Stiftung Freiräume

BOLO'BOLO (AUSZÜGE)

sadi


1. Der grosse Kater
2. Die drei Grundbestandteile der Maschine
3. Drei Deals in Krise
4. Der A-Deal: enttäuscht vom Konsum
5. Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus
6. Der C-Deal: genug von der Entwicklung des Elends
7. Der Bankrott der Realpolitik
8. Die Schattenwirklichkeit
9. Substruktion
10. Dysko
11. Triko ... und: bolo'bolo - Grundrisse für ein Projekt
12. Fahrplan
13. ibu
14. bolo
15. sila
16. taku
17. kana
18. nima
19. kodu
20. yalu
21. sibi
22. pali
23. sufu
24. gano
25. bete
26. nugo
27. pili
28. kene
29. tega
30. fudo
31. sumi
32. asa
33. buni
34. mafa
35. feno
36. sadi
37. fasi
38. yaka
39. Anmerkungen
40. Sechs Jahre bolo'bolo
41. Abfahrt

Geschenke, gemeinsame Reserven und Tauschabkommen verringern zusammen mit der Eigenversorgung das Bedürfnis nach einem ökonomischen, d.h. (arbeits-)zeitkalkulierenden Austausch drastisch. Die Vielfalt der kulturellen Identitäten macht Massenprodukte und daher auch das Entstehen von Massenmärkten unmöglich. Es wird kaum für einen anonymen Markt und fast immer für sich selbst, für bestimmte Abnehmer oder für Freunde produziert. Die für ein Produkt aufgewendete Arbeitszeit wird wegen der Einzigartigkeit der Produkte schwer zu vergleichen sein und genaues Wertmessen (ausgedrückt in Geldbeträgen) deshalb höchst unsicher. Der "Wert" wird - wie heute z.B. bei Kunstwerken von zu vielen Faktoren bestimmt sein und der Markt daher zu einer Art Glücksspiel.

Trotzdem kann es natürlich vorkommen, dass einzelne ibus (sie haben ja immer noch taku, ihren Eigentumskoffer) oder bolos für bestimmte Zwecke einen kalkulierenden Austausch vorziehen. Dafür gibt es die lokalen (städtischen, regionalen) Märkte sadis. Sie ergänzen die anderen, wichtigeren Formen des Austauschs.

Die meisten Quartiere oder Bezirke (Städte) halten tägliche, wöchentliche oder monatliche Märkte ab, Regionen veranstalten Messen aller Art. Solche Märkte können in Fabrikhallen, Schulgebäuden, Kirchen oder Lagerhäusern untergebracht werden, damit sie auch bei Regen und Kälte stattfinden können. Darum herum entwickeln sich verschiedenste gesellschaftliche Aktivitäten: Bars, Theater, Kaffeehäuser, Billiardsalons, Zirkusse, Lese-Zirkel, Klubs usw. Der Markt wird zu einem belebten Treffpunkt, zu einem informellen Kommunikationsforum wie die orientalischen Bazars. Kauf/Verkauf sind nur ein "Vorwand" für alle möglichen Interessen. Vieles, was sonst durch besondere Bürokratien erledigt werden müsste, kann ganz direkt/persönlich auf dem "Markt" geregelt werden.

Umgekehrt zeigt sich auf dem Markt der "Charakter" eines Quartiers. Er kann chaotisch, ordentlich, armselig, bunt, laut, verschlafen, freundlich oder missmutig sein. Je nach dem wird ein Marktkomitee (sadi'dala) den Markt gemäss den Wünschen der bolos organisieren, die Art der zugelassenen Waren bestimmen, die Dauer, die Währung, hygienische und qualitative Erfordernisse. Märkte sind ideal für nicht lebenswichtige, leicht transportierbare, seltene, in kleinen Mengen gebrauchte und hoch spezialisierte Produkte. Das können Einzelstücke sein, individuelle Werke, Antiquitäten, Delikatessen, Drogen, Parfüms, Schmuckstücke, Kleidungsstücke, Lederartikel, Kunstwerke, Kuriositäten, Bilder, Bücher, Programme, Waffen, elektronische Teile, Farben usw. Wenn ein ibu so etwas sucht, kann es sich weder auf eventuelle Geschenke verlassen, noch für einen einmaligen Tausch ein Abkommen (feno) schliessen. Eventuell gibt es auch elektronische "Inseratenmärkte", mit deren Hilfe wichtige Einzelstücke (z.B. Ersatzteile) gesucht werden können.

Da die grossen interkontinentalen oder regionalen Güterverschiebungen geldlos erfolgen, gibt es auch keine internationalen Währungen: jeder Markt kann sein eigenes, lokales System entwickeln. Ein Quartier oder eine Stadt können eine eigene Geldwährung alten Typs einführen (Schillinge, Zechinen, Dublonen, Taler, Gulden, Heller in Papier, Metall oder Plastik). Sie können in Gold oder Silber rechnen, mit Muscheln oder Jadestücken. Andere bevorzugen Chips wie in einem Kasino, die man bei Verlassen des Markts abgeben muss (dafür gibt es Soll oder Haben auf einer Marktbank). Mit Hilfe von Computern und magnetischen "Kreditkarten" kann der Markt "geldlos" organisiert werden: jeder Marktbesucher eröffnet ein Konto und wenn er geht, wird automatisch registriert, wieviel er vom Markt zu gut hat oder ihm schuldet. Um die Ansammlung allzu grosser Positivsaldi (Vermögen) zu verhindern, könnte durch ein Zufallsprogramm eine Art elektronischer Potlatsch eingebaut werden: in Zeiträumen zwischen einem halben und zwei Jahren werden alle Vermögen getilgt. Einige Währungen werden konvertibel sein, andere nicht. Auch Gold wird nicht mit Sicherheit überall angenommen werden. Die Märkte werden zu einem numismatischen Abenteuer, weil Geld eben an sich nur noch ein Hobby ist, kein existentielles Problem wie heute. Die Märkte werden eine Rolle spielen, die mit jener im Frühen Mittelalter zu vergleichen ist: unterhaltsame Ergänzung eines selbstversorgerischen Lebensstils. (20)




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