Projektwerkstatt

BOLO'BOLO (AUSZÜGE)

ibu


1. Der grosse Kater
2. Die drei Grundbestandteile der Maschine
3. Drei Deals in Krise
4. Der A-Deal: enttäuscht vom Konsum
5. Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus
6. Der C-Deal: genug von der Entwicklung des Elends
7. Der Bankrott der Realpolitik
8. Die Schattenwirklichkeit
9. Substruktion
10. Dysko
11. Triko ... und: bolo'bolo - Grundrisse für ein Projekt
12. Fahrplan
13. ibu
14. bolo
15. sila
16. taku
17. kana
18. nima
19. kodu
20. yalu
21. sibi
22. pali
23. sufu
24. gano
25. bete
26. nugo
27. pili
28. kene
29. tega
30. fudo
31. sumi
32. asa
33. buni
34. mafa
35. feno
36. sadi
37. fasi
38. yaka
39. Anmerkungen
40. Sechs Jahre bolo'bolo
41. Abfahrt

Eigentlich gibt es nur das ibu und sonst gar nichts. Doch das ibu ist unzuverlässig, paradox und pervers . Es gibt nur ein einziges ibu und trotzdem tut dieses so, als ob es mehr als vier Milliarden davon gebe. Das ibu weiss auch, dass es selbst die Welt und die Wirklichkeit erfunden hat und doch glaubt es fest daran, dass diese Einbildungen real sind. Das ibu hätte sich eine angenehme, problemlose Wirklichkeit erträumen können, aber es hat sich darauf versteift, sich eine elende, brutale, widersprüchliche Welt einzubilden. (1)

Es hat sich eine Wirklichkeit zusammengeträumt, in der es ständig von Konflikten, Katastrophen und Krisen geplagt wird. Es ist hin-und hergerissen zwischen Glücksrausch und Trübsal, zwischen Begeisterung und Enttäuschung, zwischen Ruhe und Nervosität. Es hat einen Körper, der jeden Tag 2000 Kalorien benötigt, schnell müde wird, friert, krank wird und es ungefähr alle 70 Jahre wieder aus ihm vertreibt. Lauter unsinnige Komplikationen.

Auch die Welt des ibu ist ein einziger Alptraum. Unnötige Gefahren halten es dauernd in Angst und Anstrengung. Dabei kann das ibu dem ganzen Spuk jederzeit ein Ende bereiten, indem es sich umbringt und verschwindet. Da es nur ein einziges ibu und nur sein von ihm erfundendes einziges Universum gibt, braucht es sich dabei weder um Hinterbliebene, trauernde Freunde, unbezahlte Rechnungen usw. zu sorgen. Sein eigener Tod ist absolut folgenlos. Mit ihm verschwinden für immer Natur, Menschen, Geschichte, Weltall, Logik, einfach alles. Das ibu plagt sich also absolut freiwillig, behauptet aber zugleich, es sei nur ein Teil der Wirklichkeit. Wozu der Selbstbetrug?

Offenbar ist das ibu in seinen masochistischen Foltertraum verliebt. Es hat ihn sogar wissenschaftlich abgesichert und gegen das Nichts abgedichtet. Es definiert Träume als irreal und so wird sein Alptraum der Traum von der Unwirklichkeit des Träumens. Das ibu hat sich selbst in die Wirklichkeitsfalle eingesperrt.

Naturgesetze, Logik, Mathematik, wirtschaftliche Sachzwänge und gesellschaftliche Verpflichtungen bilden die Grenzen der Wirklichkeitsfalle. Da das ibu beharrlich seine eigene Ohnmacht träumt, kommt die Macht von äusseren Instanzen, denen es Gehorsam schuldet: Gott, Leben, Staat, Moral, Fortschritt, Wohlfahrt, Zukunft, Produktivität. Auf Grund dieser Ansprüche erfindet es sich den "Sinn des Lebens", den es natürlich nie ganz erreichen kann. Es fühlt sich dauernd schuldig und wird so in einer unglücklichen Dauerspannung gehalten, in der es sich selbst und seine Macht über die Welt vergisst.

Um sich daran zu hindern, zu sich selbst zu kommen und die Traumhaftigkeit der Wirklichkeit zu durchschauen, hat sich das ibu auch die "andern" ausgedacht. Es bildet sich ein, diese künstlichen Wesen seien wie es selbst. Wie in einem absurden Theater tritt es mit ihnen in "Beziehung", liebt oder hasst es sie, fragt es sie sogar um Rat oder philosophische Erklärungen. Es flieht so vor seinem eigenen Bewusstsein und delegiert es an andere, um es los zu werden. Es macht sich diese anderen fassbar, indem es sie zu Institutionen formiert: Paar, Familie, Verein, Stamm, Club, Volk, Menschheit. Es erfindet sich die "Gesellschaft" und unterwirft sich ihren Gesetzen. Der Alptraum ist perfekt.

Nur wenn sich in seiner Traumwelt zufällig Risse auftun, ist das ibu bereit, sich mit sich selbst zu befassen. Doch statt mit seiner perversen Existenz Schluss zu machen, bemitleidet es sich und bleibt tot am Leben. Der verdrängte Selbstmord hat sich nach aussen in die "Wirklichkeit" verschoben und kehrt von dort als kollektiver Weltuntergang (Atomkrieg, Oekozid, Katastrophe) wieder zum ibu zurück. Da es zu schwach ist, sich selbst umzubringen, muss seine Wirklichkeit es für es tun.

Um sich weiter zu foltern, stellt sich das ibu wunderschöne Utopien, Luftschlösser, Paradiese, harmonische Welten vor, die es natürlich nie verwirklichen kann. Sie dienen lediglich dazu, es in seinem Alptraum festzuhalten, ihm Hoffnung zu machen und es allerlei politischen Unternehmungen, Revolutionen, Anstren gun gen und Märtyrien anzutreiben. Das ibu lässt sich mit Illusionen und Sehnsüchten immer wieder ködern. Es ist unbelehrbar. Es vergisst, dass alle Welten, alle Wirklichkeiten, alle Träume und es selbst unendlich langweilig und mühsam sind und dass die einzige Lösung darin besteht, sich sofort ins wohlige Nichts zurückziehen.


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