rechtmäßigkeit somit eine in diesem Verfahren inzident zu prüfende Voraussetzung für die Kostenpflicht des Klägers (vgl. zur Inzidentprüfungskompetenz: Senatsurteil vom 13.05.2004 - 1 S 2052/03 - ESVGH 54, 212 = VBlBW 2004, 376).
b) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung des Klägers war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine der einschneidendsten polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239). Daher ist bei der Anwendung der Vorschrift, insbesondere bei der Prüfung der Erforderlichkeit bzw. der Möglichkeit des Einsatzes anderer geeigneter, milderer Mittel ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden polizeilichen Maßnahme bestimmt sich allein nach der Gefahrenlage, wie sie sich den Polizeibeamten bei fehlerfreier ex ante-Prognose darstellte (vgl. Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Später eingetretene Umstände können daher grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Die von den Polizeibeamten am 02.06.2007 gegenüber dem Kläger erklärte Ingewahrsamnahme hält einer Überprüfung am Maßstab der ex ante-Prognose stand. Es bedarf zunächst keiner näheren Ausführungen, dass die Anwendung von körperlicher Gewalt jeglicher Art gegenüber anderen Personen, wie sie von den Karlsruher SC-Anhängern gegenüber den Reutlinger Fans drohte, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Nicht zu beanstanden ist auch die von der Polizei in fehlerfreier Wahrnehmung ihrer Einschätzungsprärogative getroffene Annahme, es könne während und nach dem Spiel zu neuen Übergriffen gegenüber den Reutlinger Fans und weiteren Auseinandersetzungen kommen.
d) Der Kläger wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörer angesehen. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt. Hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (vgl. hierzu eingehend Senatsurteil vom 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 26 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die Störereigenschaft des Klägers nicht dadurch in Frage gestellt, dass er im Nachhinein behauptet, in keiner Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Nach den polizeilichen Feststellungen (vgl. Vermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 04.06.2007, AS 33 der Ermittlungsakten der StA KA und Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Karlsruhe v. 27.12.2007, AS 89 der Ermittlungsakten) gingen die vor Ort befindlichen Polizeikräfte davon aus, dass die Personengruppe, die den Angriff auf die Reutlinger Fans durchführte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit personell identisch mit der Personengruppe war, die beim Universitätsschwimmbad festgehalten und deren Mitgliedern der Gewahrsam erklärt wurde. Andere Personen wie Spaziergänger oder ähnliche hätten sich zu diesem Zeitpunkt nicht an der Örtlichkeit befunden. Unter diesen Umständen durften die Polizeibeamten aus ihrer damaligen Sicht zu Recht davon ausgehen, dass der bei der festgesetzten Gruppe befindliche Kläger zu den Angreifern gehörte. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist angesichts der gebotenen ex ante-Betrachtung ohne Bedeutung. Durch seine Anwesenheit in der fraglichen Personengruppe und durch sein Auftreten, welches dem der übrigen in Gewahrsam genommenen KSC-Anhänger entsprach und nicht den Schluss zuließ, er sei versehentlich als Unbeteiligter in die Gruppe der Störer geraten, hat der Kläger jedenfalls in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, selbst Störer zu sein.
e) Aus der ex ante-Perspektive erweist sich die zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignete Ingewahrsamnahme des Klägers in Form des Beseitigungs- bzw. Präventivgewahrsams auch als erforderlich, weil mildere Mittel zur Störungsbeseitigung nicht existierten. Ein Platzverweis nach §§ 1, 3 PolG (jetzt § 27 a PolG), welcher nötigenfalls im Wege des unmittelbaren Zwanges nach §§ 49 Abs. 2, 50 PolG hätte durchgesetzt werden müssen, wäre bei der Gefahr, dass 40 Karlsruher Fans auf mindestens ebenso viele Reutlinger Fans treffen, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, die Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen wie die Ingewahrsamnahme. Denn mit den üblicherweise bei einem Fußballspiel vorhandenen Polizeikräften dürfte es kaum möglich sein, derartige Platzverweise auch wirklich zu vollziehen und die Fans getrennt zu halten. Damit kam ein Platzverweis, der grundsätzlich im Verhältnis zur Ingewahrsamnahme für den Betroffenen eine weniger belastende Maßnahme darstellt und daher im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des diesen Grundsatz konkretisierenden § 5 PolG vorrangig zu ergreifen gewesen wäre, hier nicht in Betracht.
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, müssen deren rechtliche Voraussetzungen nicht nur beim Erlass, sondern während der Gesamtdauer des Gewahrsams vorliegen. Auch die Aufrechterhaltung des Gewahrsams steht also unter dem Vorbehalt, dass auf andere Weise der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu begegnen ist. Dies kommt auch in § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG zum Ausdruck, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht wurde. Daran gemessen begegnet die Aufrechterhaltung des Gewahrsams bis zum Abzug der Reutlinger Fans keinen rechtlichen Bedenken, weil über die gesamte Zeitdauer ein milderes Mittel nicht ernsthaft in Betracht kam.
f) Angesichts des Ausmaßes der bereits eingetretenen und weiterhin zu erwartenden Störungen der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
g) Der Gewahrsam des Klägers war schließlich nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
Nimmt die Polizei eine Person nach § 28 Abs. 1 PolG in Gewahrsam, hat sie nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG unverzüglich eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen. Die Ingewahrsamnahme nach § 28 PolG ist eine Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 2 GG, so dass besondere verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG muss der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer der polizeilichen Freiheitsentziehung entscheiden (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 363 m.w.N.). Auch die nachträglich einzuholende Entscheidung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich auf den Gewahrsam", d.h. auf seine Zulässigkeit und seine Fortdauer. Die Mitwirkung des Richters geht nach der Funktion des Richtervorbehalts in Art. 104 Abs. 2 GG über die bloße Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung hinaus; der Richter soll nicht allein die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Exekutive über die Freiheitsentziehung prüfen, sondern selbst diese Entscheidung treffen (vgl. Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 104 Rn. 37 m.w.N.). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Gewahrsams nicht erfüllt, so erklärt der Richter in seiner Entscheidung den Gewahrsam für unzulässig (Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 28 Rn. 22). Das Merkmal der Unverzüglichkeit" im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00 - BVerfGE 105, 239 (249) m.w.N.; Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - VBlBW 2005, 63). Ein Verstoß gegen das Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 596).
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird indes allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist. Dies gilt auch für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (Senatsurteil vom 27.09.2004 - 1 S 2206/03 - a.a.O., juris Rn. 47 m.w.N.).
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher 40 im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG; jetzt § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG), kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können. Angesichts der Gewahr-samsdauer von drei bis dreieinhalb Stunden, der Anzahl der in Gewahrsam genommenen Personen und des Umstands, dass - da es sich um einen Samstagnachmittag handelte - lediglich ein Bereitschaftsrichter erreichbar gewesen wäre, war die Polizei nicht gehalten, eine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeizuführen.
2. Der Kläger, der - wie ausgeführt - zumindest Anscheinsstörer war, hat den Anschein der Störereigenschaft, aufgrund dessen die Polizei ihm gegenüber tätig geworden ist, in zurechenbarer Art und Weise verursacht, so dass er auch auf der Sekundärebene für die Kosten haftet.
Für die Erstattungsfähigkeit von Polizeikosten ist - anders als vom Verwaltungsgericht angenommen - die ex post-Sicht maßgeblich. Kann bei der gebotenen ex post-Betrachtung nicht festgestellt werden, dass der Anscheinsstörer tatsächlich Störer war, so ist er nur dann zum Kostenersatz verpflichtet, wenn er die Anscheinsgefahr oder den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht hat (vgl. Senatsurteile vom 20.03.2003 - 1 S 397/01 - juris und vom 22.01.2004 - 1 S 2263/02 - ESVGH 54, 153 = VBlBW 2004, 218; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.05.1990 - 5 S 1842/89 - DVBl 1990, 1047; BayVGH, Urteil vom 26.07.1995 - 22 B 93.271 - DÖV 1996, 82; OVG NRW, Beschluss vom 14.06.2000 - 5 A 95/00 - NVwZ 2001, 1314; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 915 m.w.N.; Sailer in Lisken/Denninger, a.a.O., M 50 f.; Finger, DVBl 2007, 798(800)). Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hielt sich im Vorfeld des Regionalligaspiels zwischen dem Karlsruher SC II und dem SSV Reutlingen am 02.06.2007 kurz nach dem Angriff von KSC-Fans auf anreisende Reutlinger Fans in der Nähe der Tatörtlichkeit im Bereich des Universitätsgeländes in einer zumindest weitgehend mit der angreifenden Gruppe identischen Gruppe von Fußballfans" auf. Er protestierte nicht gegen die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen und vermittelte auch im Übrigen nicht den Eindruck, dass er lediglich als Unbeteiligter in die fragliche Gruppe geraten sei. Von einem tatsächlich Unbeteiligten in der Situation des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er verbal deutlich zum Ausdruck bringt, mit der Gruppe der gewalttätigen Fans nichts zu tun zu haben. Es wird indes nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger sich gegen die Personenfeststellung und die Ingewahrsamnahme verwahrt oder auf andere Weise eine Distanz zu den übrigen Angehörigen der festgesetzten Gruppe zum Ausdruck gebracht hätte. Dies wäre ihm in der konkreten Situation jedoch zumutbar gewesen. Auch seine Einlassung im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsschreiben vom 25.07.2007, Bl. 10 der Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe) enthält keinerlei individuelles Vorbringen, welches den Schluss zulassen könnte, der Kläger sei Unbeteiligter. Die durchweg im Plural gehaltenen Formulierungen in diesem Schreiben ( wurden wir grundlos und unschuldig abgeführt"; Es ist nicht das erste Mal, dass unschuldige Menschen verschämterweise zur Kasse gebeten werden") deuten im Gegenteil darauf hin, dass der Kläger sich als Angehöriger der festgesetzten Gruppe, die sich nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zum weit überwiegenden Teil aus Störern zusammensetzte, verstand. Damit hat er auch aus der ex post-Perspektive zumindest den Anschein der Störereigenschaft in zurechenbarer Art und Weise verursacht. Es hat sich nicht etwa im Nachhinein herausgestellt, dass der Kläger Nichtstörer war; vielmehr lässt sich lediglich seine Störereigenschaft nicht mit Sicherheit nachweisen.
3. Was die Höhe der Polizeikosten anbelangt, hat der Kläger zuletzt keine substantiierten Einwendungen mehr erhoben. Der Senat sieht keinen Anlass, die Gebühr von 45,-- für den etwa drei Stunden dauernden Gewahrsam zu beanstanden. Die Festsetzung beruht auf Nr. 15.2.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung Innenministerium, wonach für den Aufenthalt in einer Gewahrsamseinrichtung je angefangene 24 Stunden eine Gebühr in dieser Höhe festzusetzen ist. Die vom Kläger angegriffene Widerspruchsgebühr von 24,-- , die sich im unteren Bereich des in Nr. 7.1 des Gebührenverzeichnisses vorgesehenen Gebührenrahmens (20 - 5.000 ) bewegt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. ..."
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Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung einerseits und ihre Dauer sowie Art und Weise ihrer Durchführung andererseits sind grundsätzlich selbständig zu prüfende Fragen. Dabei kann offenbleiben, ob dies kraft Sachzusammenhangs oder gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG in einem oder aber in verschiedenen Rechtswegen erfolgt (VGH, Beschluss vom 24.01.2011 - 8 A 2236/10 - Ingewahrsamnahme einer Fassadenkletterin):
... Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren ist zwar innerhalb der einmonatigen Berufungszulassungsantragsfrist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO am 20. Oktober 2010 zusammen mit dem Zulassungsantrag beim Verwaltungsgericht als dem für die Einlegung des Prozesskostenhilfeantrags zuständigen Prozessgericht" i.S.d. § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingereicht und von dort an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof als für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zuständiges Prozessgericht" weitergeleitet worden. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die gemäß § 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 VwGO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der mit einem Berufungszulassungsantrag beabsichtigten Rechtsverfolgung der Klägerin nicht festgestellt werden kann.
Die für diese Prüfung maßgebliche Begründung des Antrags der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das ihren Verfahrensbevollmächtigten am 6. Oktober 2010 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 27. September 2010 - 9 K 1708/09.GI - ist zwar innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO am 12. November 2010 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen, aus der Antragsbegründung vom 11. November 2010 ergeben sich aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht.
Es ist schon fraglich, ob dieser Begründungsschriftsatz den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. Soweit die Klägerin einleitend für die Anfechtung des Urteils zwischen Anordnung und Durchführung ihrer Entkleidung zum Zwecke der Durchsuchung und zwischen Unterlassen der Gelegenheitsgewährung und Verhinderung einer Kontaktaufnahme zu einer Person ihres Vertrauens, also auch ggfs. zu einem Rechtsanwalt, differenziert hat, wird dies den verwaltungsgerichtlichen Urteil nicht gerecht, das die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen ohne eine derartige Differenzierung insgesamt festgestellt hat, so dass die Klägerin insoweit nicht beschwert, also nicht rechtsschutzbedürftig ist.
Im Übrigen hat der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin zwar die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Mai (offensichtlich gemeint: Dezember) 2005 - 2 BvR 447/05 - (NVwZ 2006 S. 579 ff. = juris) sowie eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels mit verfassungsrechtlicher Bedeutung", auf dem die Entscheidung beruhe, angeführt, allerdings ohne jeweils die maßgebliche Vorschrift des § 124 Abs. 2 Nr. 1-5 VwGO zu zitieren. Vor allem hat er sein jeweiliges Vorbringen nicht eindeutig einem der benannten Zulassungsgründe zugeordnet und es unter diesen subsumiert. So ist ein ausdrücklich auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezogenes Vorbringen nicht erkennbar. Zur Begründung der geltend gemachten Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wird keinem in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Rechtssatz ein angeblich abweichender Rechtssatz der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gegenüber gestellt. Zur Begründung der Verfahrensrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wird keine vom Verwaltungsgericht angeblich verletzte Verfahrensvorschrift oder etwa ein angeblich verletzter Verfahrensgrundsatz benannt, sondern nur ausgeführt, ein Verfahrensmangel ergebe sich daraus, dass das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbegehren der Klägerin willkürlich verkürzt" bzw. nicht ausgeschöpft" habe; dies wird im Zusammenhang mit dem - nicht ausdrücklich - geltend gemachten Zulassungsgrund auch nicht im Einzelnen verdeutlicht, sondern lässt sich nur bei verständiger Würdigung dem Gesamtvorbringen der Antragsbegründung entnehmen.
Unabhängig davon ergibt sich auch in der Sache aus der Antragsbegründung keiner der aufgeführten Zulassungsgründe.
Soweit eine - von der Klägerin offen gelassene - besondere tatsächliche Schwierigkeit der Rechtssache auf Seite 4 oben des Begründungsschriftsatzes aus der mehrstündigen verwaltungsgerichtlichen Beweisaufnahme und aus angeblich in mehrfacher Hinsicht falschen Aussagen des Zeugen Z. hergeleitet wird, kann dem - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - zum einen angesichts des umfangreichen Vortrags der Klägerin, der Einsichtnahme in die von der Polizei gefertigte DVD und der Zahl der Zeugen/innen nicht gefolgt werden und ist zum anderen der Bezug auf die angeblichen Falschaussagen so nicht nachvollziehbar.
Die auf der gleichen Seite der Antragsbegründung vom Bevollmächtigten der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
ob nicht schon die Rechtswidrigkeit und die Willkürlichkeit der Ingewahrsamnahme an sich die Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Vollziehung der Ingewahrsamnahme indizierte",
ist nach der von ihm herangezogenen und über längere Passagen wörtlich zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2005 nicht klärungsbedürftig, sondern im verneinenden Sinne zu beantworten, und danach auch vom Verwaltungsgericht zutreffend beantwortet worden, so dass auch die von der Klägerin offensichtlich daraus hergeleiteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht bestehen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 22. März 2010 - 20 W 264/09 - im Sinne der Klägerin festgestellt, dass ihre Ingewahrsamnahme vom 15. Juli 2009 ungefähr ab 18.42 Uhr insgesamt rechtswidrig gewesen sei, weil die allenfalls in Betracht kommenden Eingriffsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 HSOG, nämlich Nr. 1 (Selbstgefährdung), Nr. 2 (Verhinderung der Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit) und Nr. 4 (Schutz privater Rechte), nicht vorgelegen hätten. Damit hat es im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 13. Dezember 2005 zwar die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme wegen des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen für deren Anordnung, nicht aber wegen ihrer übermäßigen Dauer oder rechtswidrigen Behandlung während des Gewahrsams festgestellt. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht u.a. ausgeführt, es entspreche auch der Rechtsprechung des OLG Celle, dass die Behandlung während des polizeilichen Gewahrsams sowie die Art und Weise der Unterbringung für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme als solche grundsätzlich unbeachtlich sei. Die nachträgliche Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte sei nach dieser Rechtsprechung auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung als solcher beschränkt. Die Umstände der Unterbringung könnten nur ausnahmsweise dann Bedeutung für die Frage der Rechtmäßigkeit gewinnen, wenn auf Grund einer Gesamtschau aller Umstände so schwerwiegende Verstöße gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundwerte vorlägen, dass die Freiheitsentziehung trotz Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen für ihre Anordnung unverhältnismäßig erscheine. Die Frage der Anordnung der Ingewahrsamnahme und deren Vollziehung seien indes grundsätzlich voneinander zu scheiden. So könne die Anordnung einer Ingewahrsamnahme durchaus rechtmäßig sein, während etwa eine einzelne Maßnahmen während des Vollzuges sich als rechtswidrig erweisen könne, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden müsse (vgl. BVerfG, a.a.O. juris Rdnrn. 61 ff.). Danach handelt es sich bei den Fragen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung, ihrer Dauer und der Art und Weise ihrer Durchführung um grundsätzlich selbständig zu prüfende Fragen, wenn auch das Bundesverfassungsgericht es unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 GG als sachgerecht ansieht, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte kraft Sachzusammenhangs auch auf die Überprüfung des Vollzuges des Gewahrsams auszudehnen (vgl. a.a.O. juris Rdnr. 65). Für diese Überlegung, dass über einen einheitlichen Lebenssachverhalt möglichst nur in einem Rechtsweg entschieden werden sollte, lässt sich zudem § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG anführen, wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet.
Im vorliegenden Fall hat aber das Landgericht B-Stadt in seinem Beschluss vom 17. August 2009 - 7 T 255/09 - der Eigenständigkeit dieser Fragestellungen dadurch Rechnung getragen, dass es die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Ingewahrsamnahme entsprechend § 145 Abs. 3 ZPO abgetrennt und entsprechend § 17a GVG in den Verwaltungsrechtsweg an das Verwaltungsgericht Gießen verwiesen hat; an diese Verweisung war das Verwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG gebunden. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht in dem hier angefochtenen Urteil auf Seite 5 unten der Entscheidungsgründe auch ausgeführt, dass auf Grund der Entscheidungen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht mehr die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 GG geschützte Freiheit der Person, sondern hier nur noch zu prüfen sei, ob durch die Art und Weise der Durchführung des Gewahrsams die Klägerin in ihrem aus Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG herzuleitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Eine grundsätzliche Trennung dieser Fragen erscheint auch sinnvoll, weil - wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall - im Rahmen einer zulässig angeordneten Freiheitsentziehung Grundrechtsverstöße allein durch die Art und Weise ihres Vollzuges und umgekehrt - wie hier - nach einer schon rechtswidrig angeordneten Ingewahrsamnahme sowohl für sich gesehen vorschriftsmäßige Durchführungsmaßnahmen oder aber - wie von der Klägerin geltend gemacht - durch die Art und Weise ihres Vollzuges zusätzliche Rechtsverstöße und Grundrechtsverletzungen erfolgen können.
Danach ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte. Da das verwaltungsgerichtliche Urteil dem in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht, liegen insoweit auch keine ernstlichen Zweifel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und keine Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.
Soweit das Verwaltungsgericht auf Seite 9 der Urteilsgründe allerdings mit der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung der Ingewahrsamnahme gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO argumentiert, vermengt es demgegenüber die beiden Fragenbereiche der Anordnung mit dem der Durchführung der Ingewahrsamnahme, so dass die Klägerin auf Seite 9 oben ihrer Antragsbegründung diese Argumentation wohl zu Recht kritisiert; diese war aber für das Verwaltungsgericht ersichtlich nicht entscheidungserheblich, sondern lediglich ergänzender Natur.
Die in diesem Zusammenhang weiter erhobenen Rügen der Klägerin auf den Seiten 6 f. ihrer Antragsbegründung, dass die ordentlichen Gerichte entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ihre Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs hätten akzeptieren müssen und ihr nicht die Anrufung verschiedener Gerichte hätten zumuten dürfen, trifft demgegenüber nicht das Verwaltungsgericht, das an die Verweisung durch das Landgericht gebunden war.
Mit ihrem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe ihr Rechtsschutzbegehren nicht ausgeschöpft, macht die Klägerin in der Sache - allerdings zu Unrecht - eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 138 Nr. 3 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG im Sinne des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend. Sie hat in ihrer Antragsbegründung zwar unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17. Dezember 2009 die von ihr konkret gegen die Durchführung des polizeilichen Gewahrsams erhobenen Beanstandungen aufgeführt, aber nicht im Einzelnen dargelegt, mit welchen der dort angesprochenen Maßnahmen sich das Verwaltungsgericht nicht befasst habe. Die Rechtswidrigkeit ihrer Durchsuchung mit der Anordnung, sich vollständig zu entkleiden, und der Nichtgewährung einer unverzüglichen Kontaktaufnahme mit einer Person ihres Vertrauens, also auch mit einem Rechtsanwalt, hat das Verwaltungsgericht in seinem insoweit stattgebenden Tenor festgestellt. Die anderen von der Klägerin aufgeführten Gesichtspunkte hat es auf den Seiten 8 f. der Entscheidungsgründe behandelt und festgestellt, dass die weiteren von der Klägerin im Einzelnen gerügten Maßnahmen während der Durchführung des Gewahrsams nicht rechtswidrig gewesen seien. Wegen der nur kurzfristigen Aufnahme in den Polizeigewahrsam sei das Fehlen einer Sanitäreinrichtung und besonderer Einrichtungsgegenstände nicht zu beanstanden. Wegen der erkennbaren Selbstgefährdung der Klägerin seien die Videoüberwachung bei eingeschaltetem Licht, die Wegnahme der gefährdenden Schutzmanschette, die erneute Fesselung der mit der Ankündigung einer psychiatrischen Behandlung und die Einschränkungen beim Besuch der Toilette gerechtfertigt. Der Sonderwunsch nach einer Decke sei angesichts der Bekundungen des Zeugen X nicht unzumutbar verspätet erfüllt worden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Nach ihren eigenen Schilderungen ist zumindest der objektive Eindruck einer drohenden Selbstgefährdung nicht von der Hand zu weisen, so dass die Polizei auch bei einer rechtswidrigen Ingewahrsamnahme verpflichtet war, dem bei dem Vollzug des Gewahrsams Rechnung zu tragen. Das wird nicht durch die Bemerkung der Klägerin auf Seite 9 ihrer Antragsbegründung entkräftet, ihre Empörung über das Verhalten der Polizeikräfte sei vollkommen berechtigt gewesen und könne nicht im nachhinein als Argument dafür herhalten, die erlittenen Beschränkungen für rechtmäßig zu erklären. ..."
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Zum Rechtsweg bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei (Freiheitsentziehung u.a.; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2012 - 5 E 251/11):
... Gemessen daran bietet die beabsichtigte Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass die Freiheitsentziehung des Klägers durch den Beklagten am 9. Mai 2010 von 0 bis 22 Uhr dem Grunde nach, wegen der Nichtbeachtung des Richtervorbehalts, und aufgrund der Art und Weise der Behandlung während der Freiheitsentziehung, die im Rahmen der Ingewahrsamnahme jeweils zweifach durchgeführten Maßnahmen der Identitätsfeststellung, der Lichtbildaufnahme und der körperlichen Durchsuchung des Klägers, sowie die Sicherstellung seines Handys durch den Beklagten rechtswidrig waren, hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit nicht die erfolgten Lichtbildaufnahmen im Streit stehen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht viel dafür, dass der Verwaltungsrechtsweg für diese Klageanträge ganz überwiegend gegeben ist. Das gilt namentlich für den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung des Klägers. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet für Klagen, die sich gegen präventiv-polizeiliche Maßnahmen richten; die ordentliche Gerichtsbarkeit ist hingegen nach § 23 Abs. 1 EGGVG zuständig, wenn strafverfahrensrechtliche Ermittlungen in Streit stehen. Eine polizeiliche Maßnahme kann im Einzelfall auch der Erfüllung beider Aufgaben dienen.
Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2001 - 6 B 25.01 -, NVwZ 2001, 1285 f.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Dezember 2011 - 5 A 2813/10 -.
Ob die rechtswegbestimmende Frage, welcher Zweck mit einer polizeilichen Maßnahme verfolgt wurde, gleichwohl weiterhin stets einheitlich anhand ihres Schwerpunkts beantwortet werden muss, vgl. BVerwG, a. a. O., S. 1286 unter Hinweis auf das Urteil vom 3. Dezember 1974 - I C 11.73 -, BVerwGE 47, 255; OVG NRW, Beschlüsse vom 13. September 1979 - IV A 2597/78 -, NJW 1980, 855, und vom 11. März 2003 - 5 E 1086/02 -, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Mai 1988 - 1 S 1826/87 -, NVwZ-RR 1989, 412, 413, oder ob der Betroffene bei doppelfunktionalen Maßnahmen den Rechtsweg frei wählen kann, vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., 2010, § 40 Rn. 618; in diese Richtung auch OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 5 E 585/06 -, bedarf im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren keiner abschließenden Entscheidung. Der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1974 lag die Vorstellung zugrunde, der Grund des polizeilichen Einschreitens sei für den Betroffenen regelmäßig unschwer zu erkennen. Üblicherweise werde die Polizei diesen von sich aus oder auf Verlangen angeben. Im Übrigen komme es darauf an, wie sich der konkrete Lebenssachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstelle. Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - I C 11.73 -, BVerwGE 47, 255, 264 f.; OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2003 - 5 E 1086/02 -.
Ergibt sich nach diesen Kriterien für den Betroffenen keine eindeutige Zuordnung zu einer repressiven oder präventiven Zielrichtung, spricht viel dafür, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, wenn zumindest auch eine präventiv-polizeiliche Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt. Vgl. ähnlich Sodan, a. a.O.
In jedem Fall hat das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Streitgegenstand unter allen in Betracht kommenden - auch rechtswegfremden - rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 GVG). Bei einem polizeilichen Maßnahmenbündel, das objektiv trennbare, unterschiedliche Streitgegenstände beinhaltet, bedarf es allerdings einer jeweils getrennten Ermittlung des Rechtswegs. In Betracht kommt auch eine Aufspaltung des Geschehens in zeitlicher Hinsicht. So kann eine Ingewahrsamnahme, die zunächst strafprozessualen Zwecken dient, nach Abschluss der Ermittlungshandlungen in einen präventiv-polizeilichen Gewahrsam übergehen. Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. September 2004 - 1 S 2206/03 -, NVwZ-RR 2005, 540.
Im Streitfall hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, die handelnden Polizeibeamten hätten ihm einen Grund für die Ingewahrsamnahme nicht genannt. Nach Aktenlage ist nicht ersichtlich, woraus er hätte schließen sollen, dass seine mehr als 20-stündige, bis zum Abend des 9. Mai 2010 andauernde Ingewahrsamnahme allein oder auch nur vorrangig strafprozessualen Zwecken gedient haben könnte. Der Kläger befand sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 2010 auf der L. Straße in E. in einer Menge von Anhängern des Fußballclubs I. S. , aus der nach Angaben der Polizei gewaltsame Übergriffe verübt wurden. Er wurde dort zusammen mit einer Vielzahl weiterer Personen eingeschlossen und zur Gefangenensammelstelle verbracht. Nach Abschluss der allenfalls als (auch) strafrechtlichen Ermittlungszwecken dienend erkennbaren Maßnahmen der Identitätsfeststellung und Lichtbildaufnahmen wurde er nicht entlassen, sondern - wie die anderen Mitgefangenen - noch etliche Stunden in einer Zelle festgehalten. Erst nach dem Ende des Fußballspiels, zu dessen Besuch die Gruppe aus S. angereist war, erfolgten die Freilassungen. Angesichts dieser Abläufe, namentlich der Dauer des Gewahrsams, lag aus der Sicht des Klägers der Schluss nahe, dass hierdurch weiteren Ausschreitungen im Fußballstadion vorgebeugt werden sollte. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem er in die Zelle verbracht wurde, ist daher nach Lage der Akten von einem vorrangig präventiv- polizeilichen Zweck der Ingewahrsamnahme auszugehen.
Die dagegen geführten Einwendungen des Beklagten rechtfertigen keine andere Sichtweise. Soweit dieser nachträglich mitgeteilt hat, die Festnahme des Klägers sei auf der Grundlage von § 127b StPO (Hauptverhandlungshaft) erfolgt, war hierfür damals nichts erkennbar. Dies ist darüber hinaus auch wenig plausibel, weil nicht erläutert wird, warum der Kläger dann wieder freigelassen und nicht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO dem Amtsgericht vorgeführt wurde. Der Kläger wurde überdies zu keinem Zeitpunkt als Beschuldigter vernommen.
Eine andere Beurteilung folgt auch nicht allein daraus, dass gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Dies war bei einer Vielzahl von Personen auf der Grundlage eines sogenannten Mastersachverhalts der Fall, ohne dass dies selbst aus Sicht des Beklagten die gefahrenabwehrrechtliche Zielsetzung der Ingewahrsamnahmen ausschloss. So ergibt sich aus der beigezogenen Akte (Staatsanwaltschaft E. ), dass der Beklagte die Ingewahrsamnahme einer anderen Person, gegen die ebenfalls ein Strafverfahren eingeleitet worden war, ausdrücklich auf § 35 PolG NRW gestützt und gemäß § 36 PolG NRW beim Amtsgericht beantragt hat, die Fortdauer des Gewahrsams "bis mindestens nach Spielende" anzuordnen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann daraus, dass auf dem Gesa-Kontrollblatt des Klägers nicht "Ingewahrsamnahme", sondern "Festnahme" und "qualifiziertes Verfahren" angekreuzt war, nicht auf eine überwiegend repressive Zweckrichtung der Freiheitsentziehung geschlossen werden. Insoweit besteht nämlich kein Unterschied zu dem erwähnten Vergleichsfall, in dem der Beklagte selbst § 35 PolG NRW als Rechtsgrundlage bezeichnet hatte. Dass der Kläger nach einem Aktenvermerk "als einer der Werfer identifiziert wurde", stellt die vorstehenden Erwägungen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage. Der Beklagte hat bisher nicht plausibel und unter Benennung nachvollziehbarer Unterscheidungskriterien dargelegt, dass die Festnahme des Klägers anderen Zwecken gedient hätte als die zahlreichen weiteren Festnahmen, die im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt sind. Erst recht ist nicht ersichtlich, woran der Kläger dies hätte erkennen können.
Ausgehend von einer jedenfalls auch präventiv-polizeilichen Zwecken dienenden Ingewahrsamnahme ist im Streitfall ferner hinreichend wahrscheinlich, dass die Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit nicht entsprechend § 36 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 PolG NRW den Amtsgerichten zugewiesen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Amtsgericht auch für die nachträgliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer (präventiv-polizeilichen) Freiheitsentziehung zuständig, sofern es zulässigerweise gemäß § 14 PolG NW a.F. (aktuell § 36 PolG NRW) während der Ingewahrsamnahme einer Person um Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung angegangen wird. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. November 1989 - 5 A 886/88 -, NJW 1990, 3224 f.; ähnlich OVG Berlin- Bbg., Beschluss vom 24. April 2009 - OVG 1 L 124.08 -, juris; Ehlers, in: Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. I, Stand: Juni 2011, § 40 Rn. 623; a.A. AG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2011 - 150 Gs-80 Js 986/10-1799/10 -, das für eine nachträgliche Entscheidung generell ausschließlich den Verwaltungsrechtsweg für gegeben hält.
Im Sinne dieser Rechtsprechung dürfte eine konkrete Freiheitsentziehungssache beim Amtsgericht nicht schon dann als anhängig anzusehen sein, wenn nach einer Masseningewahrsamnahme der zuständige Amtsrichter herbeigeholt und ihm ein allgemeiner, nicht personenbezogener Sachverhalt geschildert wird, aufgrund dessen er damit beginnt, sich alle in Gewahrsam genommenen Personen einzeln vorführen zu lassen. Es spricht viel dafür, dass insoweit ein einzelfallbezogener Anstoß des richterlichen Entscheidungsprozesses durch die Polizei erforderlich ist, also zumindest ein konkreter, personenbezogener Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt sein muss. Vgl. auch OVG M.-V., Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 3 O 161/08 -, juris, Rn. 10.
Für einen solchen Antrag ist im Entscheidungsfall nach Lage der Akten nichts ersichtlich.
Auch hinsichtlich der Klageanträge, die die Art und Weise des Gewahrsamsvollzugs, die Identitätsfeststellung, die körperliche Durchsuchung und die vorübergehende Sicherstellung des Handys betreffen, ist die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nicht mit einer die Versagung von Prozesskostenhilfe rechtfertigenden Sicherheit auszuschließen. Sie stehen in untrennbarem Zusammenhang mit der Ingewahrsamnahme als solcher und können daher ebenfalls im Verwaltungsrechtsweg zur Überprüfung gestellt werden, wenn dieser für die Ingewahrsamnahme eröffnet ist. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - 2 BvR 447/05 -, NVwZ 2006, 579 Rn. 63 mit Nachweisen aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung.
Dass die Identitätsfeststellung daneben sicherlich auch strafrechtlichen Ermittlungszwecken diente, ändert daran nichts. Anders verhält es sich lediglich bei den gefertigten Lichtbildaufnahmen. Insoweit leuchtet die nachträgliche Angabe des Beklagten, diese seien auf der Grundlage des § 81b 1. Alt. StPO für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens erfolgt, ohne weiteres ein und musste sich auch dem Kläger aufdrängen. Wie sich aus der Begründung für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens (Staatsanwaltschaft E. , S. 5) ergibt und ausweislich des Klageentwurfs (S. 5) auch vom Kläger erkannt wurde, sollten die Lichtbilder einen Abgleich mit dem angefertigten Videomaterial ermöglichen und auf diese Weise der Ermittlung von Straftätern dienen. Präventive Zwecke, die hiermit hätten verfolgt werden können, waren nicht ersichtlich.
Soweit der Verwaltungsrechtsweg hiernach voraussichtlich eröffnet ist, hat die Klage auch in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dafür, dass der Kläger auf strafverfahrensrechtlicher Grundlage bis zum Abend des 9. Mai 2010 festgehalten werden durfte, spricht derzeit nichts. Ob die strengen Voraussetzungen des §§ 35 Abs. 1 Nr. 2, 36 PolG NRW für eine Ingewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr - vgl. näher OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 5 A 1045/09 - (zu § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG), juris; zum Richtervorbehalt BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - 2 BvR 447/05 -, NVwZ 2006, 579 ff. - erfüllt waren, bedarf eingehender Prüfung. Dabei ist gegebenenfalls auch etwa vorhandenes polizeiliches Filmmaterial auszuwerten. Nach dem Vortrag des Klägers, dem der Beklagte bislang nicht entgegengetreten ist, lässt sich ferner nicht ausschließen, dass die - gesondert zu überprüfende - Art und Weise des Vollzugs der Freiheitsentziehung nicht allen rechtlichen Anforderungen genügte. Eingehender rechtlicher Überprüfung und, soweit erforderlich, weiterer Sachverhaltsaufklärung bedürfen auch die Identitätsfeststellung und die körperliche Durchsuchung, die nach dem Klagevorbringen jeweils zweimal durchgeführt wurden, sowie die Sicherstellung des Mobiltelefons des Klägers. ..."
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Zu den Voraussetzungen der Ingewahrsamnahme nach § 32 Abs. 1 HSOG (hier: Ingewahrsamnahme einer Umweltaktivistin und Fassadenkletterin, die zu Demonstrationszwecken ein Gerichtsgebäude erklettert hat; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.03.2010 - 20 W 264/09):
... I. Am 15.07.2009 fand am Landgericht Gießen die Berufungsverhandlung wegen Zerstörung eines Gengerstenfeldes im Jahr 2006 statt. Nach Verhandlungsschluss kletterte die zum Sympathiesantenkreis des Angeklagten gehörende Betroffene an der Fassade des Landgerichts hoch und malte in etwa vier Metern Höhe die Worte Gentech Weg! Gentech Weg, Ätsch!" an die Wand. Nach Aufforderung durch die Polizei kletterte die Betroffene um 18.42 Uhr wieder herab und wurde von dem diensthabenden Polizeihauptkommissar zur Verhinderung weiterer politisch motivierter Aktionen" festgenommen. Um 20.55 Uhr beantragte die Polizei die gerichtliche Zustimmung zur Ingewahrsamnahme der Betroffenen bis zum anderen Morgen um 6.00 Uhr. Ungefähr um 21.00 Uhr ordnete die Richterin am Amtsgericht die Ingewahrsamnahme ohne Anhörung der Betroffenen mündlich an.
Nach ihrer Entlassung hat die Betroffene über ihren Verfahrensbevollmächtigten am 16.07.2009 mit einem an das Amtsgericht gerichteten Schriftsatz Beschwerde gegen den Beschluss" vom 15.07.2009 mit dem die Ingewahrsamnahme der Betroffenen für die Zeit vom 15.07.2009 ab ca. 18.00 Uhr bis 16.07.2009 6.00 Uhr angeordnet worden ist" mit dem Ziel eingelegt, diesen Beschluss aufzuheben und die Rechtswidrigkeit festzustellen. Daraufhin hat die Richterin, die die mündliche Haftanordnung erlassen hatte, unter dem 17.07.2009 einen Vermerk gefertigt und die Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 29.07.2009 hat die Betroffene unter Schilderung der Vorgänge im Polizeigewahrsam weiter beantragt, auch die Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Vollziehung der Ingewahrsamnahme der Betroffenen in der Zeit von 18.00 Uhr am 15.07.2009 bis um 06.00 Uhr am 16.07.2009 festzustellen, hilfsweise insoweit das Verfahren abzutrennen und den Rechtsstreit an das möglicherweise zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 17.08.2009 (Bl. 39 ff d. A.) festgestellt, dass die Freiheitsentziehung der Betroffenen in der Zeit vom 15.07.2009, 21 Uhr bis zum 16.07.2009, 6.00 Uhr auf der Grundlage der Anordnung durch das Amtsgericht rechtswidrig war und der Betroffenen insoweit Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.
Das Landgericht hat außerdem ausgeführt, es lege den Beschwerdeantrag so aus, dass lediglich die Feststellung der richterlich angeordneten Freiheitsentziehung begehrt würde. Die Antragsformulierung ließe eine derartige Auslegung - noch - zu. Eine teilweise Zurückverweisung der Sache komme nicht in Betracht, da der im Beschwerdeschriftsatz vom 16.07.2009 enthaltene Antrag ausdrücklich gegen eine bereits erfolgte erstinstanzliche Entscheidung mit dem Ziel ihrer Aufhebung gerichtet gewesen sei. Bislang sei kein Antrag auf Überprüfung der ohne richterliche Entscheidung allein aufgrund behördlicher Anordnung erfolgten Freiheitsentziehung gestellt worden, über den zunächst das Amtsgericht entscheiden müsste.
Die auf Aufhebung der richterlichen Entscheidung vom 15.07.2009 gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht in dem genannten Beschluss verworfen, weil es die Beschwerde insoweit für unzulässig gehalten hat. Da von dem richterlichen Beschluss nach der Entlassung keine Rechtswirkungen mehr ausgingen, fehle es für die Aufhebung am Rechtsschutzbedürfnis.
Das Landgericht hat außerdem das Verfahren abgetrennt und an das Verwaltungsgericht verwiesen soweit die Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Ingewahrsamnahme durch die Polizei begehrt hat.
Gegen diesen Beschluss hat die Betroffene durch einen am 24. August 2009 eingegangenen Antrag sofortige weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Landgerichts insoweit aufzuheben, als die Beschwerde und die Anträge der Betroffenen zurückgewiesen worden seien und ihr dafür Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die Polizeibehörde werde sich in den teilweise gegen sie eingeleiteten Verfahren darauf berufen, dass die Ingewahrsamnahme richterlich angeordnet worden sei. Es sei davon auszugehen, dass sich die Betroffene ab 18.00 Uhr im Gewahrsam befunden habe. Wenn das Amtsgericht keine Abhilfeentscheidung getroffen habe, könne dies nicht der Betroffenen angelastet werden.
Der Antragsteller hat sich zur Beschwerde nicht geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Beschlüsse und die Schriftsätze der Beteiligten nebst ihren Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde hat im Wesentlichen Erfolg und führt zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Entscheidung. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass eine amtsgerichtliche Entscheidung über die Ingewahrsamnahme nicht vorliegt und deswegen eine Beschwerdeentscheidung nicht möglich und nicht beantragt ist, hält die Entscheidung einer rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, 546 ZPO) nicht stand.
Wie der Senat bereits entschieden hat (OLGR Frankfurt 2008, 312 ff), ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass das Amtsgericht mit seiner Entscheidung über die Fortdauer der Ingewahrsamnahme auch über die Zulässigkeit der Ingewahrsamnahme bis zur amtsgerichtlichen Entscheidung befindet. Dies gilt auch dann, wenn die amtsgerichtliche Entscheidung hierzu keine ausdrücklichen Ausführungen enthält. Der Doppelcharakter der gerichtlichen Entscheidung ergibt sich aus § 33 I HSOG, wonach die richterliche Entscheidung sich auf die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung zu erstrecken hat. Dies bedeutet, dass sowohl über die Rechtmäßigkeit der bisherigen Freiheitsentziehung durch die Polizeibehörde als auch über die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung eine Entscheidung zu treffen ist (Meixner/ Fredrich, 10. Aufl. § 33 HSOG, Rn 5; vgl. für die vergleichbare Regelung des § 20 thüring. PAG Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 14.10.1998, Az. 6 W 243/98, Jurisdok.; anders bei der behördlichen Ingewahrsamnahme bei Abschiebehaft vgl. OLG München, Beschluss vom 17.05.2006, 34 Wx 25/06, Jurisdok.). Dass das Amtsgericht hiervon abweichend nur eine Teilentscheidung treffen wollte, lässt sich der nicht schriftlich vorliegenden Entscheidung nicht entnehmen. Die fehlende schriftliche Abfassung der Gestattung der Ingewahrsamnahme, die bereits die Anordnung rechtswidrig sein lässt, wie das Landgericht bereits in seinem insoweit nicht angegriffenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, da ein richterlicher Beschluss stets schriftlich abzufassen und mit einer zumindest kurzen Begründung zu versehen ist, kann ohne solche Anhaltspunkte abweichend vom Regelfall nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Amtsgericht sich auf die Frage der zukünftigen Ingewahrsamnahme beschränken wollte. Eine solche Auslegung verbietet sich auch unter dem Gesichtspunkt des staatlichen Schutzes der Freiheitsrechte, denn sie führte nur zu weiteren formalen Hürden vor einer Überprüfung der der Betroffenen insgesamt entzogenen Freiheit. Es bestand für das Landgericht kein tragfähiger Anlass, den Antrag der Betroffenen umzudeuten und dadurch die Betroffene auf eine erneute Antragstellung beim Amtsgericht zu verweisen. Das Landgericht hätte über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme insgesamt zu entscheiden gehabt.
Die Ingewahrsamnahme der Betroffenen war insgesamt rechtswidrig, da die Voraussetzungen der allenfalls in Betracht kommenden Eingriffsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr.1, Nr. 2 und Nr. 4 HSOG nicht erfüllt sind. Das Landgericht hat hierzu zwar keine abschließenden Feststellungen getroffen, dies nötigt vorliegend jedoch nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, weil der Sachverhalt aufgrund der polizeilichen Ermittlungen so hinreichend geklärt ist, dass der Senat selbst entscheiden kann.
Das Amtsgericht hat seine Anordnung, wie sich aus dem Vermerk vom 17.07.2009 ergibt, auf den Gesichtspunkt des Schutzes der Betroffenen gestützt. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 HSOG kann eine Person aber nur dann in Gewahrsam genommen werden, wenn dies zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib und Leben erforderlich ist. Weitere Voraussetzung ist, dass sich die Person erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet. Diese Voraussetzungen lagen bei der Betroffenen samt und sonders nicht vor. Die Betroffene war laut Polizeibericht eine amtsbekannte Kletterkünstlerin. Nichts deutete bei der Fassadenkletterei darauf hin, dass sie sich dadurch in Gefahr bringen wollte bzw. ihr Risiko nicht mehr abschätzen konnte. Ziel ihrer Aktion war erkennbar nach dem Ende des Verhandlungstages eine provokative Demonstration der Solidarität mit dem Angeklagten und dessen Gedankengut. Diese Aktion war darauf angelegt, Publikum zu haben und durch die dank der Kletterkünste erlangte Höhe des Auftritts Aufsehen zu erregen. Dass die Betroffene nach dieser Aktion - die Betroffene war selber vor ihrer Festnahme vom Gebäude herabgestiegen - das Gerichtsgebäude auch bei Nacht noch einmal besteigen und sich dabei in Gefahr bringen würde, ist eine weitere durch nichts gestützte Annahme.
Auch die Voraussetzungen einer Ingewahrsamnahme zur präventiven Verhinderung der Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 HSOG) lagen nicht vor. Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 HSOG kann eine Person von den Polizeibehörden in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbare Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Das Amtsgericht hat hier schlicht die Vermeidung von Sachbeschädigungen am Landgerichtsgebäude als von der Polizei angegebenen Grund zum Eingreifen genannt. Der Polizeibericht vom Tattag ist nicht aufschlussreicher. Dort ist nur zusätzlich aufgeführt, dass die Betroffene im August 2008 bei ähnlicher Gelegenheit das Amtsgericht Gießen erklettert hatte und nur durch taktisch geschickten Zugriff in Verwahrung genommen werden konnte. Weiter heißt es im Polizeibericht, das bei der Festnahme an den Tag gelegte äußerst aggressive Verhalten der Betroffenen belege ihre Absicht, weitere Beschädigungen an dem Gerichtsgebäude beabsichtigt zu haben. Die mit Kreide aufgebrachten Schriftzüge seien von Justizbediensteten entfernt worden. Aus diesen im Polizeibericht zusammengefassten Umständen ergibt sich aber noch nicht einmal, dass die Aktion im 2008 zu einer Sachbeschädigung geführt hat, noch in nachvollziehbarer Weise, warum man meinte, die Betroffene werde (weiter) Sachbeschädigungen begehen.
Es kann dahinstehen, ob die Angaben der Betroffenen zutreffen, sie habe sich nur deswegen bei ihrer Festnahme hin- und zur Wehr gesetzt, weil man ihr statt einer von ihr erwarteten Personenkontrolle eröffnet habe, sie werde in Gewahrsam genommen. Angesichts des Umstands, dass die Betroffene mit Kreide gemalt und selbst heruntergeklettert ist und im Hinblick auf den offensichtlichen Demonstrationscharakter der Tat, liegt die Annahme nahe, dass damit für die Betroffene die Aktion beendet war. Jedenfalls gibt es weder Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene unmittelbar konkret bevorstehend weitere Straftaten, insbesondere Sachbeschädigungen, begehen würde, noch dass sie von deren Begehung nur durch das Einsitzen im Polizeigewahrsam abgehalten werden könnte. Es ist nichts dafür vorgetragen worden, das die Annahme auch nur annähernd rechtfertigen würde, dass die Betroffene nach der Aktion nicht wie die anderen Mitglieder des Sympathiesantenkreises Stadt2 am nämlichen Abend wieder verlassen würde. Im Polizeibericht steht, der Angeklagte und seine Sympathisanten hätten Stadt2 bis 19.15 Uhr verlassen. Über ihre Pläne hat die Betroffene schon mit der Erstbeschwerde angegeben, dass sie Rückfahrkarten im Gepäck gehabt und dies der Polizei auch gesagt habe. Ob letzteres zutrifft, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden, da auch ohne diesen Umstand das erforderliche konkrete Gefährdungsmoment nicht festgestellt werden kann.
Die Verwahrungsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 4 HSOG, wonach eine Person zum Schutz privater Rechte in Gewahrsam genommen werden kann, scheitert schon daran, dass wegen der Bekanntheit der Betroffenen und mangels Fluchtgefahr ohne Einschreiten der Polizeikräfte die Selbsthilfevorschriften des BGB, also Festnahme und Vorführung nach §§ 239, 230 Abs. 3 BGB nicht zum Tragen gekommen wären.
Eine Ingewahrsamnahme schon etwa ab 18.00 Uhr - wie die Betroffene meint - lässt sich nicht feststellen. Das Landgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise und damit auch für den Senat verbindlich festgestellt, der Vorsitzende Richter habe um 18.25 Uhr die Verhandlung geschlossen. Die Betroffene sei um etwa 18.39 Uhr beobachtet worden, wie sie die Fassade hochgeklettert sei. Um 18.42 Uhr sei sie auf Aufforderung wieder herunter geklettert. Dies stimmt mit dem Polizeibericht überein. Das Gedächtnisprotokoll der Betroffenen gibt das Ende der Gerichtsverhandlung mit gegen 18.00 Uhr" an. Dies zeigt schon, dass eine genaue Zeitfeststellung nicht erfolgt ist. Da die vage Zeitangabe der Betroffenen und der mit exakten Zeiten versehene polizeiliche Kurzbericht um deutlich weniger als eine Stunde differieren, ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht hier auf den Bericht mit den exakteren Zahlen zurückgegriffen und keine weiteren Ermittlungen angestellt hat. Der Senat übernimmt diese Zeitangaben.
Zutreffend hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss nicht a