Stiftung Freiräume

Ö-PUNKTE 1/1998

Widerstand gegen die A20: Baumbesetzungen in der Nähe von Greifswald


1. Widerstand gegen die A20: Baumbesetzungen in der Nähe von Greifswald
2. Erklärung zum Beginn der A26-Bauarbeiten

Am Montag, den 21.12.97, sollte das kleine Waldstück gegenüber des Platzes, wo sich ehemals das Anti-A20 Hüttendorf befand, abgeholzt werden. Bereits einige Wochen zuvor begannen einige, natürlich viel zu wenige, Menschen mit den Vorbereitungen um diese Rodung zu ver- bzw. behindern. Schon Tage vor dem Rodungstermin brachen immer wieder Menschen zu dem Waldstück auf, um zumindest einige der Bäume zu erklettern. Relativ unbehelligt von Polizei oder sonstigen "Störfaktoren" wurden die Bäume mit Seilen vernetzt, Material hochgezogen und schließlich auch einige Plattformen in den Wipfeln der Bäume befestigt. Am Vorabend des Rodungstermins bezogen knapp 10 Menschen die Plattformen. Ausgestattet mit Gasheizung, Kocher, food für einen relativ langen Zeitraum und recht vielem anderem Kram...

Nachts um etwa halb drei verirrten sich noch etwa 10-15 weitere, der Rodung feindlich gesinnte Menschen in das Waldstück. Auch sie begannen kurz entschlossen mit dem erklimmen weiterer Bäume. Zu dem Zeitpunkt waren null cops weit und breit, was Grund zu der Annahme war, daß es an diesem Tag wohl nicht zu Rodungen kommen würde. Doch gegen halb acht trudelten die ersten Cops ein und auch ihre Verstärkung ließ nicht lange auf sich warten. Insgesamt waren es wohl an die 50 Uniformierte. Mehrere Pick-Up´s der Baufirma erreichten das Waldstück etwa um halb neun. Seit 7 Uhr trudelten allerdings auch nach und nach immer mehr Menschen ein, die es nicht so einfach hinnehmen wollten, daß die Bäume dort weg sollten, BürgerInnen, PDSlerInnen, BUNDlerInnen (genau diese BUNDlerInnen unterstützten aber auch die Bullen durch die Leihgabe ihres Handys, was sie auch noch öffentlich erwähnenswert fanden; die Textkopie ist bei der Themenredaktion erhältlich) und natürlich auch einige weitgereiste BerufsdemonstrantInnen. Die etwa 50-70 Menschen versammelten sich unter den besetzten Bäumen. Als plötzlich Kettensägengeräusche aus einem hinteren Teil des Waldstückes wahrgenommen werden konnten, setzten sich die Leute sofort im Bewegung. Und tatsächlich, einige Arbeiter (das "innen" ist hier tatsächlich überflüssig, da wieder mal nur Typen so unglaublich clever waren) waren bereits dabei, mit ihren Kettensägen loszulegen. Die Arbeiter wurden durch passives Verhalten der DemostrantInnen, die sich vor die Bäume/ Sägen stellten, massiv an ihrer Arbeit gehindert und für´s Erste wurden das Sägen eingestellt. Nur ein besonders fleißiger und pflichtbewußter Arbeiter ließ seine Säge, zum absäbeln von Sträuchern, weiter über den Boden kreisen. Um ihn herum befanden sich Menschen was ihn wenig kümmerte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er sich ruckartig um 180 Grad drehte. Durch diese Bewegung stieß er die Säge in den Oberschenkel eines schon etwas älteren Mannes. Dieser fiel sofort zu Boden. Die Säge hatte sich so weit in das Bein des Mannes geschnitten, daß einige Sehnen durchtrennt wurden. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ärztliche Versorgung für den Mann eintraf. Der Arbeiter, übrigens nicht älter als 22 Jahre, verzog nur sehr kurz seine Miene, dann machte er sich auch schon wieder an die Arbeit. Die Verstöße gegen Arbeitsvorschriften lassen sich wohl kaum noch zählen, alle arbeiteten ohne Schnittschutzkleidung, ohne Handschuhe und ohne Helme ? die Kettensägen wurden falsch bedient...... Kurz nach diesem Vorfall durfte die Polizei dann endlich das erste Mal eingreifen. Auf rabiateste Weise wurden die Menschen von den Bäumen weggedrängt, zu Boden geschmissen, weg geschliffen, damit endlich alles seinen geordneten Weg gehen konnte. Die Baufirma konnte nun ungehindert mit dem Fällen von zumindest den Bäumen, die nicht besetzt waren, beginnen. Nachdem die ersten Bäume krachend zu Boden gefallen waren, liefen erneut alle Menschen, ohne von der Polizei gehindert werden zu können, in das gefährdete Gebiet. Einigen gelang es, Bäume zu erklettern und andere machten Sitz/Steh-Blockaden vor den Bäumen. Wieder übertrafen sich die Cops. Erneut wurden Menschen weg geschleift etc. Ein besonders böser Mensch mit bunten Haaren wurde zu Boden geschmissen und anschließend wegen Widerstand in Handschellen abgeführt. Beim Abführen hielt es ein Polizist auch noch für nötig, ihm ins Gesicht zu schlagen.

Eine Planierraupe wurde besorgt, um auch gleich noch neben den Bäumen den unebenen Waldboden zu plätten! Diese Chance ließen sich vier AktivistInnen nicht nehmen. Sie erklommen die Raube und zwangen sie zum Anhalten. Natürlich war auch hier die fleißige Polizei sofort zur Stelle und die vier Menschen wurden herunter gezerrt. Für die Menschen in den Bäumen gab es neben dem, daß sie all das was am Boden geschah hilflos mit ansehen mußten, auch noch andere schreckhafte Momente. So wurden mehrmals Bäume so gefällt, daß sie nur nahe der besetzen Bäume zu Boden krachten. Trotzdem war es der Baufirma aufgrund der besetzten Bäume nur möglich, einen kleinen Teil des Waldstückes zu roden. Schon gegen Mittag mußte sich die Firma auf den Heimweg machen. Ob dies nun als Erfolg zu werten ist sei dahingestellt, zumindest wurden die meisten Bäume wenigstens für diesen Tag gerettet.

Heute, etwa einen Monat später, bleibt nur ein deprimierender Rückblick. Die Bäume wurden während der weihnachtlichen Feiertage gerodet. Das war zwar ein Verstoß gegen das "Feiertags-Gesetz", zieht aber höchstens ein lächerliches Bußgeld für die Firma mit sich. Trotzdem schade, daß wohl alle "AktivistInnen" diese Tage zu Hause verbrachten, bzw. kein Mensch damit gerechnet hat, daß über die Feiertage gearbeitet würde. Der Verletzte Mann liegt noch immer im Krankenhaus und bis heute ist nicht klar, ob er seinen Fuß jemals wieder bewegen kann. Ob seine Anzeige irgendwelche Erfolge mit sich bringt ist leider auch nicht richtig wahrscheinlich.

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