Stiftung Freiräume

AUFERSTANDEN AUS VERTUSCHUNGEN: ZUFÄLLE FÜHREN ZUM SKANDAL

Justiz tut, was sie soll - sie schützt die Mächtigen


1. Reaktionen bei Behörden, Parteien, justizkritischen und politischen Gruppen
2. Kooperationsanfragen an justizkritische und Antirepressionsgruppen
3. Eingaben an Behörden und Parteien
4. Reaktion und Nicht-Reaktion in den Medien
5. Als plötzlich das Interesse wieder erwachte ...
6. Die Folge: Bouffier & Co. eiern herum
7. Justiz tut, was sie soll - sie schützt die Mächtigen
8. Links und Infos zum Thema

Am Ende folgte das trostlose Ende zumindest des formalen Zweiges: Die staatlichen Behörden schützten die StraftäterInnen in Robe, Uniform und Ministerrang - und stellten brav wenige Tage vor Bouffiers Amtseinführung als Ministerpräsident alle Ermittlungen ein.

  • Extra-Seite zum Gang der Anzeigen, der Einstellungsbescheide und der gescheiterten Klageerzwingung vor dem OLG

Auch außerhalb der juristischen Ebene lief die Sache weiter und gewann allmählich sogar an Fahrt. Harmlos war da, was der Betroffene selbst noch an weiteren Versuchen von Aufklärung und Aufarbeitung gestartet hatte:
  • Die Anfragen im Innenausschuss des hessischen Landtags laufen noch weiter, da immer noch nicht alles beantwortet ist.
  • Briefe, Petitionen usw. blieben ohne Antwort (das wird wohl auch so bleiben)

Aus "Keiner war schuld", in: FR, 24.8.2011 (D1)
Aus dem Einstellungsbescheid geht auch hervor, dass der heutige Ministerpräsident Bouffier frühzeitig über die Polizei-Maßnahmen informiert war. Der mittelhessische Polizeipräsident Manfred Schweizer habe am Tag von Bergstedts Festsetzung, einem Sonntag, Bouffier am Tatort „getroffen und ihm bei dieser Gelegenheit den damaligen aktuellen Sachstand vorgetragen“.
Erstmals wird in dem Bescheid jetzt offiziell festgestellt, dass der Gießener Haftrichter, der den Unterbindungsgewahrsam für Bergstedt anordnete, die Tatsache der Observierung bewusst verschwieg. Er hatte an den entsprechenden Vermerk der Polizei die Worte „nicht sagen!“ geschrieben.
Bergstedt sei „zuzustimmen, dass aus dem Inhalt der Passage auf den Umstand seiner Observation geschlossen werden kann und ihm dies offensichtlich nicht bekanntgemacht werden sollte“, urteilte die Generalstaatsanwaltschaft. Allerdings enthalte „die ihm verschwiegene Textpassage nichts Entlastendes“.


Aus Nancy Faeser (SPD): Fall „Bergstedt“ ist ein Fall aus dem rechtsstaatlichen Tollhaus (24.8.2011)
Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Nancy Faeser hat die heutige Berichterstattung in der Frankfurter Rundschau als weiteren Beweis dafür gewertet, dass es sich „beim Fall „Bergstedt“ um einen Fall aus dem rechtsstaatlichen Tollhaus handelt, wie er nur in Hessen möglich ist.“ „Die massive Kritik der Generalstaatsanwaltschaft und des Oberlandesgerichts am rechtswidrigen Vorgehen des Polizeipräsidiums und des Amtsgerichts Gießen im Fall „Bergstedt“ trifft auch den ehemaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Bouffier“, sagte Faeser am Mittwoch in Wiesbaden.


Aus dem OLG-Antrag ergab sich dann aber noch etwas Anderes - und das war politisch brisant. Die Generalstaatsanwaltschaft meldete sich zwar und tat das Erwartete: Sie beantragte, die Klage abzuschmettern. Dann aber folgte erstmal eine Überraschung: Das OLG gab die Akten heraus, die die Generalstaatsanwaltschaft verweigert hatte. Die Papiere hatten es in sich - und zwar für die politische Auseinandersetzung, denn der OLG-Antrag war damit praktisch verloren. Schließlich ergaben die Akten, dass doch ermittelt worden war - und die Ermittlungen noch deutlich Schlimmeres zutage förderten als bisher angenommen war. Denn anders, als zunächst vermutet, hatten zwei LKAler präzise ermittelt und einen brisanten Bericht verfasst. Die Staatsanwaltschaft hatte dann nicht ohne Ermittlungen, sondern wegen der Ermittlungen eingestellt - weil diese heftig belastendes Material enthielten!
Aufgrund der unklaren Rechtslage bezüglich der Öffentlichkeit solcher Akten wird hier darauf verzichtet, sie ins Netz zu stellen. Allerdings verfassten der Kläger und sein Anwalt eine Stellungnahme, um die eigene Klage zu ergänzen. Außerdem recherchierte die Frankfurter Rundschau erneut: Artikel vom 25.10.2011 mit Kommentar ... gleich im Kopfbereich von www.fr-online.de angekündigt:


Mehr Reaktionen:

Am 3.11.2011 fand dann eine Innenausschusssitzung beim Hessischen Landtag statt. Unter dem Druck der Akteneinsichtsergebnisse räumte der hessische Innenminister Boris Rhein nun ein, dass es eine Vorbesprechung in Wiesbaden gab und folglich wohl eher die Landesebene die Initiatorin war. Obwohl dort der MEK-Einsatz gegen Bergstedt besprochen wurde, hätte das Treffen trotzdem mit Bergstedt nichts zun tun gehabt - so versuchte Rhein die offensichtliche Lage zu verwirren. Seine Aussage aber ist absurd. Wenn es nicht um die Person Bergstedt, sondern, wie Rhein behauptete, um den Schutz Gießener Objekte und des dort wohnenden Innenministers ging, warum wurde das MEK denn in Saasen postiert? Dort wohnt nicht Bouffier, dort steht nicht seine Anwaltskanzlei, sondern dort steht die Projektwerkstatt!
Ansonsten beantwortete er viele Fragen nicht. Auch über 5 Jahre nach dem Ganzen behauptete er immer noch, erstmal in die Akten reingucken zu müssen ...


Damit war die Sache aber beendet. Die FR-Autoren schrieben ein neues Buch und die Landespolitik hatte neue Skandale produziert (NSU usw.). Allein die Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen die Staatsanwaltschaft, die alles einstellte, lief noch und wurde im Sommer 2012 dann auch abgewiesen (Ermittlungen gar aufgenommen). Der Vollständigkeit halber legte der Betroffene am 3.8.2012 Beschwerde dagegen ein. Was natürlich nichts nützte. Auch die Anzeige gegen die Staatsanwältin wegen Strafvereitelung wiederum wegen diesen Nichtsermittelns wurde am 21.6.2013 eingestellt - ein feste Burg ist die Justiz!

Eher die Ausnahme waren und sind Veranstaltungen zu dem Thema. Das hat eine Menge von Gründen, u.a. aber auch den, dass viele Eliten von linken Gruppen und Parteien den hierarchie- und herrschaftskritischen Betroffenen und Referenten nicht mögen - allzuoft hatte der nämlich schon auf interne Führungsstrukturen hingewiesen. So ist die Ton-Bilder-Schau "Fiese Tricks von Polizei und Justiz" im Rhein-Main-Gebiet bislang kaum gelaufen - noch nie in irgendwelchen politischen Zentren in Frankfurt oder Wiesbaden. Am 10.11.2011 aber lud die Humanistische Union in den Club Voltaire zu einem Gesprächsabend ein (Bericht).

Spaßcharakter bot dann der Vormittag des 14.11.2011. Frühmorgens standen Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt in der Projektwerkstatt. Eigentlich wäre die hessische Polizei zuständig gewesen, aber die mag nicht mehr in die Projektwerkstatt fahren ...

Eine neue Dimension: Informationsleck in der Polizei ...
Ende November kam neue Spannung hinzu. Offenbar gab es das erste Leck in den Polizeistrukturen. So gerieten interne Papiere an die FR, die sie am 24.11.2011 veröffentlichte. Unter anderem wurden Aktens manipuliert, dass nicht mehr gut erkennbar war, dass der damalige Innenminister Volker Bouffier in die Sache verwickelt war.


Fast zeitgleich fiel eine ähnliche Entscheidung beim Landgericht Gießen. Dort war die Kletteraktivistin Cécile Lecomte illegal eingesperrt worden. Doch die Strafanzeigen liefen ins Leere. Das Gericht entschied: Polizei darf zwar Recht nicht brechen. Tut sie es doch, ist es auch egal. Weil PolizistInnen doof sind, schützt sie das vor Strafe. Sie können es einfach nicht besser ...
Eines aber verursachte diese neuerliche Entscheidung, nämlich die Wahrnehmung, dass die Federballaffäre kein Einzelfall war.


Danach schlief die Geschichte wieder so ein, wie sie seltsam erwacht war ... nur auf einer englischsprachigen Seite tauchte die Story nochmal als Nacherzählung auf (neben anderen, u.a. auch weiteren aus Gießen). Erwähnung fand die Sache auch im landespolitischen Bericht 2012 der SPD-Innenpolitiksprecherin Nancy Faeser. Unter der Überschrift. "Polizeiskandale" stand da: "Die Umstände, unter denen der Gießener Polit-Aktivist Jörg Bergstedt 2006 vier Tage lang grundlos in Haft genommen wurde, sind bis heute ungeklärt. Ministerpräsident Bouffier behauptet stets, er könne sich an nichts mehr erinnern, während Rhein nur schrittweise die Einzelheiten einräumt, die bereits auf anderem Wege publik geworden sind. Im Dezember 2011 wurde eine Umweltaktivistin für eine Nacht rechtswidrig in Gewahrsam genommen, was für die verantwortlichen Polizeibeamten folgenlos blieb. Solche Ereignisse lassen an unserem Rechtsstaat zweifeln. Willkürlich erscheinender Freiheitsentzug, der für die Verantwortlichen noch nicht einmal Folgen hat, ist untragbar. Wir werden weiterhin vom Innenminister vollständige Aufklärung verlangen. Gegebenenfalls erfordert dies sogar einen Untersuchungsausschuss."


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