Gießen autofrei

OFFENER RAUM - WAS IST DAS?

Einleitung


1. Einleitung
2. Kontrollfreier und bedingungsfreier Raum
3. Merkmale, Probleme und Lösungsmöglichkeiten verschiedener Räume
4. Debatten um konkrete Experimente offener Räume
5. Offener Raum versus Schutzraum?
6. Offene Wohnungen
7. Abschreckendes Vorbild: Linke "Frei"räume als Übungsfeld für Hierarchien
8. Links zu mehr ...

Raumverbot im Stratum0Rechts: Aushang am Stratum0, ein sich (bis dahin) im Internet als offen nutzbar bezeichnender Raum in Braunschweig (Termine mussten nur auf einer Internetseite eingetragen werden) - bis es mal jemand tat. Dann mischte sich der "Vorstand" ein und untersagte die Nutzung. Einzige Begründung: Es sei nicht mit dem Vorstand abgesprochen. Dafür gab es auf der Termineintrageseite im Internet gar keine Möglichkeit. Merke: Offenheit gilt immer solange, bis sie wirkt. Dann wird sie verboten.

Als "offener Raum" kann ein Aktionsfeld bezeichnet werden, in dem es keine Beschränkungen gibt, diesen zu nutzen und zu füllen - außer die anderen AkteurInnen, mit denen bei Interessenkollision (z.B. Nutzung der gleichen Infrastruktur, Flächen u.ä. zur gleichen Zeit) eine direkte Vereinbarung geschlossen wird. Ein Raum und seine Ausstattung (Technik, Räume, Wissen, Handlungsmöglichkeiten usw.) ist dann offen, d.h. gleichberechtigt für alle nutzbar, wenn die Beschränkungen formal und praktisch nicht bestehen, d.h. der Zugang zu den Handlungsmöglichkeiten darf weder durch verschlossene Türen, Vorbehalte, Passwörter usw. verwehrt werden können noch dürfen Wissensbarrieren hingenommen werden, die Einzelne von der Nutzung des offenen Raumes und seiner Teile ausschließen. Dieses bedarf in der Regel eines aktiven Handelns, um Transparenz herzustellen, Zugänge zu Informationen zu ermöglichen und Erklärungen z.B. für technische Geräte bereitzustellen. Die Idee offener Räume tritt als Gegenkultur zu Haus- und Eigentumsrechten auf, lehnt formale Hierarchien und Privilegien (exklusive Passwörter, Definitionsmachten usw.) auf. Sie stößt dabei auf Probleme. Im Seminar sollen Idee, Funktionsweisen, Schwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden.

Text aus einem Mailwechsel als Antwort auf die immer wiederkehrende Behauptung, dass es mit offenen Räumen vor allem schlechte Erfahrungen gäbe
Diese Aussage stelle ich immer grundsätzlich in Frage. Ich weiß zwar nicht, wie Ihr das begründet, aber die meisten Absagen an das Offene-Raum-Konzept sortieren schlechte Erfahrungen fälschlicherweise dem offenen Konzept zu. Es wird einfach OffenerRaum und schlechte Erfahrungen zusammen betrachtet - also muss das eine mit dem anderen zusammenhängen. Das ist aber meistens gar nicht der Fall:
  • solche schlechten Erfahrungen gibt es auch in nicht-offenen Räumen, so dass zweifelhaft ist, ob der offene Charakter die Ursache ist.
  • die meisten bis alle unschönenen Vorgänge werden durch Menschen verursacht, die fest in dem Projekt sind, also nicht den offenen Charakter nutzen, um in den Häusern zu sein, sondern auch da wären, wenn das Projekt nicht offen wäre.
  • die von Euch benannten Beispiele haben auch schon geschlossene Phasen gehabt (was zum Teil gar nicht hätte sein dürfen, aber einfach gemacht wurde). In diesen Phasen hat sich die Lage nicht verbessert.
Hinzu kommt, dass die Erfahrungen mit den offenen Räumen auch nicht verglichen werden mit denen geschlossener Räume. Bei denen darf eigentlich alles schief gehen - es wird in keinem Fall mit der Geschlossenheit in Verbindung gebracht, während bei offenen Räume alles Schlechte mit diesem Prinzip verbunden wird. Das ist absurd und ist eine Art Rufmord an der Idee des Offenen. Es hat aus meiner Sicht auch etwas damit zu tun, Gründe zu suchen, um doch selbst Hausrecht zu behalten und das auch zu legitimieren.
Geschlossene Räume sind aus meiner Sicht aber deutlich mehr gescheitert. Fast alle sind zu Privathäusern und/oder zu kommerziellen Projekten gewordne. Die WAA, so chaotisch und unbefriedigend das ist, ist auch neun Jahre nach ihrer Gründung noch die Backgroundstruktur für offensive politische Aktionen. Kennt Ihr ein einziges nicht-offenes Projekt, für das sich das sagen lässt? Ganz zu schweigen von der Projektwerkstatt, die auch nach über 30 Jahren noch als Sprungbrett für alle möglichen offensiven Aktionen genutzt wird. Selbst die abgestürzteste Liegenschaft in unserem Offene-Aktionsplattformen-Verbund, die Traumschule in der Altmark, wäre auch heute noch nutzbar als politischer Aktionsraum. Dass das nicht geschieht, hat mit der Neigung politischer Zusammenhänge zu tun, kommerzielle Strukturen und Hierarchien auszubilden - und genau dafür können die offenen Räume nicht genutzt werden. Ein Glück.


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