Stiftung Freiräume

NO LAW NO WAR - ANTIKRIEGSSEITE

Was ist Krieg?


1. Einleitung und Übersicht
2. Debatten um Irak-Krieg
3. Antikriegsproteste als „Kur“ für Nationalstolz in Doitschland?
4. EU-Verfassung
5. Weltregierung und ihre Strategien
6. Jedem seine Lieblingskriege(r)
7. Was ist Krieg?
8. Krieg ist Frieden ist Krieg
9. Links

Auszug aus Jean-Jacques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts. zitiert in: Massing, Peter/Breit, Gotthard (2002): „Demokratie-Theorien“, Wochenschau Verlag Schwalbach, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn (S. 118 ff.):
Der Krieg ist also kein Verhältnis zwischen Mensch und Mensch, sondern ein Verhältnis zwischen Staat und Staat, innerhalb dessen die einzelnen nur gelegentlich, nicht als Menschen, nicht einmal als Staatsbürger (*), vielmehr als Soldaten, Feinde sind; nicht als Mitglieder des Vaterlands, vielmehr als seine Verteidiger. Letztes Ende kann jeder Staat nur andere Staaten zu Gegnern haben und nicht Menschen, ...

Heilige Kriege ... Auszug aus der Bibel, 1. Chronik 5:
Dazu waren viele erschlagen liegengeblieben, denn der Krieg war von Gott.

Matthäus 10, 34f:
Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Was ist Krieg? Wer führt ihn an, wer stachelt ihn an, wer hat welche Interessen am Krieg?

Rede von Jörg Bergstedt auf der Giessener Demo gegen den Irak-Krieg am 3. April 2003
Ich möchte etwas sagen dazu, was hinter dem Morden, hinter den Zerstörungen und den vielen Lügen steht, die damit verbunden sind. Denn Krieg kommt nicht von irgendwo, ist kein Naturereignis und erst recht keine plötzliche Katastrophe, die über die Menschen hereinschwappt. Sondern Krieg braucht Bedingungen – und die werden systematisch hergestellt.
Krieg findet nicht zwischen Menschen statt, sondern immer zwischen Nationen oder Völkern. Die bestehen zwar aus Menschen, aber das Typische an ihnen ist gerade, dass der Mensch als Individuum untergeht in der kollektiven Einheitlichkeit der Nation oder des Volkes. Nation und Volk aber brauchen Herrschaft, um sich überhaupt zu konstituieren. Niemals käme der Mensch aus Konstanz von selbst auf die Idee, ein Volk oder eine Nation mit den Menschen aus Flensburg zu sein, während seine Nachbarin in Bregenz ein anderes Volk, eines anderen Fleisch und Blut ist. Volk und Nation sind die Folge von gleichschaltender Identitätsbildung. Mensch ist nicht Deutscher, Amerikaner oder Iraker, sondern er wird dazu gemacht. Volk und Nation entstehen durch die, die für das Volk sprechen – und durch die Diskurse, die ständig überall reproduzierte Meinung, dass es ein Volk, eine Nation, eben eine kollektive Einheit gäbe. Es ist nicht möglich, dass sich die Menschen aus Flensburg und Konstanz, aus Aachen und Cottbus selbstorganisiert zu einer Einheit zusammentun – das bedarf der Steuerung, der Erzeugung des Gefühls von Zugehörigkeit und Einheitlichkeit. Volk und Nation entstehen in den Medien, in den Schulbüchern, in der Erziehung, in den Gesetzen und der Realität von Kontrolle und Repression, in alltäglichen Handlungen und Gesprächen. Ohne Herrschaft, sei die personale der Regierungen und Institutionen oder die informelle der Diskurse, Werte und Normen, gäbe es Volk und Nation nicht.
Kriege bedürfen des Volkes bzw. der Nation. Wer Menschen auf Zugehörigkeit, auf Identität zu einem grossen Ganzen trimmt, grenzt andere wiederum aus. Wir und Ihr sind die Pole des Denkens von Nation und Volk. Daraus entstehen die Konflikte, die Interessen derer, die im Namen von Volk und Nation reden – und die dann jeden Konflikt um Interessen zu einem zwischen Völkern und Nationen machen. Insofern handeln Volk und Führung kollektiv. Sie sind identisch, weil es ein Volk ohne Führer nicht gibt. Und Führer ohne Volk ebenso nicht. Nur die Menschen werden nicht gefragt, sind aber Teil des Ganzen, weil sie nicht begreifen, dass sie eingefügt sind in das System von Volk und Nation – und das sie selbst zum Bestandteil desssen geworden sind, was Volk und Nation bildet. Sie haben das verloren, was Menschen auszeichnen – ihre Autonomie.
Der Blick auf den Irak-Krieg zeigt das alles sehr deutlich. Vor wenigen Tagen hat das US-Repräsentantenhaus den Aufruf zu einem Gebetstag verabschiedet. Darin soll das amerikanische Volk beten für die Krieger in der Wüste, die zum Wohle eben des Volkes dort kämpfen. So entsteht Identität, Bushs Reden und die vieler amerikanischer PolitikerInnen, Medien, religiöser FührerInnen organisieren das Volk, das sie als ihren Legitimation wiederum brauchen.
Kein Stück anders auf der anderen Seite: Husseins Parolen triefen vor völkischem und nationalem Stolz. Und selbst wo ein solch widerliches Regime wie das im Irak die Bevölkerung knechtet und schikaniert, gelingt es ihr, den Diskurs des einen Volkes aufrechtzuerhalten. Die Amerikaner und Briten spüren es in der Wüste, wie gut auch auf der anderen Seite die geistige Gleichschaltung funktioniert.
Wer den Blick abwendet vom aktuell wahrgenommenen Konflikt im Irak, bemerkt die Übereinstimmungen mit den Konflikten überall in der Welt. Da kämpfen Menschen gegen Menschen, aber die einen fühlen sich als Russen, die anderen als Tscheschenen. Was eigentlich der Unterschied ist, wird keiner genau sagen können, aber es reicht, um das Wir und Ihr so stark zu konstruieren, dass aufeinander geschossen wird.
Wenn Nord- und Südkorea aufeinander treffen oder Israel und Palästina, so sind es immer Menschen, die handeln. Aber sie handeln eben nicht als Menschen, sondern als Teil des Kollektivs, ihrer Nation, ihres Volkes. Dabei stört es nicht, dass die Herrschenden immer wieder Menschen, die eben noch zum Volk gehörten, selbst abschlachten, einsperren, vertreiben, verfolgen. Die Ausmerzung des Abtrünnigen gehört zu Logik des Völkischen und des Nationalen.
Ganz bemerkenswert ist die Debatte in Europa und vor allem in Deutschland. Nein – mitgeschossen wird direkt nicht. Aber die Logik der Debatte ist dieselbe. Wo Bush, Hussein und Co. das Volk erst mit konstruieren und dann lenken mit ihren Wir- und Ihr-Bildungen, handeln Deutsche und Europafans ebenso. Im Schatten der völkischen Krieg entsteht das Gespenst der Nation Europa – ein durchaus meist von Rechten besetzter Begriff, der sich herauswagt, der geformt wird und zum kollektiven Gedankengut wird einer immer mehr gleichgeschalteten Masse von Menschen.
Ich zitiere: “Heute ... erleben wir die Entstehung einer europäischen Nation. Auf ein und demselben Kontinent, an ein und demselben Tag und für ein und dieselbe Sache haben sich die Völker gegen den Krieg erhoben.” Das schreibt nicht die NPD, sondern der als linker Sozialdemokrat geltende und bei den sogenannten GlobalisierungsgegnerInnen hochgejubelte französische Ex-Minister Strauss-Kahn – und zwar in der Frankfurter Rundschau. Das Blatt ist ohnehin zur Speerspitze europa-nationalistischer Propaganda geworden. Die offensive Sympathie für die staatstreue bis völkische überwiegende Mehrheit der Friedensbewegung und ihrer gleichgeschalteten Aktionen wird seit einigen Tagen sogar gekoppelt mit offen militaristischen Positionen, dem Wahn eines hochgerüsteten und damit den USA Paroli bietenden Europa. Noch ein Zitat aus dem euro-nationalistisch-militaristischen Kampfblatt FR, in dem deutlich wird, dass es tatsächlich um eine Nation Europa geht, in dem die anderen den Krieg kritisierenden Nationen als das Ihr, das Fremde definiert werden: “Es gibt keine euro-asiatische Wertegemeinschaft von Paris bis Peking. Infolgedessen gibt es keine Alternative zu den Bemühungen, die EU zu einer politischen Union auszubauen, mit einer eigenen Sicherheits- und Verteidigungspolitik”.
Doch es geht noch weiter. Die Muster der Einheitsbildung, des Kollektiven, des “Wir” sowie die daraus abgeleitete Ausgrenzung des Anderen, Fremden und eben dann oft Feindlichen findet sich nicht nur zwischen Völker und Nationen, sondern auch auf allen anderen Ebenen der Gesellschaft. Wo sich Clans, Gruppen, Vereine, Parteien, Familien usw. streiten bis bekämpfen, da sind es meist nicht die Menschen, sondern die Kollektive die handeln. Sie handeln gegen das Andere, ohne die Menschen dort zu kennen. Die Muster interner gesellschaftlicher Herrschaft sind so ähnlich der der internationalen Konflikte.


(abwertende Äusserungen und Gesten aus Teilen des Publikums)

Und darum will ich auch bei dem, was ich an Veränderungen und Forderungen für nötig halte, nicht zwischen den verschiedenen Ebenen trennen.
  • Weder Bush noch Hussein, sondern überhaupt keine Führer!
  • Weder USA noch EU, sondern überhaupt keine Weltmächte!
  • Weder Nationen noch UNO, sondern eine Welt ohne Institutionen der Macht!
  • Weder die eine noch die andere Partei an der Regierung, sondern keine Regierung!

(Raunen und abwertende Äusserungen im Publikum, Aufforderung des Moderators, zum Schluss zu kommen)

  • Weder den einen noch den anderen Bürgermeister für Giessen, sondern keinen!
  • Weder Schulleiter noch Vorsitzende noch Knastaufseher noch Polizei noch Familienoberhäupter, sondern eine Welt ohne Herrschaft, der freien Menschen in freien Vereinbarungen!

Auch das ist Kriegsspiel ...

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